11:15 Uhr: Dann eröffne ich mal das Liveblog des letzten (halben) Tages. Zur Zeit geht es um das grüne Kernthema Friedens- und Sicherheitspolitik. Wie es sich für Kernthemen gehört, gibt es ein erhöhtes Konfliktpotential.
Schlagwort: die grünen
Zwischen diesen beiden Bildern liegen 25 Jahre:
Sie sehen den lange Zeit beliebtesten Jungenvornamen Deutschlands in Form von Lukas Beckmann (Fraktionsgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, oberes Foto: links, unteres Foto: rechts) und Lukas Heinser (Blogger, oberes Foto: Mitte, unteres Foto: links).
Beachten Sie für alle Parteitags-Beiträge bitte die Vorbemerkungen.
Beim Grünenparteitag in der Messe Erfurt ist eine ganze Halle für “Sponsoren und Aussteller” (und das Catering) reserviert. Die Liste der Sponsoren und Aussteller ist lang — und sie beinhaltet Firmen und Organisationen, die man auf einem Parteitag der Grünen nicht unbedingt erwartet hätte:
Aber schauen wir uns in Halle 2 doch einmal etwas genauer um:
Das mit Claudia Roth und mir ist irgendwie komisch: im Fernsehen finde ich sie (wenn sie nicht gerade bei “Zimmer frei” zu Gast ist) unerträglich. Ich kann ihren Sätzen nicht folgen, ich weiß hinterher nicht, was sie der Welt sagen – oder besser: zurufen – wollte. Sie ist mir zu emotional, zu laut, ja, letztlich: zu engagiert.
Jetzt stand sie hier gerade und hielt eine Rede zum Thema “60 Jahre Menschenrechte” und war wieder emotional, laut und engagiert. Aber in der Halle habe ich zumindest verstanden, warum man diese Frau die “Seele der Partei” nennt: sie reißt ihre Parteifreunde mit, weil sie emotional und engagiert ist — und laut, zu laut. Aber mehrstündige Diskussionen, ob man jetzt dieses Wort aus einem Antrag streichen oder jenes hinzufügen sollte, brauchen als Gegenpol wohl eine Parteivorsitzende, die ein wenig mutterbeimert. Dass ich ihr beim Thema Menschenrechte und ihrer Kritik an der Vorratsdatenspeicherung zustimme, war ja vorher schon abzusehen.
Was also hat sie der Welt zugerufen? Im Dezember wird die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 60 Jahre alt. Roth warnte vor “Sonntagsreden” und Lippenbekenntnissen zu diesem Anlass. Im Hinblick auf Guantanomo und Abu Ghraib wetterte sie: “Keine Demokratie ist wirklich stark, wenn in ihr die Menschenrechte missachtet werden.” Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus dürfe kein “Generalschlüssel” sein, um Menschenrechte auszuhebeln: “Sie gelten für jeden Menschen auf dieser Welt.”
Anders als bei der Atomenergie- und der Finanzmarktdebatte war ich am Thema Menschenrechte persönlich interessiert und konnte den ersten zehn, zwölf Redebeiträgen auch noch folgen. Aber dann war es wieder vorbei: alle wünschen sich mehr Menschenrechte, aber jeder muss noch einmal einen besonderen Focus auf das Thema legen. Jede einzelne Rede ist ihrem Redner inhaltlich sicher sehr wichtig, aber ich bezweifle schon, dass die Parteifreunde dem zwanzigsten Redner überhaupt noch richtig zuhören (können) – von den Außenstehenden ganz zu schweigen.
Wieder wach wurde ich dann bei dem Redner, der davor warnte, sich blind hinter Barack Obama zu stellen, und forderte, lieber mit den amerikanischen Grünen zu kooperieren. Also jener Partei, der man vorwirft, durch ihren Präsidentschaftskandidaten im Jahr 2000 George W. Bush den Weg ins Weiße Haus erst geebnet zu haben.
Weil ich gerade kaum zu anderen Themen komme – und weil es irgendwie zum Thema Presse- und Meinungsfreiheit passt – möchte ich Ihnen hier noch zwei Linktipps geben: Da ist zum einen die Kampagne, die der Deutsche Fußballbund gerade gegen den freien Sportjournalisten Jens Weinreich fährt, und zum anderen Lutz Heilmann, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, der gerichtlich gegen wikipedia.de vorgegangen ist, weil ihm der Eintrag zu seiner Person missfiel.
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Ich fürchte, das Privatfernsehen und der Shuffle-Modus von iTunes sind schuld daran, dass meine Aufmerksamkeitsspanne immer kleiner wird. Bei Uni-Vorlesungen merke ich, wie nach ziemlich exakt 45 Minuten nur noch “Blubb, Blubb, Blubb” bei mir ankommt. Insofern sind Parteitage natürlich genau das richtige für mich.
Ich hatte mir wirklich Mühe gegeben und wollte zuhören, was die verschiedenen Rednerinnen und Redner zum Finanzmarkt zu sagen hatten. Und anfangs lief das auch noch ganz gut: Antragsteller Gerhard Schick verglich den “Wahnsinn” auf den Finanzmärkten mit dem Rinderwahnsinn vor acht Jahren. Er kritisierte Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) und schloss sich Reinhard Bütikofers Forderungen nach einem “Grünen New Deal” an. Kerstin Andreae wünschte sich gleich einen neuen Wirtschaftsminister, weil Michael Glos eine Aussetzung der Umweltabgaben für Firmen gefordert hatte.
Das nächste, was ich wieder mitbekommen habe, war der vorletzte Redner Fritz Kuhn, der “Scheiße bleibt Scheiße” sagte. Denn selbst wenn man sich auf die Reden der einzelnen Delegierten konzentriert, fehlt einem der Blick fürs große Ganze: man hätte sämtliche Anträge und Änderungsanträge lesen und verstehen müssen. Und auch da rächt sich wieder meine Aufmerksamkeitsspanne, die schon meine Juristen-Karriere zerstört hat: nach drei Absätzen steht da nur noch “Blubb, Blubb, Blubb”.
Und sowas hier erinnert mich dann fatal an die Mathe- und Physikkurse meiner Schulzeit:
Änderungsantrag zu FM-01
Zeile 63-65 “Die Politik darf sich nicht scheuen” bis “handlungsunfähig werden lässt” streichen
Grundsätzlich kann man aber glaub ich vor der gleich folgenden Abstimmung zusammenfassen: Wer eine völlig frei vor sich hin wirtschaftende Finanzwelt will, ist bei der FDP wohl besser aufgehoben als bei den Grünen.
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Für jeden Obama-Verweis hier auf dem Grünenparteitag sollen wir einen Kiwilikör trinken, hat Kunar in den Kommentaren geschrieben. Bisher hält sich das in den Reden in Grenzen, aber diese Journalisten fordern uns einiges ab:
Und zum Schluss noch ein richtig knackiger Slogan von welt.de:
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17:28 Uhr: Ich bin gerade mit mir in Klausur gegangen und habe beschlossen, die Berichterstattung in Form eines Liveblogs zu versuchen. Das klappt ja eigentlich immer ganz gut und so muss ich mir auch nicht das Blog mit Dutzenden Einzeleinträgen füllen. Zwei Mal bin ich schon beinahe mit Claudia Roth kollidiert, was ein Auftakt nach Maß ist.
Zur Zeit hält Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) eine kleine Stadtführung ab — allerdings ohne die Halle zu verlassen.
Alle fünf Blogger sind gut in Erfurt und der dazugehörigen Messe angekommen, jetzt sitzen wir in einer Messehalle, die einmal mehr beweist, warum die Redewendung “gemütlich wie eine Messehalle” in jeder Sprache der Welt unbekannt ist. Immerhin ist sie an den Rändern grün ausgeleuchtet.
Hier einmal ein erster Eindruck:
Morgen früh geht’s los nach Erfurt zur Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen. Die wird vermutlich nur noch so lange so heißen, bis jemand auf die Idee kommt, dass man von Partizipen auch weibliche Formen bilden könnte — denn dann muss es natürlich “BundesdelegiertInnenkonferenz” heißen. Bei den Grünen müssen Anträge nämlich in “geschlechtergerechter Sprache” formuliert werden — und das nicht etwa seit der Gründung in den frühen Achtziger Jahren, sondern seit 2007. Sprachästhet, der ich bin, werde ich in meiner Berichterstattung auf derlei Mätzchen allerdings verzichten. Sonst müsste ich die Partei ja auch “Bündnis 90/Die Grüninnen und Grünen” nennen.
Auf noch etwas möchte ich hinweisen: Erwarten Sie von mir um Himmels Willen keine politischen Analysen. Ich habe keine Ahnung von Politik, was Sie schon daran merken können, dass ich diese regelmäßig an dem messe, was ich “gesunden Menschenverstand” nennen würde. Politik interessiert mich als Popkulturfanatiker und studierter Germanist eher von außen: Was reden die da (zumeist gedacht als “Was zum Henker reden die da für eine Scheiße?”), was passiert da, wie wirkt das? Der Umstand, dass ich auf Parteipolitik mit Schütteln am ganzen Körper reagiere, ist übrigens jenen Bochumer SPD-Lokalpolitikern geschuldet, die mich nach einem Interview, das ich als Praktikant für CT das radio mit ihnen führen musste, zum Parteibeitritt zu überreden versuchten.
Ich möchte aus Gründen der Transparenz auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Grünen mir (und den vier anderen Stipendiaten) Anreise und Unterkunft bezahlen. Dafür opfern wir aber unsere Wochenenden und teilweise Urlaubstage (und ich die Möglichkeit, den Sieg von Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München in einer Fußballkneipe zu gucken). Zwar hätte ich durchaus “die finanziellen Möglichkeiten […], zu Veranstaltungen zu reisen”, wäre aber von alleine nie auf die Idee gekommen, einen Parteitag zu besuchen. Wenn Sie dieses Blog regelmäßig lesen, kennen Sie meine Meinung zu Veranstaltungen, auf denen viel geredet wird.
Auch soll nicht unerwähnt sein, dass ich in der Vergangenheit schon das eine oder andere Mal mein Kreuz bei den Grünen gemacht habe — im schlimmsten Fall könnte die Partei also mit end- und sinnlosen Diskussionen einen möglichen Wähler verlieren. Als Reaktion auf die unfähige und das Grundgesetz verachtende große Koalition halte ich für 2009 allerdings eine gelb-grüne Bundesregierung für die einzige Alternative.
Alle Blog-Einträge zur Bundesdelegiertenkonferenz können Sie unter dem Tag bdk08 finden bzw. bei Nicht-Interesse ignorieren.
Und hier noch die Links zu den vier anderen Blogs:
www.regine-heidorn.de
flannelapparel.blogspot.com
www.jurblog.de
www.pottblog.de
Nachdem ich mich in der vergangenen Nacht an der Schönheit der Demokratie berauscht habe, werde ich nächste Woche Gelegenheit haben, mich mit dem harten politischen Alltagsgeschäft in Deutschland zu befassen.
Vor einigen Wochen hatte die Partei Bündnis 90/Die Grünen (und das war das erste und letzte Mal, dass ich diesen knackigen Namen komplett ausgeschrieben habe) einen Aufruf gestartet, bei dem sich Blogger für eine Art Bloggerstipendium für den Bundesparteitag (der bei den Grünen Bundesdeligiertenkonferenz heißt) bewerben konnten. Weil ich bereits in ganz jungen Jahren verschiedene Grünen-Veranstaltungen besucht hatte, fühlte ich mich hinreichend kompetent für diesen Job und habe mich dort beworben.
Jetzt habe ich erfahren, dass ich vom 14. bis zum 16. November in Erfurt dabei sein darf. Es wird mein erster Parteitag und ich bin sehr gespannt. Ich erwarte nicht allzu viel “Change”-Stimmung, auch wenn mit Cem Özdemir erstmals ein türkischstämmiger Politiker Vorsitzender einer größeren deutschen Partei werden kann.
Nun werden Sie vielleicht denken: “Die Partei zahlt ihm Zugfahrt und Hotel, da wird er die ja sicher in den Himmel loben!” Da kann ich Sie beruhigen: So lange Claudia Roth, die am Montag vor die Presse stürmte und das Verhalten der vier hessischen SPD-Abweichler verurteilte, bevor die sich überhaupt erklärt hatten, bei den Grünen dabei ist, wird es genug geben, über das ich mich ärgern kann.
Erwarten Sie also stimmungsvolle Impressionen aus der mir völlig fremden Welt der Parteipolitik hier bei Coffee And TV — und ebenfalls im Pottblog, denn Jens ist witzigerweise auch dabei.
Auf jeden Sieger zehn Verlierer
Stellen wir uns für einen Moment bitte Folgendes vor: Ich habe Usain Bolt, den schnellsten Mann der Welt, zu einem Wettrennen über 100 Meter herausgefordert. Usain Bolt hat sich vorher beide Beine gebrochen, tritt aber trotzdem an. Durch dieses Handycap läuft Bolt die Strecke in 12,5 Sekunden, ich brauche 29,2 Sekunden und bin damit so langsam wie noch nie. Nach dem Rennen erkläre ich mich zum klaren Sieger, weil Bolt ja normalerweise viel, viel schneller ist und das muss man ja auch berücksichtigen.
Wenn Sie dieser Argumentation folgen können (und nicht schon bei der Vorstellung, ich könnte 100 Meter geradeaus laufen lachend unter Ihrem Schreibtisch verschwunden sind), sind Sie vermutlich in der SPD. Die hat nämlich gerade bei der bayrischen Landtagswahl das schlechteste Ergebnis ever eingefahren, was sie in der Selbstwahrnehmung zum Sieger macht, weil die CSU (die 2,3 Mal so viele Stimmen erhalten hat) immerhin seit 54 Jahren nicht mehr so schwach war.
Die gebrochenen Beine von Usain Bolt heißen Günther Beckstein und Erwin Huber und sie haben die Wahl natürlich nur derart vor die Wand gefahren, um Edmund Stoiber seinen 67. Geburtstag zu verhageln. Dafür haben sie Stoiber (und ich fürchte, Sie werden sich heute noch mit einigen schiefen Bildern rumschlagen müssen) bei Tempo 180 aus dem fahrenden Wagen geworfen, während Horst Seehofer an der Handbremse nestelte und Gabriele Pauli das Verdeck einfahren wollte. Aber für das führerlose und zertrümmerte Gefährt hätten sie immerhin noch die volle Pendlerpauschale beziehen können.
Die in jeder Hinsicht beeindruckende Schlappe für die CSU, die fast ein Drittel ihrer Wählerstimmen eingebüßt hat, wird aber in den Schatten gestellt von einer SPD, die das eigene Debakel elegant ignoriert (wohl Dank der Erfahrung auf dem Gebiet) und allen Ernstes Ansprüche auf die Regierungsbildung anmeldet.
Frank-Walter Steinmeier, den sie in der Partei mittlerweile vermutlich für einen Albino-Barack-Obama halten, der aber bestenfalls ein ganz sicher nicht gefärbter Gerhard-Schröder-Klon ist (was immerhin schon mal bedeutend besser ist als ein unrasierter Gordon-Brown-Klon), dieser Frank-Walter Steinmeier also stellt sich hinter ein Mikrofon und sagt:
Und immerhin: Es ist zum ersten Mal für viele Wählerinnen und Wähler in Bayern vorstellbar und möglich gewesen, nicht mehr CSU zu wählen. Sie sind noch nicht gleich durchgegangen zur SPD, aber es entsteht eine Perspektive.
Na, hurra! Da könnte ich ja auch in lautstarke Verzückung geraten, weil Natalie Portman nicht mehr mit Devandra Banhart zusammen ist — und mich jetzt sicher endlich heiraten wird.
Franz Maget, der aussieht wie Peter Zwegat, aber SPD-Spitzenkandidat in Bayern war, verspricht, den “halben Weg” beim “nächsten Mal” nachzuholen, und die Wähler nicht nur weg von der CDU, sondern auch hin zur SPD zu holen. Das klingt, als steckten die Wähler zwischen Villariba und Villabajo (formerly known as Not und Elend) auf halber Strecke im Schlamm — und nicht, als hätten sie sich gerade irgendwo ganz anders ein gemütliches kleines Zeltlager am warmen Herd von Gabi Pauli errichtet.
Um die Runde vollzumachen, trat auch noch Andrea Ypsilanti, die das Wortpaar “glaubwürdiger Politiker” im Alleingang zum Oxymoron stempeln will, freudestrahlend vor die Kameras und sprach von der zweiten Wahl, die “gründlich schiefgegangen” sei für … die CDU/CSU. Mit der ersten meint sie wohl ihre eigene in Hessen, diesem armen Bundesland, dass seit einem halben Jahr von einem geschäftsführenden Ministerpräsidenten regiert wird, der auch noch Roland Koch heißt.
Denn das ist die eigentliche Sensation der Wahlen in Hessen und Bayern: dass die Union nicht wegen ihrer politischen Gegner so dumm dasteht, sondern wegen ihres eigenen Führungspersonals. Aber selbst dann schafft es die SPD nicht, wenigstens so viele Wähler zu mobilisieren, dass sie selbst die meisten Stimmen bekommt — was nach meinem Demokratieverständnis (Koch hin, Beckstein her) irgendwie dringend notwendig wäre, um wasauchimmer zu regieren.
Aber vermutlich weiß es der Wähler zu schätzen, wenn eine Partei, der er vielleicht auch noch seine Stimme gegeben hat, in erster Linie durch Schadenfreude über die Verluste des politischen Gegners auf sich aufmerksam macht. Eigentlich ist es da doch inkonsequent, nicht gleich noch einen Schritt weiter zu gehen, auf Österreich zu zeigen und “wenigstens hat bei uns keiner das Nazipack gewählt” zu rufen.
Dass auch ein in Bayern erworbenes Abitur nicht zwangsläufig für große Mathematikkenntnisse steht, bewies dann Claudia Roth, die Mutter Beimer der Grünen. Sie sieht “eine deutliche Mehrheit jenseits der CSU”, die sich in den absoluten Zahlen der Sitzverteilung wohl vor allem darin niederschlägt, dass alle anderen Parteien zusammen exakt drei Sitze mehr haben als besagte CSU. Daraus leitet Frau Roth einen “Auftrag” zur Regierungsbildung ab.
Es ist beeindruckend, mit welcher Unbeirrtheit Politiker große Debakel und mittlere Enttäuschungen (die Grünen haben zwar als einzige vorher im Landtag vertretene Partei hinzugewonnen, sind aber nicht mal mehr drittstärkste Fraktion) in Siege und Triumphe umzuwidmen versuchen. Wie ein Wahlergebnis gedeutet werden soll, das eigentlich nur den Schluss zulässt, dass die Wähler die Schnauze voll haben von den beiden großen Volksparteien, die die Bundesrepublik seit drei Jahren in trauter Zwietracht regieren (und dabei noch jedes zweite Gesetz verfassungswidrig gekriegt haben). Und wie die Lähmung, die so ein Land durch uneindeutige Machtverhältnisse erfährt, gefeiert wird.
Man wartet eigentlich nur noch auf den Tag, an dem irgendeine Partei (mutmaßlich eine von Guido Westerwelle geführte) auf die Idee kommt, bei Wahlergebnissen analog zur Einschaltquote im Fernsehen eine “werberelevante Zielgruppe” auszurufen und nur noch das Abstimmverhalten der 14- bis 49-Jährigen berücksichtigen zu wollen.
Dabei sind die deutschen Vertreter noch blass und harmlos gegen das Personal, das im US-Wahlkampf angetreten ist, um das Amt zu erobern, das man nicht umsonst das wichtigste der Welt nennt. Wir haben ja noch nicht mal eine Sarah Palin (obwohl ich glaube, dass Gabriele Pauli für die Rolle notfalls zur Verfügung stünde), von einem John McCain oder Joe Biden ganz zu schweigen.
Andererseits reichen Ronald Pofalla, Guido Westerwelle und Oskar Lafontaine für den Anfang völlig aus.
[Ausgelöst via twitter]
Ein Bild besteht aus tausend Worten
Wir machen heute mal ein Gedankenexperiment. Stellen Sie sich bitte vor, was ein seriöses Internetportal, das nicht nur auf Klicks aus ist, nach einer solchen Einleitung schreiben würde:
Bei den Jungen Grünen in der Schweiz kann man Aufkleber mit Sprüchen bestellen, die SUVs an den Pranger stellen. „Ich bin auch ein Panzer“ steht beispielsweise darauf in Anspielung auf den Hummer zu lesen.
Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, wie sich “RP Online” dem Thema annehmen würde. Der folgende Satz ist dabei ein guter Hinweis:
Im Folgenden sehen Sie, wie kreativ die Partei ist.
Natürlich hat “RP Online” eine Bildergalerie zum Thema gebastelt. Das besondere dabei ist, dass jedes der zehn Bilder auf der linken Seite das immer gleiche Foto (eine Fahne der Jungen Grünen) zeigt, während auf der rechten Seite jedes Mal ein anderer … nun ja: Text steht (Bild 1, Bild 2, Bild 3, Bild 4, Bild 5, Bild 6, Bild 7, Bild 8, Bild 9, Bild 10).
Zum Mitschreiben: “RP Online” baut eine Bildergalerie mit zehn Grafiken, die sich alle nur im Text unterscheiden.
Das scheint selbst für die Verantwortlichen bei “RP Online” ein bisschen too much zu sein. Wie ich darauf komme? Och, die Überschrift deutet darauf hin:
Nachtrag, 19. Juni: Wie angesichts des “(nicht verwenden)” zu erwarten war, ist die Bildergalerie inzwischen im Datennirvana von “RP Online” verschwunden. [via Birgit in den Kommentaren]