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Musik

Lieder für die Ewigkeit: U2 – Beautiful Day

See the bird (with no leaf in her mouth)

Es gibt unge­fähr gleich vie­le Grün­de, U2 zu lie­ben, wie sie zu has­sen. Man muss das Pathos mögen, das sie fast unent­wegt ver­brei­ten, sonst hat man kei­ne Chan­ce. Man muss damit klar kom­men, dass Sän­ger Bono sich mit­un­ter auf­führt wie der unehe­li­che Sohn von Mut­ter The­re­sa und Al Gore, aber immer­hin schö­ner sin­gen kann. Aber man muss nur mal das lang­ge­zo­ge­ne Intro von „Whe­re The Streets Have No Name“ hören, um das Prin­zip Sta­di­on­rock zu ver­ste­hen.

U2 hat­ten in mei­ner musi­ka­li­schen Früh­erzie­hung nur eine Neben­rol­le gespielt, im Plat­ten­schrank mei­ner Eltern fin­det sich bis heu­te kein ein­zi­ges Album der Iren. 1998 wünsch­te ich mir das „Best Of 1980–1990“ zu Weih­nach­ten und hör­te die nächs­ten Wochen und Mona­te „I Still Haven’t Found What I’m Loo­king For“, „Sun­day Bloo­dy Sun­day“ und „With Or Wit­hout You“. U2 waren die ers­te Rock­band in mei­nem Regal.

Im Herbst 2000 erschien dann „All That You Can’t Lea­ve Behind“, der von den Fans heiß erwar­te­te „Pop“-Nachfolger. Da mir die Expe­ri­men­te der Neun­zi­ger Jah­re qua­si kom­plett unbe­kannt waren, war der Über­gang vom Acht­zi­ger-Best-Of flie­ßend. Es war die Zeit, wo man CDs am Don­ners­tag nach Erschei­nen kauf­te (weil der ört­li­che Elek­tronik­händ­ler dann sei­ne Ange­bo­te raus­brach­te) und erst­mal fünf- bis zwan­zig­mal hin­ter­ein­an­der hör­te.

Auf „All That You Can’t Lea­ve Behind“ ist mit „Stuck In A Moment You Can’t Get Out Of“ der viel­leicht bes­te Song der gan­zen Band­ge­schich­te ent­hal­ten, aber nach­hal­ti­ger hat mich das eupho­ri­sche „Beau­tiful Day“ beein­druckt. Der Rhyth­mus, den Lar­ry Mullen dort klopft, war damals noch neu – heu­te kommt er in jedem zwei­ten Song von Cold­play, Snow Pat­rol oder Jim­my Eat World vor. Das Gitar­ren­spiel von The Edge hat mich damals tage­lang in mei­nem Zim­mer fest­ge­hal­ten, wo ich ver­such­te, die­se neben­säch­li­che Ele­ganz auf der Kon­zert­gi­tar­re mei­ner Schwes­ter nach­zu­emp­fin­den. Der Text grub sich durch das unzäh­li­ge Noch­mal-Hören tief in mei­ne Gehirn­win­dun­gen ein, obwohl ich bis heu­te nicht genau weiß, was er eigent­lich aus­sa­gen soll. Und dann war da noch die­ses Video von Meis­ter­re­gis­seur Jonas Åker­lund:

Wann immer ich danach in einem Flug­zeug saß und mir kurz vor dem Start doch ein wenig mul­mig wur­de, summ­te ich die­sen Song vor mich hin und stell­te mir vor, wir wür­den jetzt direkt über die auf der Start­bahn rocken­de Band flie­gen.

Ich wür­de mich bis heu­te nicht als U2-Fan bezeich­nen. Ich kau­fe mir die Alben, ich mag fast alles, was die Band macht, aber es fehlt trotz­dem noch etwas bis zu der kul­ti­schen Ver­eh­rung, die ich bei­spiels­wei­se R.E.M. oder Tra­vis ent­ge­gen­brin­ge. Trotz­dem: Als „Beau­tiful Day“ auf mei­ner Fahrt nach Ber­lin im ICE-Bord­ra­dio lief, wur­de ich plötz­lich so ent­spannt und gut gelaunt, dass mir das gan­ze Thea­ter drum­her­um egal wur­de. Da wuss­te ich: das Lied ist ein Fall für die­se Rubrik.