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Gesellschaft

Heidenspaß

Kürbis (Foto: Lukas Heinser)

Beim Blick auf den Kalen­der wird es so man­chem sie­dend heiß ein­ge­fal­len sein: Heu­te ist der 31. Okto­ber, was bedeu­tet, dass heu­te wie­der ein Fei­er­tag began­gen wird, der vor weni­gen Jah­ren hier­zu­lan­de noch so gut wie unbe­kannt war. Die Häu­ser wer­den geschmückt, die Kin­der ver­klei­den sich und es herrscht ein bun­tes Trei­ben auf den Stra­ßen: es ist Refor­ma­ti­ons­tag.

Wie im gan­zen Land, so haben auch die Müt­ter in Bochum ihren Klei­nen spät­mit­tel­al­ter­li­che Kos­tü­me genäht, damit die­se heu­te Abend rülp­send und fur­zend (in Erin­ne­rung an das berühm­te Luther-Zitat) durch die Nach­bar­schaft zie­hen kön­nen. Wie auch schon in den ver­gan­ge­nen Jah­ren wer­den sie nur bei Katho­li­ken klin­geln und die­se mit dem Spruch „Tre­sen oder The­sen“ zur Her­aus­ga­be har­ter Alko­ho­li­ka auf­for­dern. Wei­gern sich die Papst-Jün­ger, nageln ihnen die jun­gen Refor­ma­to­ren auf­wän­dig gestal­te­te Zet­tel an die Haus- oder Woh­nungs­tür – „Bil­der­sturm“ nen­nen sie die­se Akti­on.

Cal­vin, acht Jah­re alt und ganz stolz auf die Ton­sur, die ihm sein Vater extra für den heu­ti­gen Abend gescho­ren hat, berich­tet, dass er im ver­gan­ge­nen Jahr gan­ze 95 Türen beschla­gen hat. Vie­le Katho­li­ken waren auf den noch jun­gen Brauch schlicht nicht vor­be­rei­tet. Cal­vin hofft, dass sich das in die­sem Jahr geän­dert hat, denn wegen einer Erkäl­tung hat er in die­sem Jahr nur 30 The­sen-Papie­re vor­be­rei­ten kön­nen – außer­dem ist ein Nach­bar immer noch wütend, weil Cal­vin und sei­ne Freun­de ihm im ver­gan­ge­nen Jahr „die Tür kaputt gemacht“ hät­ten.

Jus­tus Jonas, Sozio­lo­ge am Bochu­mer Lehr-Ort für erwäh­nens­wer­te Daten, erklärt das noch jun­ge Brauch­tum mit der Geschich­te des Kir­chen­ge­lehr­ten Mar­tin Luther, der vor fast fünf­hun­dert Jah­ren gegen die katho­li­sche Kir­che rebel­liert haben soll. Ande­re Quel­len spre­chen aller­dings von außer­ir­di­schen Mes­ser­ste­chern, die am 31. Okto­ber 1978 in Had­don­field im US-Bun­des­staat Illi­nois ein bru­ta­les Mas­sa­ker an hei­mi­schen Kür­bis­sen ver­übt haben sol­len. Jonas hat davon gehört, hält das Sze­na­rio mit dem wüten­den ost­deut­schen Pfar­rer aber für rea­lis­ti­scher.

Nicht alle Deut­schen sind begeis­tert vom Trend „Refor­ma­ti­ons­tag“. Vie­le Katho­li­ken fin­den es unver­ant­wort­lich, jun­gen Kin­dern Alko­hol aus­zu­hän­di­gen. Der Nürn­ber­ger Phi­lo­soph Hans Sachs bezeich­ne­te die kos­tü­mier­ten Jugend­li­chen als „luthe­ri­sche Nar­ren“ und rief die Bevöl­ke­rung zum „Nar­ren­schnei­den“ auf. Josef Kacz­mier­c­zik, Lok­füh­rer aus Wat­ten­scheid-Hön­trop hat bereits ange­kün­digt, sein Rei­hen­end­haus gegen die jugend­li­chen Angrei­fer zu schüt­zen: „Dat wird ein‘ fes­te Burg“, sag­te er unse­rem Repor­ter.

[Nach einer Idee von Sebas­ti­an B. & Tho­mas K.]

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Unterwegs Leben

Dieser Weg ist steinig und schwer

Es ist Pfings­ten, man­che wis­sen auch wie­so, ich lie­ge brä­sig auf der Ter­ras­se habe den bis­he­ri­gen Tag mit gesell­schaft­li­chen Auf­ga­ben ver­bracht und möch­te jetzt die­se all­ge­mei­ne fest­li­che Stil­le mit zwei Geschich­ten durch­bre­chen. Die eine ist hei­ter, die ande­re beun­ru­hi­gend, und es ist jedem selbst über­las­sen, wel­che wel­che ist:

Als ich am Frei­tag mit dem Regio­nal­ex­press durchs Ruhr­ge­biet reis­te (mein Leben also in vol­len Zügen genoss), fuhr ich einen Teil der Stre­cke mit einer Pfad­fin­der­grup­pe. Erst nach­dem der Zug in den Duis­bur­ger Haupt­bahn­hof ein­ge­fah­ren war, bemerk­ten die Anfüh­rer der Grup­pe, dass sie die letz­ten fünf Minu­ten vor einem Schild gestan­den hat­ten, auf dem „Tür defekt“ stand. Und so dreh­ten sich die etwa zwan­zig Pfad­fin­der, die sich über die gesam­te Wagen­län­ge im Mit­tel­gang gestaut hat­ten, um und gin­gen zur Tür am ande­ren Ende des Wagens hin­aus. Sie gin­gen nicht etwa durch die Tür, die zwei Meter neben der defek­ten im nächs­ten Wagen lag und offen stand.

Als ich Dins­la­ken, die Stadt mei­ner Kind­heit, erreicht hat­te und zu Fuß zu mei­nen Eltern ging, stell­te ich fest, dass die all­jähr­li­chen Stra­ßen­pflas­ter-Fest­wo­chen offen­bar wie­der in vol­lem Gan­ge waren. Anders als im Osten der Repu­blik, wo man am nächs­ten Wochen­en­de den vier­zigs­ten Jah­res­tag des Schah­be­suchs mit gro­ßen Trach­ten­pa­ra­den bege­hen will, haben die Dins­la­ke­ner Stra­ßen­pflas­ter-Fest­wo­chen wenig mit Gewalt, aber viel mit Ver­kehrs­be­hin­de­rung zu tun. Denn jedes Jahr im Früh­som­mer wird das Pflas­ter der Haupt­stra­ße auf­ge­bro­chen, die Stei­ne wer­den gewen­det, ein neu­es Sand­bett wird gelegt und dann wird die Stra­ße wie­der zuge­pflas­tert. Lei­der lie­fert die offi­zi­el­le Web­site der Stadt kei­ner­lei Infor­ma­tio­nen zu die­sem schö­nen Brauch­tum, aber ich möch­te jeden herz­lich ein­la­den, sich die­se beson­de­re Tief­bau­pro­zes­si­on nicht ent­ge­hen zu las­sen.

So viel für den Augen­blick, mehr Con­tent gibt’s, wenn mehr pas­siert.