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Das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht

Am Donnerstag wurde in der Weltstadt Bochum die “Eins Live Krone”, der “größte deutsche Radiopreis” verliehen. Weil die Kilians als beste Newcomer nominiert waren, fühlte ich mich genötigt, mir das Spektakel anzuhören.

Da die Verleihung zwar live im Radio lief, im Fernsehen aber erst mit 25-stündiger Verpätung, musste Max von Malotki das Geschehen für die Hörer beschreiben. Das führte oft zu dezentem Chaos, wenn zu zwei bis drei Stimmen noch der Kommentar dazukam – mal davon ab, dass es schon ein bisschen, äh: wirr ist, bei der Verleihung eines Radiopreises im Radio ständig zu hören: “Ja, das könnt Ihr jetzt nicht sehen, dann müsst Ihr morgen Fernsehen gucken!”

Der Preis für den besten Newcomer war zum Glück der Dritte. Viel länger hätte ich das Elend von schlecht geschriebenen und durch Mirja Boes und Olli Briesch noch schlechter vorgetragenen Moderationstexten und die unsichtbaren Videoeinspieler (Radio!) auch nicht ertragen. Dass der Preis ausgerechnet an Boundzound ging, dessen Single “Louder” ich bekanntlich für einen der schlechtesten Songs des Genres “nervtötende, repetitive Partymucke” halte, hob meine Laune nicht gerade und so war ich froh, das Radio ausschalten zu können.

Die TV-Ausstrahlung gestern (wir erinnern uns: “Highlights”, “Mehrwert der Bilder”) war dann in mancher Hinsicht erhellend. So war die Bildregie zum Beispiel exakt so, wie man sie von einer Radiosendung erwarten würde: Die Bochumer Jahrhunderthalle wirkte abwechselnd wie ein schwarzes Loch und wie ein völlig überfülltes Tanten-Café; ständig sah man, wie sich Moderatoren, die sich längst im Off wähnten, über ihre fehlerfreien Ansagen freuten, und bei den Nominierten …

Nun ist man eigentlich von jeder Feld-, Wald- und Wiesengala gewohnt, dass bei der Vorstellung der Nominierten, meistens sogar beim Aufruf der Gewinner, diese auch im Bild sind. Entweder hatte der WDR keine fünf Handkameras zur Verfügung, die man auf die Gäste hätte richten können, oder man hielt es ernsthaft für ansprechender und aufschlussreicher, Balkendiagramme zu zeigen, deren Aussagekraft ich im Übrigen heftig bezweifle ((Leider gibt es (bisher) keine Zahlen zu den Hörer-Abstimmungen, aber wenn die Ärzte 72.000 Stimmen für “Junge” bekommen haben und das wirklich so viel mehr als für die anderen Nominierten war, dann hätte ihr Balken ja auch deutlich länger sein müssen.)), und dann in eine schlecht ausgeleuchtete Totale zu wechseln und zu hoffen, dass der oder die Gewinner schon irgendwo im Bild sein würden. Falls letzteres der Plan war, fragt man sich allerdings, wozu es Lichtdoubles bei den Proben gebraucht hat. Dass die Sportfreunde Stiller fünf mal so lang wie jede andere Band im Bild waren, ist ein subjektiver Eindruck, den ich nicht mit Messungen belegen kann. Vielleicht waren die auch nur immer in den Szenen zu sehen, die man beim WDR für die “Highlights” hielt.

Doch halten wir uns nicht an solchen Äußerlichkeiten auf: Die teilweise recht aufwändig produzierten Videoeinspieler waren durchaus nett gemeint und manchmal sogar unterhaltsam. Auch die Idee, “Let’s Dance”-Juror Joachim Llambi zwischendurch Wertungstäfelchen hochhalten zu lassen, war witzig. Wohlgemerkt: die Idee, nicht ihre Umsetzung. Dass man für besonders gelungene Moderationsübergänge (Haha, Sie verstehen …) Bruce Darnell das Mikro weiterreichen ließ (Radio!!!1) komplettierte dann meinen Eindruck, dass man die Planungskonferenz nach dem ersten “einfach mal drauf los”-Brainstorming beendet und die dort vorgetragenen Ideen zu Programmpunkten erklärt hatte. Ich kann leider nicht schreiben, dass meine eigene offizielle Abifeier lustiger gewesen sei, denn das wäre eine furchtbare Lüge.

Aber, hey: Der WDR ist ja immerhin auch der Sender, der für “Schmidt & Pocher” ((“Schmidt & Pocher” waren übrigens in der Kategorie “Beste Comedy” nominiert, was auch schon deshalb erstaunlich ist, da die Nominierungen am 28. September bekannt gegeben wurden – vier Wochen vor der ersten Sendung.)) verantwortlich ist, insofern muss man davon ausgehen, dass das dortige Unterhaltungsressort, äh: nicht existiert. Dass man den Toten Hosen, die den Preis für ihr Lebenswerk bekamen, anscheinend die halbe Laudatio (durch Jan Weiler) und die halbe Dankesrede weggeschnibbelt hat, lag sicher daran, dass es sich dabei nicht um die “Highlights” handelte – dazu gehörte ja schon die Comedy (im schlimmsten Wortsinne) “Lukas’ Tagebuch”.

Es war ja trotzdem nicht alles schlecht bei der “Krone”: Der Auftritt von Culcha Candela mit der WDR Big Band war zum Beispiel wirklich gelungen, obwohl ich “Hamma” nach wie vor für die zweitdämlichste Single des Jahres halte. Kate Nash spielte sehr charmant und verhuscht ihren Hit “Foundations” und klang dabei wie auf Platte. Wir Sind Helden gaben “Kaputt” akustisch zum Besten. Die Toten Hosen haben sich sehr ehrlich und aufrichtig gefreut und ihr Auftritt mit “Wort zum Sonntag” war auch angemessen. ((Wobei Campino natürlich inzwischen schon irgendwie nah an der Sechzig ist.)) Darüber hinaus bleibt noch die Feststellung, dass die Eins-Live-Moderatorinnen und -Moderatoren gar nicht mal so schlecht aussehen, wie man es bei Radioleuten erwarten würde ((Ich darf das sagen, ich habe schließlich selber mal Radio gemacht.)) und man die Veranstaltung mit einem besseren Buch und anderen Moderatoren sicherlich schon geschaukelt gekriegt hätte.

Fürs nächste Jahr wünsche ich mir dann mehr Klarheit, ob es sich um eine Radio- oder eine TV-Veranstaltung handeln soll. Vielleicht klappt das ja mal mit einer Live-Ausstrahlung im WDR Fernsehen.

Und wenn Sie jetzt der Meinung sind, ich sei irgendwie sehr kleinlich und miesepetrig an die Veranstaltung rangegangen: Die Wiederholung der “Eins Live Krone” kann man sich heute Abend um 23:00 Uhr im WDR Fernsehen ansehen. Dann angeblich sogar eine Viertelstunde länger als gestern.

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Don’t Listen To The Radio

Man kann nicht immer alles gut finden und abfeiern. Selbst wenn an einem Tag zwei Platten erscheinen, auf die ich mich freue wie als Kind auf Weihnachten, so kommen am gleichen Tag doch mindestens genausoviele Platten, die auf deutlich andere Käufer hoffen müssen. Auch im Radio kommen auf einen guten Song mindestens drei okay und eine richtige Nervensäge (das ist jetzt nur geschätzt, ich bin aber fast bereit, Feldversuche durchzuführen) – und das fernab von Tokio Hotel, Xavier Naidoo und Silbermond.

Deswegen jetzt und hier: Die “Darum tret’ ich Dein Radio ein”-Charts – total subjektiv und krass polemisch.

05. Snow Patrol – Shut Your Eyes
Snow Patrol sind eine recht ordentliche Band. Man kann jedes Mal betonen, dass “Final Straw”, das Album vor dem Durchbruch, deutlich besser war als das Durchbruchsalbum “Eyes Open” selbst. “Chasing Cars” war eine Mörderhymne, aber “Shut Your Eyes” hat zu wenig Melodie, zu wenig Spannung, zu wenig Song. Einfach nur öde.

04. Incubus – Love Hurts
Ich hab Incubus immer schon für eine schwache Red-Hot-Chili-Peppers-Tribute-Band gehalten und diese Single bestätigt mich in meinem Glauben. Green Days “Boulevard Of Broken Dreams” auf Valium.

03. Razorlight – Before I Fall To Pieces
Razorlight sind ein weiches Ziel, noch extremer als Keane: kein Musikjournalist würde je öffentlich zugeben, die Band um den Fünf-Minuten-Libertines-Bassisten Johnny Borrell auch nur ansatzweise gut zu finden – trotzdem war “America” ein netter Popsong. “Before I Fall To Pieces” ist jetzt aber eine sterbenslangweilige Rock’n’Roll-Parodie, die selbst gegen Neunzigjährige nicht ankommt.

02. Dendemann – Endlich Nichtschwimmer
Bis hierher waren die Songs nur öde, jetzt werden sie nervig – und das richtig schnell und ganz doll. Der “Bluessänger auf Abwegen” Dendemann rappt sich durch Uraltbeats und Dicke-Hose-Strophen und krönt den Track mit einem der nervigsten Refrains ever.

01. Boundzound – Louder
Wenn das eigentlich sehr gute Musikerkollektiv Seeed mal gerade Betriebsferien hat, machen die diversen Mitglieder was anderes. Ob es unbedingt Musik sein muss, ist zumindest im Fall von Sänger Demba Nabé eine berechtigte Frage, denn die erste Single seines Projekts Boundzound ist nervtötender als vier Stunden Nachbars Alarmanlage hören – aber ähnlich repetitiv und melodiös. Selten reagiere ich körperlich auf unliebsame Musik, hier stehe ich kurz vor Schüttelkrämpfen. Das Lied ist so doof, dass ich mir sogar den unglaublichen Wortwitz von wegen Leiserdrehen spare.