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Musik Unterwegs

Haldern Pop 2009: Liveblog Samstag

iLiKETRAiNS
Die Band zum iPod (oder so). Irgendwie ist dieser Achtziger-Düsterpop ein großer blinder Fleck in meinem Musikgeschmack (s.a. hier), denn für mich klingen alle diese Editors, Interpols, White Lies, Foals und eben auch iLiKETRAiNS alle gleich. Eine junge Frau sagte gerade, das sei Musik, die sie nur hören wolle, wenn sie mit dem letzten Bier in der Hand nach Hause schwanke und es liegt mir fern, dieses fachkundige Urteil in Abrede stellen zu wollen. Es passt halt irgendwie nicht so recht zum langsamen Verbrennen weiter Teile der eigenen Hautoberfläche.

Dear Reader beim Haldern Pop 2009

Dear Reader
Diese südafrikanische Band hatte ich eigentlich schon lange bei der Listenpanik nachtragen wollen: Wunderschöner Indiepop mit Sängerin und Folk-Einschlag (klar), der ganz wunderbar zum Wetter passt. Zum ersten Mal seit neun Jahren habe ich wieder auf der Wiese vor der Bühne gehockt (weil sie gar nicht matschig ist). Währenddessen fuhr ein Trecker mit vollem Wassertank vor und eröffnete eine Wasserstelle neben der Bühne (so wird die Wiese vielleicht doch noch matschig). Um es Google-tauglich zu formulieren: Junge, hübsche Menschen übergießen ihre halbnackten Körper mit Wasser. Und ich Wahnsinniger will gleich ins Spiegelzelt …

Junge, hübsche Menschen übergießen ihre halbnackten Körper mit Wasser.

Grizzly Bear
Aufgrund von Änderungen im Zeitplan (die bisher niemand so recht erklären konnte), spielt William Fitzsimmons erst um halb sechs im Spiegelzelt. Das gibt mir Gelegenheit, noch ein bisschen Grizzly Bear auf der Hauptbühne zu hören. Wenn das Gedränge im Fotograben ein guter Indikator für die Wichtigkeit einer Band ist (was bisher eigentlich immer der Fall war), dann ist das Quartett aus Brooklyn verdammt wichtig. Radiohead sind erklärte Fans und das passt auch ganz gut, auch wenn bei Grizzly Bear die Folk-Einflüsse (was sonst?) deutlich stärker durchkommen. Mindestens drei Bandmitglieder singen (abwechselnd und gemeinsam) und spielen dazu Musik, die irgendwo zwischen Animal Collective und Fleet Foxes angesiedelt ist. Der Großteil des Publikums ist indes dort angesiedelt, wo die Bäume auf dem Alten Reitplatz etwas Schatten spenden, denn es ist doch ein ganzes Stück wärmer, als dieser alberne Wetterbericht mal wieder vorab behauptet hatte. (“Zuverlässig wie der Wetterbericht” sollte eigentlich die schlimmste Beleidigung deutscher Sprache sein — warum ist sie es nicht?)

William Fitzsimmons beim Haldern Pop 2009.

William Fitzsimmons
Ja, es war warm im Spiegelzelt, aber dann doch nicht so heiß wie befürchtet. Dazu kam, dass es sich kontinuierlich leerte — warum auch immer, an der Musik wird es kaum gelegen haben. Die war wunderschön melancholischer Folkpop zwischen Joshua Radin und Bon Iver. In seinen Ansagen offenbarte Fitzsimmons erstaunliche Deutschkenntnisse und zeigte sich total begeistert vom Publikum.

Bon Iver beim Haldern Pop 2009.

Bon Iver
Als ich aus dem Spiegelzelt kam, hörte ich plötzlich Bon Iver. Aber die sollten doch erst um Viertel vor Neun spielen?! So wie es aussieht, wird die 2009er Ausgabe als Haldern mit den meisten Zeitplanänderungen in die Geschichte eingehen — dumm, wenn man davon nichts mitbekommen hat. (Diesmal lag es wohl daran, dass Andrew Bird noch unterwegs war.) Aber lange aufregen kann man sich über solche spontanen Wechsel natürlich nicht, wenn gerade eine der besten Bands der letzten Jahre ihre wunderbare Musik spielt. Ehrlich gesagt passte die dann auch viel besser zur Abendsonne und dem wolkenlosen Himmel, die der sowieso naturverbundenen Musik (die berühmte Waldhütte, in der “For Emma, Forever Ago” entstand) noch mehr mitgaben. Bon Iver hatte ich im Mai schon gesehen, aber sie sind immer wieder beeindruckend.

The Thermals
Stellen Sie sich vor: Man kann auch Songs mit mehr als 120 beats per minute spielen. Auf dem Haldern ist das in diesem Jahr eine Neuigkeit — und entsprechend wird die schön nach vorne gehende Rockmusik von den Thermals hier gerade gefeiert. Der Regisseur des (fast) alles aufzeichnenden Rockpalasts feiert das mit gesundheitsschädlichen Schnitten, wie wir hier auf dem Kontrollmonitor sehen können. Egal: Die Band rockt schön, da muss ich unbedingt mal ins Album reinhören. (PS: Patrick Swayze lebt entgegen anders lautender Gerüchte auf dem Platz und auf der Bühne immer noch.)

Blitzen Trapper
Wegen der abschließenden Pressekonferenz hab ich nur noch 1 1/2 Songs der Sub-Pop-Band aus Oregon mitgekriegt, aber die hatten es in sich: bluesrockig ging es noch vorne, eine Mischung aus ZZ Top und Crosby, Stills, Young & Nash. Das deckt sich auch nicht gerade mit den Songs der Band, die ich vorher kannte, aber es schreit definitiv nach einer näheren Auseinandersetzung.

König Boris von Fettes Brot beim Haldern Pop 2009.

Fettes Brot
Nachdem die “Brote” letztes Jahr als Überraschungsgast im Zelt gespielt hatten (wo nur die wenigsten dabei waren), gab es sie dieses Jahr offiziell auf der Hauptbühne für alle. Und alle kamen. Kein Vergleich mit der großen Diskussion um Jay-Z beim Glastonbury, noch nicht mal eine Minimalaufregung wie bei Jan Delay auf dem Haldern vor zwei Jahren habe ich mitgekriegt. Fettes Brot waren überraschenderweise die Konsensband und wie zum Beweis eröffneten sie ihre Show (und was für eine das war!) mit “Jein”, einem von den drei deutschsprachigen Hiphop-Liedern, die jeder Mensch mitrappen kann, der zwischen 1980 und 1990 geboren ist (die anderen sind “Sie ist weg” von den Fantastischen Vier und “A-N-N-A” von Freundeskreis). Es gab aber nicht nur ein Greatest-Hits-Programm, sondern auch Abseitiges wie die B-Seiten “Kontrolle” (gegen Vorratsdatenspeicherung, Überwachungsstaat und Wolfgang Schäuble) und “Was in der Zeitung steht” (gegen “Bild” und andere Trash-Medien), Coverversionen von Rio Reiser (“Ich bin müde”) und Fehlfarben (“Ein Jahr”) und im unvermeidlichen Finale “Nordish By Nature” erklangen plötzlich “Dance With Somebody” und “Männer sind Schweine”. Nach viel ruhiger und schwelgender Musik und mildem Gemoshe bei den Thermals konnte wer wollte zum Abschluss also noch mal richtig schön abgehen. Ein Abschluss nach Maß.

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A trotter a day …

Mit Geheimtipps ist es ja immer so eine Sache: Ein Teil der Leute, denen man davon berichtet, guckt einen mitleidig an und sagt “aber das ist doch soooooo alt” (im Internet wird das meist weit weniger freundlich ausgedrückt), während einem ein anderer Teil der Leute (nicht selten die, von denen man gedacht hatte, sie würden “aaaalt” sagen) dankbar um den Hals fällt. Oder sowas in der Art.

Weil eine Person der zweiten Gruppe zehn der ersten übertönt, möchte ich Ihnen heute Daytrotter ans Herz legen.

Das ist ein Website, auf der man sich exklusive Aufnahmen verschiedenster Bands und Künstler anhören kann. Oder (nach einer kurzen Anmeldung) herunterladen. Kostenlos. Legal.

So ziemlich alles, was im (meist nordamerikanischen) Indie-Bereich Rang und Namen hat, war schon mindestens einmal im Daytrotter-Studio: Death Cab For Cutie, Bon Iver, The Hold Steady, Rogue Wave, Ron Sexsmith, The Ting Tings, Vampire Weekend, Ingrid Michaelson, Fleet Foxes oder The Acorn z.B., die ich Ihnen schon dringend empfehlen wollte, seit ich sie im Vorprogramm von Bon Iver gesehen habe.

Auf der Seite kann man also wunderbar neue Musik entdecken (und anders als bei MySpace, YouTube oder last.fm auch für unterwegs herunterladen), während man sich als Fan über die einmaligen Aufnahmen freut, deren Arrangements mitunter von den Albumversionen abweichen. Manche Künstler spielen auch Coverversionen. Aber Vorsicht: Wenn man einmal ins Archiv hinabgestiegen ist, kann es schon mal sein, dass man dort mehrere Stunden verbringt.

So etwas ähnliches nur ohne Downloads (da hätte vermutlich auch die GEMA wieder was gegen) und mit kleinerem Archiv gibt es übrigens auch in Deutschland: bei Rote Raupe.

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Listenpanik 01/09

Zu Beginn des neuen Jahres gibt es mal wieder ein paar Veränderungen an der Listenpanik: Ich habe mich von diesem doofen Top-Five-Denken verabschiedet.

Es gibt Monate, in denen könnte man acht Alben loben, und es gibt welche, da fallen einem eben nur drei ein. In der Vergangenheit standen öfter gerade noch okaye Alben in den Monatslisten, während gute Alben fehlten — dies wird fürderhin nicht mehr der Fall sein. Ich schreibe einfach alles auf, was mir gefallen hat, und versuche auch nicht mehr ganz so krampfhaft, eine Reihenfolge festzulegen.

Was bleibt: Die Listen sind streng subjektiv, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und das beste Album des Jahres findet man sowieso immer erst viel später.

Alben
Bon Iver – Blood Bank
“For Emma, Forever Ago” habe ich erst spät entdeckt und nach wochenlangem Hören bin ich mir sicher, dass Platz 8 in den Jahrescharts viel zu weit hinten war. Es ist aber nicht nur Wiedergutmachung, diese EP jetzt an exponierter Stelle zu loben, denn die gerade mal vier Tracks haben es in sich. Der Titeltrack entstand gemeinsam mit den Album-Songs, aber “Woods” klingt beispielsweise völlig anders: Er besteht nur aus Justin Vernons Stimme, bzw. dem, was Autotune davon übrig gelassen hat. Trotzdem klingt es nicht grauenhaft, wie auf dem letzten Kanye-West-Album, sondern ungefähr so packend wie Imogen Heaps “Hide And Seek”. Mann kann’s nicht beschreiben, man sollte es hören!

Antony And The Johnsons – The Crying Light
“Kunden, die Bon Iver kauften, kauften auch … Antony And The Johnsons”. Ich hab lange überlegt, ob ich vorher eigentlich schon mal einen Song von Antony Hegarty und seiner Band gehört habe. Ja, sagt Wikipedia, in “V for Vendetta”. Ich kann mich nicht daran erinnern, verspreche aber, diese Bildungslücke zu schließen, denn “The Crying Light” ist ein großartiges Album: Kammerkonzertartige Instrumentierung (weswegen die Band auch unter “Chamber pop” einsortiert ist), überraschende Wechsel in Takt und Harmonie und über allem eine Stimme, die man nur mit dem Adjektiv “entrückt” beschreiben kann. Wenn die Engelchen backen und sich der Himmel am Horizont rosa verfärbt, hören sie vermutlich solche Musik.

Black Rust – Medicine & Metaphors
Ein Album, wie geschaffen für den Januar: Es passt zu grauen Nachmittagen ebenso wie zu Schneespaziergängen im Sonnenschein. Da ist ein Songtitel wie “New Year’s Day” nur noch das Tüpfelchen (vielleicht sogar das Herzchen) auf dem i. Was mir an dieser Akustikrock-Platte so gefällt, steht ausführlicher hier.

Songs
Lily Allen – The Fear
Spätestens seit ich sie vor zweieinhalb Jahren live gesehen habe, bin ich ein bisschen in Lily Allen verliebt. Ich bin also nicht sehr objektiv, was ihre Musik angeht. Aber “The Fear” ist auch mit etwas versuchtem Abstand ein toller Song: ausgewogen zwischen Melancholie (Akustikgitarren, der Text) und Partystimmung (die Beats, das Gezirpe) geht er sofort ins Ohr, ohne dabei zu cheesy zu sein. Und zu der Idee, nicht wieder mit Mark Ronson zusammenzuarbeiten (und damit so zu klingen wie all diese Sängerinnen, die nach ihr kamen), kann man ihr sowieso nur gratulieren.

Mando Diao – Dance With Somebody
Es ist natürlich reiner Zufall, dass ausgerechnet in dem Monat, in dem Franz Ferdinand am Umgang mit Synthesizern scheitern, ihre schwedischen Wiedergänger einen derart gelungenen Tanzbodenstampfer aus dem Ärmel schütteln. Ein paar Takte “Enola Gay”; ein Sound der klingt, als habe man die eigentliche Band gegen The Ark ausgetauscht, und ein Refrain, der so schlicht ist, dass man ihn nur lieben oder hassen kann.

Bruce Springsteen – The Wrestler
Das neue Album “Working On A Dream” will mich irgendwie nicht so recht packen, alles klingt so altbekannt. Aber dann kommt “The Wrestler”, der Golden-Globe-prämierte Bonustrack, der an “The River”, “Secret Garden” oder “Dead Man Walking” erinnert, und ich bin wieder hin und weg. Die ganze Schwere der Welt in einem Song und auf den Schultern eines Mannes, der das aushält.

Antony And The Johnsons – Her Eyes Are Underneath The Ground
“Mutti, wovon singt dieser Mann?” – “Dass er mit seiner Mutter in einem Garten eine Blume gestohlen hat.” – “Aha!” Fragen Sie mich nicht, aber dieses Lied ist verdammt groß.

The Fray – You Found Me
Eigentlich soll man sich ja nicht für seinen Geschmack entschuldigen, aber bei College Rock habe ich immer das Gefühl, es trotzdem tun zu müssen. Ich liebe das Debütalbum von The Fray (die Melancholie, die Texte, das Klavier!) und es ist mir egal, dass sie als “christliche Rockband” gelten. “You Found Me”, die Vorabsingle ihres zweiten, selbstbetitelten Albums, läuft angeblich bei Einslive rauf und runter (Lily Allen läuft sogar auf WDR 2), aber das macht nichts. Die erste große Pathos-Hymne des Jahres 2009 hat Aufmerksamkeit verdient.

Animal Collective – Brother Sport
“Merriweather Post Pavillon”, das neue Album von Animal Collective (von denen ich bisher nichts kannte), fällt bei mir in die Kategorie “Sicher nicht schlecht, aber ich wüsste nicht, wann ich mir sowas noch mal anhören sollte” — und befindet sich dort mit Radiohead und Portishead in bester Gesellschaft. “Brother Sport” unterscheidet sich in Sachen Unzugänglichkeit und Melodielosigkeit nicht groß vom Rest des Albums, hat aber dennoch irgendwas (sehr präzise, ich weiß), was mich zum Hinhören bringt. Das Repetitive nervt diesmal nicht, sondern entfaltet seine ganz eigene hypnotische Wirkung. Aus irgendwelchen Gründen erinnert mich das an den Tanz der Ewoks am Ende von “Return of the Jedi”, auch wenn ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wieso.

[Listenpanik, die Serie]

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Listenpanik: Alben 2008

Die Albenlisten sind immer die schlimmsten. Während einem iTunes und last.fm bei der Frage nach den Songs des Jahres schon einen großen Teil der Arbeit abnehmen, muss man bei den Alben abwägen: Wie oft habe ich das Album gehört? Wie lange habe ich das Album gehört und wann zuletzt? Müsste ich dieses Album vielleicht höher ansetzen als jenes, weil es bei einer gewissen Objektivität einfach besser oder anspruchsvoller ist (ich es aber gar nicht so gerne höre)?

Wenn man dann noch den Fehler macht, mal in die alten Jahresbestenlisten reinzuschauen und feststellt, dass man das Album des Jahres 2007 (Bloc Party) im Jahr 2008 gar nicht mehr gehört hat und auch sonst alles an diesen Listen falsch wirkt, dann will man es eigentlich gleich ganz bleiben lassen.

Oder man zwingt sich und fängt an:

25. Ben Folds – Way To Normal
Es hätte schlimmer kommen können: Bloc Party (Album des Jahres 2005 und 2007) haben es gar nicht in die Bestenliste geschafft. Ben Folds hat also irgendwie noch Glück gehabt — und wirklich schlecht ist “Way To Normal” ja auch nicht geraten, nur irgendwie erschütternd … egal. Während die Ben-Folds-Five-Alben bei mir immer noch rauf und runter laufen, wird die Halbwertzeit von Folds’ Soloalben immer geringer. Dass andere Künstler mit der Bürde “Lieblingsband” sehr viel besser klar kommen, werden wir noch sehr viel weiter vorne sehen. Für Folds springt immerhin noch ein Platz auf der Liste raus.
Anspieltipp: Effington

24. Ingrid Michaelson – Girls And Boys
Ein einziger Song bei “Grey’s Anatomy” hat schon Snow Patrol den Weg zur Weltkarriere geebnet, warum soll es Ingrid Michaelson da anders gehen? (Warum geht es Hotel Lights da eigentlich anders?) Diese entspannte Indiepop-Platte ist zwar eigentlich schon von 2007, kam aber in Deutschland genau zum richtigen Zeitpunkt (grau, kalt, ungemütlich) raus und bekam mit der Single “The Way I Am” auch noch ordentlich Airplay. Keine große Kunst, aber für mittelgroße erstaunlich gut. Und natürlich sowieso tausend Mal besser als Amy MacDonald.
Anspieltipp: Masochist

23. kettcar – Sylt
Das gleiche Dilemma wie bei Ben Folds: das Album war nicht schlecht, aber frühere Alben waren besser, ich habe es zu selten gehört und es kam irgendwie nicht im passenden Moment raus. Davon ab trauen sich kettcar musikalisch plötzlich mehr, werden textlich einerseits unkonkreter, haben aber andererseits wieder eine klare Haltung.
Anspieltipp: Kein Aussen Mehr

22. R.E.M. – Accelerate
Ich wiederhole mich da gerne, aber irgendwie werden R.E.M. halt nie irgendwas falsch machen (außer vielleicht, sie spielen noch einmal “Shiny Happy People”). Ihr Back-to-the-roots-Album rumpelte dann auch schön durch den Frühling, ehe es erste Abnutzungserscheinungen zeigte. Jetzt, mit etwas Abstand, ist es aber immer noch gut genug für diese Liste.
Anspieltipp: Living Well Is The Best Revenge

21. Oasis – Dig Out Your Soul
Wirklich schlecht war außer “Standing On The Shoulder Of Giants” noch kein Oasis-Album — dass sie allerdings mal wieder ein wirklich gutes Album machen würden, hätte ich auch nicht gedacht. Dann war “Dig Out Your Soul” da, tatsächlich gut, und mir war es irgendwie egal. Die Band und ich, wir sind beide älter geworden, und mit ihrem neuen Album verhält es sich wie mit dem zufälligen Treffen mit einem alten Schulfreund: das Wiedersehen ist herzlich, man denkt an alte Zeiten, trinkt zwei Bier und geht wieder getrennter Wege. Ein bisschen “Sgt. Pepper”, ein bisschen “Revolver”, ein bisschen weißes Album — und letztlich doch total Oasis.
Anspieltipp: Falling Down

20. Fettes Brot – Strom Und Drang
Mein erstes deutschsprachiges Hip-Hop-Album, ich sag’s gern immer wieder. Und es ist laut, heiß, witzig, euphorisch, traurig, klug, kurzum: gut. In den Neunzigern hätte man mit der Hälfte der Songs eine Riesenkarriere begründen können, heutzutage wird sowas von Sido, Bushido und Schlimmerem in den Schatten gestellt. Aber das kann mir ja egal sein. Und den Broten hoffentlich auch.
Anspieltipp: Das Traurigste Mädchen Der Stadt

19. She & Him – Volume One
In dem Moment, wo Zooey Deschanel zu singen beginnt, sind alle Vorurteile über singende Schauspielerinnen vergessen — und in dem Moment, wo man ihr in die Augen blickt, auch alles andere. Gemeinsam mit M. Ward hat sie ein sommerlich-leichtes Album mit Folk- und Sixties-Anleihen aufgenommen, dessen Beschwingtheit manchmal haarscharf an dem Punkt vorbeischrammt, wo es nervig werden könnte. Aber dann kommt ein so todtrauriges Lied wie “Change Is Hard” und man möchte Zooey Deschanel unbedingt trösten.
Anspieltipp: Change Is Hard

18. Gregor Meyle – So Soll Es Sein
Irgendwo zwischen Herbert Grönemeyer und Tomte, Tom Liwa und Clueso war noch Platz und genau dort passte Gregor Meyle wunderbar rein mit seinen klugen und pathetischen Texten und seiner entspannten Musik. Damit bewegt man vielleicht keine Massen, aber diejenigen, die zuhören.
Anspieltipp: Niemand

17. Jakob Dylan – Seeing Things
Bei den Wallflowers wirkte er mitunter verunsichert durch den Status des One Hit Wonders, das ständige Interesse an seiner Person, die eigenen Ansprüche und die der Plattenfirmen. Und dann setzte sich Jakob Dylan hin und nahm ein Soloalbum auf, bei dem er absolut sicher und fokussiert wirkt, und das trotzdem fein und zerbrechlich klingt (“Produced by Rick Rubin” halt). Dass er einer der besten Texter seiner Generation ist, hat sich leider immer noch nicht rumgesprochen, aber auf diesem Album kann man sich davon überzeugen.
Anspieltipp: Something Good This Way Comes

16. Slut – StillNo1
Manchmal kann man echt Pech haben mit seinem Veröffentlichungsdatum: “StillNo1” kam im Februar raus, lief ein paar Wochen bei mir rauf und runter und verschwand dann im Regal (aus der Reihe: “sprachliche Bilder, die Dank MP3 vom Aussterben bedroht sind”). Für diese Liste habe ich es noch mal hervorgekramt und erneut festgestellt, dass es sich um ein sehr gutes, anspruchsvolles Album handelt. Einiges erinnert an das, was Coldplay Dank ihrer Popularität ein paar Monate später mit “Viva La Vida” einem internationalen Millionenpublikum unterjubeln konnten, aber Slut hatten dieses Glück natürlich nicht.
Anspieltipp: If I Had A Heart

15. Coldplay – Viva La Vida
Gerade noch von ihnen gesprochen, sind Coldplay auch schon da! So klangen seit den Achtzigern keine Nummer-Eins-Alben mehr: Songs, die ineinander übergehen; Motive, die nicht nur auf der CD, sonder auch auf der Nachfolge-EP immer wieder aufgenommen werden; pompöseste Pop-Arien mit viel Rhythmus und noch mehr Melodie, und Single-Hits, auf die kein Schwein tanzen kann. Coldplay verkaufen (relative, wir wollen ja auch nicht übertreiben) Hochkultur als Pop und sind damit das Gegenteil von Paul Potts — aber ähnlich erfolgreich.
Anspieltipp: 42

14. The Killers – Day & Age
Ich würde nie von mir behaupten, Brandon Flowers verstanden zu haben. Aber ich habe dann doch genug Durchblick um zu bemerken, dass er und seine Band zumeist kolossal missverstanden werden. Vielleicht meinen sie das mit den Steeldrums, den Saxofonen und dem Discofox ernst — na und, wenn es hinterher doch so viel Spaß macht, es zu hören? “Day & Age” erschien zeitgleich mit “Chinese Democracy” und alles, was bei Guns N’ Roses knapp jenseits der Grenze des Zumutbaren ausgekommen ist, funktioniert bei den Killers noch. Bei den ersten zwei Durchläufen habe ich dieses Album gehasst, danach geliebt.
Anspieltipp: This Is Your Life

13. Jason Mraz – We Dance. We Sing. We Steal Things.
Wenn Sie mich vor acht Jahren gefragt hätten, wie Popmusik im Jahr 2008 klingt, hätte ich eher auf das getippt, was Robbie Williams vor ein paar Jahren auf “Intensive Care” versucht hat. Ich hätte eher nicht damit gerechnet, dass man mit Akustikgitarren und Tiefenentspannung in die Charts kommt, aber dann kam Jason Mraz und zeigte mir einmal mehr, dass ich von der Zukunft keine Ahnung habe. Man will das ja nicht immer wieder schreiben, aber: so wie dieses Album (von dem es aktuell eine Special Edition mit in Deutschland bisher unveröffentlichten Songs und einer Live-DVD gibt), so klingt der Sommer.
Anspieltipp: Details In The Fabric

12. Travis – Ode To J. Smith
Irgendwie ist das ja gemein: Während ich an Ben Folds immer fast überirdische Ansprüche stelle, dürfen Travis machen, was sie wollen, und ich finde es eigentlich immer gut. Aber “Ode To J. Smith” ist einfach ein gutes Album. Hatten Travis auf “The Boy With No Name” schon alle Phasen ihrer bisherigen Karriere vereint, tun sie es auf “Ode To J. Smith” erneut, aber mit einem Schwerpunkt auf der lauteren Seite. Ja, Travis können rocken (sie tun es außer auf “The Invisible Band” eigentlich auf jedem Album), und das bezweifelt hoffentlich auch niemand mehr. Dass Fran Healy im Aussehen immer mehr an Michael Stipe von R.E.M. erinnert, kann kein Zufall sein, denn die dürfen ja auch machen, was sie wollen.
Anspieltipp: Song To Self

11. Death Cab For Cutie – Narrow Stairs
Bestimmt gibt es Schlimmeres, als “die Band aus ‘O.C., California'” zu sein — und dieser kleine Hype von vor drei, vier Jahren kann auch nicht dafür verantwortlich sein, dass Death Cab (wie wir alle seit Seth Cohen sagen) immer noch so populär sind. Es ist natürlich auch die Musik. Und da zeigt sich einmal mehr der Trend des letzten Jahres: etablierte Bands, deren letzte Alben vielleicht ein bisschen zu gefällig ausgefallen waren, drehen ein bisschen an der Anspruchsschraube und es funktioniert immer noch. Okay, die Achteinhalb-Minuten-Single “I Will Possess Your Heart” wurde fürs Radio gekürzt und beschleunigt, aber in dem Fall zählt schon die Idee. Dass gute Texte viel zu selten gewürdigt werden, ist generell schade, im Falle von Ben Gibbard ist es allerdings fast ein Skandal.
Anspieltipp: Cath…

10. Lightspeed Champion – Falling Off The Lavender Bridge
Nachdem sich die Test Icicles, eine der außergewöhnlicheren Bands unserer Zeit, zerlegt hatten, fuhr Devonte Hynes nach Omaha, NE, um dort mit der Saddle-Creek-Posse eine Art Country-Album aufzunehmen, dessen Songs man sogar im Formatradio spielen könnte. Lässt man diese musikhistorischen Anekdoten außen vor, ist “Falling Off The Lavender Bridge” einfach eine gute, runde Platte.
Anspieltipp: Tell Me What It’s Worth

9. Hotel Lights – Firecracker People
Eines von zwei Alben in dieser Liste (und in den Top 10), das in Deutschland gar nicht “regulär” erschienen ist. Aber wen interessiert sowas? “Firecracker People” ist ein herbstliches Album mit vielen Folk-Anleihen, das eine gewisse schwere Melancholie ausströmt und doch immer wieder federleicht klingt (und auch mal rockt). Darren Jessee und seine Mitmusiker hätten mehr Aufmerksamkeit verdient — hier, in ihrer amerikanischen Heimat und in jedem Land der Erde. Und sagen Sie nicht, die Import-CD sei Ihnen zu teuer: das Album gibt es für 9,99 Euro im iTunes Music Store.
Anspieltipp: Blue Always Finds Me

8. Bon Iver – For Emma, Forever Ago
Das gab’s auch noch nie: Nachdem Bob Boilen von “All Songs Considered” über Wochen und Monate von Bon Iver (das spricht sich ungefähr “Boney Wer?”) geschwärmt hatte und die Kollegin Annika dann auch noch damit anfing, habe ich mich nach Silvester erstmalig mit dem Mann, der eigentlich Justin Vernon heißt, beschäftigt. Nun ist es natürlich etwas riskant, ein Album, das man erst wenige Tage kennt, direkt so weit vorne in die Liste zu stecken, aber andererseits gab es in ganz 2008 kaum ein Album, das ich so oft hintereinander hätte hören können. Die Songs, die Vernon in einer abgelegenen Holzhütte geschrieben hat, sind mit “entrückt” möglicherweise am Besten zu beschreiben. Man muss sich auf die Stimme und die spärliche, teils sphärische Musik einlassen, und wenn einem Beides nicht gefällt, kann ich das sogar ein wenig verstehen. Aber ich bin sicher: Sie verpassen was, so wie es mir fast passiert wäre.
Anspieltipp: Re: Stacks

7. Nizlopi – Make It Happen
Es kommt ja inzwischen leider eher selten vor, dass mich ein Konzert rundherum flasht, aber im Dezember in Köln war es mal wieder soweit: Wie diese zwei Männer da mit Gitarre, Kontrabass und ihren Stimmen einen Sound auf die Bühne brachten, der satter war als so manche Band und gleichzeitig völlig organisch, das hat mich nachhaltig beeindruckt. Fand ich “Make It Happen” vorher schon ziemlich gut, höre ich es seitdem noch mal mit ganz anderen Ohren. Ein anrührendes, kluges und bewegendes Album, das nur darauf hoffen lässt, dass die Beiden nach ihrer Auszeit weitermachen.
Anspieltipp: Drop Your Guard

6. Goldfrapp – Seventh Tree
Goldfrapp waren eine Band, die ich bisher immer eher so am Rand wahrgenommen hatte. Das hat sich mit “Seventh Tree” (und meinem Song des Jahres “A&E”) deutlich geändert. Ein Frühlingstag, komprimiert auf 41:35 Minuten, ein vorsichtiges Nebeneinander von Akustikgitarren und Elektronik-Spielereien, und über allem schwebt die Stimme von Alison Goldfrapp. Für die Statistikfreunde: dass die beste britische Platte auf Platz 6 landet, hat es bei mir auch noch nie gegeben (2 erste Plätze und ein zweiter seit 2005).
Anspieltipp: Road To Somewhere

5. Tomte – Heureka
“Hinter All Diesen Fenstern” und “Buchstaben Über Der Stadt” waren bei mir jeweils das Album des Jahres (2003 und 2006), dafür hat es diesmal nicht ganz gereicht. Das liegt aber nicht am Album, sondern an mir: es kam einfach irgendwie nicht ganz im richtigen Moment raus. Thees Uhlmann hält es für das beste Tomte-Album überhaupt, und zumindest musikalisch könnte er da durchaus recht haben. Bei einigen Songs brauchte ich ein bisschen Zeit, um mit ihnen warm zu werden, andere habe ich auf Anhieb geliebt. Tomte kann man nur hassen oder lieben, aber wer ihnen aufmerksam zuhört, der wird sich geliebt fühlen.
Anspieltipp: Küss Mich Wach Gloria

4. Sigur Rós – Með Suð Í Eyrum Við Spilum Endalaust
Seit vier Alben verfolge ich jetzt die Karriere von Sigur Rós und jedes Mal habe ich gedacht: “Ja, das ist sehr gut, aber irgendwie ist es mir zu künstlerisch, zu weit weg, zu wenig alltagstauglich.” Die Isländer sind immer noch weit vom Pop entfernt, aber auf ihrem fünften Album machen sie Musik, die man auch ohne Räucherstäbchen und Duftkerzen hören kann. Als hätten die Elfen und Kobolde “Sgt. Pepper” gehört.
Anspieltipp: Við Spilum Endalaust

3. Sir Simon – Battle
Simon Frontzek ist der einzige Mensch, der zwei Mal in dieser Liste auftaucht — und beide Male in den Top 5. Zum einen ist er der neue Keyboarder bei Tomte, zum anderen Sänger, Gitarrist und Songschreiber bei Sir Simon (Battle), deren Debütalbum so großartig ist, dass es einen Treppchenplatz verdient hat. Kleine unaufgeregte Pop-Perlen zwischen Wilco, Maritime und den Weakerthans. Verträumt und einfach schön.
Anspieltipp: The Last Year

2. The Hold Steady – Stay Positive
Auch wenn die ganz große verspätete Band-Neuentdeckung des Jahres für mich Hem waren (die aber 2008 kein Album veröffentlicht haben): The Hold Steady sind sicher im engsten Kreis. Die Kombination von roher Energie und Pop-Appeal, von jugendlichem Überschwung und erwachsener Resignation, von Musik und Text machen “Stay Positive” zu einem wahrhaft außergewöhnlichen Album. Und dazu diese ganzen Popkultur-Verweise!
Anspieltipp: Magazines

1. Fleet Foxes – Fleet Foxes
Carrie Brownstein meinte im Jahresrückblick von “All Songs Considered”, das Jahr 2008 sei ziemlich “emo” (die Amerikaner meinen damit etwas anderes als wir) und “beardy” gewesen. Das trifft natürlich beides auf Fleet Foxes zu, aber die Band macht viel zu gute Musik, um sich länger mit der Gesichtsbehaarung ihrer Mitglieder aufzuhalten. Dass es sich die Männer aus Seattle, WA erlauben konnten, Perlen wie “Sun Giant” oder “Mykonos” gar nicht erst aufs Album zu packen (sondern auf der “Sun Giant”-EP zu veröffentlichen), deutet an, dass ihnen die Songs nur so zufliegen. Und tatsächlich: das zweite Album der Fleet Foxes soll bereits in diesem Jahr erscheinen. Ausnahmsweise habe ich mal gar keine Befürchtungen, dass es schwächer werden könnte als das Debüt.
Anspieltipp: Quiet Houses