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Die Zukunft hielt 12 Monate

Die Nach­richt schlug ein wie eine Bom­be: zoomer.de, das ambi­tio­nier­te Zukunft-der-Nach­rich­ten-Por­tal der Holtz­brinck-Grup­pe, wird Ende des Monats ein­ge­stellt.

Gut: Die Bom­be ging nicht hoch, son­dern wir­bel­te allen­falls ein biss­chen Staub auf. Aber so wird sie wenigs­tens in sech­zig Jah­ren für Beschäf­ti­gung des Kampf­mit­tel­räum­diens­tes, mehr­stün­di­ge Unter­richts­aus­fäl­le und gro­ße Arti­kel im Lokal­jour­na­lis­mus sor­gen. Und das ist ver­mut­lich mehr Posi­ti­ves, als sich über das eine Jahr zoomer.de selbst sagen lie­ße.

Ende Janu­ar gab der Axel-Sprin­ger-Ver­lag bekannt, dass Zoo­mer-Chef­re­dak­teur Frank Syré, der sich immer­hin die Mühe gemacht hat­te, auch abwe­gigs­te Bil­der­ga­le­rien in Blog-Kom­men­ta­ren zu recht­fer­ti­gen, am 1. März als stell­ver­tre­ten­der Chef­re­dak­teur zu bild.de geht. Jetzt steht fest: einen Nach­fol­ger wird er nicht brau­chen.

zoomer.de ist gran­di­os, aber weit­ge­hend unter Aus­schluss der Öffent­lich­keit geschei­tert. Selbst jene Blogs, die sich sonst an den klei­nen und gro­ßen Feh­lern deut­scher Nach­rich­ten­por­ta­le wei­den, hat­ten schon kurz nach dem Start kei­ne Lust mehr, und beim Erstel­len unse­rer inter­nen Wer-macht-noch-wie-lan­ge-Lis­te („’Va­ni­ty Fair‘: Ostern 2009“) haben wir die Sei­te schlicht ver­ges­sen.

In den letz­ten Mona­ten hat­te man sich dort (soweit ich das bei mei­nen Besu­chen ein­mal im Quar­tal beob­ach­ten konn­te) mit zuneh­men­der Ver­zweif­lung um Auf­merk­sam­keit bemüht, indem man Radau­brü­dern wie David Har­nasch („Die Ach­se des Guten“) oder MC Win­kel („Whu­dat“) eine Platt­form bot oder den „Her­aus­ge­ber“ Ulrich Wickert über Spra­che dozie­ren ließ.

Selbst die als „Pro­vo­ka­ti­on“ apo­stro­phier­te Klick­stre­cke „Die schlimms­ten Städ­te Deutsch­lands“ schaff­te es auf gera­de 23 Kom­men­ta­re und Null Blog-Ver­lin­kun­gen. Nicht ein­mal die größ­ten Lokal­pa­trio­ten woll­ten ange­sichts der grau­en­haft recher­chier­ten Schmä­hung Bochums („gan­ze zwei Kinos“, „nachts ist nichts los“) auch nur einen Fin­ger rüh­ren. zoomer.de war zu dem Irren gewor­den, der in der Fuß­gän­ger­zo­ne vor sich hin brab­belt, aber von dem alle wis­sen, dass er harm­los ist.

Mög­li­cher­wei­se böte das erstaun­lich schnel­le Schei­tern von zoomer.de die Gele­gen­heit, mal dar­über nach­zu­den­ken, ob Mit­mach­por­ta­le wirk­lich die „Zukunft der Nach­rich­ten“ sind. Ich kann nur für mich spre­chen, aber gera­de in über-media­li­sier­ten Zei­ten habe ich ger­ne die Schlag­zei­len kurz und kna­ckig bei­sam­men und will nicht abstim­men müs­sen, was die Top-Sto­ry ist. Für Mei­nun­gen und Ana­ly­sen gehe ich dann zu Leu­ten, deren Mei­nung mich inter­es­siert und die ich ernst neh­men kann.

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Trau, schau wem

Mit man­chen Geschich­ten ist es wie mit alten Pull­overn: Man zieht an einem losen Faden und am Ende hat man das gan­ze Teil auf­ge­rib­belt.

Am Diens­tag wur­de David Har­nasch das sel­te­ne Glück zuteil, als Blog­ger wohl­wol­lend von „Spie­gel Online“ por­trä­tiert wor­den zu sein. Er betreibt seit ver­gan­ge­nem Novem­ber das Blog „Bild­schirm­ar­bei­ter“, in dem er das aktu­el­le TV-Pro­gramm kri­ti­siert und par­odiert. Mir war das Blog bis vor weni­gen Stun­den gänz­lich unbe­kannt, sei­ne tech­no­ra­ti aut­ho­ri­ty (die frei­lich nichts über die Qua­li­tät aus­sagt) lag vor dem SpOn-Arti­kel bei 42.

Har­nasch nimmt sich span­nen­den The­men an, wie in sei­nem aktu­ells­ten Bei­trag vom 6. August. Was „Fron­tal 21“ da gemacht hat, ist wirk­lich min­des­tens sehr merk­wür­dig, Har­naschs Bei­trag fin­de ich per­sön­lich aber weder span­nend noch lus­tig (falls die Ver­klei­dung lus­tig sein soll­te), sein anfäng­li­ches ÖR-Bas­hing nur pein­lich. Aber das ist letzt­lich Geschmacks­sa­che – vie­le Leu­te wer­den ja auch unse­re Vide­os nicht lus­tig fin­den.

Jan-Phil­ipp Hein, der das gro­ße „Bildschirmarbeiter“-Porträt geschrie­ben hat, folgt dar­in einer Prä­mis­se, die er in der Ein­lei­tung vor­stellt:

Fern­se­hen spielt online fast kei­ne Rol­le. Weni­ge Blog­ger arbei­ten sich am ehe­ma­li­gen Leit­me­di­um ab – einer aber mit viel Witz und exzes­si­vem Auf­wand. Ansons­ten gilt TV online viel­leicht ein­fach nicht mehr als kri­tik­wür­dig.

Ich sehe das anders. Da wäre ja zum Bei­spiel der „Fall Bank­ho­fer“, in dem sich der WDR wegen des „Anscheins auf Schleich­wer­bung“ von dem sym­pa­thi­schen „Gesund­heits­exper­ten“ trenn­te, nach­dem zwei Blogs die Geschich­te ange­sto­ßen hat­ten.

Zuge­ge­ben: neben dem Fern­seh­le­xi­kon, Ste­fan Nig­ge­mei­er (bei dem man aber auch ganz froh ist, wenn er nicht jedes Mal genannt wird, wenn der Begriff „Blog­ger“ fällt), medienpiraten.tv und dem Wort­vo­gel, der sich des The­mas immer mal wie­der von der Macher-Sei­te annimmt, fal­len mir auch nicht mehr soooo vie­le Fern­seh-Blogs ein. „Fast kei­ne Rol­le“ sieht für mich aber trotz­dem anders aus.

In der „Spie­gel­Kri­tik“ stol­per­te ich dann über die­sen Ein­trag zu Heins Arti­kel, den ich auch in mei­nen aktu­el­len „Klick­be­fehl“ auf­nahm: Timo Rieg schrieb da, Hein und Har­nasch sei­en ein­an­der durch die „Ach­se des Guten“ ver­bun­den – Har­nasch ist Autor jenes „publi­zis­ti­schen Netz­werks“, das sich ger­ne mit dem Unter­gang des Abend­lan­des und dem angeb­li­chen „Kli­ma­schwin­del“ befasst, und für das Hein schon drei­mal als Gast­au­tor gear­bei­tet habe. Außer­dem betrie­ben sie gemein­sam das „Netz­werk Gegen­re­cher­che“, schreibt Rieg.

Gefäl­lig­keits­jour­na­lis­mus unter alten Kum­pels bei „Spie­gel Online“? Ein ziem­li­ches Ding, wenn dem so wäre.

Allein: So wie’s aus­sieht, ist dem nicht so. Jan-Phil­ipp Hein erklär­te mir gegen­über, dass er David Har­nasch „vor zwei, drei Wochen“ erst­ma­lig kon­tak­tiert habe – um eben genau jenes Por­trät über ihn für „Spie­gel Online“ zu schrei­ben. Über die „Ach­se des Guten“ hät­ten die bei­den bis­her kei­ner­lei Kon­takt gehabt und was dort an Gast­bei­trä­gen von Hein ver­öf­fent­licht wur­de, sei­en alle jeweils Zweit­ver­wer­tun­gen aus ande­ren Medi­en gewe­sen.

Über „Bild­schirm­ar­bei­ter“ habe er geschrie­ben, weil er das Blog „ori­gi­nell“ fin­de, sagt Hein, und mit dem „Netz­werk Gegen­re­cher­che“ habe der Kol­le­ge Har­nasch nur inso­fern zu tun, als der ein­mal dar­auf ver­linkt habe.

Und – hier kom­men wir auf den Pull­over-Satz vom Anfang zurück, der Sie dort sicher­lich ziem­lich ver­wirrt hat – statt über mög­li­che Mau­sche­lei­en bei „Spie­gel Online“ zu schrei­ben, saß ich plötz­lich an einem Arti­kel, der sich mit der haar­sträu­ben­den Recher­che (bzw. Nicht-Recher­che) bei „Spie­gel­Kri­tik“ aus­ein­an­der­set­zen muss. Jan-Phil­ipp Hein nann­te den dor­ti­gen Arti­kel, in dem sich Timo Rieg auch noch als Mit­glied des „Netz­werks Recher­che“ zu erken­nen gibt, „bedenk­lich“ und „unmög­lich“ und auch bei „Spie­gel Online“ war man dar­über alles ande­re als glück­lich.

Timo Rieg erklär­te mir auf Nach­fra­ge, er wol­le sei­nen Arti­kel in der „Spie­gel­Kri­tik“ als „Rezen­si­on einer Rezen­si­on“ ver­stan­den wis­sen.

PS: Was man aber wohl ruhi­gen Gewis­sens als kon­tra­pro­duk­tiv bewer­ten kann, ist die Tat­sa­che, dass David Har­nasch weni­ge Tage vor der Ver­öf­fent­li­chung sei­nes Por­träts bei „Spie­gel Online“ einen Blog-Ein­trag mit fol­gen­den Wor­ten begann:

Auch wenn ich momen­tan guten Grun­des wegen nicht über SPON läs­tern soll­te, […]