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q.e.d. (Super-Selbstreferentialität)

Ich war heu­te Nach­mit­tag bei Phoe­nix zu Gast, um über das The­ma „Nach­rich­ten­quel­le Inter­net – Medi­en im Wan­del“ zu spre­chen. Ich glau­be nicht, dass Sie was ver­passt haben, aber die Sen­dung wird mor­gen Mit­tag um 12 auch noch mal wie­der­holt.

Die Kern­the­se, auf die die Mode­ra­to­rin Marei­ke Bokern, Fre­de­rik Pleit­gen von CNN Inter­na­tio­nal und ich uns am Ende geei­nigt haben, war unge­fähr: Das Inter­net ist toll, aber man darf nicht alles glau­ben, was dort steht.

Und damit kom­men wir zu dem Tweet, mit dem CNN Ger­ma­ny auf die Sen­dung hin­ge­wie­sen hat:

Heute 16h auf Phoenix: Nachrichtenquelle Internet - Medien im Wandel: Mareike Bokern im Talk mit CNNs @fpleitgenCNN und @Lukas_Heinser

Dabei bin ich gar nicht bei Twit­ter – schon gar nicht als @Lukas_Heinser.

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Von der Attraktivität deutscher TV-Nachrichten

Sie wer­den es mitt­ler­wei­le alle mit­be­kom­men haben: Ges­tern Nach­mit­tag (Orts­zeit) fie­len bei einem Air­bus A320 kurz nach dem Start am La Guar­dia Air­port bei­de Trieb­wer­ke aus und der Pilot muss­te die Maschi­ne auf dem Hud­son River not­lan­den.

Dass alle 155 Insas­sen über­lebt haben, darf man wohl getrost als ziem­li­ches Glück bezeich­nen: zwar ist der Hud­son eini­ger­ma­ßen breit und frei von Brü­cken und damit – im Gegen­satz zum East River auf der ande­ren Sei­te Man­hat­tans – durch­aus für Not­was­se­run­gen geeig­net, aber ein Flug­zeug auf einem viel befah­re­nen Fluss auf­zu­set­zen und es anschlie­ßend zu eva­ku­ie­ren, wäh­rend es lang­sam im eis­kal­ten Was­ser unter­geht, das zählt schon zu den außer­ge­wöhn­li­che­ren Auf­ga­ben eines Lini­en­pi­lo­ten.

Wer ges­tern Abend unse­rer Zeit beim Micro­blog­ging-Dienst twit­ter rein­ge­schaut hat, wur­de über die Lage bes­tens infor­miert: als eine der ers­ten Mel­dun­gen gab es ein Foto, das Janis Krums, der zufäl­lig auf einer der Fäh­ren im Hud­son und damit direkt am Unfall­ort war, mit sei­nem iPho­ne gemacht hat­te. twitpic.com brach zeit­wei­se unter dem Ansturm zusam­men und ziem­lich vie­le Nach­rich­ten­sei­ten berich­te­ten dar­über.

Wer mit einem Live­ti­cker von Augen­zeu­gen und eben­falls twit­tern­den Nach­rich­ten­agen­tu­ren ver­sorgt wur­de, für den waren die Infor­ma­tio­nen, mit denen das deut­sche Fern­se­hen sei­ne Zuschau­er zu beglü­cken ver­such­te, natür­lich ein Desas­ter. Statt ein­fach „ins Inter­net“ zu gucken, griff man lie­ber auf dün­ne Agen­tur­mel­dun­gen und Repor­ter vor Ort zurück.

Dabei ist es ein über­hol­ter Irr­glau­be der Nach­rich­ten­ma­cher, bei einem Ereig­nis erst mal an den Ort des Gesche­hens schal­ten zu müs­sen. Dort steht dann ein über­for­der­ter Repor­ter den Ret­tern im Weg rum und kann sei­ne Ein­drü­cke schil­dern – wobei er sich natür­lich gera­de gar kei­ne eige­nen Ein­drü­cke ver­schaf­fen kann, weil er ja in einer zwar atmo­sphä­ri­schen, aber weit­ge­hend Infor­ma­ti­ons­lo­sen Schal­te mit einem wiss­be­gie­ri­gen Repor­ter gefan­gen ist. Wenn er Glück hat, hat er vor­her einen Pas­san­ten fra­gen kön­nen, ob der einen lau­ten Knall gehört habe.

Nun wür­de ich nicht so weit gehen und sagen, das Inter­net kön­ne schon jetzt das Fern­se­hen erset­zen. Wenn sich mei­ne Groß­el­tern, Eltern und vie­le mei­ner Freun­de über der­ar­ti­ge Ereig­nis­se infor­mie­ren wol­len, schal­ten sie natür­lich irgend­ei­nen Nach­rich­ten­sen­der ein und auch ich hat­te zwi­schen­durch CNN lau­fen, wo Wolf Blit­zer einen der Pas­sa­gie­re gera­de tele­fo­nisch der­art mit Fra­gen löcher­te, als müs­se er selbst noch in die­ser Nacht den Unter­su­chungs­be­richt der Luft­auf­sichts­be­hör­de ver­fas­sen.

Aber was die deut­schen Nach­rich­ten­sen­dun­gen da über den Äther schi­cken, war eine dump­fe Mischung aus Kaf­fee­satz­le­sen mit Tan­te Mimi, Onkel Heinz erzählt vom Angeln und Klein-Fritz­chen erzählt sei­ner Mut­ti, wie es in der Kir­che war, obwohl er wäh­rend­des­sen Fuß­ball­spie­len war.

„Zahl­rei­che Fähr­schif­fe ver­su­chen, Über­le­ben­de zu ret­ten“, teaser­te RTL sein „Nacht­jour­nal“ an, was wohl eben­so rich­tig, aber weit weni­ger dra­ma­tisch war als das „Es gibt kei­ne Anzei­chen für einen Ter­ror­an­schlag“, mit dem Gabi Bau­er die ARD-Nach­rich­ten­at­trap­pe „Nacht­ma­ga­zin“ eröff­ne­te, bevor sie eine Vier­tel­stun­de spä­ter Thors­ten Schä­fer-Güm­bel mit der Fra­ge, wie wich­tig Sex im Wahl­kampf sei (gemeint war wohl eher „Sex­ap­peal“), völ­lig aus der Fas­sung brach­te.

Den beson­de­ren Ernst der Lage konn­te man dar­an erken­nen, dass n‑tv sei­ne geplan­ten „Natio­nal Geographic“-Reportagen kipp­te und live auf Sen­dung ging. Wäh­rend CNN, Fox News, MSNBC und BBC World ziem­lich beein­dru­cken­de Live-Bewegt­bil­der aus New York hat­ten (die Hub­schrau­ber der gro­ßen Net­works schwe­ben ja eh die gan­ze Zeit über der Stadt), hat­te n‑tv einen Mode­ra­tor im Stu­dio, meh­re­re „Brea­king News“-Laufbänder, ein paar Fotos und einen Repor­ter am Tele­fon. Und der sag­te, wenn ich ihn nicht völ­lig falsch ver­stan­den habe, dass es wohl „bald“ die ers­ten Han­dy-Fotos und ‑Vide­os im Inter­net zu sehen geben wür­de. Zu die­sem Zeit­punkt war twit­pic bereits down und bei flickr gab es jede Men­ge Foto­stre­cken und Ein­zel­bil­der zu sehen. Sogar ers­te Wit­ze.

Es geht mir gar nicht dar­um, Inter­net und Fern­se­hen gegen­ein­an­der aus­spie­len zu wol­len – und die Zei­tun­gen von heu­te waren schon gedruckt, bevor das Flug­zeug über­haupt abge­ho­ben hat­te. Aber ich den­ke, dass auch die Men­schen, die nicht bei twit­ter, flickr und Face­book unter­wegs sind, ein Anrecht auf aktu­el­le Infor­ma­tio­nen haben. Und die bekommt man heu­te nun wirk­lich so ein­fach und bil­lig wie noch nie. Auch als Nach­rich­ten­re­dak­teur des deut­schen Fern­se­hens.

Nach­trag, 20:20 Uhr: Auch mei­ne Freun­de von „RP Online“ berich­ten über die Fotos bei twit­ter und bei flickr.

Das Sen­sa­tio­nel­le dar­an: Sie schaf­fen das ohne einen ein­zi­gen Link!

Nach­trag, 17. Janu­ar, 00:23 Uhr: Zwei Tweets spä­ter hat „RP Online“ alles ver­linkt.

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Präsidiales Liveblog

00:00 Uhr: Jetzt geht’s lo-hos!

Blog­ger und Arbeits­platz sind bereit:

Ich gucke seit zehn Minu­ten ARD und bezweif­le jetzt schon, dass ich das wach über­ste­hen wer­de. Was schon mal ein Fort­schritt ist: vor vier Jah­ren saß in die­ser Maisch­ber­ger-Run­de Hen­ryk M. Bro­der.

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Bloody April

Ges­tern wur­den auf dem Cam­pus der Uni­ver­si­tät von Blacksburg, Va. mehr als 30 Men­schen von einem Amok­läu­fer erschos­sen. Das ist unglaub­lich schreck­lich, eine sehr, sehr trau­ri­ge Geschich­te. Vie­le Men­schen rund um die gan­ze Welt sind ent­setzt und sprach­los – und es wäre wirk­lich wün­schens­wert, wenn auch die Jour­na­lis­ten ange­denk eines sol­chen Ereig­nis­ses ein­fach mal sprach­los wären und die Schnau­ze hiel­ten. Die New York Times doku­men­tiert sehr ein­drucks­voll, wie die Fern­seh­re­por­ter auf dem Cam­pus ein­fie­len, und wie Augen­zeu­gen per Han­dy­ka­me­ra und Inter­net die Nach­rich­ten­sta­ti­on mit Bil­dern aus der Schuss­li­nie ver­sorg­ten. Der Arti­kel schließt mit einem Zitat, das zynisch zu nen­nen ich mich nicht scheue:

“Stay out of harm’s way,” the CNN anchor Don Lemon said, addres­sing stu­dents at Vir­gi­nia Tech. “But send us your pic­tures and video.”

Aber auch die deut­schen Medi­en schal­te­ten sofort auf Tur­bo und schrit­ten beherzt und enthirnt zur Tat. Dabei war die „Bild“-Schlagzeile, die etwas vom „größ­ten Blut­bad aller Zei­ten“ fasel­te, sogar noch das kleins­te Übel. Je nach­dem, wie man den Begriff „Blut­bad“ defi­niert und wie man den Super­la­tiv räum­lich ein­schrän­ken will, stimmt die Behaup­tung sogar: in den USA hat es nie einen Amok­lauf mit mehr Todes­op­fern gege­ben.
In fast jeder Zei­tungs- oder Fern­seh­re­dak­ti­on muss­te sich ein Mit­ar­bei­ter dar­an machen, eine Chro­nik der schlimms­ten Amok­läu­fer zu erstel­len. Auch das kann man kri­tisch sehen, aber es kann ja auch ganz hilf­reich sein, sich noch mal ein paar Fak­ten ins Gedächt­nis zu rufen.
Da schon wäh­rend des Amok­laufs reich­lich von Stu­den­ten der Vir­gi­nia Tech über die Ereig­nis­se gebloggt wur­de, kann man sich nun an die Web-Aus­le­se machen. Das ist sogar aus medi­en­theo­re­ti­scher Sicht hoch­in­ter­es­sant, da es bis­her kaum ver­gleich­ba­re Ereig­nis­se gibt, die der­art medi­al abge­deckt sind.

Was Spie­gel Online sich dann aber noch leis­tet, ist ent­we­der als Beschäf­ti­gungs­the­ra­pie für Prak­ti­kan­ten oder als end­gül­ti­ge Gleich­set­zung von SpOn mit „Bild“ anzu­se­hen:

Die Amok­läu­fe von Litt­le­ton, Erfurt und Blacksburg haben nicht nur das Leid und den Schre­cken gemein­sam, den weni­ge über vie­le gebracht haben. Sie tei­len auch den Monat, in dem die Schre­ckens­ta­ten ver­übt wur­den.

Und in deed: das ein­zi­ge, was dem Arti­kel noch fehlt, sind die Quer­sum­men der Tage, an denen die Amok­läu­fe statt­fan­den (34, 16, 20). Über den gest­ri­gen Täter schreibt jdl:

Waren Kle­bold und Har­ris auch sei­ne Vor­bil­der? Kann­te er die Wahn­sinns­tat des Robert Stein­häu­ser? War das Datum bewusst gewählt? Schon die Fra­gen sind beängs­ti­gend. Wie wer­den erst die Ant­wor­ten sein?

Beängs­ti­gend, für­wahr. Denn die „Bild“-gleiche Über­schrift

Monat der Mas­sa­ker: Blu­ti­ger April

bezieht sich ja gar nicht auf eine mög­li­che Nach­ah­mungs­tat (die man im Moment eben­so wenig aus­schlie­ßen wie bestä­ti­gen kann), son­dern auf einen ver­damm­ten Monat. Ein Blick in die SpOn-eige­ne Chro­nik hät­te gezeigt, dass von den 18 dort auf­ge­führ­ten Amok­läu­fen 15 in Nicht-April-Mona­ten statt­fan­den – dafür vier im März (!!!!1). Viel­leicht liegt es ja an den Ster­nen

Nach­trag, 19:17 Uhr: Ste­fan Nig­ge­mei­er schreibt dazu:

Im welt­wei­ten Ren­nen um den dümms­ten Bericht zum Amok­lauf in Blacksburg liegt Spie­gel Online mit die­sem Arti­kel fast unein­hol­bar in Füh­rung

War­ten wir’s ab …