Kategorien
Politik Medien

Straßenschäden unter sich

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat heute in einer – zugegebenermaßen schön bebilderten – Presseerklärung bekanntgegeben, wie ihr „Wort des Jahres 2024“ lautet: „Ampel-Aus“.

Gemeint ist damit das Scheitern der Bundesregierung aus SPD (rot), FDP (gelb) und Grünen (nun …), die im sogenannten Volksmund als „Ampel-Koalition“ oder schlicht als „Ampel“ bekannt war.

Nun zögere ich als studierter Linguist, die GfdS (nicht zu verwechseln mit dem „Verein Deutsche Sprache“, einer Art Vorfeld-Organisation der AfD) zu kritisieren, aber ich bin der Meinung, dass mit dieser Auszeichnung eine zunehmende Infantilisierung der Polit-Kommunikation gewürdigt und damit auch weiter vorangetrieben wird.

Bei dem legendär-öden Pressetermin in der Bayerischen Vertretung in Berlin, auf dem er Friedrich Merz mit einem mittel-enthusiastischen „Ich bin damit fein“ zum Kanzlerkandidaten der Union kürte, sprach Markus Söder mehrfach vom „Ampelschaden“, als sei er ehrenamtlicher Bürgermeister einer Kleinstadt, die über eine einzige Kreuzung verfügt. Dem Adjektiv „staatstragend“ kam der bayerische Ministerpräsident damit so nahe wie der Wachtmeister Dimpfelmoser, aber den würde Söders Kernzielgruppe, der Stammtisch (bzw. dessen Bewohner), wahrscheinlich auch nach zwei Maß Bier noch freundlich grüßen.

Ampel-Aus-Symbolbild (Foto: Lukas Heinser)

Die „Ampel“, das ist für Menschen, die auf Social Media gerne erklären, dass sie „selbst denken“, die Vorstufe zu „rot-grün-versifft“, zum „Kinderbuchautor“ Robert Habeck, zum müffeligen Namenswitz „Greta Thunfisch“: eine vermeintlich originelle Formulierung, die man irgendwo zwischen „Welt“-Kommentarspalte, Gabor Steingarts Lebenswerk und Facebook aufgelesen hat, die man als Erkennungszeichen für Gleichgesinnte vor sich herträgt und die ihre eigene Replik gleich mitbringt: „Okay, Boomer!“

„Ampelzoff“ war schon 2023 unter den „Wörtern des Jahres“ gewesen, was eine gewisse Fixierung auf Wörter der Duden-Kategorie „veraltend“ nahelegt (Kunden, die „zoffen“ kauften, interessierten sich auch für „pennen“, „funzen“ und „bumsen“), andererseits sprechen die meisten weiteren Begriffe aus den Top 10 nicht dafür, dass sich die Gesellschaft für deutsche Sprache an das Luther’sche Diktum hält, dem Volk aufs Maul zu schauen: „Klimaschönfärberei“, „kriegstüchtig“, „Rechtsdrift“, „generative Wende“, „SBGG“, „Life-Work-Balance“, „Messerverbot“, „angstsparen“ und „Deckelwahnsinn“ wirken jedenfalls nicht, als könnten sie – um mal ein beliebiges Wort zu verwenden, das 2024 tatsächlich viel zu hören war – das popular vote gewinnen.

Von Guido Westerwelle ist ein überraschend poetischer (auch Joachim Ringelnatz und Ernst Jandl sind Poesie) Moment überliefert, in dem er einmal erklärte: „Wir gehen in keine Ampel, Schwampel und andere Hampeleien sind mit uns nicht zu machen.“ Das ist allerdings so lange her, dass der Fußballverein, für den Kevin Kampl heute spielt, noch gar nicht gegründet war.

Die allererste Regierungskoalition der Bundesrepublik aus CDU/CSU, FDP und DP hatte keinen Spitznamen, der sich bis heute erhalten hätte, was auch daran gelegen haben mag, dass man die Farben der Deutschen Partei (schwarz-weiß-rot) jetzt vielleicht nicht mehr als unbedingt nötig hervorheben wollte. 1953 wurde diese Koalition noch um den Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten erweitert, wirklich in Erinnerung blieb aber eh nur der Bundeskanzler: Konrad Adenauer. Der konnte von 1957 bis 1961 alleine (also: mit absoluter Mehrheit für die Union) regieren und saß ab 1961 einer Koalition vor, die man heute „schwarz-gelb“ nennen würde (oder, für die Teilzeit-Komiker der Hauptstadtpresse: „BVB“), damals aber nicht, weil die FDP Gelb erst seit 1972 einsetzt. Entsprechend regierte sie mit der SPD zusammen auch als „sozial-liberale Koalition“, was heute geradezu rührend aussagekräftig wirkt, wo man derlei Inhaltsangaben nur noch in bizarren Schwundstufen wie dem „Gute-Kita-Gesetz“ begegnet. Die Regierungen von 1966-1969, 2005-2009 und 2013-2021, die aus Union und SPD bestanden, nannte man „große Koalition“, weil sie – zumindest anfangs – eine erhebliche Mehrheit der Abgeordneten abdeckte.

In den 1980er Jahren begann das Farbenspiel. Das hat wenig mit dem gleichnamigen Album von Helene Fischer zu tun, wohl aber mit ihrem Namensvetter Joschka. Einer der vielen ungeschriebenen Artikel meines Jahres hätte deshalb die Geschichte dieses Begriffs zurückverfolgen sollen (denn ich liebe wenig mehr an meiner journalistischen Arbeit, als mich stundenlang durch Archive zu wühlen, eine erstaunliche Menge Beifang mit meinen peers zu teilen und daraus hinterher einen Text zu schnitzen, bei dem die Redaktion kritisch eine Augenbraue hebt und sagt: „Das ist jetzt selbst für Deine Verhältnisse extrem nerdig!“), bis in die frühen 1990er Jahre und zu einem Mann namens Björn Engholm, der für kurze Zeit das war, was nach ihm viele waren: Der schnell vergessene Hoffnungsträger der SPD.

Vorbei die Zeiten wie im November 1992, als die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb:

Fertig ist sie, die ‘Ampelkoalition’, die wir deshalb in Gänsefüßchen setzen, weil wir uns unter diesem Gebilde technisch nichts vorstellen können.

Dass Naturwissenschaften im öffentlichen Diskurs eher eine Nebenrolle spielen, wissen wir spätestens seit der Covid-19-Pandemie, und zu den Dingen, die über Eure Vorstellungskraft gehen, gehört allenfalls eine Bobmannschaft aus, genau: Jamaika.

In der medialen Dauer-Erregung schon lang vergessen ist das Wort „Schwampel“ (für: „schwarze Ampel“), das Jörg Schönenborn am Wahlabend 2005 mit besorgniserrgendem Verve in den aktiven Wortschatz seiner Gesprächspartner*innen und Zuschauer*innen überführen wollte. Es klingt, als würde es etwas sehr, sehr Ekliges beschreiben — mutmaßlich das knorpelige Stück Fleisch, das man beim Mittagessen bei der „feinen“ Oma plötzlich im Mund hat und sich nicht auszuspucken traut (was, seien wir ehrlich, andererseits nah dran ist an dem, was man von einer schwarz-gelb-grünen Koalition erwarten kann).

Dann hat irgendjemand den Flaggen-Atlas seines Kindergartenkindes mit in irgendeine Redaktion gebracht und nach intensivem Studium und sicherlich tagelangen Konferenzen wurde beschlossen, fürderhin den Begriff „Jamaika-Koalition“ zu verwenden. Heute könnte man über die Gleichsetzung der Begriffe „schwarze Ampel“ und „Jamaika“ noch mal ganze post-koloniale, rassismuskritische Diskurse aufsperren, aber der Gelbe Wagen, er ist inzwischen in jeder Hinsicht weitergerollt, und es liegt eine feine Ironie darin, dass die Cannabis-Legalisierung eben nicht von einer Jamaika-Koalition beschlossen wurde. (Als Led Zeppelin einen Reggae-lastigen Song aufnahmen, nannten sie ihn „D’yer Mak’er“, was man [dʒəˈmeɪkə] aussprechen sollte, also wie den Inselstaat, was The Hold Steady in ihrem Song „Joke About Jamaica“ noch mal thematisieren, uns aber leider gerade nirgendwohin bringt.)

Der Flaggen-Atlas blieb in der Redaktion und erwies sich als praktisch, als schwarz-rot-grüne Regierungsbündnisse gebildet und benamt werden mussten: „Afghanistan“ hatte einen in vieler Hinsicht unglücklichen Beiklang (und nach Gras auch noch Opium in die politische Kommunikation einzuführen, hätte vielleicht auch merkwürdig gewirkt — eine „Kolumbien“-Koalition aus SPD, FDP und AfD scheint wenigstens erstmal ausgeschlossen), weswegen sich die Medien mehrheitlich auf „Kenia“ verständigten.

Die weiteren tektonischen Ereignisse in der Parteienlandschaft stellen Redaktionen und Parteien vor immer neue Probleme: Für schwarz-rot-lila hatte nichtmal mehr Sheldon Cooper eine Flagge parat, weswegen sich Berichte aus Thüringen nun um eine „Brombeer-Koalition“ ranken. Und anstatt dass irgendjemand mal innehält und sich (und bestenfalls auch andere) fragt, ob das nicht langsam alles ein bisschen albern wird, wird wahrscheinlich schon wertvolle Arbeitszeit mit der Frage verschwendet, was – zum Henker – eigentlich rot-grün-lila sein könnte oder schwarz-gelb-lila (Menschen mit Gastro-Erfahrungen wissen: Erbrochenes nach Weihnachtsmarkt-Besuch).

Angesichts der angeblichen Polarisierung der Gesellschaft (auch hier hilft ein Blick in Zeitungen von, sagen wir mal: 1968) und der damit einhergehenden Schwarz-Weiß-Einteilung bietet sich als nächste Eskalationsstufe vielleicht eine „Panda-Koalition“ an. Oder einfach, denn jetzt ist auch alles egal: eine „Koalalition“.

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Kategorien
Politik Gesellschaft

#2013

Vor zwei Wochen habe ich mir angeschaut, wie die Sendung “30 Jahre RTL” produziert wird. Die Aufzeichnung dauerte nicht ganz so lange, wie der Titel versprach (aber fast), und wird am 3. Januar ausgestrahlt.

Deutlich schneller ging die Produktion eines eher namenlosen Podcasts vonstatten, zu der ich mich gestern mit Friedrich Küppersbusch getroffen habe: 99 Tage nach der Bundestagswahl und 101 Tage nach dem letzten Tagesschaum haben wir über das Jahr 2013 meditiert — und das Ergebnis können Sie sich schon jetzt anhören!

Mit dabei: Angela Merkel, Edward Snowden, Hashtags und Omma & Oppa.

Hier klicken, um den Inhalt von SoundCloud anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von SoundCloud.

Kommen Sie gut ins Neue Jahr!

Kategorien
Politik Digital

Volles Vertrauen, hier in Deutschland

In der letzten Zeit habe ich mit mehreren Radioleuten gesprochen, die sich beklagten, dass viele Bands heutzutage kein Interviewtraining mehr von den Plattenfirmen bekämen und deshalb im Gespräch oft etwas konfus rüberkämen und keine guten O-Töne lieferten.

Nun könnte man einwenden, Musiker müssten ja nicht primär gescheit daher reden, sondern vor allem schöne Musik machen. Anders verhält es sich da schon bei Politikern: Noch bevor die neue Bundesregierung im Amt ist, haben einige Kabinettsmitglieder schon durch außergewöhnliche Pressekonferenzen von sich reden gemacht.

Der designierte Außenminister Guido Westerwelle weigerte sich, eine englischsprachige Frage eines BBC-Reporters anzuhören und belehrte diesen, dass er sich in Deutschland befinde. Bundeskanzlerin Angela Merkel kanzelte einen niederländischen Reporter ab, der Zweifel an der Kompetenz Wolfgang Schäubles als Finanzminister wegen dessen Verstrickung in die CDU-Parteispendenaffäre äußerte.

Beide Antworten hätten sich vor wenigen Jahren noch versendet — heutzutage wurden sie innerhalb weniger Stunden ein paar Tausend Mal auf YouTube angeschaut und via Internet weiterverbreitet. Für viele User scheint sich zu bestätigen, was die Illustrierte “Der Spiegel” heute aus der Kristallkugel berichtet: Schwarz/Gelb wird ein Desaster.

Ich habe Fritz Goergen, der früher Strategieberater führender FDP-Politiker war und heute als freier Kommunikationsberater arbeitet, nach seiner Einschätzung des Themas gefragt und er war so freundlich, einen kleinen Gastbeitrag zu verfassen:

Politik? Bitte internetter.

Kategorien
Digital Politik Gesellschaft

Wir sind noch nicht so weit

Es gibt wohl mal wieder Grund für Kritik an der Bundesregierung und jede Menge Aufschreie aus der Blogosphäre. Einige Stimmen meinen gar, die Bundesregierung wolle den Faschismus einführen.

Ich halte das für Unsinn. Diese Bundesregierung könnte den Faschismus nicht einführen, wenn sie es wollte. Sie kann nur versehentlich den Boden dafür bereiten.

Denn wenn man sich die Pressekonferenz angesehen hat, auf der Nicht-Wilhelm von Guttenberg, Ursula von der Leyen und Brigitte Zypries heute über die Internetsperren gegen Kinderpornographie gesprochen haben, kann man nur zu einem Schluss kommen: Diese Menschen wissen wirklich nicht, wovon sie reden. Es gilt das gleiche wie in den Debatten über Bundestrojaner und “Killerspiele”: Ja, die Beteiligten sind ahnungslos — aber böswillig? Wohl kaum.

Don Dahlmann und Thomas Knüwer haben schöne Texte geschrieben über die “Systemkämpfe” bzw. die “digitale Spaltung”, die der Gesellschaft drohen. Ich habe das vor einem Jahr auch schon mal an ganz privaten Beispielen durchexerziert.

Und bei aller vermutlich sehr berechtigten Kritik an den ganzen Vorhaben dieser Berliner Dilettanten frage ich mich immer wieder, ob wir “Internetaktivisten”, deren Zahl ich mal sehr großzügig auf 500.000 Menschen schätzen möchte, nicht so eine Art digitale Autoschrauber sind: Nerds mit einem schönen Hobby, das aber gesellschaftlich nur bedingt relevant ist.

Die Millionengroßen Nutzerzahlen von YouTube, MySpace, Facebook und StudiVZ sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Internet für die allermeisten Nutzer in Deutschland so etwas ähnliches ist wie ein Auto (isch abe gar keins) für mich: Es ist praktisch, aber wie es funktioniert und was damit noch möglich wäre, ist irgendwie egal. Für diese Menschen ist Google “das Internet”, und sie nutzen es, um mit Freunden zu kommunizieren, für die Uni zu recherchieren und billige Flugreisen zu buchen. Eine Zensur von regierungskritischen Internetseiten, wie sie immer wieder an die Wand gemalt wird, hätte für diese Gelegenheits-User vermutlich die gleiche Bedeutung wie ein Tempolimit für mich: Es wäre ihnen egal.

Selbst wenn wir eine Million wären: Wir stünden immer noch mehr als 80 Millionen Menschen gegenüber. Zwar ist Masse in den seltensten Fällen ein Beleg für die Richtigkeit von Ideen, aber über deren wahre Bedeutung entscheidet immer noch der Verlauf der Geschichte. Und so wird die Zukunft zeigen, ob das Internet mit all seinen Chancen und Gefahren, mit all dem Tollen und Abscheulichen (das ich ja immer schon nur für eine digitale Abbildung der Lebenswirklichkeit gehalten habe), wirklich in eine Reihe mit den großen Errungenschaften der Menschheit (Feuer, Rad, geschnitten Brot) gehört, oder ob es “nur” ein sehr, sehr gutes Werk- und Spielzeug war.

Mich beschleichen immer wieder Zweifel, ob das World Wide Web wirklich das große Demokratie-Instrument ist, als das es gefeiert wird. Ich glaube schon, dass da ein enormes Potential vorhanden ist, aber noch weiß kaum jemand davon. Die Deutschen schimpfen einerseits seit Erfindung ihres Landes auf “die da oben”, sind aber andererseits in besorgniserregend hoher Zahl mit der “Arbeit” von Angela Merkel zufrieden. Diesen Menschen die Chance auf Mitbestimmung zu geben käme vermutlich ähnlich gut an, wie wenn man ihren Fliesentisch zerschlüge und ihnen “Du bist frei von den Fesseln des Kleinbürgertums!” entgegen riefe.

PS: Persönlich enttäuscht bin ich von Ursula von der Leyen, die ich bisher immer für eine kompetente und erfrischend progressive Familienministerin gehalten habe. Ich weiß nicht, ob sie einfach schlechte Berater hat, oder ob ihr die Berliner Luft nicht bekommt. Aber letzteres wäre durchaus verständlich.

Kategorien
Digital Politik

Was tun wenn’s brennt? Stopschilder aufstellen!

Hilft fast immer: Einfach die Augen schließen!

Es war vermutlich reiner Zufall, dass Günther Jauch ausgerechnet gestern bei “Wer wird Millionär?” die Frage stellte, was gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes in Deutschland nicht stattfinde. Wo doch gerade am Vormittag die Vertreter von fünf Telekommunikationsunternehmen gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen einen Vertrag unterschrieben hatten, wonach sie ab Oktober einfach den Zugang zu Internetseiten sperren, auf denen kinderpornographische Inhalte liegen bzw. vermutet werden.

Man soll sich den ekelerregenden Schweinkram halt nicht mehr so leicht angucken können. Um auf Nummer Sicher zu gehen, könnte man natürlich auch gleich alle Computer beschlagnahmen oder allen Bundesbürgern die Augen ausstechen — Tadaa! Schon kann das keiner mehr sehen. Unsere Bundesregierung ist ungefähr so kompetent wie der gefräßige Plapperkäfer von Traal, der annimmt, dass er einen auch nicht sehen kann, wenn man ihn nicht sieht.

In Blogs und auf Nachrichtenseiten erfreuen sich Feuer als Vergleichsgröße großer Beliebtheit:

Bei einem Waldbrand, um im Bild zu bleiben, würde niemand auf die Idee kommen, nur einen Paravent davor zu stellen, mit der Aufschrift: Stopp, ab hier wird es heiß und gefährlich. Damit zufällig vorbeikommende Spaziergänger die Flammen nicht sehen – zumindest, solange sie nicht um den Paravent herumlaufen.

Genau das aber geschieht beim Missbrauch von Kindern. Statt die Server mit den Inhalten abzuschalten, die Flammen also zu löschen, wird nur ein Stoppschild davor gehängt. Erreichbar sind die Fotos und Filme weiterhin. Zumindest für all jene, die sich die Mühe machen, um den Paravent herumzugehen.

Das populistische Gehampel der Ministerin ((Auf die Idee muss man auch erst mal kommen, potentiellen Kinderpornokonsumenten ein Stopschild (Verzeihung: “Stopp”-Schild) unter die Nase zu halten.)) wird nur noch getoppt von Hans-Peter Uhl, einem mir bisher unbekannten ((Offenbar lohnt die Beschäftigung mit diesem Mann: Er gilt als “Innenexperte”, redet gerne wirres Zeug und fordert die Überwachung “terrorverdächtiger” Zwölfjähriger.)) Bundestagsabgeordneten der CSU, der es (offenbar ohne rot zu werden) fertig brachte, folgendes bei abgeordnetenwatch.de zu Protokoll zu geben:

Für mich steht jedoch fest, dass z.B. das Freiheitsrecht eines Kindes, nicht sexuell missbraucht und Pädophilen zur Schau gestellt zu werden, um einiges höher zu bewerten ist als eine verabsolutierte “Freiheit des Internets” oder anderes dummes Geschwätz. Die ganze pseudo-bürgerrechtsengagierte Hysterie von Pseudo-Computerexperten, man müsse um jeden Preis ein “unzensiertes Internet” verteidigen etc. – vgl. www.ccc.de -, fällt für mich in die Kategorie: juristisch ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.

Nun kriege ich generell bei Verwendung des Präfixes “Pseudo” ein ganz starkes Ziehen im Nacken und in der rechten Hand. Die Art, wie Uhl hier Bedenken und Kritik von Leuten wie dem renommierten Rechtsprofessor Thomas Hoeren abbügelt, ist aber derart ekelerregend und arrogant, dass es mich schlicht fassungslos zurücklässt.

Was der Innenexperte tun möchte, damit Kinder nicht nur nicht “Pädophilen zur Schau gestellt” werden, sondern auch schlicht nicht sexuell missbraucht werden, verrät er leider nicht.

Der kleine, kleine Trost (der vor allem bei CSU-Abgeordneten natürlich weitgehend wertlos ist): Auch pseudoofe Leute wie Hans-Peter Uhl müssen sich einer Wiederwahl stellen.

[via Euphoriefetzen]

Kategorien
Politik

Bailout Boy

Die Steuerzahler müssen die Milliarden-Kosten für das einsturzgefährdete Atommülllager im niedersächsischen Asse übernehmen. “Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung trägt der Bund”, heißt es in einem Koalitionsantrag zur Novelle des Atomgesetzes, der der Berliner Zeitung vorliegt. Damit weicht die Koalition vom Grundsatz im Atomgesetz ab, dass die Verursacher von Atommüll für den Betrieb und die Stilllegung von Endlagern aufkommen.

So berichtet heute die “Berliner Zeitung”.

Mir fällt zu dieser Bundesregierung nichts mehr ein. Außer vielleicht das, was ich heute morgen (neben einigen Brotkrumen) meinem Radio entgegengebrüllt habe, als ich die Meldung hörte: “Fickt Euch!”

Kategorien
Politik Print

War was?

Wie es der Zufall so will, hat sich die große Koalition in Deutschlandübrigens gestern darauf verständigt, wie das BKA-Gesetz aussehen soll. Der Weg zu heimlichen Online-Durchsuchungen ist damit frei.

Kategorien
Leben Digital

From Despair To Where

Weil’s ja in der großen Koalition im Moment mal wieder am Kriseln ist, dachte man sich bei derwesten.de, dem Internetportal der WAZ-Gruppe: “Da machen wir doch mal ‘ne Umfrage mit der sogenannten Sonntagsfrage.”

Etwas überrascht dürften wohl nicht nur die Mitarbeiter vom bisherigen Verlauf dieser Abstimmung sein:

Die Leser von derwesten.de wünschen sich eine linke Bundesregierung

[Screenshot am 30. Mai 2008 um 14:15 Uhr]

Kategorien
Digital

Rätselspaß mit n-tv.de

Wir machen mal wieder ein kleines Rätsel:

Aus wie vielen Artikeln bei n-tv.de habe ich die folgenden Screenshots zusammengestellt?

Da haben wir ein Symbolbild …

Gut gebrüllt, Löwen, aber es geht auch anders!

… ein Video …

Streit um Jugendstrafrecht: Koch rudert zurück

… und diese Überschrift:

Wer zusammen frühstückt liebt sich (doch)

Na, was glauben Sie? Wie viele Artikel waren das?

Drei? Sind Sie sich sicher?

Nun, die drei Screenshötte stammen aus …

*Trommelwirbel*

… ein und demselben Artikel.

Das ist Blödsinn, sagen Sie? Und fragen sich, worum es denn in einem Artikel gehen soll, der mit Löwen bebildert ist, ein Video von Roland Koch zeigt und in der Überschrift von Liebe und Frühstück faselt?

Mein Gott, sind Sie phantasielos: Um die Stimmung in der großen Koalition, natürlich!

Kategorien
Gesellschaft

Schutzbehauptungen

Rauch (Symbolbild)

In der morgigen “FAZ” findet sich eine Reportage von Judith Lembke, die sich drei Monate nach der Einführung des Rauchverbots in Hessen in Frankfurter Kneipen umgesehen hat.

Auch wenn ich – wie bereits beschrieben – Nichtraucher bin und sehr entschieden etwas dagegen habe, wenn fremde Leute meine Klamotten und meine Gesundheit ruinieren wollen, muss ich doch feststellen, dass das Nichtraucherschutzgesetz offenbar wieder sämtliche Qualitäten der großen Koalition vereint: Am Leben vorbei, übers Ziel hinausschießend, allenfalls zur Hälfte durchdacht und (wie so oft) nicht so ganz mit der Verfassung vereinbar:

Die Lokale, die nur aus einem Schankraum bestehen und keine Möglichkeit haben, besondere Raucherzonen auszuweisen, sind besonders stark vom Gästeschwund betroffen. Da dort ein generelles Rauchverbot herrscht, weichen die rauchenden Gäste auf Kneipen aus, wo sie sich auch weiterhin die Zigarette zum Feierabendbier genehmigen können. Und der Raucher, der seinem Stammlokal die Treue hält, trinkt weniger, weil er zum Rauchen nicht in die Kälte, sondern lieber wieder nach Hause geht.

Es sieht also so aus, dass die Wirte kleiner Eckkneipen, die in einigen Fällen sogar Besitzer der Immobilie sein mögen, ihren Kunden in ihren eigenen vier Wänden das Rauchen verbieten müssen, wenn sie keinen abtrennbaren Nebenraum haben. Und das wollen sich die meisten rauchenden Kunden natürlich nicht antun.

Sicher: Ich würde keine Raucherkneipe aufsuchen, aber das müsste ich ja auch nicht, solange es für mich Nichtraucherkneipen gäbe. Die allerdings hätte es auf freiwilliger Basis schon lange geben können und ich kenne bis heute keine einzige. Und damit befinden wir uns mitten drin in einem Dilemma, das so undurchschaubar scheint, dass ich die Erstellung einer Pro- und Contra-Liste für ein probates Mittel erachte:

Pro Rauchverbot in Kneipen

  • Rauchen ist ungesund. Wenn nur ein Mensch mit dem Rauchen aufhört, weil er sich den Gang vor die Tür nicht mehr antun will, ist das ein Gewinn. Auch für die Krankenkassen, deren Finanzierung immerhin auch durch Nichtraucher erfolgt.
  • Die Mitarbeiter müssen geschützt werden. In Deutschland gibt es Vorschriften zur Größe von Schreibtischen und der Beleuchtung in Büros, da erscheint es dringend angezeigt, Angestellte endlich vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen.
  • Wo geraucht wird, muss häufiger renoviert werden. In Extremfällen kann auch der Wert der Immobilie sinken. Rauchen ist also eigentlich unverantwortlich, wenn es nicht in den (im juristischen Sinne) eigenen vier Wänden passiert. Rauchverbote wären demnach auch in Mietwohnungen und Raucherzimmern in gemieteten Gaststätten erforderlich.
  • Es hat bisher kaum Nichtraucherkneipen auf freiwilliger Basis gegeben – und das, obwohl der Markt mit Sicherheit da wäre. Wenn sich der Markt nicht mehr selbst regulieren kann, sollte der Staat über eine Intervention nachdenken.

Contra generelles Rauchverbot

  • Jeder erwachsene Mensch sollte selbst entscheiden können, was er mit seinem Körper macht: Marathon laufen, Pulsadern aufschneiden, Bart wachsen lassen, rauchen, trinken, Drogen nehmen. Ich hielte eine unaufgeregte Grundsatzdiskussion über die völlige Legalisierung aller berauschenden Stoffe für begrüßenswert, bin mir aber sicher, sie zeitlebens und hierzulande nicht mehr zu erleben.
  • In den meisten Eckkneipen bedienen ein Besitzer und ein, zwei Angestellte, die nicht selten zur Familie des Besitzers gehören. Einer persönlichen Erhebung nach würde ich sagen, dass sämtliche (dauerhaften) Bedienungen in solchen Kneipen selbst rauchen.
  • Es grenzt das Recht auf Berufsfreiheit ein, wenn Gastwirte per Gesetz zu Nichtrauchergastwirten gemacht werden. Möglicherweise verstößt es sogar wirklich gegen das Grundgesetz. Wer entscheiden darf, wie seine Kneipe aussieht, welches Bier dort ausgeschenkt wird ((Für mich auch ein wichtiges Ausschlusskriterium. Besonders in Bochum.)) und welche Musik dort läuft, sollte auch entscheiden dürfen, was darin im Rahmen der gesetzlichen Grenzen – wobei ich das Nichtraucherschutzgesetz natürlich ausgeklammert wissen will – erlaubt ist und was nicht. Hätte ich eine Kneipe, gäbe es dort keine “Gold”-Biere und keine Musik von Bryan Adams oder Revolverheld.
  • Wenn die Nichtraucher nicht Willens oder in der Lage waren, sämtliche Gaststätten, in denen geraucht wurde, zu boykottieren (und dem Wirt das auch mitzuteilen), müssen sie sich die Frage gefallen lassen, wie wichtig ihnen ihr Anliegen war. Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden und man kann es nie allen recht machen, wie meine Großmutter schon immer sagte.
  • Im Gegensatz zu Zügen, Behörden, Konzerthallen und Kinos kann man sich seine bevorzugte Gaststätte selbst aussuchen. Nichts und niemand zwingt einen ((“zwingen” ist in diesem Fall eher metaphorisch gemeint. Schon das Konzert einer bestimmten Band wäre demnach ein zwingender Grund, eine bestimmte Konzerthalle aufzusuchen, die dann auch bitte rauchfrei sein sollte.)), genau in eine Raucherkneipe zu gehen. 18 Jahre nach der Wiedervereinigung und in Zeiten einer immer weiter auseinander klaffenden sozialen Schere wäre eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Nachtleben nur konsequent.
  • Rauchende, laut schnatternde Menschen vor einer Kneipe sind schlimmer als rauchende, laut schnatternde Menschen in der gleichen Kneipe – vor allem für die Anwohner. Wer über dem Eingang einer Gaststätte wohnt, wird Dank des Nichtraucherschutzgesetzes sein Fenster in diesem Sommer nachts geschlossen halten müssen.
  • Zahlreiche Wirte wollen ihre Kneipen jetzt zu Vereinsheimen umwidmen und gründen eigens dafür Raucherclubs. Das Letzte, was Deutschland braucht, sind aber noch mehr Vereinsmeier und organisierte Wichtigtuer. Das wird Ihnen jeder Finanzbeamte, der die verdammten Jahresrechnungsberichte kontrollieren muss, bestätigen.

Die höhere Anzahl an Contra-Argumenten legt mir die Vermutung nahe, ich sei eher gegen ein generelles Rauchverbot. Ganz sicher bin ich mir da aber auch nicht. Dafür weiß ich, dass ich jederzeit einen eigenen Debattierclub nur mit mir gründen könnte. Mein Clubhaus wäre selbstverständlich rauchfrei.

Kategorien
Digital

Klickbefehl (4)

Eine 17jährige Teilnehmerin an einer Miss-Wahl oder ein Teilnehmer an einer Castingshow, der Elvis nachmacht, würde also bereits unter den „Kinderpornographie-Begriff“ fallen. Nach juristischer Auffassung muss der/die Darsteller/in eines kinderpornographischen Erzeugnisses noch nicht einmal minderjährig sein. Unter dem Begriff der „wirklichkeitsnahen“ Darstellung würden auch fiktionale Darstellungen und den Einsatz von „Scheinjugendlichen“, die volljährig sind. Die literarischen Werke „Lolita“ von Nabokov und „Der Liebhaber“ von Marguerite Duras währen demnach ebenso kinderpornographische Schriften, wie deren Verfilmungen und unzählige andere Werke.

Der Spiegelfechter klärt über die umstrittene und erst einmal verschobene Neufassung des Sexualstrafrechts auf, bei der die Bundesregierung mal wieder auf dem besten Weg ins Desaster ist.

***

Nach dem Flop der Mensa-Party des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der Ruhr-Uni zeichnet sich eine schwere finanzielle Krise des AStA ab. Die Rücklagen von 160 000 Euro zum Ausgleich des Verlustes, die der zurückgetretene Vorsitzende Fabian Ferber ins Spiel brachte, seien als Festgeld angelegt, sagt René Voss, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Studierendenparlament (Stupa) – und damit gar nicht ohne weiteres zugänglich.

“DerWesten” berichtet über den AStA der Ruhr-Uni Bochum, der eine schweineteure Party mit diversen Bands veranstaltet hat, zu der nicht genug Leute kamen, und nun ein erhebliches Finanzproblem hat.

***

Henrico Frank hat die Chance genutzt, die sich so gewaltig vor ihm auftat, als wolle sie ihn verschlingen. Er trägt jetzt die Haare kurz und einen Ring in der Nase; es ist seine Entscheidung – beides. Er erzählt, wie die Presse ihn und die krebskranke Mutter in Gotha belagert habe, und dass diese sich nun “wie ein Schneekönig” freue.

Die “Frankfurter Rundschau” hat Henrico Frank, dem SPD-Chef Kurt Beck heute vor einem Jahr einen Friseurbesuch empfahl, an seinem nicht mehr ganz so neuen Arbeitsplatz besucht.

***

Außerdem: Der neue “Kloß & Spinne”-Film beim Schnipselfriedhof.

Kategorien
Gesellschaft Politik

Das ist Bahnsinn

Die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) möchte von Mittwoch bis Samstag im Güter-, Nah- und Fernverkehr streiken.

Allerdings drohte GDL-Chef Schell im Gespräch mit der “Passauer Neuen Presse”: “Wir können einen Streik länger durchhalten, als es die Bundesrepublik verkraftet“, sagte er, „und vor allem deutlich länger, als der Bahnvorstand dies glaubt“.

Zitat: Welt.de

Äh, okay. Alles klar.

Leute, wenn Eure Streikkassen so dermaßen gefüllt sind, dass Ihr schon verbal Fuffies im Club schmeißt, wie wäre es dann, wenn Ihr einfach alle Gewerkschaftsfunktionäre würdet, Euch quasi selbst durchfüttert und die Führerstände für Leute räumt, die Spaß am Zugfahren hätten?

Vielleicht könnte man auch einfach in irgendeinem Stadttheater einen schmucken Balkon räumen, Schell und Mehdorn dort in die Sessel tackern und den ganzen Tag im Kinderprogramm grummeln lassen, während Gewerkschaft und Unternehmen von weniger dickköpfigen Menschen geführt werden.

Mit einer Intervention des Bahn-Eigentümers (das sind Sie und ich, vertreten durch die Bundesregierung) ist bis auf weiteres übrigens auch nicht zu rechnen, denn in Berlin hat man gerade andere Sorgen.

(Hölle, Hölle, Hölle!)