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Musik

Auf der anderen Seite

Wenn wir über deutsch­spra­chi­ge Musik im Jahr 2017 spre­chen, kön­nen wir natür­lich von den wei­chen Zie­len, den pop cul­tu­re pun­ching bags reden wie Max Gie­sin­ger, Mark Fors­ter oder Julia Engel­mann. So, wie man US-ame­ri­ka­ni­sche Musik an Shania Twa­in, Ima­gi­ne Dra­gons und den Chains­mo­kers fest­ma­chen könn­te. Wäre natür­lich nur Quatsch.

Es reicht eigent­lich, wenn man nur weni­ge Mil­li­me­ter vom Main­stream abbiegt – schon hat man Künst­ler und Bands, die tat­säch­lich etwas zu sagen haben. Die­ses Jahr z.B. Schrott­gren­ze, kett­car und Cas­per.

Heu­te haben Toco­tro­nic den sog. ers­ten Vor­bo­ten ihres kom­men­den Albums „Die Unend­lich­keit“ (VÖ: 26. Janu­ar 2018) raus­ge­hau­en:

Mal davon ab, dass ich bei dem jun­gen Mann in wei­ßer Klei­dung und mit lan­gen schwar­zen Haa­ren die gan­ze Zeit an Andrew W.K. den­ken muss­te: gutes Video, das die ame­ri­ka­ni­sche Vor­stadt­höl­le 1:1 ins Deut­sche über­setzt (so, wie es die Stadt­pla­ner auch schon getan haben), beein­dru­cken­der Song, Hal­tung.

Auch schön: Auf dem aktu­el­len Band­fo­to geht Arne Zank als Ste­ven Spiel­berg und Rick McPhail als J Mascis.

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Cinema And Beer: „Oh Boy“

In der zwei­ten Fol­ge unse­rer neu­en Pod­cast-Rei­he gehen wir ins soge­nann­te Opf­aki­no und sehen uns „Oh Boy“ von Jan-Ole Gers­ter (Sor­ry!) an.

Oh Boy (Offizielles Filmplakat)

Cine­ma And Beer: „Oh Boy“
(Zum Her­un­ter­la­den rechts kli­cken und „Ziel spei­chern unter …“ wäh­len.)
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Musik

Ihr wollt ein Liebeslied, ihr kriegt ein liebes Lied

Ver­gan­ge­nen Don­ners­tag stand ich kurz davor, mir meh­re­re Glied­ma­ßen abzu­na­gen: Ich saß in einer Köl­ner Mehr­zweck­hal­le und als wäre das nicht schon schlimm genug, fand in die­ser Hal­le zu die­sem Zeit­punkt auch noch der Bun­des­vi­si­on Song Con­test statt. Ste­fan Raabs inner­deut­scher Grand Prix, der sich nicht so recht zwi­schen staats­tra­gen­dem Ges­tus und iro­ni­scher Distanz ent­schei­den kann, konn­te es in Sachen Show und Unter­hal­tung nicht mit dem euro­päi­schen Vor­bild auf­neh­men. Das war zu erwar­ten gewe­sen. Womit eher nicht zu rech­nen war: Dass der ESC dem BuVi­So­Co auch musi­ka­lisch über­le­gen sein wür­de.

Seit eini­ger Zeit füh­le ich mich, als stün­de ich an irgend­ei­nem Bahn­hof am Gleis und der pop­mu­si­ka­li­sche Zug sei ein­fach ohne mich wei­ter­ge­fah­ren, immer wei­ter in die Pro­vinz hin­ein. BuVi­So­Co-Sie­ger Tim Bendz­ko, Phil­ipp Poi­sel, der Rap­per Cas­per, der Tom­te-lose Thees Uhl­mann – ihre Plat­ten wer­den von vie­len Kri­ti­kern gelobt und von irr­sin­nig vie­len Men­schen gut gefun­den, denen ich sonst durch­aus Musik­ge­schmack unter­stel­len wür­de. Und ich ste­he fas­sungs­los dane­ben und füh­le mich, als wären plötz­lich Alle Fans des VfL Wolfs­burg.

Deutsch­spra­chi­ge Musik, so scheint es, zer­fällt die­ser Tage in zwei Extre­me: Auf der einen Sei­te der Dis­kurs­pop von Toco­tro­nic, Jochen Dis­tel­mey­er oder Ja, Panik, der von Zeit­schrif­ten wie „Spex“ und „Intro“ abge­fei­ert, aber so rich­tig dann doch von nie­man­dem ver­stan­den wird, auf der ande­ren die gefüh­li­gen Singer/​Songwriter, deren Songs die Musik­re­dak­tio­nen deut­scher Radio­sen­der vor zehn Jah­ren noch den Kol­le­gen von WDR 4 rüber­ge­scho­ben hät­ten. Indie ist nicht nur Main­stream gewor­den, son­dern in Tei­len auch zum Schla­ger geron­nen.

Als vor sie­ben, acht Jah­ren die „neu­es­te deut­sche Wel­le“ aus­ge­ru­fen wur­de, weil Bands wie Wir Sind Hel­den, Juli oder Sil­ber­mond plötz­lich in Sachen Absatz­zah­len und Air­play erfolg­reich waren, war schon zu befürch­ten, als was für eine Far­ce sich die Geschich­te wie­der­ho­len wür­de. So wie Anfang der Acht­zi­ger auf Kraft­werk, Ide­al und die Fehl­far­ben irgend­wann Mar­kus, Hubert Kah und Fräu­lein Men­ke gefolgt waren, wür­de auch dies­mal das gan­ze Sys­tem in sich zusam­men­stür­zen, bis nur noch ein paar One Hit Won­der für den Nach­fol­ger der „ZDF-Hit­pa­ra­de“ übrig blie­ben und dann wür­de über Jah­re kein Label mehr deutsch­spra­chi­ge Musi­ker unter Ver­trag neh­men und kein Radio­sen­der sie spie­len.

Doch es kam schlim­mer als befürch­tet: Der Erfolg von Bands wie Sil­ber­mond, Revol­ver­held oder Cul­cha Can­de­la erwies sich als eini­ger­ma­ßen nach­hal­tig und die gan­zen ver­zwei­fel­ten Nach­züg­ler-Sig­nings, die den Plat­ten­fir­men in den Acht­zi­gern irgend­wann um die Ohren geflo­gen waren, erwie­sen sich jetzt, in den Zei­ten ihrer schlimms­ten Kri­se, zumeist als gül­de­ne Glücks­grif­fe. Die ver­damm­te Bla­se woll­te ein­fach nicht mehr plat­zen!

Als Andrea Berg bei der dies­jäh­ri­gen Echo-Ver­lei­hung ein wenig pat­zig mehr als nur eine Schla­ger-Kate­go­rie beim deut­schen Musik­preis ein­for­der­te, brach­te das die ohne­hin schlech­te Stim­mung in der Hal­le nicht gera­de nach vor­ne. Dabei waren unter der Über­schrift „Album des Jah­res (natio­nal oder inter­na­tio­nal)“ fol­gen­de Wer­ke nomi­niert gewe­sen: „Gro­ße Frei­heit“ von Unhei­lig, „Schwe­re­los“ von Andrea Berg, das „Best Of“ von Hele­ne Fischer, „My Cas­set­te Play­er“ von Lena und „A Curious Thing“ von Amy Mac­do­nald. Es muss schon ein erstaun­li­cher gesell­schaft­li­cher Wan­del statt­ge­fun­den haben, wenn die jun­ge, weib­li­che Ant­wort auf Chris de Burgh und das Album der deut­schen ESC-Teil­neh­me­rin („Schla­ger-Grand-Prix“, wie man­che Men­schen heu­te noch sagen) die unschla­ger­haf­tes­ten Ver­tre­ter bei den meist­ver­kauf­ten Alben des Jah­res dar­stel­len.

Mode­ra­to­rin Ina Mül­ler hat­te bei der Ver­lei­hung des Volks­mu­sik-Echos an die Ami­gos laut­stark dazu auf­ge­ru­fen, die Wän­de zwi­schen den Schub­la­den ein­zu­rei­ßen, dabei woll­ten die anwe­sen­den coo­len und klatsch­fau­len Rock­stars und Plat­ten­fir­men­men­schen sich nur nicht ein­ge­ste­hen, dass das längst gesche­hen war. Quer durch alle Kate­go­rien nomi­niert waren ein zot­te­li­ger Gei­ger, der sich kom­mer­zi­ell erfolg­reich an der Inter­pre­ta­ti­on von Rock­songs ver­sucht hat­te; ein altern­der Chan­son­nier; ein jugend­li­cher Chan­son­nier; eine Opern­sän­ger-Boy­group, die Pop­songs nach­schmet­tert; der Erfin­der des Gothic-Schla­gers und nicht zuletzt Ina Mül­ler selbst, deren Songs von Frank Ramond geschrie­ben wer­den, der seit Jah­ren mit sei­nen augen­zwin­kern­den Wort­spie­le­rei­en für Annett Loui­san, Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger und Roger Cice­ro den Mas­sen­ge­schmack trifft wie kaum ein Zwei­ter.

Was uns zu Cas­per bringt, jenem „Kon­sens-Rap­per“, des­sen Album „XOXO“ über­ra­schend, ange­sichts des media­len „Geheimtipp“-Overkills im Vor­feld aber durch­aus kon­se­quen­ter­wei­se auf Platz 1 der Charts ein­ge­stie­gen war. Dies ist die Stel­le, an der ich fai­rer­wei­se erklä­ren soll­te, dass ich bis auf weni­ge Aus­nah­men mit deutsch­spra­chi­gem Hip­hop so rein gar nichts anfan­gen kann. Das war in den 1990ern noch ganz lus­tig, als alle wie die ame­ri­ka­ni­schen Vor­bil­der auf dicke Hose mach­ten, miss­fällt mir jetzt aber zuneh­mend. Dabei will ich nicht mal aus­schlie­ßen, dass man auch auf Deutsch hin­ter­grün­di­ge, wit­zi­ge und gute Tex­te rap­pen kann – allein man­gelt es den meis­ten Ver­tre­tern die­ses Gen­res schon an den dafür not­wen­di­gen Fer­tig­kei­ten, sprich: Skills. Es reicht mir nicht, wenn sich einer holp­rig durch die Sät­ze quält. Womög­lich fehlt mir das not­wen­di­ge Enzym oder Gen, aber in mei­nen Ohren fällt „Das war’s. Auf das, was war /​ Zwi­schen all den Ficks auf dem Tisch aus dem Glas /​ Und hätt‘ ich dich nie gekannt /​ Wär‘ der Ben bloß der Cas­per der rappt /​ Aber du wärst nur die Frau von der Bar“ (Cas­per) sprach­lich und inhalt­lich sogar noch hin­ter „Ver­piss dich /​ Ich weiß genau, Du ver­misst mich“ (Tic Tac Toe) zurück. ((„Aus“! „Dem“! „Glas“! Alter, was ist mit Dir nicht in Ord­nung?!)) Wenn das „Stu­den­ten­rap“ sein soll (und Sie müs­sen sich das auch noch in Cas­pers Schiff­schau­kel­brem­ser­stim­me vor­stel­len), kann ich auf eine Begeg­nung mit „Son­der­schü­ler­rap“ bes­tens ver­zich­ten.

Doch die Ver­to­nung von Tage­buch­ein­trä­gen wird geschätzt. Es ist eine „neue“, womög­lich „scho­nungs­lo­se Offen­heit“. Klop­stock 2.0. Da ist es auch nicht ver­wun­der­lich, dass Tom­te-Sän­ger Thees Uhl­mann (der mit Cas­per bei gleich zwei Tracks koope­riert) auf sei­ner ers­ten Solo-Sin­gle tote Fische besingt.

Doch, tat­säch­lich: „Zum Lai­chen und Ster­ben zie­hen die Lach­se den Fluss hin­auf“ ver­kün­det er und preist auf sei­nem Album wie in zahl­rei­chen Inter­views das Dorf­le­ben. Bei Tom­te hat­te er noch davon gesun­gen, „sein Ver­sa­gen nicht län­ger Über­zeu­gung zu nen­nen“, auf sei­nem selbst­be­ti­tel­ten Solo­de­büt zele­briert er jetzt genau das. Von Jour­na­lis­ten lässt er sich dabei mit Bruce Springsteen ver­glei­chen – und wenn die es nicht tun, macht er es eben selbst. Zwar konn­te nicht ein­mal der Boss über eine Super­markt­kas­sie­re­rin sin­gen, ohne dass man vor Fremd­scham in einen Turm aus Kon­ser­ven­do­sen sprin­gen woll­te, aber das hält Uhl­mann nicht davon ab, die­ses Feld mit „Das Mäd­chen von Kas­se 2“ noch ein­mal zu beackern. Ich erken­ne den Ver­such an, den gesell­schaft­lich Über­se­he­nen ein Denk­mal bau­en zu wol­len, aber, Ent­schul­di­gung!, das konn­ten Pur bes­ser – und die muss­ten dafür zur Stra­fe im Stu­dio­ne­bel der „Hit­pa­ra­de“ ste­hen.

Über­haupt müs­sen wir Abbit­te leis­ten bei Pur, der Mün­che­ner Frei­heit, Rein­hard Mey, Wolf Maahn, Heinz-Rudolf Kun­ze, Klaus Lage, Bap, Pur­ple Schulz und vor allem bei Udo Jür­gens. ((Nicht jedoch und unter kei­nen Umstän­den bei Mari­us Mül­ler-Wes­tern­ha­gen.)) Von mir aus soll Tim Bendz­ko nur noch kurz die Welt ret­ten wol­len und Andre­as Bou­ra­ni (des­sen „Nur in mei­nem Kopf“ ich für ein paar Wochen sogar ziem­lich toll fand) wie ein Eis­berg glän­zen und schei­nen wol­len, aber dann kön­nen wir nicht mehr mit dem Fin­ger auf die Leu­te zei­gen, die ein paar Jahr­zehn­te zuvor das Glei­che gemacht haben.

Die Uhlmann’schen Hei­mat­me­lo­dien und die gan­zen wasch­lap­pi­gen Lie­bes­be­teue­run­gen der jun­gen Lie­der­ma­cher sind die pop­kul­tu­rel­le Rück­kehr zum Bie­der­mei­er. Sie lie­fern das „klei­ne biss­chen Sicher­heit“ in „die­ser schwe­ren Zeit“, das Sil­ber­mond schon vor zwei­ein­halb Jah­ren ein­ge­for­dert hat­ten. Die­ser Eska­pis­mus ins Inners­te zeig­te sich dann auch am Tref­fends­ten im Namen jener Band, die sich beim Bun­des­vi­si­on Song Con­test einen Moment wünsch­te, der „echt“ und „per­fekt“ ist: Glas­per­len­spiel. Her­mann Hes­se ist ja tat­säch­lich das, was uns am volks­wirt­schaft­li­chen Abgrund noch gefehlt hat: Wan­de­run­gen durch Indi­en, ein biss­chen Meta­phy­sik und dann hin­ein in die Selbst­aus­lö­schung. Die Bücher von Mar­got Käß­mann ver­kau­fen sich schon ver­däch­tig gut.

Gewiss, das alles sind Geschmacks­fra­gen. Und die kann man sich ja oft genug selbst nicht beant­wor­ten. Ich ver­ste­he zum Bei­spiel nicht, war­um ich das Debüt­al­bum von Gre­gor Meyle (Zwei­ter bei Ste­fan Raabs vor­letz­ter Cas­ting-Show) immer noch ganz char­mant fin­de, beim ähn­lich roman­tisch gela­ger­ten Phil­ipp Poi­sel aber immer kurz vor der Selbst­ent­lei­bung ste­he. ((Poi­sel hat aller­dings auch eine Stim­me, auf die ich mir kör­per­li­cher Abnei­gung reagie­re – wobei mir der nasa­le Gesang eines Bil­ly Cor­gan oder das Röh­ren eines Kel­ly Jones immer gut gefal­len hat.))

Viel­leicht hängt mei­ne Abnei­gung auch mit der Spra­che zusam­men, wobei Thees Uhl­mann gleich das bes­te Gegen­ar­gu­ment gegen die­se The­se ist, denn bei Tom­te waren sei­ne Tex­te ja über wei­te Tei­le noch unpein­lich bis groß­ar­tig. Ande­rer­seits: Eine Aus­sa­ge wie „Du hast die Art ver­än­dert, wie Du mich küsst“ wür­de man ohne zu Zögern dem Werk der Andrea Berg zuord­nen. Auf Eng­lisch taugt es beim Rap­per Exam­p­le zu einem der bes­ten Songs des Jah­res. Und irgend­wie war es gar nicht so schlimm, als Prin­ce oder Chris Mar­tin auf Eng­lisch san­gen, der Ver­flos­se­nen nie­mals Kum­mer berei­tet haben zu wol­len. Wenn jetzt einer singt, „Ich woll­te nie, dass Du weinst“, wünscht man sich doch drin­gend Ramm­stein her­bei, die bit­te das genaue Gegen­teil dekla­mie­ren sol­len, nur damit mal ein biss­chen Leben in der Bude ist.

„Kei­ner, wirk­lich kei­ner, braucht deut­sche Song­wri­ter“ singt Frie­de­mann Wei­se in sei­nem sehr unter­halt­sa­men Lied, das nur einen klei­nen Haken hat: Das ein­zi­ge, was noch schlim­mer ist als scho­nungs­lo­se Offen­heit in Lied­tex­ten, ist unge­hemm­te Iro­nie. Des­we­gen sind die Toten Hosen bei all ihrer Schlimm­heit immer noch den Ärz­ten vor­zu­zie­hen, die jed­we­den Hin­weis auf eine Hal­tung ver­mis­sen las­sen.

Die zen­tra­le Fra­ge jedoch bleibt: War­um sind heu­te Musi­ker mit Tex­ten erfolg­reich, die jun­ge Men­schen noch vor weni­gen Jah­ren rund­her­aus als kit­schig abge­lehnt hät­ten? Sind die Hörer sen­si­bler gewor­den oder nur tole­ran­ter? Und was hat das alles mit der WM 2006 zu tun?

Offen­le­gung: Ich habe an der dies­jäh­ri­gen Echo-Ver­lei­hung mit­ge­ar­bei­tet und bin mit eini­gen der hier gediss­ten Künst­ler per­sön­lich bekannt.

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The End Is The Beginning Is The End

Als ich noch über eine aka­de­mi­sche Kar­rie­re nach­dach­te, hielt ich es als begeis­ter­ter Varie­tä­ten­lin­gu­ist für eine gute Idee, mei­ne Dok­tor­ar­beit über Brot­enden zu schrei­ben (die Alter­na­tiv­idee hieß „Ficken, Bum­sen, Bla­sen – Eine Ety­mo­lo­gie der Sex-Spra­che“). Denn, so hat­te ich gelernt: Die­se Din­ger hei­ßen über­all anders.

Eine ansehn­li­che Lis­te mit Bezeich­nun­gen (sowie mit Namen für das Kern­ge­häu­se eines Apfels) hat­te ich schon begon­nen – und es steht Ihnen natür­lich frei, die­se in den Kom­men­ta­ren zu ergän­zen. Ich erfuhr, dass es sogar Dör­fer gibt, in denen der Anfang und das Ende eines Bro­tes unter­schied­li­che Bezeich­nun­gen haben. Da ist man dann schnell im Grenz­ge­biet von Lin­gu­is­tik und Phi­lo­so­phie.

Schwie­rig wür­de es da natür­lich bei so einem Kan­di­da­ten der kubis­ti­schen Pha­se:

Quadratisch, praktisch, Brot
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Da lacht der Anglist

Unbe­kann­te haben sich in der ver­gan­ge­nen Woche einen Spaß draus gemacht, Todes­mel­dun­gen zu streu­en. Opfer davon waren unter ande­rem Pop­s­tern­chen Brit­ney Spears (27), Schau­spie­ler Jeff Gold­blum (56), Schau­spie­le­rin Nata­lie Port­man (28) – und jetzt auch Schau­spie­ler und Womanzi­ner Geor­ge Cloo­ney (48).

Sowas ist natür­lich nicht lus­tig.

Zumin­dest nicht, bis man weiß, auf wel­cher Sei­te die­se Mel­dung steht:

www.die-topnews.de

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Blog am Bein

Writer's block

Kürz­lich wohn­te ich einer Dis­kus­si­on bei, bei der es um die (zuge­ge­be­ner­ma­ßen sehr neben­säch­li­che) Fra­ge ging, ob es eigent­lich „der Blog“ oder „das Blog“ hei­ße. Mein Stand­punkt war, dass ich zwar „das Blog“ sagen wür­de, aber beim bes­ten Wil­len nicht wüss­te, war­um. Viel­leicht, um Ver­wechs­lun­gen mit „der Block“ (damn you, Aus­laut­ver­här­tung!) zu ver­mei­den. Aber wozu hat man Ger­ma­nis­tik und Anglis­tik stu­diert und sei­ne B.A.-Arbeit über die Ver­än­de­run­gen in der Inter­net­spra­che geschrie­ben?

Bevor wir uns dem kon­kre­ten Fall nähern, müs­sen wir zwei grund­sätz­li­che Pro­ble­me erwäh­nen: Ers­tens gibt es im Deut­schen Unter­schie­de zwi­schen gram­ma­ti­schem (Genus) und bio­lo­gi­schem (Sexus) Geschlecht, die dazu füh­ren, dass sprach­lich alle Hun­de männ­lich, alle Kat­zen weib­lich und alle Mäd­chen säch­lich sind. ((Beson­ders das mit den Mäd­chen ist ein unge­klär­tes Pro­blem, dem des­sen sich Sprach- und Gen­der­wis­sen­schaf­ten drin­gend anneh­men soll­ten.)) Da die Arti­kel (bestimm­te wie unbe­stimm­te) vom gram­ma­ti­schen Geschlecht abhän­gen, muss man zu jedem Wort auch sei­nen Genus dazu­ler­nen. Dar­aus folgt auch, dass man zwei­tens für jedes Fremd- oder Lehn­wort ein gram­ma­ti­sches Geschlecht fest­le­gen muss. So sagt man „das Trot­toir“ (im Fran­zö­si­schen ein Mas­ku­li­num), „die Toi­let­te“ (im Fran­zö­si­schen auch Femi­ni­num) und „der Cap­puc­ci­no“ (im Ita­lie­ni­schen eben­falls Mas­ku­li­num).

Ver­su­chen wir, die Kur­ve Rich­tung „Blog“ zu krat­zen, und nähern uns der Welt von Com­pu­tern (mask.) und Inter­net (neu­tr.): So sagt man in Deutsch­land „die E‑Mail“, was sich damit erklä­ren lie­ße, dass die deut­sche Über­set­zung („E‑Post“) eben­falls femi­nin ist. ((Schlimm wird’s bei einem Wort wie „blog­ger“, das für weib­li­che wie männ­li­che Per­so­nen steht, für Deut­sche aber nach einer männ­li­chen Endung aus­schaut. Spä­tes­tens bei „girl­fri­end“ emp­fiehlt es sich, auf fremd­sprach­li­che Voka­beln zu ver­zich­ten und ein­fach den deut­schen Begriff „Freun­din“ zu ver­wen­den.)) In Öster­reich und der Schweiz heißt es aber „das E‑Mail“, womit wir den Salat end­gül­tig hät­ten.

Neh­men wir der Ein­fach­heit hal­ber trotz­dem mal für einen Moment an, die deut­sche Über­set­zung bestim­me allei­ne den Arti­kel. „Blog“ ist die Kurz­form von „Web­log“, was sich wie­der­um auf „log“ bezieht, wozu das „Oxford Eng­lish Dic­tion­a­ry“ Fol­gen­des zu berich­ten weiß:

log /​lɒg/​ n.¹ ME. [Ori­gin unknown] I 1 A bul­ky mass of wood; esp. an unhewn por­ti­on of a fel­led tree, or a length cut off for use as fire­wood. ME. b Sur­fing. A lar­ge or hea­vy surf­board. M20. 2 a A hea­vy pie­ce of wood, fas­ten­ed to the leg of a per­son or an ani­mal to impe­de move­ment. L16. b Mil. Hist. A form of punish­ment wher­eby a hea­vy weight was chai­ned to an offender‘s leg to be drag­ged or car­ri­ed around as the per­son moved. M19. 3 A pie­ce of quar­ried sla­te befo­re it is split into lay­ers. E18. 4 In pl. A jail, a lock-up. Aus­tral. slang. L19.

[…]

II 5 An appa­ra­tus for ascer­tai­ning the speed of a ship, con­sis­ting of a float atta­ched to a line wound on a reel. Also, any other appa­ra­tus for the same pur­po­se. L16. 6 a A book con­tai­ning a detail­ed dai­ly record of a ship‘s voya­ge; a log­book. E19. b A sys­te­ma­tic record of things done, found, expe­ri­en­ced, etc., as (a)a record of dis­co­veries or varia­ti­ons at suc­ces­si­ve depths in dril­ling a well; a graph or chart dis­play­ing this infor­ma­ti­on; (b) a record with details of jour­neys kept by a lor­ry dri­ver; (c) a record of what is broad­cast by a radio or tele­vi­si­on sta­ti­on; (d) Com­pu­ting a sequen­ti­al file of tran­sac­tions on a data­ba­se. E20. c A list or sum­ma­ry of claims for a wage increase etc. Freq. more ful­ly log of claims. Aus­tral. E20.

(The New Shorter Oxford Eng­lish Dic­tion­a­ry on his­to­ri­cal prin­ci­ples; Edi­ted by Les­lie Brown; Oxford, 1993.)

Wäre ich gezwun­gen, die­sem Ein­trag eine ein­zi­ge deut­sche Voka­bel zuzu­ord­nen, wür­de ich mich wohl für „Klotz“ ent­schei­den. ((Der Spie­gel­fech­ter hat­te bei einer ähn­li­chen Dis­kus­si­on auf freitag.de ange­führt, das eng­li­sche Wort „log“ stam­me vom alt­is­län­di­schen und alt­nor­we­gi­schen „lag“ ab, was „umge­fal­le­ner Baum­stamm“ hei­ße – ich will nicht aus­schlie­ßen, dass er da tat­säch­lich mehr wuss­te als das Oxford Dic­tion­a­ry, hal­te die­se Infor­ma­ti­on aber auch eher für Bonus­wis­sen, das uns bei der kon­kre­ten Fra­ge­stel­lung nicht wei­ter­hilft.)) Er deckt den Bereich I kom­plett ab und passt im Bereich II zumin­dest noch zur Num­mer 5. Außer­dem ist er ähn­lich schön laut­ma­le­risch.

Wer­fen wir auch noch einen (wenig auf­schluss­rei­chen) Blick ins mit­tel­eng­li­sche Wör­ter­buch („ME“ = „Midd­le Eng­lish“):

loglog(ge n. (1); lok n. (2); lough.

log(ge n. (1) [Cp. ML log­gum.] (a) An uns­haped pie­ce of wood, sta­ve, stick; (b) as sur­na­me.

(Midd­le Eng­lish Dic­tion­a­ry; Sher­man M. Kuhn, Edi­tor & John Rei­dy, Asso­cia­te Edi­tor; Ann Arbor, 1968.)

Das eng­li­sche Wort „web­log“ könn­te also mit eini­ger Berech­ti­gung als „Netz­klotz“ über­setzt wer­den, womit es ein Mas­ku­li­num wäre. Der Duden, über des­sen Rol­le man auch erst ein­mal strei­ten müss­te, lässt übri­gens „das“ und „der“ zu:

1. Blog, das, auch: der; -s, -s [engl. blog, gek. aus: weblog, →Weblog] (EDV Jargon): Weblog. ...

Ich bevor­zu­ge wie gesagt „das Blog“ ((Weil ich es sinn­voll fin­de, wenn sach­li­che Din­ge auch sach­li­che Arti­kel haben.)) und fin­de „der Blog“ etwas merk­wür­dig, aber merk­wür­dig fin­de ich ja auch regio­nal­sprach­li­che Vari­an­ten wie „ein­ge­schal­ten“ statt „ein­ge­schal­tet“ oder „ich bin gestan­den“ statt „ich habe gestan­den“ und das macht sie ja auch nicht falsch.

Spra­che ist – da wie­der­ho­le ich mich ger­ne – etwas Leben­di­ges und die Mehr­heit hat immer Recht. Soll­te sich also „der Blog“ durch­set­zen, wür­de das zwar ver­mehrt zu Ver­wech­se­lun­gen von „der Blog“ und „der Block“ füh­ren, aber man müss­te es akzep­tie­ren, wenn man nicht gegen Wind­müh­len kämp­fen will.

Zu den Blog-nahen Sprach­ver­än­de­run­gen zäh­len auch „Blog“ als Syn­onym für „Blog­ein­trag“ (Mat­thi­as Matus­sek ver­öf­fent­licht ja regel­mä­ßig „neue Blogs“) und „Blog­ger“ als Bezeich­nung für Blog­le­ser und ‑kom­men­ta­to­ren. Das sind natür­lich schon erheb­li­che Bedeu­tungs­ver­schie­bun­gen bzw. ‑erwei­te­run­gen, aber sowas ist bei jun­gen The­men­ge­bie­ten Blogs völ­lig nor­mal.

Viel ent­schei­den­der als die Fra­ge, ob es „der Blog“ oder „das Blog“ heißt, ist doch die, was drin­steht wer mir die vier Stun­den Lebens­zeit ersetzt, die ich in der Uni-Biblio­thek ver­plem­pert habe.

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Rundfunk Radio Leben

I’m single bilingual

Ich war noch nicht ganz wach und hör­te nur mit einem hal­ben Ohr hin, als auf WDR 5 eine Repor­ta­ge über Sin­gles in Deutsch­land lief. Den­noch hin­ter­ließ die Frau, die tap­fer ver­kün­de­te, sie brau­che gar kei­nen Part­ner, bei mir blei­ben­den Ein­druck.

Den Grad ihrer inne­ren Ver­zweif­lung konn­te man dem Satz ent­neh­men, mit dem sie ihre Aus­füh­run­gen schloss:

Wenn ich total despe­ra­te wäre, viel­leicht.

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Politik Gesellschaft

Eine Sprache vor die Deutschen

T-Shirt-Aufdruck in fremder Sprache (vielleicht bald verboten).

Die CDU-Basis hat ihre Par­tei­spit­ze über­stimmt. Lei­der nicht bei irgend­ei­ner rele­van­ten Ent­schei­dung über Per­so­nal- oder Poli­tik­fra­gen, son­dern bei einem The­ma, das nicht viel kos­tet, aber inten­si­ve Dis­kus­sio­nen ver­spricht: die Par­tei will jetzt die deut­sche Spra­che ins Grund­ge­setz auf­neh­men.

dpa tickert dazu:

Saar­lands Minis­ter­prä­si­dent Peter Mül­ler mein­te hin­ge­gen, die Par­tei müs­se sich klar dazu beken­nen, «was den Staat aus­macht». Neben der Flag­ge gehö­re dazu auch die deut­sche Spra­che.

Das ist natür­lich schon mal ein Super-Anfang, der in die glei­che Ker­be schlägt wie Bun­des­tags­prä­si­dent Nor­bert Lam­mert im Som­mer die­ses Jah­res:

Es gebe „für die Kul­tur und das Selbst­ver­ständ­nis die­ses Lan­des kei­nen wich­ti­ge­ren Fak­tor als die Sprache“.Sie sei „noch wich­ti­ger als die Fest­le­gung auf Ber­lin als Haupt­stadt und auf Schwarz-Rot-Gold als Landesfarben“.Beides reg­le das Grund­ge­setz, die Spra­che „lei­der nicht“.

Zunächst ein­mal soll­te man den bei­den Her­ren also ste­cken, dass auch die Natio­nal­hym­ne nicht im Grund­ge­setz ver­an­kert ist – aber deren Ein­bin­dung woll­ten sie ver­mut­lich erst im nächs­ten Jahr for­dern.

Kom­men wir nun zur For­de­rung an sich: Kon­kret soll Arti­kel 22 des Grund­ge­set­zes um ein „Die Spra­che in der Bun­des­re­pu­blik ist Deutsch“ ergänzt wer­den. Das ist natür­lich schon mal ein gutes Bei­spiel für die Schön­heit der deut­schen Spra­che: Ein halb­fer­ti­ger Satz mit Hilfs­verb, der noch dazu gar nichts aus­sagt.

Denn was soll das hei­ßen, „die Spra­che“ „ist Deutsch“? Wür­de man die Amts­spra­che fest­le­gen wol­len, wäre das noch ver­ständ­lich – aber die ist schon im Ver­wal­tungs­ver­fah­rens­ge­setz gere­gelt. Und was hie­ße das für den Kreis Nord­fries­land und die Insel Hel­go­land, wo auch Frie­sisch als Amts­spra­che zuge­las­sen ist?

Die deut­sche Spra­che mache also „den Staat aus“, fin­det Peter Mül­ler, stu­dier­ter Jurist. Müs­sen denn Din­ge, die den Staat „aus­ma­chen“ (was auch immer Mül­ler damit meint) und die uns in jedem Moment über­all in die­sem Land umge­ben, noch gesetz­lich gere­gelt wer­den?

Es gibt eigent­lich nur zwei Les­ar­ten für die­se For­de­rung: Die eine wür­de es den Bas­ti­an Sicks und Wolf Schnei­ders die­ser Repu­blik erlau­ben, gegen jeden „Ser­vice Point“ eine Ver­fas­sungs­kla­ge anzu­stren­gen. Die ande­re wäre die Ansa­ge, dass jeder, der in die­sem Land lebt, gefäl­ligst und jeder­zeit Deutsch zu spre­chen habe. So oder so klingt es wie die staats­recht­li­che Umset­zung des unsäg­li­chen Slo­gans „Der Klü­ge­re spricht deutsch“ des idio­ti­schen „Ver­eins Deut­scher Spra­che“.

Lin­gu­is­ten ler­nen im ers­ten Semes­ter: Spra­che ist einem stän­di­gen Wan­del unter­wor­fen. Spra­che ist kein scheu­es Reh, das unter Arten­schutz gestellt und von staat­li­cher Sei­te gepflegt wer­den muss. Spra­che wird gespro­chen und geschrie­ben und wenn sie nicht gespro­chen wird, stirbt sie aus. Wir dürf­ten uns sicher sein, dass jun­ge Men­schen heu­te in Social Net­works und SMS-Nach­rich­ten mehr Text pro­du­zie­ren, als unse­re Eltern­ge­nera­ti­on je hand­schrift­lich geschrie­ben hat. Auch wenn die Mül­lers, Schnei­ders und Sicks es nicht begrei­fen wol­len: Die­se jun­gen Men­schen kom­mu­ni­zie­ren in der Spra­che, die in die­sem Moment den Stand der deut­schen Spra­che dar­stellt. Wenn es über­haupt Spra­chen gibt, die in Deutsch­land eines gesetz­li­chen Schut­zes bedür­fen, dann sind es die Regio­nal­spra­chen und Dia­lek­te (die streng lin­gu­is­tisch betrach­tet kei­ne Spra­chen, son­dern Varie­tä­ten sind).

Ganz schnell ist man bei dem The­ma ja dann immer bei Goe­the, Schil­ler und Adal­bert Stif­ter und der Behaup­tung, dass man so „schö­nes“ Deutsch heut­zu­ta­ge gar nicht mehr höre. Die­ser Aus­sa­ge lie­gen gleich meh­re­re Denk­feh­ler zugrun­de: Ers­tens ist Schön­heit sub­jek­tiv, zwei­tens haben auch zur Zeit der Wei­ma­rer Klas­sik die wenigs­ten Bau­ern schö­ne, druck­rei­fe Sät­ze gespro­chen (geschwei­ge denn geschrie­ben), und drit­tens emp­fiehlt einem jede treu­sor­gen­de Buch­händ­le­rin bei Inter­es­se sicher ger­ne ein paar Dut­zend zeit­ge­nös­si­scher Autoren, die mit der deut­schen Spra­che form­voll­endet umzu­ge­hen ver­ste­hen.

Das Per­fi­de an der Num­mer mit dem Grund­ge­setz ist natür­lich auch: Wer im Bun­des­tag gegen die­sen alber­nen Vor­schlag stim­men wür­de, dürf­te sein Gesicht mit ziem­li­cher Sicher­heit am nächs­ten Tag auf der Titel­sei­te der „Bild“-Zeitung (krea­tivs­ter Umgang mit deut­scher Spra­che: „Wir sind Papst“) wie­der­fin­den, ver­se­hen mit der Fra­ge „Was haben Sie gegen unse­re schö­ne deut­sche Spra­che?“

Für den Beginn wür­de es also viel­leicht rei­chen, wenn unse­re Poli­ti­ker ein wenig nach­däch­ten, bevor sie ihre Mün­der öff­ne­ten, und wenn unse­re Zei­tun­gen uns auch mal ab und an mit ein paar aus­ge­wähl­ten For­mu­lie­run­gen erfreu­ten. Ich bin sicher: zwei Drit­tel der Bevöl­ke­rung hät­ten damit Pro­ble­me, aber das war in der Goe­the­zeit ja nicht anders.

Einen wie üblich sehr fun­dier­ten Arti­kel zum The­ma „Amts­spra­che Deutsch“ hat Ana­tol Ste­fa­no­witsch bereits vor andert­halb Jah­ren im Bre­mer Sprach­blog ver­öf­fent­licht.

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Leben

… und nächste Woche verklage ich jemanden!

So lang­sam dürf­te der Klein­krieg, den sich die Post- und Paket­zu­stel­ler mit mir lie­fern, als das durch­ge­hen, was in man­chen Krei­sen ger­ne „Kult“ genannt wird.

Ist entsetzt: Postkunde Lukas H.
Ist ent­setzt: Post­kun­de Lukas H.
Schon wieder hat ihm der Postbote eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten geworfen!
Schon wie­der hat ihm der Post­bo­te eine Benach­rich­ti­gungs­kar­te in den Brief­kas­ten gewor­fen!

Ande­rer­seits bin ich auch nur noch 42 Jah­re vom der­zei­ti­gen Ren­ten­ein­tritts­al­ter ent­fernt und habe „Natio­na­li­tät: deutsch“ in mei­nem Aus­weis ste­hen, von daher den­ke ich, es ist der rich­ti­ge Zeit­punkt für mein ers­tes hand­ge­schrie­be­nes Schild im Trep­pen­haus:

Lieber Postbote, wenn Sie mir noch einmal eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten werden, ohne vorher auch nur bei mir geklingelt zu haben, werde ich mich bei Ihren Vorgesetzten beschweren! Mit freundlichen Grüßen,

Nach­trag, 29. Novem­ber: Irgend­je­mand hat den Zet­tel heu­te abge­ris­sen und in den Papier­korb gewor­fen.

Nach­trag, 1. Dezem­ber: Ers­te Erfol­ge wer­den sicht­bar: Mein Mit­be­woh­ner hat­te heu­te eine Benach­rich­ti­gungs­kar­te mit dem Ver­merk „12:00 Uhr geklin­gelt!“ im Brief­kas­ten. Ich neh­me mal an, er hat zu der Zeit noch geschla­fen. Ich war jeden­falls nicht da.

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Rundfunk Politik

Börek Obhammer

In einer Woche wird in den USA ein neu­er Prä­si­dent gewählt.

Ob die deut­schen Jour­na­lis­ten bis dahin noch ler­nen wer­den, dass der Name des demo­kra­ti­schen Kan­di­da­ten [bəˈrɑːk oʊˈ­bɑːmə] aus­ge­spro­chen wird und nicht [‚bæræk o’bæmɑ]?

Nach­trag, 13:22 Uhr: Auf viel­fa­chen Wunsch gibt’s das Gan­ze jetzt auch audio­vi­su­ell:

[Direkt­link]

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Musik

Aber hier leben? Nein, Danke!

Aus dem aktu­el­len Toco­tro­nic-News­let­ter:

Lie­be Freun­dIn­nen,
es ist unfass­bar: Anläß­lich des Tages der Deut­schen Ein­heit hat der ansons­ten von uns hoch­ge­schätz­te Musik­vi­deo­sen­der MTV auf sei­ner Inter­net­sei­te unter der Über­schrift „Hei­mat­me­lo­dien“ (!) ein Voting für den bes­ten deut­schen Song­text („Deutsch­land – Land der Dich­ter und Den­ker“) gestar­tet. Auch unse­re Grup­pe, Toco­tro­nic, ist dort mit dem Text zu dem Lied „Imi­ta­tio­nen“ ver­tre­ten. Wir möch­ten aus­drück­lich dar­auf hin­wei­sen, dass wir nichts, aber auch gar nichts von unse­rer Teil­nah­me an die­ser höchst zwei­fel­haf­ten Akti­on gewußt haben und wir auch nichts von sol­chen hei­mat­du­se­li­gen Lyrik­wett­be­wer­ben hal­ten. Im Gegen­teil: Eine sol­ches Voting reprä­sen­tiert so ziem­lich das genaue Gegen­teil der von uns pro­pa­gier­ten Inhal­te. Dies nur mal so neben­bei.
Vie­le Grüs­se
Toco­tro­nic

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Rundfunk Gesellschaft

Nicht lustig

Viel­leicht ist es ein grund­sätz­li­cher Feh­ler, sich mit „TV Total“ über­haupt aus­ein­an­der­set­zen zu wol­len. Die­ser allen­falls noch lau­war­men Mischung aus Res­te­ver­wer­tung und Cross­pro­mo­ti­on, die inzwi­schen in etwa so schlimm ist wie das Unter­schich­ten­fern­se­hen, das beim Start der Sen­dung vor neun­ein­halb Jah­ren noch in den Ein­spie­lern zu sehen war. Die­ser Show, die zuletzt Auf­merk­sam­keit erreg­te, weil sich ein Kan­di­dat ins Stu­dio erbrach. Aber weil ich die Sen­dung ges­tern Abend ver­se­hent­lich gese­hen habe, will ich mich doch mal kurz auf­re­gen:

Vor­ges­tern wur­den die Spiel­or­te für die Frau­en­fuß­ball-WM 2011 in Deutsch­land bekannt gege­ben – und Mön­chen­glad­bach und Bochum sind dabei!

Das The­ma Frau­en­fuß­ball fin­den die Gag-Autoren (und ich habe lan­ge über­legt, ob ich das Wort in Gän­se­füß­chen packen soll, fand das dann aber zu Leser­brief-mäßig) von „TV Total“ sowie­so total lus­tig, weil sie da immer ihre Les­ben-Wit­ze, die Hans-Wer­ner Olm und Jür­gen von der Lip­pe seit Mit­te der Acht­zi­ger unbe­se­hen zurück­ge­hen las­sen, unter­brin­gen kön­nen. Für ges­tern hat­te man sich aber fol­gen­des aus­ge­dacht: Raab, der sei­ne Witz­chen wie immer mit einer „Scheißegal“-Haltung, bei der Harald Schmidt nei­disch wür­de, von Pap­pen abzu­le­sen ver­such­te, soll­te immer wie­der auf die Mel­dung zu spre­chen kom­men, aber bevor er die Spiel­or­te vor­stel­len konn­te, soll­te immer irgend­ei­ne „total wich­ti­ge Eil­mel­dung“ von der Sor­te „Sack Reis in Chi­na umge­fal­len“ ein­ge­scho­ben wer­den. So unwich­tig ist Frau­en­fuß­ball näm­lich, ha ha. Zusätz­lich wur­den zwei häss­li­che Män­ner als Manns­wei­ber kos­tü­miert, „Bir­git Prinz“ und „Kers­tin Garef­re­kes“ genannt und immer wie­der für spä­ter als Gäs­te ange­kün­digt, wobei für ihren Auf­tritt am Ende – ha ha – natür­lich kei­ne Zeit mehr blieb.

Dass die deut­sche Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft der Frau­en seit 1997 fünf inter­na­tio­na­le Titel gewon­nen hat (zum Ver­gleich: die der Män­ner im glei­chen Zeit­raum null) – geschenkt. Es geht mir auch noch nicht mal um den unver­ho­le­nen Sexis­mus, der sol­che Aktio­nen durch­weht (der dis­qua­li­fi­ziert die Macher der Sen­dung selbst laut genug). Es ist nur ein­fach so, dass sol­che Ein­la­gen nicht mal lus­tig wären, wenn Raab sie in einem Clown­kos­tüm und einem auf die Stirn geta­cker­ten Schild mit der Auf­schrift „Lus­tig! Lachen“ vor­tra­gen wür­de.

Allein zur Mel­dung, dass in den Sta­di­en von Borus­sia Mön­chen­glad­bach und dem VfL Bochum Fuß­ball­län­der­spie­le statt­fin­den sol­len, fie­len mir als Glad­bach-Fan und Bochum-Sym­pa­thi­sant ein Halb­dut­zend Wit­ze über die der­zei­ti­ge Situa­ti­on bei den bei­den Mann­schaf­ten ein. Auch die Spiel­or­te Augs­burg, Dres­den, Lever­ku­sen, Sins­heim und Wolfs­burg böten genug Mög­lich­keit, sich wenigs­tens über die Städ­te lus­tig zu machen, wenn man schon doof irgend­was bashen will. Sich irgend­was Wit­zi­ges zu dem The­ma aus­zu­den­ken, ist ers­tens nicht schwer und zwei­tens Auf­ga­be von einem Hau­fen von Gag-Autoren.

Und dann die Num­mer mit den „ver­ges­se­nen Gäs­ten“, die jeg­li­ches Timing ver­mis­sen ließ: Natür­lich ist die auch noch schlecht geklaut, denn der Gag bei Jim­my Kim­mel besteht ja dar­in, einen Welt­star zu „ver­ges­sen“ und nicht nach­ge­bau­te Ver­tre­te­rin­nen einer Sport­art, die medi­al sowie­so nicht gera­de über­re­prä­sen­tiert ist. Wenn die Num­mer über­haupt zu irgend­was taug­te, dann als abschre­cken­des Bei­spiel.

Aber es sind ja nicht nur die Autoren. Die kön­nen sich viel erlau­ben, weil es in Deutsch­land sowie­so kei­ne guten Come­dy-Shows als Kon­kur­renz gibt und der Humor der Deut­schen nicht umsonst welt­wei­ten Spott genießt. Es ist auch der Mode­ra­tor, dem sei­ne eige­ne Sen­dung so völ­lig egal ist, dass die bes­ten Lacher in dem Moment ent­ste­hen, wenn es ihm selbst auf­fällt. Ste­fan Raab ist sicher ein ver­dienst­vol­ler TV-Schaf­fen­der (ver­mut­lich der Wich­tigs­te in die­sem Jahr­zehnt), aber „TV Total“ ist ein völ­li­ges Desas­ter.

Alles, wirk­lich alles an der Sen­dung ist schlimm: der Stan­dup; die Aus­schnit­te, die inzwi­schen weit­ge­hend unkom­men­tiert und reflek­tiert abge­nu­delt wer­den; die Ein­spie­ler mit lus­ti­gen Stra­ßen­in­ter­views, die ers­tens soooo 1998 sind und bei denen zwei­tens die Fra­gen in der Nach­be­ar­bei­tung von die­sem Mann mit der ach-so-lus­ti­gen Stim­me vor­ge­le­sen wer­den; die Gäs­te, die Raab völ­lig egal sind, und über die er die Hin­ter­grund-Infos allen­falls wäh­rend der Show liest.

Alle paar Wochen, wenn Tie­re zu Gast sind oder die Her­stel­ler von Elek­tro­rol­lern, ist Raab bei der Sache. Dann macht es ihm Spaß und mit ein wenig Glück kom­men dabei wirk­lich lus­ti­ge, bis­wei­len bril­lan­te Aktio­nen rum. Wenn irgend­ein Redak­teur Wert dar­auf legen wür­de, unter­halt­sa­mes Fern­se­hen zu pro­du­zie­ren, wür­de er an genau der Stel­le anset­zen. Aber so lan­ge Pro­Sie­ben die Ver­trä­ge trotz sin­ken­der Quo­ten ver­län­gert, schei­nen alle zufrie­den zu sein. Und wenn die ein­zi­ge „Kon­kur­renz“ unge­fähr drei Mal im Jahr unter dem Titel „Schmidt & Pocher“ ver­sen­det wird, ist das sogar fast nach­zu­voll­zie­hen. Zuschau­er, die ech­te Late-Night-Unter­hal­tung wol­len, sehen sich eh die US-Ori­gi­na­le im Inter­net an.