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Musik Leben

18 Jahre, 18 Songs

Für Gün­ter und Jür­gen, die ich ohne die­ses Blog nie ken­nen­ge­lernt hät­te.
Und für Dör­te, die immer alles gele­sen hat.

Es war die nahe­lie­gends­te Idee der Welt: Zum 18. Geburts­tag des Blogs wäh­le ich einen Song aus jedem Jahr aus — fer­tig ist die Play­list!

Aber nach wel­chen Kri­te­ri­en? Ein­fach das Lied neh­men, das jeweils mei­ne Lis­te „Song des Jah­res“ ange­führt hat? Das wäre ja ein biss­chen lang­wei­lig — und sol­che Lis­ten gab es auch gar nicht in jedem Jahr.

Die Kaffeetasse aus dem ersten Coffee-And-TV-Logo

Also: 18 ande­re Songs. Wel­che, die ihr jewei­li­ges Jahr, aber auch die­ses Blog gut reprä­sen­tie­ren; die für mich eine per­sön­li­che Bedeu­tung haben; die ich auch heu­te noch höre. Eine halb­wegs aus­ge­wo­ge­ne Mischung aus Gen­res, Geschlech­tern und Spra­chen, also eben dann doch auch: Kon­text.

Und so wur­de aus einem klei­nen Gim­mick zum Jubi­lä­um eine aus­ufern­de Recher­che-Akti­on im eige­nen Leben ’n‘ Werk und einer der längs­ten Tex­te, der hier in den letz­ten 18 Jah­ren erschie­nen ist:

2007: Mika – Grace Kel­ly
Als die­ses Blog an den Start geht, sind Gitar­ren­mu­sik im All­ge­mei­nen und Indie­rock im Spe­zi­el­len noch ein Ding. Bei der damals noch statt­fin­den­den „Leser­wahl“ (ein Kon­strukt, das wir uns rela­tiv offen­sicht­lich von „Plat­ten­tests online“ abge­schaut haben), wird „A Weekend In The City“ von Bloc Par­ty (Wann habt Ihr zuletzt an die­se Band gedacht?) zum „Album des Jah­res“ gewählt und „Ruby“ von Kai­ser Chiefs (Oder an die­se Band?!) zum „Song des Jah­res“.

Auf mei­ner Jah­res­bes­ten­lis­te ganz vor­ne ist „Tonight I Have To Lea­ve It“ von Shout Out Louds, das ich auch ewig nicht mehr gehört habe. Und ganz ver­steckt, auf Platz 22: „Grace Kel­ly“ von Mika, ein etwas exal­tier­ter over-the-top-Pop­song mit Vau­de­ville- und Musi­cal-Anlei­hen von einem jun­gen Mann, den das Adjek­tiv „andro­gyn“ beglei­tet. (Es waren, wie gesagt, ande­re Zei­ten.) Ein Song, den mir „Plan B“, die etwas anspruchs­vol­le­re Musik­sen­dung von 1Live (ich unter­schied damals noch puber­tär zwi­schen „guter“ Indie- und „schlech­ter“ Main­stream-Musik; ande­re Zei­ten inde­ed), in die WG-Küche gebracht hat.

15 Jah­re spä­ter sit­ze ich beim Euro­vi­si­on Song Con­test in Turin in der deut­schen Kom­men­ta­to­ren­ka­bi­ne, zum neun­ten Mal als Assis­tent von Peter Urban, der wegen der aus­klin­gen­den COVID-19-Pan­de­mie von Ham­burg aus kom­men­tiert. Gelan­det war ich bei die­ser Ver­an­stal­tung über­haupt nur, weil Ste­fan Nig­ge­mei­er 2007 mei­ne Kom­men­ta­re in sei­nem Blog gele­sen und mich gefragt hat­te, ob ich mit ihm einen „Grand-Prix-Füh­rer“ schrei­ben wür­de. Der Rest ist Geschich­te, bzw. BILD­blog, Oslog, Dus­log, Baku­b­log, besag­ter Job als Kom­men­ta­to­ren-Assis­tent und mein Buch. Und die­ser Mika mit sei­nem Song über Grace Kel­ly (bzw. dar­über, wie man sich anpasst, um den Men­schen zu gefal­len) mode­riert da jetzt die­se Ver­an­stal­tung gemein­sam mit Lau­ra Pausi­ni und Ales­san­dro Cat­tel­an, er bringt inter­na­tio­na­len Gla­mour in eine (vor allem hin­ter den Kulis­sen) eher chao­ti­sche TV-Sen­dung und er singt ein Med­ley sei­ner Hits.

Es ist ein selt­sa­mer, rüh­ren­der full-cir­cle-Moment, der die größ­te Musik­show der Welt mit mei­ner alten WG-Küche und allem dazwi­schen kurz­schließt, und in einem Anfall von Geis­tes­ge­gen­wart und emo­tio­na­ler Über­for­de­rung schrei­be ich auf jener Social-Media-Platt­form, die damals noch Twit­ter heißt: „Es ist schön, an das Jahr 2007 erin­nert zu wer­den. Es ist noch schö­ner, dass in mei­nem Leben heu­te unge­fähr alles bes­ser ist als damals.“ Oder, mit Mikas Wor­ten: „Ca-ching!
[Songs 2007 von damals]

2008: The Hold Ste­ady – Con­s­truc­ti­ve Sum­mer
Die Leser*innen, die ich damals noch „Leser“ nen­ne, wäh­len „Sex On Fire“ von Kings Of Leon zum Song und „Heu­re­ka“ von Tom­te zum Album des Jah­res. Ich samm­le die wich­tigs­ten Nazi-Ver­glei­che (eine Kate­go­rie, der damals noch ein gewis­ser Unter­hal­tungs­fak­tor anzu­haf­ten scheint) und Barack-Oba­ma-Refe­ren­zen und arbei­te den Rest der Zeit fürs BILD­blog.

Mei­ne wich­tigs­te Quel­le für neue Musik ist „All Songs Con­side­red“, ein Pod­cast von NPR, der auch das Vor­bild für mei­ne eige­ne, kurz­le­bi­ge Musik­sen­dung bei Spo­ti­fy 2023/​24 wird. Hier sto­ße ich erst­mals auf The Hold Ste­ady, eine Band aus Brook­lyn (ursprüng­lich: Minneapolis/​St. Paul), die Geschich­ten von Ver­lie­rern und Under­dogs in hym­ni­schen Rock­songs erzählt wie sonst nur Bruce Springsteen. Ihr Album „Stay Posi­ti­ve“ bringt mich durch ein Jahr, von dem ich heu­te so gut wie nichts mehr weiß, des­halb las­se ich mir das Sym­bol vom Album­co­ver 2011 auf mei­ne Wade täto­wie­ren.

Auch ihre Musik bleibt: 2009 kau­fe ich mir alle Alben und höre sie rauf und run­ter (wie man es in einer Welt ohne Strea­ming eben so mach­te), 2010 rufe ich den „Con­s­truc­ti­ve Sum­mer“ aus: „We’­re gon­na build some­thing this sum­mer.“ Hier ent­ste­hen dann end­lich Erin­ne­run­gen, die für immer blei­ben wer­den, unter­malt von „Boys And Girls In Ame­ri­ca“, „Stay Posi­ti­ve“ und dem damals neu­en Nach­fol­ge-Album „Hea­ven Is When­ever“.
[Songs 2008 von damals]

2009: Kili­ans – Home­town
Nach über fünf Jah­ren im Stu­den­ten­wohn­heim muss ich mir mal lang­sam eine eige­ne Woh­nung suchen und ich über­le­ge: In Bochum blei­ben oder nach Ham­burg zie­hen? Es ist ein Jahr der gro­ßen Gefüh­le zwi­schen Welt erobern wol­len und zuhau­se ein­sper­ren, beglei­tet von der ganz gro­ßen, uner­füll­ten Lie­be.

Mei­ne Freun­de von den Kili­ans (Bru­der, Demo-CD, Thees Uhl­mann, Tom­te-Tour — you know the sto­ry!) ver­öf­fent­li­chen im April ihr zwei­tes Album „They Are Cal­ling Your Name“ und spie­len aus die­sem Anlass ein Kon­zert auf dem Hans-Böck­ler-Platz in Dins­la­ken, jener Stadt, in der wir alle – die Kili­ans, ich und die ganz gro­ße, uner­füll­te Lie­be – auf­ge­wach­sen waren. Ihr Song „Home­town“ ist das Ange­bot einer Hym­ne.

Die Band löst sich 2013 auf, da wird der Hans-Böck­ler-Platz gera­de mit einem Ein­kaufs­zen­trum über­baut. Wenn man heu­te „Dins­la­ken“ sagt, reagie­ren nicht mehr vie­le Men­schen mit „Aaaah, die Kili­ans!“ (aber – und das wird die Bür­ger­meis­te­rin freu­en – auch nicht mehr mit „Aaaah, der Wend­ler!“ oder „Aaaah, die Sala­fis­ten!“). Die Stadt hat sogar die Emscher­mün­dung ver­lo­ren. Aber Erin­ne­run­gen und Musik wer­den ja immer blei­ben.

(Ich ent­schei­de mich 2009 übri­gens für Bochum. My home­town.)

2010: Lena – Satel­li­te
„Irgend­wann musst Du Dir das mal vor Ort anschau­en“, hat­te Ste­fan Nig­ge­mei­er 2008 über den Euro­vi­si­on Song Con­test (damals und immer schon: „Euro­vi­si­on Song Con­test“) gesagt, aber weil Mos­kau schon damals kein Ort ist, an dem man ger­ne sein möch­te, ver­schie­ben wir unser Pro­jekt auf das Fol­ge­jahr und nach Oslo. Womit wir nicht rech­nen: dass in Deutsch­land ein regel­rech­ter ESC-Hype um eine 18-jäh­ri­ge Abitu­ri­en­tin aus Han­no­ver aus­bricht und die die­se merk­wür­di­ge Quatsch-Ver­an­stal­tung tat­säch­lich gewinnt. (Also: In der ers­ten Fol­ge des Oslog wet­te ich natür­lich genau das, aller­dings ohne auch nur einen ande­ren Wett­be­werbs­bei­trag zu ken­nen.)

Als altes Thea­ter-Kind zieht mich die jähr­li­che Leis­tungs­schau der Büh­nen­tech­nik-Indus­trie sofort in ihren Bann und auch musi­ka­lisch ist das alles gar nicht mehr so schlimm, wenn man es nur oft genug gehört hat. Aber trotz der ein­schnei­den­den, im Nach­hin­ein lebens­weg­wei­sen­den Erfah­rung in Oslo traue ich mich nicht, „Satel­li­te“ auf mei­ne Jah­res­bes­ten­lis­te zu packen. Da sol­len auch wei­ter nur Indie-kre­di­be­le Sachen zu fin­den zu fin­den sein (und so igno­rie­re ich offen­bar auch das tol­le Take-That-mit-Rob­bie-Album „Pro­gress“ kom­plett). Das passt zu einem Jahr, in dem ich nicht gera­de dadurch auf­fal­le, irgend­wel­che Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, son­dern mich lie­ber vom Großstadt‑, vor allem aber Nacht­le­ben rund um mei­ne neue Woh­nung in der Innen­stadt mit­rei­ßen las­se und als neu­er BILD­blog-Chef in Talk­shows gehe und zu Jour­na­lis­ten­kon­gres­sen ins Aus­land flie­ge. („It’s phy­sics /​ There’s no escape.“)

Hier also spä­te Genug­tu­ung für einen Song und ein Ereig­nis, ohne die ich heu­te nicht da wäre, wo ich bin, und ohne die der ESC in Deutsch­land immer noch als „Schla­ger-Grand-Prix“ fir­mie­ren wür­de, bei dem man ohne­hin nichts rei­ßen kann.
[Songs 2010 von damals]

2011: Thees Uhl­mann – 17 Wor­te
Mein Kum­pel Thees Uhl­mann ist im Jahr 2011 wie so oft wei­ter als ich: Vater gewor­den, Bezie­hung zer­bro­chen, dabei, das Glück im Klei­nen zu suchen. Ich bin vier bis fünf Aben­de die Woche im Frei­beu­ter im Bochu­mer Bermuda3eck und schrei­be neben­her das BILD­blog voll. Des­we­gen igno­rie­re ich Thees‘ selbst­be­ti­tel­tes Solo-Debüt damals auch rüpe­lig bei den „Alben des Jah­res“ (und lobe lie­ber das nächs­te ega­le Cold­play-Album), obwohl ich es wirk­lich oft höre.

Aber die­se Lis­te hier ist auch eine Chan­ce auf Wie­der­gut­ma­chung, denn sechs Jah­re spä­ter ste­he ich beim GHvC-Geburts­tag in Ham­burg im Nie­sel­re­gen: Vater gewor­den, Bezie­hung zer­bro­chen, dabei, das Glück im Klei­nen zu suchen. Also völ­lig ande­re Prio­ri­tä­ten und Prin­zi­pi­en: „Mei­ne Wahr­heit in 17 Wor­ten: /​ Ich hab ein Kind zu erzie­hen /​ Dir einen Brief zu schrei­ben /​ Und ein Fuß­ball-Team zu sup­port­en.“ (Bei Erschei­nen des Albums hat­te ich Thees eine SMS geschrie­ben, dass das nur 16 Wor­te wären, weil man „Fuß­ball­team“ zusam­men­schrei­be. Sei­ne Ant­wort kam natür­lich prompt: „Fuß­ball Team!“)

2021 sehe ich Thees Uhl­mann und Band live im Burg­thea­ter in Dins­la­ken (weil: natür­lich). Es ist mein ers­ter Kon­zert­be­such seit andert­halb Jah­ren, mein Sohn ist an mei­ner Sei­te, mei­ne Eltern irgend­wo in mei­nem Rücken, der VfL Bochum ist auf­ge­stie­gen. Wei­te Tei­le der Öffent­lich­keit sind wäh­rend der immer noch anhal­ten­den Pan­de­mie dem Wahn­sinn anheim­ge­fal­len, aber als Thees „17 Wor­te“ spielt, macht für mich alles Sinn: Wir sin­gen, um uns zu erin­nern.
[Songs 2011 von damals]

2012: Car­ly Rae Jep­sen – Call Me May­be
Die­ser beklopp­te Euro­vi­si­on Song Con­test hat mich nach Aser­bai­dschan ver­schla­gen. Ich sit­ze in Baku im Hotel­zim­mer, gucke rus­si­sches Musik­fern­se­hen und sehe die­ses Video. Als der Song zu Ende ist, zap­pe ich wei­ter und sehe das glei­che Video auf dem nächs­ten Kanal direkt noch mal von vorn. „Komi­sche Rus­sen“, den­ke ich, will den Song bei Face­book pos­ten und stel­le fest, dass ich mit „Call Me May­be“ einen inter­na­tio­na­len Hit ver­passt habe.

Wahr­schein­lich ist es die­ser Moment, in dem ich die­ses eli­tär-puber­tä­re Musik-nur-gut-fin­den-wenn-sie-sonst-kei­ner-hört-Din­gen auf­ge­be und end­lich frei bin, Din­ge gut zu fin­den, nur weil ich sie gut fin­de. Um Din­ge auch öffent­lich gut zu fin­den (jeden­falls meis­tens), star­ten Tom The­len und ich im Blog unse­ren Kino-Pod­cast „Cine­ma And Beer“.

„Befo­re you came into my life /​ I missed you so bad“ ist immer noch eine der bes­ten Zei­len, die je über roman­ti­sche Lie­be geschrie­ben wur­de — und das waren ja nun wirk­lich nicht weni­ge. Car­ly Rae Jep­sen in der Köl­ner Essig­fa­brik ist im Febru­ar 2020 mein letz­tes Kon­zert vor dem Lock­down (ist es nicht Magie, wie hier alles inein­an­der­greift?!) und die fröh­li­che Stim­mung die­ses durch­aus ESC-taug­li­chen Publi­kums trägt mich durch die ers­ten, dunk­len Mona­te der Iso­la­ti­on.
[Songs 2012 von damals]

2013: Daft Punk feat. Phar­rell Wil­liams & Nile Rogers – Get Lucky
Ich sit­ze in einem Auto, das mich vom Hotel zur Mal­mö Are­na bringt, neben mir: ESC-Kom­men­ta­to­ren­le­gen­de Peter Urban. Als wäre das nicht schon absurd genug, wippt die­ser 65-jäh­ri­ge Mann zur Musik aus dem Auto­ra­dio mit: „Get Lucky“ von Daft Punk, Phar­rell Wil­liams und Nile Rogers. Natür­lich kennt er das, denn es ist ja ein inter­na­tio­na­ler Super­hit, dem man nur schwer ent­kom­men kann, und Peter wür­de auch jede Men­ge deut­lich obsku­re­re Songs mit­sin­gen, die in den letz­ten ca. 50 Jah­ren erschie­nen sind, aber irgend­wie über­rascht es mich in die­sem Moment doch, denn Daft Punk, das sind doch die von Viva 2 (wo sie jetzt zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch nicht zwin­gend zur Avant­gar­de gezählt hat­ten).

Die Domi­no­stei­ne, von denen die­ses Blog der ers­te war, haben mich hier­her gebracht, ins Epi­zen­trum des Enter­tain­ments. Nur einen Monat spä­ter sol­len sie mich zum Late-Night-Mei­nungs­ma­ga­zin „Tages­schaum“ mit Fried­rich Küp­pers­busch füh­ren und von dort zu unse­rem gemein­sa­men Pod­cast „Lucky & Fred“. Das Leben meint es gut mit mir, beruf­lich wie pri­vat.
[Songs 2013 von damals]

2014: Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness – High Dive
Ich hät­te immer gesagt, dass das Jahr 2014 hier im Blog gar nicht statt­ge­fun­den hat, aber es gibt doch eini­ge Ein­trä­ge aus die­ser Zeit — die meis­ten als Teil der kurz­le­bi­gen Serie „Song des Tages“. Ich erin­ne­re mich an nichts, weil ich zu sehr mit ande­ren Sachen beschäf­tigt bin: Umzug, neue Jobs, Hoch­zeit pla­nen und absa­gen, Vater wer­den, irgend­wie ver­su­chen, mei­ne Bezie­hung zu ret­ten. Alles Din­ge, auf die einen Pop­kul­tur nur unzu­rei­chend vor­be­rei­tet; alles Din­ge, die für Pop­kul­tur wenig Zeit las­sen.

Das ers­te neue Album, das ich mit mei­nem Sohn höre, ist das Solo­de­büt von Andrew McMa­hon, der mich mit sei­nen Bands Some­thing Cor­po­ra­te und Jack’s Man­ne­quin jetzt auch schon mehr als zehn Jah­re beglei­tet. Er ist auch gera­de Papa gewor­den, so kann ich die Ver­ar­bei­tung mei­ner Lebens­wirk­lich­keit wie­der mal auf ihn abwäl­zen und ein­fach sei­ne Songs hören. Obwohl wir doch noch jung sind, ist da viel Nost­al­gie in sei­nen Tex­ten wie „High Dive“, aber Face­book ersetzt Knei­pen­aben­de mit Freund*innen ja auch nur bedingt.

2015: Ben Folds feat. yMu­sic – Pho­ne In A Pool
2015 ist dann tat­säch­lich das Jahr, das nicht war, denn ich schrei­be sen­sa­tio­nel­le sie­ben Blog­ein­trä­ge, von denen die meis­ten ursprüng­lich Face­book-Posts waren. Offen­bar schaf­fe ich es immer­hin ein paar Mal ins Kino. (Ach, „The Force Awa­kens“ ist von 2015?!) Ich kann mich an nichts erin­nern und es geht mir wirk­lich nicht gut.

Ein biss­chen Trost kommt von mei­nem ewi­gen Hel­den Ben Folds, der gera­de die vier­te Schei­dung (von inzwi­schen fünf) hin­ter sich hat und mit dem Kam­mer­mu­sik-Ensem­ble yMu­sic ein Album ein­spielt, auf dem auch sein ers­tes Kla­vier­kon­zert zu hören ist. (Wir gehen alle unter­schied­lich mit Lebens­kri­sen um.) In „Pho­ne In A Pool“ berich­tet er: „Found the love of my life again /​ Y’all knows what I means /​ And I’ll be back on the sofa in a pudd­le in a cou­ple of weeks“. Bei all dem Elend ist es schön, dass jemand, der mich mein hal­bes Leben lang beglei­tet, immer noch Songs schrei­ben kann, die so gut zu mei­nem eige­nen Leben pas­sen. Natür­lich gibt es am Ende des Jah­res kei­ne Lis­ten — ich hab ja eh viel zu wenig Musik gehört und wann hät­te ich die denn noch schrei­ben sol­len?

2016: Weezer – Cali­for­nia Kids
Neu­an­fang in einer eige­nen Woh­nung und das Vor­ha­ben, das Blog jetzt aber wirk­lich wie­der zu befeu­ern. Da passt es ganz gut, dass Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re, des­sent­we­gen ich als Teen­ager mit dem Schrei­ben ange­fan­gen hat­te, ein neu­es Buch ver­öf­fent­licht, unge­fähr zeit­gleich mit dem neu­en Album der von uns hoch ver­ehr­ten Pet Shop Boys und dem von Weezer. Alle drei Acts eint, dass ihr Schaf­fen nicht zu jedem Zeit­punkt ihrer Kar­rie­re den Ansprü­chen des eige­nen Publi­kums genüg­te, aber jetzt sind sie wie­der voll da.

Also eigent­lich eine gute Gele­gen­heit, dar­über zu schrei­ben und über ande­re Din­ge, die mir Freu­de berei­ten, aber das Inter­net ist damals im wesent­li­chen Face­book und dort sind wir alle damit beschäf­tigt, mit irgend­wel­chen AfD-Anhän­gern zu dis­ku­tie­ren, die irgend­wo etwas Dum­mes kom­men­tiert haben. Um die­sem gan­zen Irr­sinn zu ent­flie­hen, schrei­be ich nicht etwa wie­der mehr ins Blog, son­dern star­te mei­nen eige­nen News­let­ter. Da macht das Schrei­ben immer­hin auch Spaß.

Weezer, jeden­falls, ken­ne ich seit mehr als 20 Jah­ren, als das Video zu „Bud­dy Hol­ly“ bei „Hit-Clip“ lief und auf der Win­dows-95-CD-Rom ent­hal­ten war. Jetzt ver­öf­fent­li­chen sie schon das vier­te Album namens „Weezer“ (nach dem blau­en, dem grü­nen und dem roten Album jetzt ganz Beat­les-mäßig das wei­ße), das mei­nen Sohn und mich auf vie­len Aus­flü­gen zum Kem­n­ader See beglei­tet und ihr bes­tes seit Jahr­zehn­ten ist. Der ope­ning cut „Cali­for­nia Kids“ han­delt von den glück­li­chen jun­gen Men­schen aus dem Gol­den Sta­te, die einem das Leben ret­ten. Ich nen­ne Kali­for­ni­en ger­ne „my home away from home“, was viel­leicht etwas prä­ten­ti­ös ist, aber ich hab da halt Fami­lie und es ist auch der ein­zi­ge Ort außer­halb des Ruhr­ge­biets, an dem ich je so viel Zeit am Stück ver­bracht habe. Der Staat bleibt auch nach der Wahl von Donald Trump zum US-Prä­si­den­ten das (natür­lich eher theo­re­ti­sche) Ide­al, das ich bewun­de­re, genau­so wie ich Men­schen auch lie­ber aus der Fer­ne toll fin­de — Cali­for­nia Kids halt.

2017: kett­car – Ankunfts­hal­le
Als die­ses Blog an den Start geht, haben kett­car bereits zwei Alben ver­öf­fent­licht: ihr Debüt „Du und wie­viel von Dei­nen Freun­den“, ein instant clas­sic, und – beglei­tet von Fern­seh­auf­trit­ten und ganz­sei­ti­gen Zei­tungs­ar­ti­keln – den Nach­fol­ger „Von Spat­zen und Tau­ben, Dächern und Hän­den“. Trotz­dem schrei­be ich in all den Jah­ren rela­tiv weni­ge Tex­te über die­se Band, die mir so wich­tig ist. Viel­leicht weil ich den­ke, dass das eh klar ist.

2017 liegt das letz­te (eher okaye) kett­car-Album fünf Jah­re zurück, Mar­cus Wie­busch hat in der Zwi­schen­zeit ein (ziem­lich gutes) Solo­al­bum ver­öf­fent­licht, aber plötz­lich ist die Band wie­der ein Macht­block mit­ten in Euro­pa: Ihre stets kla­re poli­ti­sche Hal­tung, die Jah­re vor­her noch ein biss­chen folk­lo­ris­tisch anmu­te­te, ist inzwi­schen not­wen­dig, aber neben Songs wie „Som­mer ’89“, „Wagen­burg“ und „Mann­schafts­auf­stel­lung“ gibt es auch jene, die sich anfüh­len wie Pola­roids (oder Ins­ta-Posts) aus dem All­tag. „Die Stra­ßen unse­res Vier­tels“ ersetzt eine gan­ze Fern­seh­se­rie über das Fami­li­en­le­ben in Hips­ter-Vier­teln, ohne sich für eine Sekun­de Harald-Schmidt-mäßig über Hafer­milch lus­tig zu machen; „Trost­brü­cke Süd“ ist ein Kame­ra­schwenk durch einen Lini­en­bus vol­ler Men­schen, die auf­ste­hen, atmen, sich anzie­hen und hin­ge­hen, und „Ankunfts­hal­le“ der Blog-Ein­trag, News­let­ter oder Song, den ich immer hat­te schrei­ben wol­len: ein Lob­lied auf die hei­len­de Kraft von Flug­ha­fen-Ankunfts­hal­len, wo Men­schen sich nach lan­ger Zeit der Tren­nung wie­der in die Arme fal­len.

Als kett­car und Thees Uhl­mann im August im Ham­bur­ger Nie­sel­re­gen 15 Jah­re Grand Hotel van Cleef fei­ern, ist weni­ge Tage zuvor mei­ne Oma gestor­ben, die hier von Anfang an mit­ge­le­sen hat­te. Ende Dezem­ber liegt mein Opa im Ster­ben und ich fah­re mit mei­nem Sohn zum Düs­sel­dor­fer Flug­ha­fen, Men­schen in der Ankunfts­hal­le gucken.
[Songs des Jah­res 2017 damals]

2018: Rae Mor­ris – Do It
Hat­te ich oben – also vor ca. 18.000 Zei­chen – nicht noch geschrie­ben, dass in die­ser Lis­te expli­zit nicht die jewei­li­gen Songs des Jah­res auf­tau­chen sol­len? Well: We make up the rules as we go along!

Rae Mor­ris hat sich ihre Son­der­rol­le hier im Blog ver­dient: Weil ich mich 2012 instant­ly in ihren Song „Don’t Go“ aus dem (eigent­li­chen) Seri­en­fi­na­le von „Skins“ (der ein­zi­gen Fern­seh­se­rie neben „Die Brü­cke“, von der ich alle Fol­gen gese­hen habe) ver­liebt habe; weil sie der ers­te (und bis heu­te ein­zi­ge) Act in der Geschich­te die­ses Blogs ist, der in einem Jahr (2018) mei­nen per­sön­li­chen „Song des Jah­res“ und mein „Album des Jah­res“ ver­öf­fent­licht hat (das haben Tom­te 2006 zwar auch geschafft, aber halt sechs Wochen, bevor die­ses Blog an den Start ging, also zählt das nur an unge­ra­den Wochen­ta­gen ohne Neu­mond); weil sie der ers­te (und bis heu­te ein­zi­ge) Act ist, der zwei Mal mei­nen per­sön­li­chen Song des Jah­res (2012 und 2018) geschrie­ben hat.

Irgend­wie alles tro­cke­ner Sta­tis­tik-Kram ange­sichts eines Songs, der davon han­delt, auf die Zwei­fel zu pfei­fen und sich kopf­über in die Lie­be zu stür­zen. Rae Mor­ris singt das über ihren musi­ka­li­schen Part­ner und heu­ti­gen Ehe­mann Fryars und sie macht das so toll, dass ich mit ihr an die gro­ße Lie­be glau­ben will, die sich anfühlt wie Feu­er­werk aus­sieht. Doch mei­ne Ver­su­che, „Do It“ in „Joko Win­ter­scheidts Druckerzeug­nis“ zum Som­mer­hit des Jah­res zu pushen, schei­tern und Men­schen wie ich blei­ben bes­ser allein.

Aber, so den­ke ich heu­te, eigent­lich ist die­ses Blog hier ja auch nichts ande­res als die Umset­zung des Gedan­kens „We could just do it“: Gestar­tet als „die Online-Zei­tung, die wir ger­ne lesen wür­den“ (puh!), konn­te ich mich hier an der Tas­ta­tur und vor der Kame­ra aus­to­ben, aus­pro­bie­ren und dar­an wach­sen, um dann für Zei­tun­gen und Fern­seh­sen­dun­gen zu arbei­ten, die ich frü­her nur rezi­piert hat­te. Wenn man aus 18 Jah­ren Cof­fee And TV unbe­dingt irgend­et­was ler­nen will, dann, dass Selbst­er­mäch­ti­gung manch­mal (es gehört ja auch bei mir sicher­lich eini­ges an Glück dazu) wirk­lich funk­tio­nie­ren kann.
[Songs des Jah­res 2018 damals]

2019: LOKI – The Girl With No Eyes
Für die, die hier ernst­haft Buch füh­ren (also: für mich), mag es etwas über­ra­schend sein, dass ein Song, der auf Platz 59 einer Jah­res­bes­ten­lis­te stand, ein Jahr reprä­sen­tie­ren soll. Nun: Ers­tens kön­nen wir uns glaub ich dar­auf eini­gen, dass es eh schon ein ganz klei­nes biss­chen wahn­sin­nig ist, einen „Platz 59“ auf einer per­sön­li­chen Bes­ten­lis­te zu haben; zwei­tens habe ich erst bei der Durch­sicht mei­ner diver­sen Lis­ten, Ein­trä­ge und Play­lists fest­ge­stellt, dass ich tat­säch­lich schon mal Musik von LOKI gehört haben muss, bevor ich sie letz­tes Jahr beim Fes­ti­val Sounds Like Sugar in Her­ne gese­hen habe und so begeis­tert war, dass ich sie beim Bochum Total direkt wie­der sehen muss­te.

Damit steht „The Girl With No Eyes“, des­sen Bon-Iver-Haf­tig­keit mich schon 2019 über­zeugt haben muss, näm­lich für etwas ande­res: Für das wil­de Über­an­ge­bot an Wer­ken (oder: „Con­tent“, wie die Arsch­lö­cher sagen, die in ihrem Leben nicht einen ein­zel­nen genui­nen Gedan­ken hat­ten), aus dem wir theo­re­tisch wäh­len kön­nen, das aber auch das Risi­ko birgt, alles belie­big und egal zu machen. Dass es etwas ande­res ist, tage­lang in phy­si­schen Läden nach einer CD zu fahn­den und sie dann end­lich zu fin­den, als ein­fach alles immer sofort (terms and con­di­ti­ons app­ly) zur Ver­fü­gung zu haben, hab ich schon 2016 auf­ge­schrie­ben. Es ist seit­dem nicht weni­ger gewor­den. Wenn ich mich nicht mehr an irgend­wel­che Acts erin­nern kann (natür­lich auch, weil ihre Namen nur noch über Bild­schir­me flim­mern und nicht aus­ge­druckt vor mir lie­gen, was mei­nem Gehirn immer­hin ein biss­chen hel­fen wür­de), ist es alles ein biss­chen viel.

Ich selbst tra­ge fröh­lich zum Über­an­ge­bot bei: Mit Fried­rich Küp­pers­busch ste­he ich jetzt regel­mä­ßig auf Büh­nen in Dort­mund und Ber­lin, um „Lucky & Fred“ vor Publi­kum auf­zu­zeich­nen. Da kommt das Thea­ter-Kind von frü­her wie­der zum Vor­schein, Applaus ist immer noch die stärks­te Wäh­rung. Weil Likes dage­gen abstin­ken und dort eh nichts mehr los ist, lösche ich am Sil­ves­ter­abend mei­nen Face­book-Account. Im Nach­hin­ein möch­te ich sagen: Ich habe schon düm­me­re Din­ge zu einem schlech­te­ren Zeit­punkt gemacht.
[Songs des Jah­res 2019 damals]

2020: Tay­lor Swift – Epi­pha­ny
Alles beginnt so schön mit wei­te­ren Live-Auf­trit­ten und Kon­zert­be­su­chen bei kett­car, Ider und Car­ly Rae Jep­sen. Und dann endet alles: Kon­zer­te, Kin­der­gar­ten, Bun­des­li­ga, sogar der Euro­vi­si­on Song Con­test wird erst­mals abge­sagt. „Wegen Coro­na“ wird ein soge­nann­tes geflü­gel­tes Wort, was auch irgend­wie zu den ver­damm­ten Flug­hun­den auf dem Nass­markt von Wuhan passt, die uns die gan­ze Schei­ße (mut­maß­lich) ein­ge­brockt haben.

Popkultur-Freund*innen ver­glei­chen die Stra­ßen mit jenen aus dem Zom­bie­film „28 Days Later“ und wir ler­nen die Wohn­zim­mer von Kolleg*innen und Rock­stars ken­nen, die von dort aus Mini-Kon­zer­te in die Welt strea­men (die Rock­stars, nicht die Kolleg*innen). Die Leu­te erschei­nen all das mit erstaun­li­chem Gleich­mut zu ertra­gen, aber die­ses Bild bekommt – um eine wei­te­re Phra­se zu ver­mei­den – schnell Ris­se: Als sich im April eine Frau, die vor einem Café war­ten muss, um Kuchen zum Mit­neh­men zu kau­fen, über die „Gesund­heits­dik­ta­tur“ beschwert, bin ich viel zu über­rascht und scho­ckiert, ihr vor­zu­schla­gen, dass wir ger­ne gemein­sam einen Bekann­ten von mir, der Arzt in Padua ist, anru­fen könn­ten und sie ja mal mit dem spre­chen kön­ne, wenn er nicht gera­de dabei ist, um Leben zu kämp­fen.

Es ist ein Vor­ge­schmack auf das, was kommt: Weil man sich jetzt nir­gend­wo mehr in die Augen gucken kann, ver­ges­sen nahe­zu alle, dass sie online mit ande­ren Men­schen dis­ku­tie­ren. Man­che von uns nut­zen die vie­le freie Zeit, um sich über Ras­sis­mus fort­zu­bil­den, ande­re, um sich zu radi­ka­li­sie­ren. Ich schrei­be viel in mei­nen News­let­ter und wenig ins Blog, star­te aber zusam­men mit Sue Reind­ke immer­hin einen neu­en Pod­cast namens „Bist Du noch wach?“

In all das hin­ein ver­öf­fent­licht Tay­lor Swift, die nach einer abge­sag­ten Welt-Tour­nee auch zu viel Frei­zeit hat, ein Album, das sie in den ers­ten Mona­ten des Lock­downs mit Aaron Dess­ner von The Natio­nal auf­ge­nom­men hat, remo­te. „Folk­lo­re“ wird zum Sound­track des ers­ten Coro­na-Som­mers und über­zeugt selbst jene, die ihrer Musik bis­her kri­tisch gegen­über­ge­stan­den hat­ten. Mit „Ever­mo­re“ erscheint ein paar Mona­te spä­ter noch so ein gro­ßer Wurf. Nach dem groß­ar­ti­gen „1989“ von 2014 hab ich end­lich die nächs­te era, in der ich mich ein­rich­ten kann. Es ist der Sound­track zu sehr aus­gie­bi­gen Spa­zier­gän­gen durch die ver­schie­de­nen Nach­bar­schaf­ten hier in Bochum. Und mit­ten­drin ein Song über Sol­da­ten und Men­schen im Gesund­heits­we­sen, über das Ster­ben in Ein­sam­keit und über das Wei­ter­ma­chen der Über­le­ben­den: „Epi­pha­ny“. „Someone’s daugh­ter, someone’s mother /​ Holds your hand through pla­s­tic now“ sind Zei­len, die mir auf ewig die Trä­nen in die Augen trei­ben und einen Klos in den Hals drü­cken wer­den. Die gute Nach­richt: Mei­ne Omi, die mit 94 noch allein in ihrem viel zu gro­ßen Haus wohnt, über­lebt all das ohne Anste­ckung. Das ist nicht ihr Song.
[Songs des Jah­res 2020 damals]

2021: Meet Me @ The Altar – Never Gon­na Chan­ge
2021 ist die etwas öde Fort­set­zung des Seu­chen­jah­res, aber als Far­ce: Hash­tag Oster­ru­he. Die Amts­zeit von Donald Trump endet, die von Ange­la Mer­kel auch. In Rot­ter­dam, wo der ESC unter Pan­de­mie-Bedin­gun­gen statt­fin­det, lau­tet der schon 2019 erson­ne­ne Slo­gan pas­sen­der­wei­se „Open Up“. Den Som­mer ver­brin­ge ich damit, mein Buch über den Song Con­test zu schrei­ben, an Omis Geburts­tag und an Weih­nach­ten sind wir wie­der alle ver­eint.

In Aachen tref­fe ich einen mei­ner aller­größ­ten Hel­den: Micha­el Sti­pe von R.E.M. Er ist so bezau­bernd, wie ich erhofft hat­te, und gibt mir das Gefühl, als sei ich der aller­ers­te Mensch, der „You’­ve chan­ged my life“ zu ihm sagt. Der VfL Bochum steigt nach elf Jah­ren wie­der in die Bun­des­li­ga auf. Natu­re is heal­ing.

Mei­ne aktu­el­le Lieb­lings­band heißt Meet Me @ The Altar, que­er Women of Color aus den USA, die Pop-Punk zwi­schen Avril Lavi­gne, Para­mo­re und Blink-182 machen. Zum ers­ten Mal hören tue ich von ihnen bei – natür­lich – „All Songs Con­side­red“ auf – natür­lich – einem mei­ner lan­gen Spa­zier­gän­ge, in Erin­ne­rung blei­ben mir ihre EP „Model Citi­zen“ und der Song „Never Gon­na Chan­ge“ aber vor allem als Sound­track zu den ers­ten Besu­chen im Fit­ness­stu­dio, die jetzt wie­der mög­lich sind.
[Songs des Jah­res 2021 von damals]

2022: Maro – Sau­da­de, Sau­da­de
Am Ende wird es das Jahr gewe­sen sein, das ich so lang gefürch­tet hat­te: das, in dem mei­ne Omi stirbt. Es wer­den lan­ge vier Mona­te des Abschieds, die ihren Kin­dern alles abver­lan­gen, aber es eine Zeit des bewuss­ten, lie­be­vol­len Abschieds und der Lie­be in ihrer reins­ten Form.

All das ahne ich noch nicht, als ich beim ESC in Turin sit­ze und völ­lig gebannt (das eng­li­sche Wort mes­me­ri­zed ken­nen wir im Deut­schen lei­der nicht, obwohl es doch auf einen deut­schen Arzt zurück­geht) dem Auf­tritt der por­tu­gie­si­schen Künst­le­rin fol­ge, die das spe­zi­fisch por­tu­gie­si­sche Gefühl sau­da­de besingt, das mit „ver­mis­sen“ nur unzu­rei­chend über­setzt wer­den kann und das sie nach dem Tod ihres gelieb­ten Groß­va­ters emp­fin­det. „Sau­da­de, Sau­da­de“ erreicht am Ende einen tol­len 9. Platz, Deutsch­land hat auch teil­ge­nom­men. Aller­spä­tes­tens hier in Turin ist der ESC nicht mehr die leicht tra­shi­ge Quatsch-Ver­an­stal­tung, als die er noch galt, als Ste­fan und ich 2007 erst­ma­lig dar­über gebloggt haben. Er ist ein ech­tes Musik­fes­ti­val, bei dem man Gen­res und Acts vor­ge­stellt bekommt, auf die man sonst viel­leicht nie gesto­ßen wäre. Wer hier noch alles doof fin­det, mag wahr­schein­lich ein­fach kei­ne Musik.

Mein Buch über die­se Ver­an­stal­tung erscheint qua­si zeit­gleich mit Beginn des rus­si­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne, was mir eine ordent­lich Por­ti­on der Freu­de raubt. Als ich den Release trotz­dem mit Freund*innen in mei­ner Stamm­knei­pe feie­re, ste­cke ich mich (end­lich) mit COVID-19 an und bin immer noch reich­lich außer Atem, als ich das Buch in einer klei­nen gro­ßen Live­show in der Zeche Carl in Essen vor­stel­le. Irgend­wie schaf­fe ich es sogar, in die­sem Jahr noch einen Pod­cast zu pro­du­zie­ren: die Talk­sen­dung „Woher ken­nen wir uns?“
[Songs des Jah­res 2022 damals]

2023: Foo Figh­ters – Res­cued
Omi und Tay­lor Haw­kins sind im sel­ben Jahr gestor­ben, was inso­fern beson­ders tra­gisch ist, als der Schlag­zeu­ger der Foo Figh­ters 46 Jah­re jün­ger gewe­sen war. Dave Grohl hat­te zum drit­ten Mal einen sei­ner bes­ten Freun­de ver­lo­ren, Mona­te spä­ter sei­ne Mut­ter. Ob das der Beginn einer etwas ver­spä­te­ten mid­life-cri­sis war, in deren Ver­lauf jene Toch­ter ent­stand, die „außer­halb mei­ner Ehe“ gebo­ren wur­de, wie er auf Insta­gram schrieb, ver­mag ich nicht zu beur­tei­len — es war zumin­dest der Aus­lö­ser, „But Here We Are“ auf­zu­neh­men, das bes­te Foo-Figh­ters-Album seit fast 25 Jah­ren, auf dem er wie­der ein­mal Trau­er in Wut ver­wan­delt und umge­kehrt.

„Res­cued“ ist einer der ers­ten Songs, den ich in mei­ner klei­nen Musik­sen­dung spie­le, die ich in einem Anfall beson­de­rer Geis­tes­ge­gen­wart auch „Cof­fee And TV“ genannt habe. Sie ist das, wor­auf ich Jahr­zehn­te lang gewar­tet hat­te: die Mög­lich­keit, Songs in einem Pod­cast zu spie­len, ohne in einem kost­spie­li­gen Büro­kra­tie­ge­wit­ter namens „GEMA“ unter­zu­ge­hen. Das Ergeb­nis kann man zwar nur beim fins­te­ren Tech-Kon­zern Spo­ti­fy hören, aber ent­schei­den­der ist für mich eh, sowas über­haupt machen zu kön­nen. Aber wie so oft mit den schö­nen Din­gen im Inter­net: Nur ein Jahr spä­ter zieht Spo­ti­fy den Ste­cker und schafft die Mög­lich­keit, sol­che Musik­sen­dun­gen zu bau­en, direkt wie­der ab.

„But Here We Are“ wird auch 2024 wie­der für mich da sein: Als mei­ne gelieb­te Tan­te Dör­te stirbt, eine groß­ar­ti­ge Grund­schul­leh­re­rin, höre ich den Song, den Dave Grohl für sei­ne ver­stor­be­ne Mut­ter Vir­gi­nia geschrie­ben hat, die eben­falls Leh­re­rin gewe­sen war: „The Tea­cher“.

2024: Ezra Coll­ec­ti­ve feat. Yaz­min Lacey – God Gave Me Feet For Dancing
Das ist mir in all den Jah­ren auch noch nicht pas­siert, dass ich – trotz aller Play­lis­ten, Noti­zen-Apps und Zet­tel – beim Zusam­men­stel­len der „Alben“ oder „Acts des Jah­res“ ein Album bzw. einen Act kom­plett ver­ges­se. Ob’s am Alter liegt oder dem schon erwähn­ten Über­an­ge­bot?

Immer­hin habe ich hier die Gele­gen­heit, den Feh­ler schnell halb­wegs wett­zu­ma­chen: „God Gave Me Feet For Dancing“ von Ezra Coll­ec­ti­ve und Yaz­min Lacey. Ezra Coll­ec­ti­ve sind eine Jazz-Fusi­on-Band aus Lon­don, die Ele­men­te aus Afro­beat, Calyp­so, Reg­gae, Hip-Hop, Soul und Jazz ver­bin­den und deren Songs bei BBC Radio 6 Music, mei­ner aktu­el­len Haupt­quel­le für neue Musik, rauf und run­ter läuft. Es ist die­se Musik, die ich mit dem leicht­fü­ßi­gen Som­mer 2024 ver­bin­de, als wir alle den­ken, dass Kama­la Har­ris US-Prä­si­den­tin wer­den wird, und die Olym­pi­schen Spie­le in Paris ein Gefühl von Hoff­nung, Zuver­sicht und Gemein­schaft ver­mit­teln, das wir so lan­ge ver­misst hat­ten. Sich ein paar Mona­te spä­ter über die eige­ne ver­meint­li­che Nai­vi­tät lus­tig zu machen, wäre aber auch zynisch.
[Songs des Jah­res 2024 von „damals“]

Epi­log
„Am Ende wird alles okay sein — und wenn es nicht okay ist, ist es nicht das Ende“, hat der bra­si­lia­ni­sche Autor Fer­nan­do Sabi­no geschrie­ben und Weezer nann­ten ihr 2015er Album „Ever­y­thing Will Be Alright In The End“. „Schwimm für die Songs, die noch geschrie­ben wer­den“, hat Mar­cus Wie­busch von kett­car auf sei­nem Solo­al­bum gesun­gen — und dabei Andrew McMa­hon refe­ren­ziert. Alles hängt immer mit allem zusam­men.

Social Media ist, spä­tes­tens seit sich die Tech-Olig­ar­chen um Donald Trump scha­ren, ein dumps­ter fire, das unse­re See­len und Gehir­ne ver­zehrt. Doch das hier sind nur die ers­ten 18 Jah­re und die ers­ten 18 Songs. Cof­fee And TV ist mein Zuhau­se und ich pla­ne zu blei­ben, mein Freund.

Denn wie sang einst Gra­ham Coxon in jenem Blur-Song, des­sen Titel wir uns damals ein­fach gemopst haben?

Take me away from this big bad world
And agree to mar­ry me
So we can start over again

(Auf das mit dem Hei­ra­ten wür­de ich nach den oben erwähn­ten Erfah­run­gen aller­dings ger­ne ver­zich­ten.)

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Musik

Songs des Jahres 2013

Das neue Jahr ist auch schon wie­der zehn Tage alt, da wird es Zeit, die Alt­las­ten von 2013 abzu­tra­gen. In die­sem Fall: Mei­ne Songs des Jah­res. Die Aus­wahl ist wie immer völ­lig sub­jek­tiv, die Rei­hen­fol­ge im Moment ihrer Erstel­lung schon ver­al­tet und ver­mut­lich hab ich eh wie­der das Wich­tigs­te ver­passt.

25. Bos­se – Schöns­te Zeit
Ja, ja: Das ist schon sen­ti­men­ta­ler Quatsch, Kurt Cobain hul­di­gen zu wol­len mit so einem ver­gleichs­wei­se bana­len Pop­song, der im Text viel zu expli­zit durch dekli­niert, was er aus­drü­cken will. Aber was für ein Pop­song das dann eben doch ist! Und die­ses per­len­de Kla­vier, das die Instru­men­tal­stel­len zu einem der im Gebrauchs­fern­se­hen meist gespiel­ten Wer­ke des Jah­res gemacht hat! Doch, ich blei­be dabei: Ich mag die­sen Song!

24. Junip – Line Of Fire
Ich weiß defi­ni­tiv zu wenig über José Gon­zá­lez und sei­ne Band Junip, die zwar seit Jah­ren immer wie­der am äuße­ren Sicht­feld mei­nes Radars auf­tau­chen, aber es – außer mit Gon­zá­lez‘ Ver­si­on von „Heart­beats“ von The Kni­fe – nie wirk­lich in mei­ne Play­lis­ten geschafft haben. Aber die­sem hyp­no­ti­schen Song und vor allem dem dazu­ge­hö­ri­gen Video konn­te ich mich nicht ent­zie­hen. Wenn ich mehr Zeit mit dem Lied und dem dazu­ge­hö­ri­gen Album ver­bracht hät­te, wären bei­de ver­mut­lich deut­lich wei­ter oben in mei­ner Lis­te.

23. Elvis Cos­tel­lo & The Roots – Walk Us Upt­own
Die Idee, einen der viel­sei­tigs­ten Musi­ker der letz­ten Jahr­zehn­te mit einer der bes­ten Hip-Hop-Bands kol­la­bo­rie­ren zu las­sen, hat­te ein biss­chen was vom Clash der Kul­tu­ren. Schon beim Ope­ner stellt sich aber raus: Die Kom­bi­na­ti­on ist gar nicht so exo­tisch, son­dern eigent­lich erstaun­lich nahe­lie­gend. Wenn man nicht um die Hin­ter­grün­de wüss­te, wäre es ein­fach ein extrem coo­ler, tigh­ter Song.

22. Pet Shop Boys – Love Is A Bour­geois Con­s­truct
Bei Künst­lern, die schon seit Jahr­zehn­ten dabei sind, hat es immer eine gewis­se Wider­sprüch­lich­keit, wenn man ihnen nach­sagt, ein neu­er Song hät­te schon vor Jah­ren ver­öf­fent­licht wer­den kön­nen. Klar: „Love Is A Bour­geois Con­s­truct“ hät­te wun­der­bar auf „Very“ gepasst, die poli­ti­schen Anspie­lun­gen und See­manns­chö­re inklu­si­ve. Aber immer wie­der bricht das Arran­ge­ment auf und es kom­men Sounds zum Vor­schein, die man so zumin­dest bei den Pet Shop Boys noch nie gehört hat.

21. Bas­til­le – Pom­peii
Hur­ra, noch eine Indie­band mit Gitar­ren und Syn­the­si­zern! Geh mir weg! Dann aber: Die­se gran­dio­sen „Eh-oh“-Chöre (nicht zu ver­wech­seln mit „Alles nur geklaut“ von den Prin­zen) und vor allem die­ses Getrom­mel! Luft­gi­tar­re macht bei die­sem Lied kei­nen Sinn, Luft­ge­trom­mel bei aus­rei­chen­dem Sicher­heits­ab­stand durch­aus. Und man freut sich ja inzwi­schen schon über jeden Slot, der im Radio von etwas ande­rem als Robin Thi­c­ke oder den (Un)Toten Hosen besetzt wird!

20. Andrew McMa­hon – After The Fire
Ich bin da kein Stück objek­tiv: Andrew McMa­hon (Ex-Some­thing Cor­po­ra­te und Ex-Jack’s Man­ne­quin) ist für mich ein per­sön­li­cher Held. Mit sei­nen Tex­ten spricht er mir seit zehn Jah­ren aus der See­le und wahr­schein­lich hat es auch etwas damit zu tun, dass wir fast gleich alt sind. Jeden­falls: Sei­ne Solo-Debüt-EP „The Pop Under­ground“ ist mit ziem­li­cher Sicher­heit kei­ne musi­ka­li­sche Offen­ba­rung, aber sie ent­hält vier wun­der­ba­re Pop­songs (hier auch wie­der das Motiv: Chö­re und Trom­meln!) und „After The Fire“ ist mit sei­nem groo­ven­den Refrain der bes­te davon und muss des­halb die Top 20 eröff­nen.

19. Cold War Kids – Mira­cle Mile
Da zeich­net sich ein Mus­ter ab: Schon wie­der Chö­re und Trom­meln! Und natür­lich ein häm­mern­des Kla­vier. Mit ordent­lich Schwung star­ten die Cold War Kids in ihr Album „Dear Miss Lonely­he­arts“. Da schep­pern ganz viel Eupho­rie und Lebens­freu­de mit und dann fasst der Song die gan­zen Lebens­rat­ge­ber und Feuil­le­ton­tex­te der letz­ten Jah­re ganz sim­pel zusam­men: „Get out­side, get all over the world /​ You learn to love what you get in return /​ It may be a pro­blem and it may be peace of mind /​ But you have to slow down and brea­the one breath at a time /​ So ya come up for air“. Hal­lo!

18. Lily Allen – Hard Out Here
Lily Allen, die mir liebs­te Pop-Prin­zes­sin der letz­ten Jah­re, ist zurück. Das allein wäre schon ein Grund zu fei­ern, aber dann haut sie auch noch ein femi­nis­ti­sches Mani­fest aus, das dar­über hin­aus auch noch so ein char­mant schun­keln­der Pop­song ist. Natür­lich kön­nen wir über das Video dis­ku­tie­ren und über die Fra­ge, ob man Feu­er (oder in die­sem Fall eher: die Gül­le, die „Blur­red Lines“ von Robin Thi­c­ke nun mal ist und auf die Allens Video anspielt) mit Feu­er (Gül­le) bekämp­fen muss. Aber die Dis­kus­si­on ver­schafft dem The­ma „Sexis­mus im Pop“ noch mal mehr Auf­merk­sam­keit und tut dem Song kei­nen Abbruch.

17. Blau­d­zun – Ele­phants
Um ehr­lich zu sein, weiß ich qua­si gar nichts über die­sen nie­der­län­di­schen Sän­ger. Ich muss­te sogar sei­ne Natio­na­li­tät gera­de noch mal nach­schla­gen und habe auch sein Album „Hea­vy Flowers“ nur ein­mal gehört. Aber „Ele­phants“ hat mich von Anfang an begeis­tert, seit ich den Song zum ers­ten Mal bei „All Songs Con­side­red“ gehört habe. Auch hier wie­der: viel zeit­ge­nös­si­sches Getrom­mel, was nahe­legt, dass man „Ele­phants“ noch mal in der Wer­bung irgend­ei­nes Unter­hal­tungs­elek­tronik­her­stel­lers hören wird. Falls nicht: ein­fach auf „Repeat“ drü­cken.

16. Josh Rit­ter – Joy To You Baby
Josh Rit­ter hat mit „The Beast In Its Tracks“ das auf­ge­nom­men, was Musik­jour­na­lis­ten und emp­find­sa­me Hörer ein „Tren­nungs­al­bum“ nen­nen. Ganz vie­le Songs an die Adres­se der alten Flam­me, inkl. der Ver­si­che­rung, dass die neue Lie­be nur „in einem bestimm­ten Licht“ so aus­se­he wie die alte. Das alles kul­mi­niert in „Joy To You Baby“, das im Spek­trum „Wut/​Gelassenheit“ den gegen­über­lie­gen­den Platz von Ben Folds Fives „Song For The Dum­ped“ besetzt und damit das ver­söhn­lichs­te Abschieds­lied seit … äh … seit „Die Guten“ von muff pot­ter. ist. So unge­fähr.

15. Tra­vis – Whe­re You Stand
Liegt das an mei­ner neu­en Ste­reo­an­la­ge, oder wur­den 2013 die Bäs­se und Schlag­zeu­ge deut­lich wei­ter nach vor­ne gemischt als vor­her? Im Prin­zip auch egal, denn spre­chen wir über die­ses Lied, den Titel­track von Tra­vis‘ sieb­tem Album. Da ist wirk­lich alles drin, was man von Tra­vis erwar­tet, vor allem aber: viel Melan­cho­lie und Trost. Ein eher unspek­ta­ku­lä­rer Song, ver­gli­chen mit vie­len Hits der Band, aber das passt zu Tra­vis, die es sich in der Nische zwi­schen den über­gro­ßen Bands Radio­head (von denen Tra­vis beein­flusst wur­den) und Cold­play (die von Tra­vis beein­flusst wur­den) bequem gemacht haben.

14. Moby feat. Way­ne Coy­ne – The Per­fect Life
Wer ein­mal auf einem Kon­zert der Fla­ming Lips war, weiß, wie man auch als erwach­se­ner Mensch noch Eupho­rie bis in Kin­der­ge­burts­tags­sphä­ren hoch­schrau­ben kann. Also eine gute Wahl, dass sich Moby für die­se Endor­phin-Über­do­sis Fla­ming-Lips-Sän­ger Way­ne Coy­ne dazu hol­te, mit dem er dann im Video durchs son­nen­durch­flu­te­te LA mar­schiert. Und was für ein schö­nes Lie­bes­lied sie dabei sin­gen! Hach!

13. Mara­thon­mann – Die Stadt gehört den Bes­ten
Seit dem Ende von muff pot­ter. und Schrott­gren­ze und der Revol­ver­held-Wer­dung von Jupi­ter Jones ist der Platz für lau­te, hei­se­re Emo­tio­nen in mei­nem Musik­spek­trum unbe­setzt. Ich weiß, es gäbe da Dut­zen­de gute Bands, aber kei­ne von denen hat mich bis­her so gekickt, wie es jetzt Mara­thon­mann getan haben. Ich traf auf die­se Hym­ne in ihrem natür­li­chen Lebens­raum: einer von Piet Klo­cke mode­rier­ten Abend­sen­dung auf WDR 5. Ich fin­de es etwas ver­stö­rend, dass ich bei der Zei­le „Und wir steh’n auf uns’­ren Brü­cken“ aus­ge­rech­net die Köl­ner Hohen­zol­lern­brü­cke vor Augen habe, aber ande­rer­seits habe ich die in die­sem Jahr etli­che Male mit dem Zug über­quert und zwei­tens gibt es in Bochum auch gar nicht so vie­le Brü­cken, die ich mir hier pathe­tisch vor­stel­len könn­te. Ein wun­der­ba­res Brett mit ganz viel „Wir gegen den Rest der Welt“-Poesie und eine Hom­mage an Städ­te und Freun­des­krei­se.

12. Rhye – Open
Nach 20 Uhr kann man auch auf Eins­li­ve fei­ne Musik ent­de­cken. Mein Erst­kon­takt mit „Open“ fand jeden­falls beim Spü­len im Rah­men der Sen­dung „Plan B“ statt. Die Mode­ra­to­rin erklär­te mir vor­ab, was ich so direkt nicht geahnt hät­te, näm­lich dass die nun fol­gen­de Stim­me einem Mann namens Mike Milosh gehö­re. Ste­phen Thomp­son von NPR Music – der Mann, dem ich in Musik­fra­gen am Aller­meis­ten ver­traue – schrieb über den Song: „cat­chy but subt­le, soni­cal­ly rich but unclut­te­red, sexy but never vul­gar“. Im Fern­se­hen gehört „Open“ schon jetzt zum fes­ten Reper­toire der Lie­bes­ak­t­an­bah­nungs­be­schal­lung und viel­leicht wird der Song eines Tages als „Smooth Ope­ra­tor“ die­ser Gene­ra­ti­on gehan­delt wer­den.

11. Vol­ca­no Choir – Bye­go­ne
Jus­tin Ver­non will viel­leicht nie mehr mit sei­nem Pro­jekt Bon Iver Musik machen. Das wäre scha­de, aber ers­tens gibt es ja zwei phan­tas­ti­sche Alben, die uns kei­ner mehr neh­men kann, und zwei­tens macht Ver­non ja ein­fach immer wei­ter, auch mit ande­ren Pro­jek­ten. „Repa­ve“, das zwei­te Vol­ca­no-Choir-Album, hät­te er auch als Bon Iver ver­öf­fent­li­chen kön­nen, und „Bye­go­ne“ ist der Song, der sich dabei am Stärks­ten her­vor­tut.

10. Les­lie Clio – Let Go
„Told You So“, die Vor­ab-Sin­gle von Les­lie Cli­os Debüt­al­bum „Gla­dys“, hat­te es ja bereits 2012 auf mei­ne Lis­te geschafft, jetzt also noch ein Song. „Let Go“ ist deut­lich schlep­pen­der als „Told You So“ (oder auch das eben­falls famo­se „Could­n’t Care Less“) und ver­ur­sacht bei mir immer noch regel­mä­ßig Gän­se­haut. Ein schlich­tes, aber wir­kungs­vol­les Tren­nungs­lied, das Ade­le oder Amy Wine­house in nichts nach­steht.

9. James Bla­ke – Retro­gra­de
Apro­pos Gän­se­haut: James Bla­ke! Den Gesang muss man mögen, aber der Song dürf­te eigent­lich kei­nen kalt las­sen.

8. Biffy Cly­ro – Black Chan­de­lier
Ja, das ist Sta­di­on­rock – aber immer­hin nicht mit so ver­krampf­tem Rock­star­dom ver­bun­den wie der von Muse oder 30 Seconds To Mars. Schö­nes Gitar­ren­ge­schram­mel, gute Lyrics und ein Songauf­bau wie aus dem Lehr­buch – man kann alles für und gegen Biffy Cly­ro ver­wen­den, aber vom Jah­res­an­fang bis zum Jah­res­en­de war „Black Chan­de­lier“ die gan­ze Zeit dabei und hat auch am Ende immer noch funk­tio­niert.

7. Daft Punk feat. Phar­rell Wil­liams – Get Lucky
Ladies and gen­tle­men, bit­te erhe­ben Sie sich für den Kon­sens-Hit des Jah­res, ach was: der Deka­de! „Get Lucky“ ist das, was man instant clas­sic nennt – aus dem Stand ein Ever­green. Ein Song, der Gene­ra­tio­nen ver­eint („Sind das Stee­ly Dan?“ – „Nein, Papa!“), und per Gesetz in jeder ein­zel­nen Fern­seh­sen­dung des Jah­res 2013 gespielt wer­den muss­te. Und das, wo kaum noch jemand ernst­haft mit einem gro­ßen Come­back von Daft Punk gerech­net hat­te.

6. Cas­per – Im Asche­re­gen
Ich habe ja so mei­ne Zeit gebraucht, bis ich mit Cas­pers Musik warm wur­de. Inzwi­schen bin ich gro­ßer Fan und das Album „Hin­ter­land“ hat sei­nen Vor­gän­ger „XOXO“ noch mal getoppt. Der Ope­ner „Im Asche­re­gen“ klingt mit sei­nen Trom­meln, Chö­ren, Blä­sern und Glo­cken­spie­len mehr nach Arca­de Fire als Arca­de Fire selbst und text­lich habe ich in der deutsch­spra­chi­gen Musik 2013 kaum Bes­se­res gehört. Vom Nicken in Rich­tung kettcar/​Slime („ein Drit­tel Heiz­öl, zwei Drit­tel Ben­zin“) über „auf Nim­mer­wie­der­se­hen und Dan­ke für nichts“ bis hin zu „die Stadt muss bren­nen, bren­nen, bren­nen“: eine ein­zi­ge Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung, ein mis­si­on state­ment, ein Stin­ke­fin­ger.

5. Mar­cus Wie­busch – Nur ein­mal rächen
Apro­pos kett­car: Deren Sän­ger Mar­cus Wie­busch wagt sich nach fast 20 Jah­ren noch ein­mal auf Solo­pfa­de und macht mit „Nur ein­mal rächen“ alles rich­tig. Klu­ge Geschich­te, klu­ge Instru­men­tie­rung, gran­dio­se Hook­li­ne. Seit kett­car den Ver­such auf­ge­ge­ben haben, ein zwei­tes „Lan­dungs­brü­cken raus“ zu schrei­ben (also seit „Sylt“), gelin­gen ihnen immer wie­der neue Meis­ter­wer­ke (vgl. „Ret­tung“, 2012) und auf „Nur ein­mal rächen“ wirkt Wie­busch so ent­spannt wie schon lan­ge nicht mehr. Das für Mit­te April ange­kün­dig­te Debüt­al­bum zählt zu denen, auf die ich am gespann­tes­ten war­te.

4. CHVRCHES – The Mother We Share
Ich kann mir aber nicht vor­stel­len, wie man sich „The Mother We Share“, der Debüt-Sin­gle von CHVRCHES, ent­zie­hen kön­nen soll­te. Die­ser Syn­thie­pop ist zwar nicht wirk­lich neu, aber der Song ist musi­ka­lisch wie atmo­sphä­risch so gekonnt „dazwi­schen“ (nicht zu schnell und nicht zu lang­sam, nicht zu melan­cho­lisch und nicht zu eupho­risch, nicht zu kalt und nicht zu warm), dass er auch nach einem Jahr immer noch kickt.

3. Foxy­gen – San Fran­cis­co
Auf Foxy­gen bin ich (natür­lich) durch „All Songs Con­side­red“ auf­merk­sam gewor­den. Wie gekonnt die­se Band auf die letz­ten 50 Jah­re Musik­ge­schich­te ver­weist und wie gran­di­os das in „San Fran­cis­co“ kul­mi­niert. Die­ser Dia­log „I left my heart in San Fran­cis­co“ – „That’s okay, I was bored any­way“ – „I left my love in the room“ – „That’s okay, I was born in L.A.“ zählt defi­ni­tiv zum Cle­vers­ten, was ich im ver­gan­ge­nen Jahr gehört habe, und ist auch beim hun­derts­ten Hören immer noch lus­tig.

2. Kacey Mus­gra­ves – Mer­ry Go ‚Round
Es ist in Deutsch­land, wo Coun­try­mu­sik außer auf WDR 4 und in Fern­fah­rer­knei­pen kaum ein Zuhau­se hat, eini­ger­ma­ßen schwer ver­mit­tel­bar, dass das Gen­re auch jung, klug und wit­zig sein kann. Ent­spre­chend groß soll­te die Über­ra­schung über das Debüt­al­bum von Kacey Mus­gra­ves sein, wenn sich hier­zu­lan­de jemand dafür inter­es­sie­ren wür­de. „Mer­ry Go ‚Round“ erzählt vom All­tag in den länd­li­chen Gebie­ten der USA: „If you ain’t got two kids by 21 /​ You’­re pro­ba­b­ly gon­na die alo­ne /​ Least that’s what tra­di­ti­on told you“. Die Kri­tik an die­sem spie­ßi­gen und bigot­ten Leben ist in so zucker­sü­ße Musik gegos­sen, dass man sie zunächst über­hö­ren könn­te – und das macht sie so wir­kungs­voll.

1. The Front Bot­toms – Au Revoir (Adi­os)
109 Sekun­den, län­ger braucht mein Lied des Jah­res 2013 nicht. Aber die­se 109 Sekun­den sind voll­ge­packt mit Witz, Gehäs­sig­keit und Rock ’n‘ Roll. Ich könn­te es 109 mal hin­ter­ein­an­der hören und wür­de gern jeden Tag damit begin­nen.

Die gan­ze Play­list zum Nach­hö­ren bei Spo­ti­fy.

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Musik

Listenpanik 09/​07: Sie sind wieder da-ha!

Wie mir erst sehr spät auf­fiel, gab es im Sep­tem­ber gar kei­ne Bes­ten­lis­te für den August. Das lag wohl dar­an, dass mir zwi­schen­zeit­lich mein Arbeits- und Musikab­spiel­ge­rät abhan­den gekom­men war. Egal, dann star­ten wir eben jetzt frisch in die neue Run­de mit einer neu­en, wie immer streng sub­jek­ti­ven Bes­ten­lis­te.

Dabei gibt es noch eine Neue­rung: Weil ich am Ende des Jah­res eh immer mei­ne liebs­ten Songs zusam­men­fas­se und das nicht zwangs­läu­fig Sin­gles sein müs­sen, wer­de ich ab jetzt hier die schöns­ten Songs des Vor­mo­nats vor­stel­len. Das hat meh­re­re Vor­tei­le: Die bes­ten Songs eines Albums erschei­nen nicht immer auch als Sin­gle, ich muss mich nicht mehr durch Lis­ten mit Sin­gle-VÖ-Daten quä­len und ich kann auch schon ruhi­gen Gewis­sens Songs nen­nen, die erst im Radio lau­fen, aber noch nicht als Sin­gle erschie­nen sind.

Jetzt aber wirk­lich los:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. The Wea­k­erthans – Reuni­on Tour
Über mei­nem Schreib­tisch hängt ein signier­tes Wea­k­erthans-Pos­ter, muss ich da noch mehr sagen?
Na gut: Die Kana­di­er waren natür­lich nie der­art „weg“, dass das Gere­de von einer „Reuni­on Tour“ gerecht­fer­tigt wäre. Trotz­dem sind sie jetzt eben wie­der da und machen naht­los da wei­ter, wo sie mit „Recon­s­truc­tion Site“ (dem ja auch kein Abriss vor­aus­ging) auf­ge­hört haben: Wun­der­schö­ner Indiepop mit Folk­ein­flüs­sen, lieb­li­chen Har­mo­nien und sehr klu­gen Tex­ten von John K. Sam­son. Ich habe das Gefühl, dies­mal ein paar mehr Beat­les-Ein­flüs­se erkannt zu haben, als man bei den Wea­k­erthans sonst erwar­ten wür­de, aber wel­cher Band hät­te sol­ches schon gescha­det?
Ich möch­te mich bereits jetzt fest­le­gen und sagen: Das Herbst­al­bum des Jah­res!

2. Kili­ans – Kill The Kili­ans
„Wie? Nicht auf der 1?!“ Zuge­ge­ben: Das wäre nach allem Thea­ter hier nahe­lie­gend gewe­sen. Aber ich will mal so fair sein und sagen, dass ich mir bei mei­ner Nähe zu der Band eh kein rich­ti­ges Urteil erlau­ben könn­te („objek­tiv“ wäre eh das denk­bar fal­sche Wort für Musik­be­spre­chun­gen). Also habe ich lie­ber den Wea­k­erthans den Vor­zug gege­ben, bei denen ich mir sicher bin, dass ich das Album lie­be. Lie­ben tue ich „Kill The Kili­ans“ natür­lich auch, aber eben eher so wie ein Geschwis­ter­kind, mit dem man zusam­men auf­ge­wach­sen ist.
Ich war immer etwas in Sor­ge, ob man die Live-Ener­gie die­ser Band auf Plat­te wür­de ban­nen kön­nen. Swen Mey­er hat es nicht ganz geschafft, aber er war klug genug, den Sound des­halb etwas zu polie­ren, damit es wirk­lich wie ein Album klingt und nicht wie ein miss­glück­ter Kon­zert­mit­schnitt. Klingt zu kom­pli­ziert? Dann hören Sie mal die ers­ten bei­den Tra­vis-Alben hin­ter­ein­an­der und Sie ver­ste­hen, wie ich das mei­ne.
Ansons­ten natür­lich: Gro­ßes Song­wri­ting, sau­be­re Arbeit, eigent­lich alles rich­tig gemacht. Nuff said!

3. Foo Figh­ters – Echo­es, Silence, Pati­ence & Grace
Will­kom­men im Monat der Lieb­lings­band-Ver­öf­fent­li­chun­gen!
Dave Grohl ist natür­lich die cools­te Sau im Rock­ge­schäft, dar­über muss man nicht dis­ku­tie­ren. Sei­ne Foo Figh­ters sind auch immer schon groß gewe­sen, aber bis auf „The­re Is Not­hing Left To Lose“ fand ich die Alben immer schwer durch­hör­bar. Das ändert sich jetzt mit dem neu­en Album, des­sen Namen ich jedes Mal nach­gu­cken muss: Hier stimmt das Gleich­ge­wicht von laut und lei­se, von Brett und Hym­ne.
Näher wer­den die Foo Figh­ters ihren Vor­bil­dern von Led Zep­pe­lin viel­leicht nie kom­men, was aber wohl auch ganz gut ist.

4. Kanye West – Gra­dua­ti­on
Ich habe kei­ne Ahnung, war­um ich in den letz­ten andert­halb Jah­ren eine sol­che Begeis­te­rung für Hip­Hop und R’n’B ent­wi­ckelt habe, aber viel­leicht liegt es ein­fach dar­an, dass man mit zuneh­men­dem Alter auf Schub­la­den­den­ken ver­zich­tet, und an der zuneh­men­den Qua­li­tät der ent­spre­chen­den Alben.
Neh­men wir Kanye West: Sam­pelt rotz­frech Daft Punk und Stee­ly Dan (Stee­ly Dan, mei­ne Damen und Herren!!!!1) und arbei­tet mit der neu­en Hip­Hop-Iko­ne Chris Mar­tin zusam­men. Allein aus den Zuta­ten muss jeder, der kein abso­lu­ter Voll­idi­ot ist, doch ein brauch­ba­res Album zusam­men­bau­en. Und da die­se Namen bei Mr. West wirk­lich nur die Spit­ze des Eis­bergs bil­den, ist „Gra­dua­ti­on“ ein wirk­lich gelun­ge­nes Album gewor­den.
Dass der Release des Albums einen Oasis-vs-Blur-mäßi­gen Show­down mit 50 Cent bedeu­te­te, könn­te natür­lich ein wei­te­rer Cool­ness-Fak­tor für mich sein …

5. The Robo­cop Kraus – Blun­ders And Mista­kes
The Robo­cop Kraus schrapp­ten irgend­wie immer haar­scharf an dem vor­bei, was man „Zeit­geist“ nennt. Das ist aber erstaun­li­cher­wei­se gar nicht schlimm, im Gegen­teil: Wür­den sie heu­te noch so abge­hack­te Rhyth­men und hart ange­schla­ge­ne Gitar­ren ver­wen­den wie vor zwei Jah­ren auf „They Think They Are The Robo­cop Kraus“, so wäre das erstaun­lich lang­wei­lig. Des­halb spie­len sie lie­ber – Ach­tung! – gut­ge­laun­ten Indiepop, den man zwar – fest­hal­ten! – von der Insel kennt, aber eben nicht aus Nürn­berg (mehr zum The­ma Pro­vinz und Rock fin­den Sie hier).
Außer­dem soll­te noch irgend­je­mand die­ses wirk­lich außer­ge­wöhn­lich char­man­te Cover-Art­work loben …

Songs (inkl. iTu­nes-Links)
1. Kili­ans – When Will I Ever Get Home
Da hat man eine Band fünf­zehn Mal live gese­hen, glaubt alle ihre Songs zu ken­nen, und dann legt man die CD zum ers­ten Mal ein und sieht sei­nem Unter­kie­fer gera­de noch dabei zu, wie er auf den Fuß­bo­den auf­schlägt. So und nicht anders klingt Sta­di­on­rock, der sich einen Scheiß um die Mul­ti­funk­ti­ons­are­nen die­ser Welt schert. Selbst U2 und die Ste­reo­pho­nics sehen gegen die­se Gitar­ren­wän­de alt aus – die haben aller­dings auch jeweils nur einen Gitar­ris­ten und nicht derer drei.
Das ist die Musik, die man hören will, wenn man nachts betrun­ken mit dem Fahr­rad nach Hau­se fährt: Arme aus­brei­ten, mit­sin­gen und dann gegen den Bord­stein fah­ren und auf die Fres­se flie­gen.

2. The Wea­k­erthans – Civil Twi­light
So müs­sen Alben begin­nen: Genug Schwung in den Stro­phen auf­neh­men und dann im Refrain zur gro­ßen Hym­ne öff­nen. Dazu ein Text, in dem es ums Gol­fen, Hol­ly­wood­schau­spie­le­rin­nen und Ris­se in Miets­häu­sern geht.
Hat­te ich schon erwähnt, wie sehr ich die Wea­k­erthans ver­eh­re?

3. Shout Out Louds – Impos­si­ble
Die Nicht­er­wäh­nung des groß­ar­ti­gen Albums „Our Ill Wills“ ist jetzt schon einer der gröbs­ten Schnit­zer der Lis­ten­pa­nik-Serie. Immer­hin „Tonight I Have To Lea­ve It“ hat­te ich abge­fei­ert, des­halb soll auch die zwei­te Sin­gle aus dem zwei­ten Shout-Out-Louds-Album ihre Wür­di­gung erfah­ren. Nicht zuletzt des­halb, weil die Lis­te der Pop­songs mit Xylo­phon-Beglei­tung immer noch viel zu kurz ist.

4. Ste­reo­pho­nics – It Means Not­hing
Aus mir selbst nicht ganz ver­ständ­li­chen Grün­den haben mich die Ste­reo­pho­nics auch nach sie­ben Jah­ren Fan­dom und meh­re­ren medio­kren Alben nicht los­ge­las­sen. „It Means Not­hing“ ist eine die­ser schlei­chen­den Num­mern vol­ler End­los­schlei­fen, die Kel­ly Jones seit ein paar Jah­ren so ger­ne schreibt. Der Song braucht Zeit, man muss ihn ziem­lich oft hören, bis einem (viel­leicht) die Schön­heit dahin­ter auf­fällt.
Sehr emp­feh­lens­wert beim S‑Bahn-Fah­ren im strö­men­den Regen.

5. Rihan­na – Don’t Stop The Music
Eigent­lich ist es zu spät, um die Bril­lanz des Über­hits „Umbrel­la“ zu wür­di­gen, oder auch nur das über­ra­schend ein­gän­gi­ge Album „Good Girl Gone Bad“ zu loben. Bei­de sind schon Mona­te alt, im schnell­le­bi­gen Musik­biz eine hal­be Ewig­keit. Aber weil mich bei­des so begeis­tert hat, dass ich das sogar öffent­lich zuge­be, woll­te ich noch irgend­was gutes über Frau und Musik schrei­ben und nut­ze die Gele­gen­heit, dass „Don’t Stop The Music“, ein eben­falls sehr gelun­ge­ner (wenn auch natür­lich nicht an „Umbrel­la“ her­an­rei­chen­der) Tanz­bo­den­stamp­fer, im Sep­tem­ber als Sin­gle ver­öf­fent­licht wur­de.

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Unterwegs

A la folie… pas du tout

Ja genau, Paris fehl­te noch in mei­ner Samm­lung besich­tig­ter Metro­po­len. Alors, hier sit­ze ich nun und ver­su­che, auf einem fran­zö­si­schen Tas­ta­tur­lay­out mei­nen ers­ten Bei­trag für die­ses Blog mit der wun­der­vol­len Adres­se zu ver­fas­sen. Das wird in etwa vier­mal län­ger dau­ern als nor­ma­ler­wei­se, weil die Fran­zo­sen einen Knall haben. Wer das nicht glaubt, der schaue sich bit­te ein­mal das fran­zö­si­sche Tas­ta­tur­lay­out an. Ich füh­le mich wie­der als Fünf­jäh­ri­ger, an der Schreib­ma­schi­ne mei­nes Vaters sit­zend und einen Buch­sta­ben nach dem ande­ren suchend.

Paris ist die Stadt der Lie­be, der Bohè­me, der klei­nen Cafés und der gros­sen Kir­chen (excu­sez-moi, schar­fes S ist hier nicht am Start und den ASCII-Code weiss (par­don!) ich gera­de nicht aus­wen­dig). Den­noch ver­mis­se ich hier Romantik,Wild-Schillerndes und guten Kaf­fee (und nein, bei Star­bucks wer­de ich es nicht ver­su­chen!). Paris ist nett, zwei­fels­oh­ne, das kul­tu­rel­le Ange­bot (so vie­le Kinos!) ist unglaub­lich, die Sei­ne ein hüb­sches Bäch­lein (par­don enco­re, ich kom­me vom Rhein und bin ande­re Was­ser­mas­sen gewohnt) und das U‑Bahn-Cha­os einer Metro­po­le ange­mes­sen. Aber das kann ich auch in Ber­lin haben, und da gibt es wenigs­tens nor­ma­le Tas­ta­tu­ren!

Auf dem Eif­fel­turm war es zuge­ge­be­ner­mas­sen (ich lei­de mit Euch) recht nett, und im Juni geben Daft Punk eines ihrer sel­te­nen Kon­zer­te – da lohnt es sich dann mal wie­der, nach Paris zu fah­ren. Bis dahin bleib ich in Mann­heim (sic!).