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Songs, die Euch zum Weinen bringen

Die Weltlage ist gerade mal wieder so, dass die meisten von Euch wahrscheinlich am liebsten heulen oder sehr laut Musik hören würden — also machen wir einfach beides: Lukas hatte auf Instagram gefragt, welche Songs Euch zum Weinen bringen, und spielt heute eine Auswahl der traurigsten und/oder schönsten Antworten.

Mit dabei: Bruce Springsteen, Jimmy Eat World, Casper und Deine Freunde.

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Alle Songs:

  • Sia – Breathe Me
  • Die Toten Hosen – Alles ist eins
  • Shawn Mendes – It’ll Be Okay
  • Deine Freunde – Gebt uns Eure Kinder
  • Bruce Springsteen – My Hometown
  • Casper – Billie Jo
  • Jimmy Eat World – Hear You Me
  • Motorpsycho – Vortex Surfer

Shownotes:

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Musik

Alben des Jahres 2020

Okay, ich bin spät dran — andererseits hat 2021 ja nicht am 1. Januar begonnen, sondern fast drei Wochen später. Und: Ja, ich hatte letztes Jahr schon gesagt, dass ich vielleicht nie wieder eine Liste mit den „Alben des Jahres“ machen würde, weil das Format Album zunehmend an Bedeutung verliert; weil manche Acts zum Beispiel gar keine Alben mehr machen — oder Leute wie Taylor Swift halt gleich zwei, von denen man dann auch irgendwie nicht so recht weiß, wie man diese behandeln soll. Aber es war so ein seltsames Jahr, dass ein wenig Rückbesinnung auf Altbewährtes psychologisch sinnvoll sein kann.

Wald voller Bäume

Also dann: Zum wirklich allerletzten Mal — meine liebsten Alben eines Kalenderjahres!

10. Sevdaliza – Shabrang (Spotify, Apple Music)
Der Musik von Sevdaliza bin ich zum ersten Mal im Februar 2020 bei „All Songs Considered“ begegnet und erstmal abgetaucht in diese etwas ungewohnten Klangwelten. Als dann im August das zweite Album der iranisch-niederländischen Musikerin erschien, war „ungewohnt“ keine Kategorie mehr, in der irgendjemand gedacht hat. Das Internet bezeichnet die Musik als „Electronic, alternative R&B, trip hop, experimental pop, avant-pop“, aber manchmal hilft es ja, sich Sachen einfach anzuhören und darauf einzulassen.

9. Vistas – Everything Changes In The End (Spotify, Apple Music)
Wenn Stephen Thompson von NPR, ein Mann, dem ich in Sachen Musik blind vertraue, sagt, dass er seit langem kein Album mehr gehört habe, das so viele potentielle Hits enthalte; das klinge wie eine Mischung aus den Proclaimers, Andrew W.K. und Fountains Of Wayne und das eines seiner absoluten Lieblingsalben des Jahres sein werde, dann höre ich mir das natürlich an: „Everything Changes In The End“ von Vistas war dann tatsächlich eine einzige Sammlung großer, vor Freude fast platzender Power-Pop-Hymnen — in Sachen Spannungsbogen und Abwechslung war das ein bisschen öde, aber nachdem der Sommer 2020 fast ausschließlich in unserem eigenen Garten stattfand, denke ich bei diesen Songs eben nicht an Nachmittage im Stadtpark, Festival-Besuche (gut: ich bin eh zu alt für diesen Quatsch!) und abendliche Heimwege in kurzen Hosen, sondern an den Teil des Gartens hinter der Garage, den Teil des Gartens neben der Kellertreppe und – total crazy – den Ausflug zu Fuß zum Edeka.

8. Bruce Springsteen – Letter To You (Spotify, Apple Music)
Wenn man ein Album von Bruce Springsteen in seine Jahres-Top-10 packt, kann man eigentlich als nächstes an der Lesercharts-Wahl des deutschen „Rolling Stone“ teilnehmen, sich mit Lederjacke auf ein Motorrad setzen und schon mal den Termin für die nächste Vorsorge-Untersuchung beim Hausarzt machen! Aber wenn uns 2020 eines gelehrt hat, dann: Weniger Zynismus, bitte! (Und mehr Vorsorge-Untersuchungen!) Was können ich und motorradfahrende Rockmagazin-Leser über 60 denn dafür, dass der Boss auch nach all den Jahren so gute Alben aus dem Ärmel seiner Lederjacke schüttelt? Fast das ganze „Letter To You“ ist eine Feier von Musik, Optimismus und Durchhaltevermögen und es ist etwas überraschend, dass die Songs schon vor dem ganzen Scheiß geschrieben (drei sogar vor fast 50 Jahren) und mit der E Street Band aufgenommen wurden.

7. Touché Amoré – Lament (Spotify, Apple Music)
Wer wollte 2020 nicht am Liebsten einfach nur Schreien? Jeremy Bolm macht genau das — und er ist sehr gut darin. Irgendwie waren die ersten vier Alben von Touché Amoré an mir vorbeigegangen, obwohl sie eigentlich genau mein Ding hätten sein müssen. Jetzt aber: „Lament“. Musik, die klingt, als würde ich sie schon seit 20 Jahren im Herzen tragen, als hätte ich dazu schon in abgeranzten Clubs auf der Tanzfläche gestanden, meine Fäuste geballt, die Unterarme angewinkelt und dann sehr laut und emotional mitgebrüllt. Ich verspreche, ich werde es nachholen, sobald es möglich ist!

6. Circa Waves – Sad Happy (Spotify, Apple Music)
Wo wir gerade vom Format Album sprachen: „Sad Happy“ kam in zwei Teilen heraus — „Happy“ im Januar 2020, als die Welt, wie wir sie kannten, noch existierte, und man angesichts von sieben großartigen Songs schon mal nach Tourdaten Ausschau gehalten hat; „Sad“ an jenem 13. März, in dessen Verlauf Schulen und Kindergärten geschlossen, die Bundesliga ausgesetzt und generell die vorherige Normalität völlig abgeschaltet wurde. Nach der euphorischen, energiegeladenen ersten Hälfte passte der 2. Teil zur neuen Wirklichkeit (so, wie natürlich alles plötzlich irgendeine Bedeutung hatte): Ein bisschen mehr Melancholie, ein bisschen mehr Synthesizer, ein bisschen mehr Akustikgitarren. Die ersten sieben Songs waren plötzlich eine Erinnerung an eine andere Welt, das ganze Album blieb toll.

5. Darren Jessee – Remover (Spotify, Apple Music)
Darren Jessee begleitet mich mehr als mein halbes Leben: Erst als Schlagzeuger, Background-Sänger und Gelegenheits-Songwriter bei meiner ewigen Lieblingsband Ben Folds Five, dann als Sänger und Haupt-Bandmitglied von Hotel Lights, wo ich ein paar Mal mit ihm im E-Mail-Austausch stand, um die Musik der Band bei CT das radio zu spielen und sonstwie in Europa populär zu machen. „Remover“ ist Darren Jessees zweites Soloalbum und zählt mit zum Besten, was er je herausgebracht hat: Ein einfaches, reduziertes Folk-Pop-Album zwischen Elliott Smith und Monta, Neil Young und Wilco. Songs wie „Along The Outskirts“ und „Never Gonna Get It“ fühlen sich an wie die kraftvolle Umarmung eines alten Freundes (wenigstens glaube ich das, was weiß ich, wie sich Umarmungen anfühlen?!).

4. Kathleen Edwards – Total Freedom (Spotify, Apple Music)
2014 hatte sich Kathleen Edwards nach vier großartigen Alben und auszehrenden Touren durch die halbe Welt aus dem Musikgeschäft zurückgezogen und in ihrer Heimat einen Coffee Shop namens „Quitters“ aufgemacht. Nach Jahren der Stille und des Milchaufschäumens kehrte sie im vergangenen Jahr zurück und sang auf „Total Freedom“ zum Glück wieder wunderschöne, etwas melancholische Alternative-Folk-Songs über zwischenmenschliche Beziehungen, das Leben und den Ausstieg aus dem Business. Ich bin 2020 wirklich nicht viel Auto gefahren, aber wenn ich mich an unbeschwerte Stunden auf der Autobahn erinnere, dann mit diesem Album.

3. HAIM – Women In Music Pt. III (Spotify, Apple Music)
Natürlich hießen die ersten beiden Alben von HAIM nicht „Women In Music“, aber es war schon ein kluger, kleiner Gag der Schwestern-Band, das dritte Werk so zu benennen, ist es doch im besten Sinne eine konsequente Fortsetzung: Es groovt, die Drums scheppern ein bisschen und die Stimmen von Este, Danielle und Alana Haim harmonieren. Man hat das Gefühl, das eigene Leben würde ein bisschen glamouröser und kredibiler, wenn man diese Musik hört — Roséwave eben! Für mich war „Women In Music Pt. III“ der Soundtrack zu einem Samstagvormittag im Juni, den ich beruflich bedingt in Hamburg verbrachte und an dem ich zwei Stunden bei Sonnenschein (Hamburg!) durchs Schanzenviertel spazierte, was sich trotz Maskenpflicht in den Geschäften so sehr wie Urlaub anfühlte wie wenig anderes in 2020.

2. Gordi – Our Two Skins (Spotify, Apple Music)
Alle, wirklich alle Songs, die Sophie Payten alias Gordi vorab veröffentlicht hatte, hatten es auf meine Vorauswahl-Liste für die Songs des Jahres geschafft und ließen Großes erwarten. „Our Two Skins“ enttäuschte nicht: Vom zaghaften, ganz zerbrechlichen „Aeroplane Bathroom“ über das tänzelnde „Sandwiches“ bis zu den schwelgerischen „Volcanic“ (bei dem man am Deutlichsten hört, dass es mit dem Produzenten Chris Messina und dem Label Jagjaguwar einige Gemeinsamkeiten mit Bon Iver gibt) und “Extraordinary Life“ folgt hier wirklich ein unwahrscheinlicher Hit auf den nächsten. „Our Two Skins“ klingt, wie sich tiefes Durchatmen (was wir ja jetzt Dank der 2020 entdeckten Yoga-Videos und Meditations-Apps alle regelmäßig machen) anfühlt!

1. Taylor Swift – Folklore (Spotify, Apple Music)
Schon als ich „Folklore“ zum ersten Mal gehört habe, wusste ich, dass es eine besondere Beziehung sein würde zwischen mir und diesem Album. Taylor Swift hatte es im 1. Lockdown geschrieben und aufgenommen, keine 24 Stunden vor Veröffentlichung angekündigt — und schon beim ersten Hören war klar, dass sie gemeinsam mit ihren Co-Songwritern und Produzenten Aaron Dessner (The National, Big Red Machine) und Jack Antonoff damit schlichtweg ein Meisterwerk geschaffen hatte. Waren Taylor Swift mit modernster, aufwendigster Produktion schon zahlreiche instant classics gelungen, so katapultierte sie der eher reduzierte Sound von „Folklore“ in noch höhere Höhen. Endlich handelten die Texte mal nicht mehr nur davon, wie es ist, Taylor Swift zu sein, sondern sie erzählten kleine Geschichten — wobei, was heißt da „klein“?! „The Last Great American Dynasty“ ist eine great American novel in 3:51 Minuten; „Betty“ der beste Song, der je darüber geschrieben wurde, wie es ist, ein 17-jähriger Junge zu sein (Sorry, Travis!); „August“ klingt so sorglos, wie sich der gleichnamige Monat im Nachhinein fast anfühlte; „Epiphany“ bringt mich immer noch zum Heulen (oder zumindest dazu, tief durchzuatmen) und das Trennungs-Duett „Exile“ mit Justin Vernon von Bon Iver ist sowieso ein Lied, das einem einfach jedes Mal den Stecker zieht.
Seit Juli wache ich jeden Morgen mit einem neuen Ohrwurm auf — und es sind wirklich alle 16 Songs von „Folklore“ dabei (wahlweise gemeinsam oder anstelle des täglichen „Hamilton“-Ohwurms). Dieses Album hat mich durch die zweite Jahreshälfte begleitet wie sonst nur mein Kind und meine engsten Freund*innen. Etwa ab September war klar, dass „Folklore“ mein Album des Jahres werden würde — und dann haute Taylor Swift im Dezember, wieder mit minimaler Vorwarnung, einfach noch ein Album raus! „Evermore“ hätte mit seinen Kollaborationen mit HAIM, The National und abermals Bon Iver beste Chancen gehabt, ebenfalls in meinen Top 10 zu landen, aber ich hatte ja schon „Folklore“. I think, I’ve seen this film before. And I loved all of it.

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Literatur Digital Gesellschaft

Bist Du noch wach? — 2. Kannst Du gut mit Lob umgehen?

In der zweiten Folge sprechen Sue und Lukas unter anderem über Bücher, die ihr Leben nachhaltig verändert haben — was naheliegenderweise zu einer Diskussion über problematische Songs von Adele und Bruce Springsteen führt.

Es geht um Netz-Bekanntschaften, die Frage, warum Lukas nicht existiert, und um Leben und Tod. Dafür sprechen wir nicht über Dinge, bei denen man einfach wortlos gehen darf, wenn sie jemand anders sagt.

Wenn Ihr uns schreiben wollt (zum Beispiel, weil Ihr eigene Fragen habt). könnt Ihr das jetzt unter bistdunochwach@coffeeandtv.de tun!

Shownotes:

Lukas’ Bücher:

  • Douglas Adams: „Per Anhalter durch die Galaxis“
  • Hellmuth Karasek: „Billy Wilder — Eine Nahaufnahme“
  • Johann Wolfgang Goethe: „Die Leiden des jungen Werthers“
  • John Green: „The Fault in our Stars“ („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“)
  • Wolfgang Herrndorf: „Tschick“
  • Benjamin von Stuckrad-Barre: „Remix“

Sues Bücher:

  • Nick Hornby: „High Fidelity“
  • Gary Keller: „The One Thing“
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Musik

Für Neil Armstrong

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Literatur Gesellschaft

Woanders is’ auch scheiße

Wenn ich Menschen aus dem Ausland erklären soll, wo ich herkomme, höre ich mich immer noch viel zu oft mit “near Cologne” antworten. Bei den meisten Amerikanern kann man ja froh sein, wenn sie davon mal gehört haben. Briten hingegen kennen, so sie denn minimal fußballinteressiert sind, natürlich Dortmund und Schalke, manchmal sogar Bochum. Die “Ruhr Area” allerdings ist eher was für Leute, die im Erdkundeunterricht gut aufgepasst haben, aber so würden eh nur die Wenigsten über ihre Heimat sprechen.

Bergbaumuseum Bochum

Das Verhältnis der “Ruhris” zum Ruhrgebiet ist ein zutiefst ambivalentes: Eine unheilvolle Mischung aus Lokalpatriotismus und Selbstverachtung, aus Stolz und Skepsis, Traditionsbewusstsein und Wurzellosigkeit führt dazu, dass sich im fünftgrößten Ballungsraum Europas niemand zuhause fühlt. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht erst ganz langsam, Jahrzehnte nach der Blütezeit der Ruhrindustrie und auch recht widerwillig.

Konrad Lischka und Frank Patalong stammen auch aus dem Ruhrgebiet. Lischka ist 32 und in Essen aufgewachsen, Ptalaong 48 und aus Duisburg-Walsum. Heute arbeiten beide bei “Spiegel Online” in Hamburg, aber sie haben ein Buch geschrieben über die “wunderbare Welt des Ruhrpotts”: “Dat Schönste am Wein is dat Pilsken danach”.

Der Altersunterschied der beiden und ihre unterschiedliche Herkunft (Lischka kam mit seinen Eltern aus Polen ins Ruhrgebiet, Patalong ist Kind einer Arbeiterfamilie) machen den besonderen Reiz des Buches aus, denn ihre Hintergründe sind gerade unterschiedlich genug, um fast das ganze Ruhrgebiet an sich zu charakterisieren. Lischka ist (wie ich auch) ohne nennenswerte Schwerindustrie vor Augen aufgewachsen, bei Patalong konnte man die Wäsche traditionell nicht draußen trocknen lassen, weil sie dann schwarz geworden wäre. Sie beschreiben eine Region, die binnen kürzester Zeit von Menschen aus halb Europa besiedelt wurde, die jetzt alle in ihren eilig hochgezogenen Siedlungen hocken und feststellen, dass die Goldgräberzeit lange vorbei ist. Für die meisten endet die Welt immer noch an der Stadtteilgrenze, wofür Lischka das wunderschöne Wort “Lokalstpatriotismus” ersonnen hat. Entschuldigung, ich komm aus Eppinghoven, was soll ich da mit jemandem aus Hiesfeld? ((Beides sind Stadtteile von Dinslaken, was schon in Köln keiner mehr kennt.))

Das Buch ist geprägt von der so typischen Hassliebe der Ruhrgebietseinwohner zu ihrer … nun ja: Heimat, zusammengefasst im Ausspruch “Woanders is’ auch scheiße”. Menschen, die sich gottweißwas darauf einbilden, aus einer bestimmten Stadt zu stammen oder dort wenigstens “angekommen” zu sein, findet man vielleicht in Düsseldorf, München oder Hamburg, aber nicht im Ruhrgebiet. Wir sind nur froh, wenn man uns nicht mit Dingen wie einem “Kulturhauptstadtjahr” behelligt, und packen alle Möchtegern-Hipster mit Röhrenjeans, asymetrischem Haarschnitt und Jutebeutel in den nächsten ICE nach Berlin. Hier bitte keine Szene, hier bitte überhaupt nichts, Danke! ((Verzeihung, ich bin da etwas vom Thema abgekommen. Aber ich wohne in einem sogenannten “Szeneviertel” und werde da schnell emotional.))

Emschermündung bei Dinslaken

Ich fürchte, dass das Buch für Menschen, die keinerlei Verbindung zum Ruhrgebiet haben, deshalb in etwa so interessant ist wie eines über das Paarungsverhalten peruanischer Waldameisen. Es muss von einer völlig fremden Welt erzählen, in der Kinder auf qualmende Abraumhalden klettern, die Leute eine Art Blutpudding essen, der Panhas heißt, und in der eine Sprache gesprochen wird, die im Rest der Republik einfach als “falsches Deutsch” durchgeht.

Aber wer von hier “wech kommt”, der wird an vielen Stellen “ja, genau!” rufen — oder sich wundern, dass er die Gegend, in der er aufgewachsen ist, so ganz anders wahrgenommen hat, denn auch das ist typisch Ruhrgebiet. Frank Patalong erklärt an einer Stelle, welcher Ort im Ruhrgebiet bei ihm immer ein Gefühl von Nachhausekommen auslöst, und obwohl ich da noch nie drüber nachgedacht habe, bin ich in diesem Moment voll bei ihm: Auf der Berliner Brücke, der “Nord-Süd-Achse”, auf der die A 59 die Ruhr, den Rhein-Herne-Kanal und den Duisburger Hafen überspannt. Wenn wir früher aus dem Holland-Urlaub kamen, war dies der Ort, an dem wir wussten, dass wir bald wieder zuhause sind, und auch heute ist das auf dem Weg von Bochum nach Dinslaken der Punkt, wo ich meine Erwachsenenwelt des Ruhrgebiets verlasse und in die Kindheitswelt des Niederrheins zurückkehre.

Lischka und Patalong verklären nichts, sie sind mitunter für meinen Geschmack ein bisschen zu kritisch mit ihrer alten Heimat, aber dabei sprechen sie Punkte an, die mir als immer noch hier Lebendem in der Form wohl nie aufgefallen wären. Zum Beispiel das ständige Schimpfen auf “die da oben”, das bei den hiesigen Lokalpolitikern leider zu mindestens 80% berechtigt ist, das aber auch zu einer gewissen Kultur- und Intellektuellenfeindlichkeit geführt hat. Die Zeiten, in denen man sich als Arbeiterkind in seiner alten Umgebung rechtfertigen musste, weil man zur Uni ging, dürften vorbei sein, aber ein Blick in die Kommentare unter einem beliebigen Artikel beim Lokalrumpelportal “Der Westen” zeigt, dass Museen, Bibliotheken oder Theater zumindest für einige Einwohner des Ruhrgebiets immer noch “überflüssiger Schnickschnack” sind.

Graffito an der S-Bahn-Station Bochum-Ehrenfeld

Und während ich darüber nachdenke, dass die Arbeiter in Liverpool, Detroit oder New Jersey irgendwie sehr viel mehr für ihren Stolz berühmt sind und dann teilweise auch noch Bruce Springsteen haben, fällt mir auf, dass ich zumindest selbst natürlich wahnsinnig stolz bin auf diese Gegend. Ja, das, was an unseren Städten mal schön war, ist seit Weltkrieg und Wiederaufbau überwiegend weg, aber wir haben wahnsinnig viel Grün in den Städten ((Im Buch verweist Lischka auf das sogenannte “Pantoffelgrün”, ein Wort, das außer ihm und dem Pressesprecher der Stadt Dinslaken glaube ich nie jemand verwendet hat.)), ein schönes Umland und das beste Bier. Genau genommen isses hier gar nicht scheiße, sondern eigentlich nur woanders.

Und selbst wenn wir Ruhris innerlich ziemlich zerrissene Charaktere sind, die in ihren hässlichen Kleinstädten unterschiedlicher Größe stehen und gucken, wie aus den Ruinen unserer goldenen Vergangenheit irgendetwas neues entsteht: Es tut gut zu sehen, dass wir dabei nicht alleine sind. Willkommen im Pott!

Konrad Lischka & Frank Patalong – Dat Schönste am Wein is dat Pilsken danach
Bastei Lübbe, 271 Seiten
16,99 Euro.

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Musik Gesellschaft

We don’t know why / But we know it’s not right

Ich muss Ihnen nicht sagen, welches Datum heute ist. Wenn Sie in den letzten Tagen einen Fernseher eingeschaltet haben, wissen Sie eh, worum es geht.

Frank-Walter Steinmeier wollte mir ja erzählen (aus der Reihe “Seltene Sätze deutscher Sprache”), dass “die Tage, Woche und Monate nach dem 11.9.” in Deutschland “ein bisschen außer Gedächtnis geraten seien. Ich halte das für Quatsch. Ich weiß noch genau, dass ich mich gefragt habe, ob ich meinen 18. Geburtstag zweieinhalb Wochen später noch erleben würde, oder ob wir bis dahin schon alle von Terroristen oder amerikanischen Gegenschlägen getötet sein würden (was man als 17-Jähriger halt so denkt).

Es sind viele, viele Songs geschrieben worden über diese Zeit (unter anderem das ganze “The Rising”-Album von Bruce Springsteen), aber am Besten zusammengefasst wird das alles in einem Song, der unwahrscheinlicherweise von den Funpunkpoppern Goldfinger, Good Charlotte und Mest stammt und irgendwann im Herbst 2001 im Internet verschenkt wurde. Verlust, Orientierungslosigkeit und Angst (auch darüber, was fremd aussehenden Menschen plötzlich blüht) sind auf eine so unmittelbare, naive Art Gegenstand des Textes, dass man acht Jahre später fast ein bisschen pikiert darüber ist. Aber Popmusik ist nun mal gerne ein unreflektiertes Zeitdokument und deshalb auch meistens persönlich packender als ein Geschichtsbuch:

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Das Video ist ein bisschen quatschig, aber ich wollte nicht schon wieder brennende Türme zeigen.

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Musik

Born To Sing Along

Über das All-Songs-Considered-Blog bin ich auf diesen Eintrag im Musikblog I Am Fuel You Are Friends aufmerksam geworden, der sehr passend mit “If you’ve ever wondered what pure, unfettered joy looks like….” betitelt ist.

Man sieht darin ein Livevideo von The Gaslight Anthem, die gemeinsam mit Bruce Springsteen ihren Song “The ’59 Sound” beim Glastonbury Festival spielen:

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the 59 sound – bruce springsteen & gaslight anthem( glasto )
von runawaydream

Da dachte ich noch “Na ja, könnte man noch mal bloggen, so nach einem Monat. Aber muss man auch nicht …”, aber dann fiel mir ein, wie viele Videos ich schon im Internet gesehen hatte, in denen Bruce Springsteen andererleuts Songs veredelt. Und dann dachte ich, die kann man doch mal schön zusammentragen:

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Musik Film

Did you think you’d escaped from routine?

Man weiß nicht so richtig, was bei den Mitgliedern der Academy of Motion Picture Arts and Sciences jetzt schon wieder kaputt ist: Erst nominieren sie statt der sonst üblichen fünf Songs nur drei in der Kategorie “Bester Titelsong”, dann übergehen sie bei den Nominierungen Bruce Springsteens “The Wrestler”, der nach seiner Golden-Globe-Auszeichnung eigentlich als Favorit galt, schicken dafür gleich zwei Songs aus “Slumdog Millionaire” ins Rennen und dann werden die Songs auch nicht mehr einzeln vorgetragen (was immerhin die mehrstündige Zeremonie auflockert), sondern jeder Titel sollte 65 Sekunden in einem Medley bekommen.

Kein Wunder, dass Peter Gabriel da keinen Bock drauf hatte, und seinen Auftritt (nicht aber die Teilnahme an der Oscar-Verleihung) abgesagt hat:

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Klar, es ist eine längliche Filmpreisverleihung, aber die zusätzlichen sechs, sieben Minuten wären ja wohl gerade noch drin gewesen.

Gerade, wenn man bedenkt, dass man “Down To Earth” aus dem fantastischen Trickfilm “Wall-E” unbedingt in voller Länge hören sollte.

So wie hier:

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Musik

Listenpanik 01/09

Zu Beginn des neuen Jahres gibt es mal wieder ein paar Veränderungen an der Listenpanik: Ich habe mich von diesem doofen Top-Five-Denken verabschiedet.

Es gibt Monate, in denen könnte man acht Alben loben, und es gibt welche, da fallen einem eben nur drei ein. In der Vergangenheit standen öfter gerade noch okaye Alben in den Monatslisten, während gute Alben fehlten — dies wird fürderhin nicht mehr der Fall sein. Ich schreibe einfach alles auf, was mir gefallen hat, und versuche auch nicht mehr ganz so krampfhaft, eine Reihenfolge festzulegen.

Was bleibt: Die Listen sind streng subjektiv, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und das beste Album des Jahres findet man sowieso immer erst viel später.

Alben
Bon Iver – Blood Bank
“For Emma, Forever Ago” habe ich erst spät entdeckt und nach wochenlangem Hören bin ich mir sicher, dass Platz 8 in den Jahrescharts viel zu weit hinten war. Es ist aber nicht nur Wiedergutmachung, diese EP jetzt an exponierter Stelle zu loben, denn die gerade mal vier Tracks haben es in sich. Der Titeltrack entstand gemeinsam mit den Album-Songs, aber “Woods” klingt beispielsweise völlig anders: Er besteht nur aus Justin Vernons Stimme, bzw. dem, was Autotune davon übrig gelassen hat. Trotzdem klingt es nicht grauenhaft, wie auf dem letzten Kanye-West-Album, sondern ungefähr so packend wie Imogen Heaps “Hide And Seek”. Mann kann’s nicht beschreiben, man sollte es hören!

Antony And The Johnsons – The Crying Light
“Kunden, die Bon Iver kauften, kauften auch … Antony And The Johnsons”. Ich hab lange überlegt, ob ich vorher eigentlich schon mal einen Song von Antony Hegarty und seiner Band gehört habe. Ja, sagt Wikipedia, in “V for Vendetta”. Ich kann mich nicht daran erinnern, verspreche aber, diese Bildungslücke zu schließen, denn “The Crying Light” ist ein großartiges Album: Kammerkonzertartige Instrumentierung (weswegen die Band auch unter “Chamber pop” einsortiert ist), überraschende Wechsel in Takt und Harmonie und über allem eine Stimme, die man nur mit dem Adjektiv “entrückt” beschreiben kann. Wenn die Engelchen backen und sich der Himmel am Horizont rosa verfärbt, hören sie vermutlich solche Musik.

Black Rust – Medicine & Metaphors
Ein Album, wie geschaffen für den Januar: Es passt zu grauen Nachmittagen ebenso wie zu Schneespaziergängen im Sonnenschein. Da ist ein Songtitel wie “New Year’s Day” nur noch das Tüpfelchen (vielleicht sogar das Herzchen) auf dem i. Was mir an dieser Akustikrock-Platte so gefällt, steht ausführlicher hier.

Songs
Lily Allen – The Fear
Spätestens seit ich sie vor zweieinhalb Jahren live gesehen habe, bin ich ein bisschen in Lily Allen verliebt. Ich bin also nicht sehr objektiv, was ihre Musik angeht. Aber “The Fear” ist auch mit etwas versuchtem Abstand ein toller Song: ausgewogen zwischen Melancholie (Akustikgitarren, der Text) und Partystimmung (die Beats, das Gezirpe) geht er sofort ins Ohr, ohne dabei zu cheesy zu sein. Und zu der Idee, nicht wieder mit Mark Ronson zusammenzuarbeiten (und damit so zu klingen wie all diese Sängerinnen, die nach ihr kamen), kann man ihr sowieso nur gratulieren.

Mando Diao – Dance With Somebody
Es ist natürlich reiner Zufall, dass ausgerechnet in dem Monat, in dem Franz Ferdinand am Umgang mit Synthesizern scheitern, ihre schwedischen Wiedergänger einen derart gelungenen Tanzbodenstampfer aus dem Ärmel schütteln. Ein paar Takte “Enola Gay”; ein Sound der klingt, als habe man die eigentliche Band gegen The Ark ausgetauscht, und ein Refrain, der so schlicht ist, dass man ihn nur lieben oder hassen kann.

Bruce Springsteen – The Wrestler
Das neue Album “Working On A Dream” will mich irgendwie nicht so recht packen, alles klingt so altbekannt. Aber dann kommt “The Wrestler”, der Golden-Globe-prämierte Bonustrack, der an “The River”, “Secret Garden” oder “Dead Man Walking” erinnert, und ich bin wieder hin und weg. Die ganze Schwere der Welt in einem Song und auf den Schultern eines Mannes, der das aushält.

Antony And The Johnsons – Her Eyes Are Underneath The Ground
“Mutti, wovon singt dieser Mann?” – “Dass er mit seiner Mutter in einem Garten eine Blume gestohlen hat.” – “Aha!” Fragen Sie mich nicht, aber dieses Lied ist verdammt groß.

The Fray – You Found Me
Eigentlich soll man sich ja nicht für seinen Geschmack entschuldigen, aber bei College Rock habe ich immer das Gefühl, es trotzdem tun zu müssen. Ich liebe das Debütalbum von The Fray (die Melancholie, die Texte, das Klavier!) und es ist mir egal, dass sie als “christliche Rockband” gelten. “You Found Me”, die Vorabsingle ihres zweiten, selbstbetitelten Albums, läuft angeblich bei Einslive rauf und runter (Lily Allen läuft sogar auf WDR 2), aber das macht nichts. Die erste große Pathos-Hymne des Jahres 2009 hat Aufmerksamkeit verdient.

Animal Collective – Brother Sport
“Merriweather Post Pavillon”, das neue Album von Animal Collective (von denen ich bisher nichts kannte), fällt bei mir in die Kategorie “Sicher nicht schlecht, aber ich wüsste nicht, wann ich mir sowas noch mal anhören sollte” — und befindet sich dort mit Radiohead und Portishead in bester Gesellschaft. “Brother Sport” unterscheidet sich in Sachen Unzugänglichkeit und Melodielosigkeit nicht groß vom Rest des Albums, hat aber dennoch irgendwas (sehr präzise, ich weiß), was mich zum Hinhören bringt. Das Repetitive nervt diesmal nicht, sondern entfaltet seine ganz eigene hypnotische Wirkung. Aus irgendwelchen Gründen erinnert mich das an den Tanz der Ewoks am Ende von “Return of the Jedi”, auch wenn ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wieso.

[Listenpanik, die Serie]

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Musik Print Digital

Tower Records

Preisfrage: Was ist das?

a) Ein Plattencover von Wilco.
b) Ein Foto der Marina City in Chicago, IL.
c) Ein Teil einer Bildergalerie bei “RP Online”.
d) Irgendwas mit Elfter September.

Sie brauchen gar nicht lange zu grübeln oder jemanden anrufen: Alle vier Antworten sind richtig.

Aus gegebenem kalendarischen Anlass haben sich “Rheinische Post” und “RP Online” des Themas “Popmusik seit dem 11. September” angenommen. Autor Sebastian Peters beginnt bei Enyas Katastrophenbegleitmusik “Only Time”, erwähnt Songs (“Let’s Roll” von Neil Young) und Alben (“The Rising” von Bruce Springsteen), die unter den Eindrücken der Terroranschläge entstanden sind, und führt dann aus, dass der Pop politischer geworden sei:

Die linke Popkultur von Radiohead bis zu den Dixie Chicks wiederum holte zum Rundumschlag gegen Präsident Bush aus. Und neuerdings üben sich Stars von Kid Rock bis Madonna im Plädoyer für Obama und gegen die Republikaner. Ohne Zweifel ist Popmusik in Amerika nach dem 11. September politischer geworden.

Nun passen Radiohead und “Popmusik in Amerika” nicht unbedingt sooo gut zusammen — noch weniger verständlich ist allerdings, wann sich Kid Rock “für Obama” ausgesprochen haben soll. Das letzte, was der Prollrocker zum Thema Politik gesagt hat, war eigentlich die Aufforderung, dass Prominente im Bezug auf Wahlempfehlungen die Klappe halten sollten.

Peters schreibt über Pop, der “seit dem 11. September auch in Deutschland wieder politisch aufgeladen”sei, und belegt das wie folgt:

Auch die Sportfreunde Stiller sind Stellvertreter dieser x-ten „Neuen Deutschen Welle“. Ihr Lied „54, 74, 90, 2006“ sagt laut Ja zur Heimat, Solche Positionen waren zuvor exklusiv dem Schlager vorbehalten, plötzlich landen sie in der Pop-Mitte.

Jene Sportfreunde Stiller, die im Jahr 2000 eine Single namens “Heimatlied” veröffentlicht haben?

Noch merkwürdiger als der Text ist aber – immerhin reden wir hier von “RP Online” – die dazugehörige Bildergalerie, in der acht Plattencover abgebildet und notdürftig mit Titel und Interpret versehen sind (und das manchmal auch noch fehlerhaft).

Dort findet man:

  • den Sampler “America: A Tribute To Heroes”
  • Bruce Springsteens “The Rising”
  • “Are You Passionate?” von Neil Young
  • “Riot Act” von Pearl Jam (vermutlich wegen des Songs “Bu$hleaguer”)
  • “Gold” von Ryan Adams (vermutlich, weil das Video zur Single “New York, New York” am 7. September 2001 gedreht wurde und das noch intakte World Trade Center zeigt)
  • den Sampler “Love Songs From New York” (keine Ahnung, was das sein soll, Google kennt’s nicht)
  • “Kid A” von Radiohead
  • das oben gezeigte “Yankee Hotel Foxtrot” von Wilco.

Zu möglichen Parallelen von “Kid A” und den Ereignissen vom 11. September gibt es eine recht spannende Abhandlung von Chuck Klosterman in seinem Buch “Killing Yourself To Live”, aber das wird kaum der Grund sein, weshalb dieses, im Oktober 2000 erschienene Album in der Bildergalerie auftaucht. Immerhin werden Radiohead ja im Text erwähnt, ganz anders als Wilco.

Für deren Auftauchen suche ich noch nach der richtigen Erklärung:

a) Weil “Yankee Hotel Foxtrot” ursprünglich am 11. September 2001 veröffentlicht werden sollte, was sich wegen eines Labelwechsels aber bis April 2002 verzögerte.
b) Weil sich auf dem Album ein Song namens “Ashes Of American Flags” befindet, der sich aber (s. das geplante Veröffentlichungsdatum) nicht auf den 11. September bezieht.
c) Weil das Cover die Zwillingstürme eines Hochhauses zeigt, das – im Gegensatz zum World Trade Center – auch heute noch steht.
d) Wieso Erklärung? Da steht’s doch: “RP Online”.

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Musik Gesellschaft

Born In The NRW

Eines meiner Lieblingsvideos bei YouTube ist dieses hier:

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Das Video entstand bei den MTV Video Music Awards 1997 und zeigt die Wallflowers bei der Aufführung ihres Hits “One Headlight” mit ihrem Gastsänger Bruce Springsteen. Zum einen mag ich, wie Springsteen mit seinem Gesang und seinem Gitarrensolo den ohnehin tollen Song noch mal zusätzlich veredelt, zum anderen kann man aus diesem Auftritt viel über die amerikanische Popkultur und ihren Unterschied zur deutschen ableiten.

Auch wenn man nicht immer darauf herumreiten soll: der Sänger der Wallflowers ist Jakob Dylan, Sohn von Bob Dylan, der seit mehr als vier Jahrzehnten ein Superstar ist. Er singt dort gemeinsam mit Bruce Springsteen, der seit gut drei Jahrzehnten ein Superstar ist. In Deutschland gibt es keine Söhne berühmter Musiker, die selbst Rockstars geworden wären, von daher kann man schon aus familiären Gründen keine Analogien bilden, aber auch der Versuch, ein Äquivalent für Vater Dylan ((Sagen Sie bloß nicht “Wolfgang Niedecken”!)) oder Springsteen zu finden, würde schnell scheitern.

Nun kann man natürlich sagen, dass ich am falschen Ende suche: Dylan und Springsteen haben beide einen mehr (Dylan) oder weniger (Springsteen) vom Folk geprägten Hintergrund, man müsste also in Deutschland im Volksmusik- oder Schlagerbereich suchen. Damit würde das Unternehmen aber endgültig zum Desaster, denn das, was heute als volkstümlicher Schlager immer noch erstaunlich große Zuhörer- und vor allem Zuschauerzahlen erreicht, hat mit wirklicher Folklore weit weniger zu tun als Gangsta Rap mit den Sklavengesängen auf den Baumwollfeldern von Alabama.

USA: Public Library, New York City

Die Netzeitung wollte kürzlich kettcar-Sänger Marcus Wiebusch zum deutschen Springsteen erklären, was angedenk des neuen kettcar-Albums gar nicht mal so abwegig ist, wie es sich erst anhört. Herbert Grönemeyer kann ja nicht alles sein und die Position “einer von uns, der über unsere Welt singt” kann von einem noch so verdienten Wahl-Londoner nur schwerlich besetzt werden. Was aber inhaltlich halbwegs passen mag, sieht auf der Popularitätsebene schon wieder anders aus: jemand, der für die Menschen spricht, muss auch bei den Menschen bekannt sein. Marcus Wiebusch ist weit davon entfernt, ein nationaler Star zu sein, ganz zu schweigen vom internationalen Superstar. ((Ich muss allerdings zugeben, dass die Vorstellung, Jan Fedder könnte mal als CDU-Bundeskanzler kandidieren und versuchen, seinen Wahlkampf mit “Landungsbrücken raus” aufzuhübschen, irgendwie schon was hat.))

Im Grunde genommen ist schon die Suche nach einem deutschen diesen oder einem deutschen jenen der falsche Ansatz: Marcus Wiebusch wird nie der deutsche Springsteen sein und Til Schweiger schon gar nicht der deutsche Brad Pitt. Harald Schmidt war nie der deutsche David Letterman und überhaupt wird es in Deutschland nie eine richtige Late Night Show geben, schon weil die Zuschauer mit einem ganz anderen kulturellen Hintergrund aufgewachsen und auch gar nicht in vergleichbaren Größenordnungen vorhanden sind.

Es gibt aber auch genauso wenig einen amerikanischen Goethe, Schiller, Klopstock, Schlegel oder Beethoven – was unter anderem damit zusammenhängen könnte, dass das unglaubliche Schaffen dieser Herren in eine Zeit fiel, als sich die USA gerade zu einem eigenständigen Staatenverbund erklärt und wichtigeres zu tun hatten, als ein kulturelles Zeitalter zu prägen. Sie mussten zum Beispiel die Demokratie erfinden.

Womit wir direkt in der amerikanischen Politik von heute wären: allen drei verbliebenen Kandidaten für das Amt des US-Präsidenten darf man Charisma und inhaltliche Stärke auf mindestens einem Gebiet bescheinigen. Egal, ob der nächste Präsident John McCain, Barack Obama oder Hillary Clinton heißen wird, er (oder sie) wird mehr Ausstrahlung haben als das versammelte deutsche Kabinett. Das liegt natürlich nicht nur daran, dass man in den USA auf 3,75 Mal so viele Menschen zurückgreifen kann wie in Deutschland, sondern auch daran, dass diese Politiker ganz anders geschult wurden und ein ganz anderes Publikum ansprechen. Jemand wie Kurt Beck könnte es kaum zum stellvertretenden Nachbarschaftsvorsteher schaffen. ((Wobei Beck ein schlechtes Beispiel ist, weil bei ihm ja niemand so genau weiß, wie er es zum Vorsitzenden einer ehemaligen Volkspartei hat schaffen können.))

Die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA sind eben erhebliche und sie lassen sich auch nicht durch eine vermeintliche “Amerikanisierung” unserer Kultur überwinden: selbst wenn jeder deutsche Mann sein Junggesellendasein mit viel Alkohol und Stripperinnen beendete ((Als ob das alle Amerikaner täten …)) wäre das ja nur eine Übernahme von Form und nicht von Inhalt. Deutsche werden auf ewig ihr Frühstücksei aufschlagen und als einziges zivilisiertes Volk der Welt ihr Popcorn gesüßt verspeisen. Deutsche werden wohl nie verstehen, welche Bedeutung es für Amerikaner hat, dass (fast) jeder eine Waffe tragen darf, obwohl sie selbst fast genauso argumentieren, wenn ihnen mal wieder jemand ein Tempolimit vorschlägt. ((Ich wäre übrigens für eine Beschränkung des Waffenrechts und für ein Tempolimit und würde mir in beiden Länder wenige Freunde machen.))

Deutschland: Potsdamer Platz, Berlin

Wer sich einmal “alte” Gebäude in den USA angeschaut hat, darunter einige, die vor 100 bis 120 Jahren gebaut wurden, wird feststellen, wie extrem man sich damals an architektonischen Stilen orientierte, die in Europa längst der Vergangenheit angehörten: wo es um großes Geld oder Hochkultur geht, stößt man auf Klassizismus, Romantik oder Renaissance. Die große Stunde der USA schlug erst, als ihre Popkultur in Form des vielzitierten Rock’n’Roll und Coca Cola das kulturelle Vakuum ausfüllte, das nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland vorherrschte. Seitdem bemüht man sich hier, amerikanisch zu wirken, was sicher noch dazu führt, dass eines Tages jede Dorfkneipe mit Starbucksiger Loungeigkeit aufwarten wird.

Ich mag beide Länder.

Mehr über die USA, Deutschland und die kulturellen Unterschiede steht in folgenden empfehlenswerten Blogs:
USA erklärt Ein Deutsch-Amerikaner in Deutschland erklärt die USA (deutsch)
German Joys Ein Amerikaner in Deutschland schreibt über Deutschland (englisch)
Nothing For Ungood Noch ein Amerikaner in Deutschland, der über Deutschland schreibt (englisch)

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Musik

Listenpanik: Songs 2007

Niemand weiß so recht, warum man sich ausgerechnet immer den doch recht beliebigen Zeitraum eines Kalenderjahres aussucht, um Listen zu erstellen von den Dingen, die da waren und über die Highlights abstimmen zu lassen. Aber es ist nun mal seit längerem so, dass im Dezember zurückgeblickt, unvergleichliches verglichen und unbeschreibliches beschrieben wird. Und diesem heidnischen Brauch schließe ich mich gerne an und eröffne mit der Liste meiner Songs Hymnen des Jahres:

1. Shout Out Louds – Tonight I Have To Leave It
Der “Ach, das sind gar nicht The Cure?”-Song des Jahres. Die Hymne des Haldern Pop Festivals. Das Lied des Jahres.

2. Kaiser Chiefs – Ruby
Wie lang ist die Mindesthaltbarkeit für Mitgrölhymnen? Erstaunlicherweise doch schon fast ein ganzes Jahr. Wenn man das Lied auch nach hundert Mal hören und im nüchternen Zustand noch gut findet, ist das schon die Silbermedaille wert.

3. Kilians – When Will I Ever Get Home
Let me introduce you to some friends of mine. Gute Freunde zu haben, die tolle Musik machen, und sich mit ihnen über ihren Erfolg zu freuen, ist das eine. Das andere ist, immer noch aufrichtig begeistert zu sein von einer mörderguten Stadionrock-Hymne wie die Kilians diese hier aus dem Ärmel geschüttelt haben.

4. Wir Sind Helden – The Geek (Shall Inherit)
Nicht, dass ich Wir Sind Helden nicht generell für eine tolle Band halten würde, deren Aufstieg ich seit beinahe dem ersten Tag mit Freuden verfolge. Aber dass sie auf jedem ihrer guten bis sehr guten Alben immer noch einen Song drauf haben, der alle anderen um Meilen überragt, macht sie noch ein bisschen toller. Nach “Denkmal” und “Wenn es passiert” jetzt also “The Geek (Shall Inherit)”, die Außenseiter-Hymne des Jahrzehnts.

5. Justice – D.A.N.C.E.
Vielleicht der Konsens-Song des Jahres: Ob Rocker, Hip-Hopper oder Elektriker – auf “D.A.N.C.E.” konnten sich (fast) alle einigen. Ein Tanzbodenfüller sondergleichen und vermutlich eine der Nummern, die man unseren Kindern in dreißig Jahren auf einem Sampler der “größten Hymnen der Nuller Jahre” im Teleshop (bzw. dessen Nachnachfolger) verkaufen wird.

6. Just Jack – Starz In Their Eyes
Hip-Hop? Disco? Ein unglaublich gut gemachter Song mit einem sehr klugen Text und immensem Mitwippfaktor. Und jetzt lassen Sie mich endlich als Werbetexter arbeiten!

7. Modest Mouse – Dashboard
Nach 14 Jahren Bandgeschichte gelang Modest Mouse mit der ersten Single aus ihrem fünften Album doch noch so etwas wie ein Durchbruch. Mit dieser Indiepop-Perle, einem Ex-Schmitz an der Gitarre und dem völlig überdrehten Piraten-Video.

8. Bloc Party – I Still Remember
Bloc Party haben mich mit ihrem Zweitwerk “A Weekend In The City” so sehr überzeugt, dass sie – so viel sei schon verraten – zum zweiten Mal mein persönliches Album des Jahres stellen. “I Still Remember” ist unter den allesamt großen Songs der Platte der größte, weil er trotz des eher traurigen Textes eine Euphorie verbreitet, die einen für 3:50 Minuten alles vergessen lässt.

9. Travis- Selfish Jean
Wer hätte gedacht, dass Travis zehn Jahre nach ihrem Debüt doch noch mal den Rock für sich entdecken würden? Mit dem charmantesten “Lust For Life”-Ripoff seit … äh: “Lust For Life” tanzen sich die sympathischsten Schotten im Musikgeschäft in die Top 10.

10. Little Man Tate – European Lover
Wenn es die Kilians nicht gäbe, hätten Little Man Tate gute Chancen auf meinen Titel “Newcomer des Jahres”. “European Lover” ist dabei der eingängigste, charmanteste Song ihres Debütalbums “About What You Know”.

11. Beatsteaks – Cut Off The Top
Zu den Beatsteaks muss man nicht mehr viel sagen, die haben immer schon fast alles richtig gemacht und mit “Limbo Messiah” ist ihnen wieder ein Top-Album gelungen. “Cut Off The Top” besticht durch seinen treibenden Beat und den phantastischen Mitgröl-Refrain: “Damage, damage!”

12. Muff Potter – Die Guten
Warum gibt es eigentlich so viele gute deutschsprachige Songs über Beziehungsenden? Vielleicht, weil es so viele deutschsprachige Songs über Beziehungsenden gibt und wenn man den ganzen Müll von Revolverheld, Juli oder Silbermond weglässt, bleiben eben die guten über. Oder, haha: “Die Guten”. Mit gewohnt tollem Text und schönen Jimmy-Eat-World-Gitarren erreichen Muff Potter ihre inzwischen schon traditionelle Erwähnung auf meinen Bestenlisten.

13. Rihanna feat. Jay-Z – Umbrella
Wenn ich an Kategorien wie “Peinlichstes Lieblingslied” glauben würde, stünde dieses Lied dieses Jahr unangefochten auf Platz 1. Aber warum sollten einem Lieder, die man toll findet, peinlich sein? Deshalb: “Umbrella” ist ein toller Song, der auch dann noch gut wäre, wenn Rihanna eine dicke, alte Frau wäre. Punkt.

14. Babyshambles – Delivery
Wer Pete Doherty nur als Ex-Freund und Drogenopfer aus der Boulevardpresse kennt, ist doof mag erstaunt sein, dass der Mann auch Musik macht – und zwar richtig gute. Mit der besten Post-Libertines-Single ever hat der Mann wieder ein bisschen an seinem Denkmal gebaut, an dessen Demontage er sonst so eifrig arbeitet.

15. The Blood Arm – Suspicious Character
Der Refrain des Jahres: “I like all the girls and all the girls like me”, so lange wiederholt, bis es der Dümmste glaubt. Oder der Sänger selbst. Wenn man solche Rocksongs dann auch noch mit Klavieren aufhübscht, kann man sich meiner Begeisterung sicher sein.

16. Kate Nash – Foundations
Irgendwie scheine ich eine Schwäche für Frauen mit außergewöhnlichem britischen Akzent zu haben. Was letztes Jahr Lily Allen war, ist dieses Jahr Kate Nash. “Foundations” hat darüber hinaus einen charmanten Text, ein Klavier (s.o.) und ist sowieso ein rundherum toller Song.

17. The Wombats – Let’s Dance To Joy Division
Erstaunlich, dass es immer noch Bands gibt, die im Prinzip genau die gleiche Musik wie alle anderen machen und trotzdem viel, viel toller sind. The Wombats sind so ein Fall einer mich überraschenderweise begeisternden Kapelle, “Let’s Dance To Joy Division” eine äußerst gelungene Single.

18. Lady Sovereign – Love Me Or Hate Me
Dass dieser Song in Deutschland kein Hit wurde und Lady Sovereign kein Star, hat mich dann doch überrascht. Vielleicht ist weiblich, britisch und rappen dann doch keine Kombination für “Bravo”-Leser. Schade eigentlich, denn “Love Me Or Hate Me” ist mein Hip-Hop-Song des Jahres.

19. Stars – The Night Starts Here
Und hier die bei Coffee And TV am sträflichsten vernachlässigte Band des Jahres: Stars. “In Our Bedroom After The War” ist eine wahnsinnig gute Platte, die uns in der Liste der besten Alben noch einmal recht weit vorne begegnen wird; “The Night Stars Here” ist bester orchestraler Indiepop.

20. Maxïmo Park – Girls Who Play Guitars
Maxïmo Park waren neben Bloc Party die spannendste Band der Class of 2005 und wie Bloc Party haben auch sie dieses Jahr ein überzeugendes Zweitwerk herausgebracht. “Girls Who Play Guitars” ist dabei noch einen Tacken besser als die anderen Songs.

21. Bruce Springsteen – Radio Nowhere
Und hier der Alterspräsident meiner diesjährigen Bestenliste, der Mann, den sie “Boss” nennen. Wenn ich mit 56 noch Blogeinträge schreibe wie Bruce Springsteen Songs, werde ich mich sehr, sehr glücklich schätzen.

22. Mika – Grace Kelly
Wann fingen Mika und dieser Song eigentlich an zu nerven? Irgendwann im Sommer dürfte es gewesen sein, weswegen sich “Grace Kelly” in der kontinuierlich aktualisierten Bestenliste beständig nach unten kämpfte. Mit etwas Abstand betrachtet ist das Lied dann aber immer noch ganz gut. Das können wir ja in zehn Jahren noch mal überprüfen.

23. Crowded House – Don’t Stop Now
Wen interessieren Led Zeppelin, die vor 20 Millionen Zuschauern hätten spielen können? Das Comeback des Jahres gelang Crowded House, die genau da weitermachen, wo sie vor elf Jahren aufgehört haben: mit zeitlos-tollen Popsongs.

24. Tocotronic – Imitationen
Tocotronic darf man jetzt wohl auch ruhigen Gewissens auf die Liste der Bands setzen, die wohl nichts mehr falsch machen werden in ihrer Karriere. “Kapitulation” ist wieder ein herausragendes, sehr kluges Album geworden, “Imitationen” eines der Highlights. “Dein gut ist mein gut / Dein schön ist mein schön.”

25. Stereophonics – Daisy Lane
Selbst auf ihren schwächeren Alben hatten die Stereophonics immer mindestens einen Song, den ich noch gut fand. “Pull The Pin” ist aber noch nicht mal ein schwaches Album. Das hypnotische “Daisy Lane” ist dennoch das Highlight der Platte und perfekt geeignet, diese Liste zu beschließen.