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Mixtape 9/24

Anderthalb Jahre lang, über 36 Ausgaben, haben wir bei Spotify unsere kleine Musiksendung veröffentlicht, die genauso hieß wie dieses Blog hier: Coffee And TV. Dann hat der böse, ausbeuterische Tech-Konzern die Möglichkeit abgeschafft, eine solche … nun ja: Radiosendung im Internet zu produzieren.

Ich habe ein bisschen gebraucht, um zu überlegen, wie wir weitermachen, denn es gehört ja zu meinen tiefsten Überzeugungen, dass Schönheit geteilt gehört — und Ihr sollte ja weiter hören können, was ich gerade so höre. Die nächstgelegene Idee ist natürlich eine Playlist — vorerst erstmal weiter bei Spotify, weil der Absprung von so einem Streamingdienst ungefähr so kompliziert ist wie ein Umzug mit drei Kindern und fünf Haustieren ins Ausland, aber auch bei Tidal, wo ich gerade ein Probe-Abo abgeschlossen habe, und die Musik wirklich hundert Mal besser klingt (außerdem kriegen die Künstler*innen mehr Geld).

Und weil eine Befragung auf Instagram ergab, dass Ihr gerne nicht nur Songs hintereinander hören, sondern auch Informationen und Meinungen dazu lesen wollt, habe ich jetzt ca. zwei Arbeitstage damit zugebracht, diesen Blog-Eintrag hier zusammenzubauen. (Wenn Ihr meine Arbeit finanziell unterstützen wollt, könnt Ihr meinen Newsletter abonnieren und dafür Geld bezahlen!)

Also dann: Herzlich willkommen zum ersten CTV-Mixtape!

Manic Street Preachers – Decline & Fall

Ich bin jetzt seit fast 25 Jahren Fan der Manic Street Preachers; sie haben mich durch die Oberstufenzeit begleitet und politisiert. Ihr letztes richtig gutes Album ist jetzt auch schon vierzehn Jahre alt — und dann ballern die plötzlich so eine Single raus: eine Piano-Hook wie bei ABBA, Gitarren wie bei Guns ‘n’ Roses und eine Gesangsmelodie, die ungefähr so eingängig ist wie ein gelungenerer Schlager.

Der Text handelt davon, im Angesicht einer verfallenden Welt die kleinen Wunder zu feiern — vielleicht ein bisschen fatalistisch für eine Band, die die meiste Zeit ihrer Karriere die sozialistische Weltrevolution anzetteln wollte, aber in Zeiten, in denen sich so viele immer radikaler äußern, ist es auch auf eine Art radikal, das Gegenteil zu tun. Und wenn es darum geht, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen, bin ich natürlich dabei! Der beste Song einer Band „von früher“ seit Jahren!

Ider – You Don’t Know How To Drive

Wir waren bei Coffee And TV schon große Fans von Ider, bevor das britische Elektropop-Duo überhaupt 2019 sein Debütalbum „Emotional Education“ veröffentlicht hatte. Der Bildspender für den Titel dieser Single ist die männliche Unfähigkeit, sich im Straßenverkehr zu orientieren, aber immer gute Ratschläge zu geben — und das ist nur die erste Strophe, denn die burns werden danach noch viel, viel gemeiner.

„I wanna throw your shit in the middle of the street / Really make a big scene and burn your red SG / Delete the files of your solo EP, yeah no ones gonna hear it now“, singen Megan Markwick und Lily Somerville im Refrain und vielleicht muss man ein paar Musiker im Bekanntenkreis haben, um die Tiefe und Schärfe dieser Zeilen voll würdigen zu können, aber lasst es mich so sagen: Das hier ist die nukleare Option — aber sehr, sehr lustig!

Ider haben gerade ihr drittes Album „Late To The World“ angekündigt, das am 21. Februar 2025 erscheinen soll. Ende März spielen sie in Hamburg, Berlin und Köln.

Christian Lee Hutson – After Hours

Seit dem Release Anfang Juli liege ich meiner gesamten peer group in den Ohren, dass sie sich bitte, unbedingt, keine Zeit zu Warten, diesen Song anhören sollen. Nein: müssen!

„After Hours“ klingt, als würde ich es seit 25 Jahren kennen, aber ich kann nicht genau sagen, an was mich Stimme und Musik erinnern: Nick Drake? Nein. The Weakerthans? Auch nicht. Vor allem war Christian Lee Hutson vor 25 Jahren gerade acht und hat (hoffentlich, denn das Wort „fuck“ kommt auch drin vor) noch nicht solche Songs geschrieben. Refrains gibt’s keine, dafür Strophen, die sich frei assoziativ von Spätis im Himmel über die Schauspielerin Catherine O’Hara bis zur Feststellung „The good stuff is behind a paywall“. Das Album „Paradise Pop. 10“ erscheint am 27. September und ich bin sehr gespannt!

Anna Erhard – Not Rick

Stellt Euch einen jungen, weiblichen Werner Herzog vor, der einen cleveren, aber nicht zu cleveren Text rezitiert, in dem es unter anderem um den legendären Musikproduzenten Rick Rubin geht, während im Hintergrund die Band Cake ein Mashup von Becks besten Songs, die nicht „Loser“ heißen, spielt. Okay, ich bin nicht hilfreich.

Ihr müsst mir einfach glauben, dass dieser Song von Anna Erhard, die in der Schweiz aufgewachsen ist und jetzt in Berlin lebt, einige der besten Indierock-Trends der letzten vier Jahrzehnte enthält. Oder besser: es hören!

Pete Yorn – Real Good Love

Pete Yorn war der Soundtrack der letzten Monate vor meinem Abi — und zwar gleich doppelt: zum einen war er in den Jahren 2000 bis 2002 auf gefühlt jedem zweiten Soundtrack-Album von „Dawson‘s Creek“ bis „Spider-Man“ dabei (so versuchten Major-Labels damals, ihre Acts groß zu machen), zum anderen war sein Debüt-Album „Musicforthemorningafter“ damals ein treuer Begleiter.

Es wurde keine enge, dauerhafte Beziehung (sein gemeinsames Album mit Scarlett Johansson hab ich bis heute nie gehört), aber wenn er neue Musik veröffentlicht, höre ich immer wieder gerne rein. (Und im Gegensatz zu Ryan Adams, dem anderen großen liebestrunkenen Troubadour jener Tage, hat er sich, soweit ich weiß, nichts zu Schulden kommen lassen.) Sein neues Album „The Hard Way“ ist kein Meisterwerk, über das man in zehn Jahren noch begeistert sprechen wird, aber es kann die Zeit zwischen „Nicht mehr Sommer“ und „Noch nicht Herbst“ untermalen wie eine akustische Übergangsjacke. Und so eine solide Freundschaft ist doch auch viel wert!

PRONOUN – In The Still

Vielleicht gar nicht so doof, das eigene Musikprojekt nach der vielleicht polarisierendsten Wortgattung aller Zeiten zu benennen. Alyse Vellturo beschreibt sich selbst als „Brooklyn-based indie label manager by day, bedroom artist by night“ und „In The Still“ ist mein Erstkontakt mit ihrem Schaffen.

Wenn Jimmy Eat World und The Pains Of Being Pure At Heart eine gemeinsame Tochter hätten und die dann mit ihren Freundinnen von britischen 80er-Jahre-Bands (und zwar nicht Pet Shop Boys oder Wham!, sondern The Cure und New Order) inspirierte Musik machen würde, dann könnte das Ergebnis so klingen.

Japandroids – Chicago

Für alle, die immer schon Bruce Springsteen und Hüsker Dü geliebt haben, gibt es das kanadische Duo Japandroids. Ihr zweites Album „Celebration Rock“ aus dem Jahr 2012 ist eines der am passendsten betitelten Alben aller Zeiten und bevor ich für „Lucky & Fred“ oder meine kleine ESC-Show auf die Bühne gegangen bin, hab ich immer ihren Songs „Fire’s Highway“ gehört, um angemessen pumped für einen Abend vor Live-Publikum zu sein.

Nach sieben Jahren Pause haben sie im Juli für Oktober ihr viertes Album „Fate & Alcohol“ angekündigt, das gleichzeitig ihr letztes sein soll. Wenn man sich bei einer Band keine Sorgen machen muss, dass sie mit einem Knall gehen werden, dann bei Japandroids. Sorry, baby, we call it like we see it in Chicago!

Suzan Köcher’s Suprafon – Living In A Bad Place

Bringen wir‘s kurz hinter uns: Ja, das ist die Band, während deren Auftritt der Attentäter auf dem Solinger Stadtfest seine furchtbare Tat beging. Das war natürlich ein grausamer Zufall und die denkbar beschissenste Art, um Gegenstand nationaler Berichterstattung zu werden, von daher freut es mich sehr, dass die Vier schon eine Woche später die Kraft hatten, wieder auf einer Bühne zu stehen und zu bestehen.

„Living In A Bad Place“ ist ein groovender Americana-Stampfer, der an die späten Cardigans oder Brandi Carlisle erinnert, aber gleichzeitig auch eindeutig Suzan Köcher’s Suprafon ist (wie schon in Sendung Nr. 35 zu hören). Im Oktober erscheint das Album „In These Dying Times“ und das mag jetzt zynisch klingen, aber: Wenn diese ganze Scheiße dazu führt, dass jetzt ein paar mehr Menschen eine gute Band kennen und hören, ist das allemal besser, als wenn deswegen Grenzen geschlossen und Menschenrechte geschliffen werden. (Das war jetzt politisch. Blame the Manic Street Preachers!)

The Killers – Bright Lights

Wenn ich alle Fakten zusammentrage, sind The Killers vermutlich meine Lieblingsband unter all jenen, die noch aktiv sind. Ich denk da nur auch nicht immer dran.

Und dann kam Anfang August eine neue Single raus und ich hab sie mir extra aufgehoben, um sie abends, bei Sonnenuntergang auf unserem Campingplatz, zum ersten Mal zu hören. Es ist natürlich kein „Mr. Brightside“ oder „When You Were Young“, es ist nichtmal ein „Caution“ (obwohl es erstaunlich danach klingt). Es ist nur ein Lebenszeichen einer Band, die es auch nach 20 Jahren noch schafft, mir mit jedem neuen Album eine kleine Freude zu bereiten — und das ist doch auch viel wert!

Bess Atwell – Where I Left Us

Ich merke, dass ich immer weniger Alben höre — gerade, weil ich so ungern Alben anmache, wenn ich weiß, dass ich sie nicht komplett hören kann. Wenn ich 20 bis 30 Minuten brauche, bis das Abendessen fertig ist, reicht das nicht — gerade, wenn ich erstmal zehn Minuten brauche, um überhaupt Musik auszusuchen, während das Nudelwasser schon kocht. Deshalb habe ich Bess Atwells drittes Album „Light Sleeper“ auch noch nicht gehört (auch nicht die zwei davor), obwohl es von Aaron Dessner von The National produziert wurde, der seit Taylor Swifts „Folklore“ ja der Mann ist, der melancholisch-schwelgende Popsongs junger Frauen den letzten Grobschliff gibt.

„Where I Left Us“ ist da aber auch gar nicht drauf, sondern Teil neuen Materials, das die Engländerin aktuell veröffentlicht. Wenn all ihre Songs so eine herbstliche Kuscheldecken-Fluffigkeit haben, muss ich aber wirklich mal in ihre Alben reinhören!

The Deadnotes – Reservoir

Ich vertraue meinen Buddies vom Grand Hotel van Cleef ja erstmal blind — ein Vertrauen, das sie sich vor zwei Jahrzehnten mit kettcar, Tomte, Marr und Death Cab For Cutie eher leichtfüßig erarbeitet haben (war natürlich trotzdem eine Menge Energie und Geld, die in solche Releases gegangen ist), das durch gemeinsame Kilians-Zeiten noch enger wurde und das sie in den letzten Jahren mit Veröffentlichungen von Pale, Mariyaka, Fjørt und Arxx weiter gestützt haben.

Wenn meine Buddies also eine Band signen, die schon zwei Alben in Eigenregie veröffentlicht hat, dann höre ich mir das natürlich aufmerksam an: „Reservoir“ ist ein Hauch The Killers, Nightmare Of You und Hellogoodbye, also Rockmusik mit Synthesizern — und das Grand Hotel van Cleef hat mal wieder recht gehabt.

Alex The Astronaut – Cold Pizza

„I Think You’re Great“ von Alex The Astronaut war einer der ersten Songs, die ich gehört habe, nachdem im März 2020 der erste Covid-Lockdown ausgerufen worden war — und es sollte mein Song eines sehr, sehr speziellen Jahres werden.

Ich weiß nicht viel über Alex The Astronaut und habe auch nicht viele ihrer anderen Songs gehört. Aber wenn man einen Song nach dem besten Essen der Welt benennt, kann das alles schon mal nicht so falsch sein — und tatsächlich ist „Cold Pizza“ ein charmanter kleiner Indierock-Schunkler.

Clipping – Run It

Daveed Diggs kennt Ihr alle als Marquis de Lafayette und Thomas Jefferson aus „Hamilton“ (Ihr kennt „Hamilton“ nicht? Oh. Ändert das! Sofort!) Er ist aber auch Mitglied der experimentellen Hip-Hop-Band Clipping, über die ich nicht viel mehr weiß, als dass Daveed Diggs dort Mitglied ist und sie eine zeitlang mal für das Haldern Pop Festival 2023 angekündigt waren, bis sie wieder aus dem Line-Up verschwanden.

Jetzt habe ich zum ersten Mal einen Song von Clipping gehört und ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich inzwischen wieder vollständig davon erholt habe, aber „Run It“ ist schon ein beeindruckender Track, der ein bisschen klingt, als wäre man mit dem Geräusch im Kopf aufgewacht, das ein 56k-Modem beim Einwählen macht.

Joy Oladokun – I’ Miss The Birds

Wenn ich noch so was küren würde wie ein Album des Jahres, wäre es letztes Jahr „Proof Of Life“ von Joy Oladokun gewesen, wie ich in unserer 2023-Sendung schon erzählt habe. Seitdem hat sie in regelmäßigen Abständen neue Songs veröffentlicht, die allesamt wunderbar sind.

In „I’d Miss The Birds“ singt sie davon, dass sie Nashville, die Hauptstadt der amerikanischen Musikindustrie, verlassen und aufs Land ziehen will. Zwar würde sie die Vögel vermissen, für die die Stadt auch berühmt ist, aber selbst die Vögel wüssten ja, wann es Zeit ist zu gehen.

„I’d Miss The Birds“ wird auf „Observations From A Crowded Room“ enthalten sein, Joy Oladokuns fünftem Album, das sie selbst produziert hat und das am 18. Oktober erscheinen soll.

New Radicals – Lost Stars

„You Get What You Give“ von New Radicals ist ein Song, der mein Leben in ein „Davor“ und „Danach“ teilt. Zum ersten Mal seit meiner eher kindlichen Die-Prinzen-Phase war ich Fan einer Band — die sich wenige Wochen, nachdem ich ihr Album gekauft hatte, auflöste. Ihr Sänger Gregg Alexander hat seitdem zahlreiche Hits für andere Acts geschrieben (die ich, inkl. Demos, alle auf meiner Festplatte habe), aber die Band tauchte erst zur Amtseinführung von Joe Biden ganz überraschend wieder in der Öffentlichkeit auf. 

Jetzt gibt es zum ersten Mal seit 25 Jahren neue Songs — wobei „neu“ dabei ein bisschen umgedeutet werden muss, denn es handelt sich um die eigenen New-Radicals-Versionen von „Murder On The Dancefloor“ (bekannt geworden durch Sophie Ellis-Bextor) und „Lost Stars“ (aus dem Film „Begin Again“). Gregg Alexander hat in einem offenen Brief an Kamala Harris’ Ehemann Doug Emhoff, der offenbar ein ebenso großer Fan der Band ist wie ich, erklärt, dass es sich nicht um ein „Comeback“ handle, sondern um einen Versuch, die Demokraten im Wahlkampf zu unterstützen. Das verleiht diesen vielleicht etwas obskuren Songs eine Aura von gesellschaftlicher Bedeutung und Hoffnung und macht mich noch glücklicher, sie hören zu dürfen. Ich habe sogar zum ersten Mal seit neun Jahren einen Song im iTunes Store gekauft!

Briskeby – The First Time

Weiter geht’s mit „Opa erzählt vom Frieden“! Briskeby waren die erste Vorband, die ich jemals bei einem Konzert gesehen habe: Im Herbst 2000 im Vorprogramm von a-ha in der Arena Oberhausen und ich war sofort schwer verknallt in ihre Sängerin Lise Karlsnes. Der Zufall will es, dass ich ein paar Monate später meine allererste Musikrezension jemals für plattentests.de über „Jeans For Onassis“, das Debütalbum der Band, geschrieben habe — das Album hatte also immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen und ich habe meinen Text nur deshalb verlinkt, denn es ist grauenhaftes Gewäsch von einem Teenager, der noch weit davon entfernt war, seine Stimme gefunden zu haben, nicht besser gemacht von einer Redaktion, die auf knackige Überschriften und Oneliner aus war, und können wir bitte überhaupt ganz grundsätzlich mal aufhören, Kunst irgendwie auf einer Skala („5/10“) quantifizieren zu wollen?!

Briskeby, jedenfalls, haben danach weiter Musik gemacht, die komplett an mir vorbeiging: Ihr letztes Album ist aus dem Jahr 2005, was fast 20 Jahre her ist, die letzte Single von 2015. Und jetzt sind sie wieder da, mit einem Song, der „Like The First Time“ heißt und auch so klingt: Es ist exakt der gleiche groovende, leicht angerockte skandinavische Elektropop zwischen Cardigans und Annie — und was ist so falsch daran?! Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich zwar immer noch Wert darauf lege, Chappell Roan, Charli XCX und Sabrina Carpenter grob zu kennen (und: Mein Gott, ist „Espresso“ ein Meisterwerk!), aber ich überlasse ihre Musik gerne den jungen Leuten, denn die haben ja sonst – Hashtag Klimakrise, Hashtag Rentenkasse, Hashtag Austeritätspolitik – sonst gar nichts.

Bon Iver – Speyside

Und plötzlich war da noch ein neuer Song von Bon Iver: Nur Justin Vernon und seine Gitarre, wie damals in der legendären Waldhütte, als er „For Emma, Forever Ago“ aufnahm (was auch schon wieder ewig her ist). Die ganzen Elektrospielereien der letzten Alben: verschwunden; das Duett mit Taylor Swift: woanders (aber tief in unseren Herzen); die einzige weitere Zutat nur die Bratsche von Rob Moose, die dem ganzen den Anstrich von weiter, amerikanischer Landschaft verleiht.

Am 18. Oktober wird „Sable“, eine EP mit „Speyside“ und zwei weiteren Songs erscheinen. Dann wissen wir, ob Bon Iver full circle gegangen sind. Solange reicht aber auch die Schönheit dieses Songs.

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Neue Alben von Foo Fighters, Ben Folds, Noel Gallagher’s High Flying Birds, neue Songs von Victoria Canal, Demi Lovato

So viele tolle neue Alben von persönlich bedeutsamen Acts hat man selten an einem Tag: Am 2. Juni erschienen „But Here We Are“ von den Foo Fighters, „What Matters Most“ von Ben Folds und „Council Skies“ von Noel Gallagher’s High Flying Birds. Und dann war da auch noch „Lucky For You“ von Bully.

Dazu kommen weitere neue Songs von Victoria Canal, Annie Taylor und das ca. fünftausendste Cover von Neil Youngs „Heart Of Gold“ — hier mit Bon Iver.

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Alle Songs:

  • Foo Fighters – Beyond Me
  • Ben Folds – Kristine From The 7th Grade
  • Noel Gallagher’s High Flying Birds – We’re Gonna Get There In The End
  • Bully – All I Do
  • Victoria Canal – Shape
  • Annie Taylor – Ride High
  • Demi Lovato – Cool For The Summer (Rock Version)
  • Ilsey feat. Bon Iver – Heart Of Gold

Shownotes:

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Songs des Jahres 2022

Ich brauche traditionell immer ein bisschen länger, um meine Songs des Jahres zusammenzustellen, aber ich finde das besser, als das Jahr schon im November einpacken zu wollen; hier ist mein Blog mit meinen Regeln und außerdem ist ja noch Januar. Also: Hier sind – Stand jetzt – meine Lieblingslieder des Jahres 2022!

25. Death Cab For Cutie – Here To Forever
Ben Gibbards Lyrics sind ja mitunter so spezifisch, dass sie schon zum Meme taugen. Das muss natürlich nicht schlecht sein, im Gegenteil:

In every movie I watch from the ’50s
There’s only one thought that swirls
Around my head now
And that’s that everyone there on the screen
Yeah, everyone there on the screen
Well, they’re all dead now

Damit hat er einmal mehr einen Gedanken ausformuliert, den ich so oder so ähnlich selbst schon oft hatte. Und wenn Du dann am Tag nach dem Tod Deiner Großmutter im Wohnzimmer des Großelternhauses stehst, auf einem Regal die Fotos all der Großtanten und -onkel, dann knallen diese Zeilen noch mal ganz neu in die offene Wunde: Die sind jetzt alle tot. Das neue Death-Cab-Album „Asphalt Meadows“ hat mich irgendwie nicht so richtig abgeholt, aber dieser Song wird immer Teil meiner Geschichte sein.

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24. Nina Chuba – Wildberry Lillet
Ich bin jetzt in einem Alter, wo es zunehmend schwer wird, mit den jungen Leuten Schritt zu halten — vor allem, wenn man keinen Bock hat, sich chinesische Spionage-Software aufs Handy zu laden. Ich habe dieses Lied also erst relativ spät in einem prähistorischen Medium namens Musikfernsehen entdeckt, aber mir war sofort klar, warum das ein Hit ist: Diese Hook, die gekonnt auf der Grenze zwischen „eingängig“ und „nervig“ hüpft; diese Lyrics, die im klassischsten Sinne das durchspielen, was wir musical theater kids den „I Want“-Song nennen, und dabei sowohl im Dicke-Hose-Rap („Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel“) abschöpfen, als auch fast rührend kindlich („Will, dass alle meine Freunde bei mir wohnen in der Straße“) daherkommen; diese fröhlich-rumpelige Pippi-Langstrumpf-Haltung, mit der wieder mal eine neue Generation ihren Teil vom Kuchen einfordert — oder hier gleich die ganze Bäckerei („Ich hab’ Hunger, also nehm’ ich mir alles vom Buffet“). Und mittendrin eine Zeile, die man als immer jugendlichen Trotz lesen kann — oder als wahnsinnig traurigen Fatalismus: „Ich will nicht alt werden“. Wenn man den Song feuilletonistisch naserümpfend neben den „Fridays For Future“-Aktivismus legt, wird man feststellen, dass die Jugend (Nina Chuba ist da mit 24 gerade noch im richtigen Alter für den Song) ganz schön widersprüchlich sein kann: „We’re the young generation, and we’ve got something to say“ hatten die Monkees ja schon 1967 gesungen — und darüber hinaus nichts zu sagen gehabt, während zeitgleich mal wieder eine Zeitenwende ausbrach.

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23. Harry Styles – As It Was
Damit hätte jetzt auch niemand rechnen können, dass ausgerechnet „Take On Me“ von a-ha mal zu einem der prägendsten Einflüsse auf eine neue Generation Popmusik werden würde: Schon „Blinding Lights“ von The Weeknd war von der legendären Keyboard-Hook … sagen wir mal: „inspiriert“ und auch „As It Was“ kann eine gewisse Verwandtschaft nicht bestreiten. Aber erstens bitte nichts gegen a-ha und zweitens passiert hier in 2:47 Minuten (während die Kinofilme immer länger werden, werden die Popsongs immer kürzer — die Menschen haben ja auch nicht unendlich viel Zeit) so viel, dass man kaum hinterher kommt. Und über Harry Styles muss man ja eh nichts mehr sagen. ((Außer: Hat er jetzt eigentlich Chris Pine angespuckt?))

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22. The National feat. Bon Iver – Weird Goodbyes
„What your favorite sad dad band says about you“ titelte McSweeney’s im Januar 2022, dabei war der Witz da schon mindestens viereinhalb Jahre alt. The National und Bon Iver sind natürlich auf beiden Listen und wenn sie nicht gerade mit Taylor Swift Musik machen, machen sie die halt gemeinsam (dass Aaron Dessner von The National und Justin Vernon von Bon Iver auch noch gemeinsam bei Big Red Machine spielen, verwirrt an dieser Stelle zwar nur, ich muss es aber erwähnen, weil sonst meine Mitgliedschaft in der „Musikjournalisten-Nerds“-Unterabteilung des Bochumer „Sad Dad“-Clubs in Gefahr wäre). So wie bei diesem Song, der nicht Teil des neuen The-National-Albums sein wird, das inzwischen angekündigt wurde und „First Two Pages of Frankenstein“ (man ahnt eine etwas umständliche Referenz, die da irgendwo als Witz im Hintergrund lauert) heißt. Es ist trotzdem ein schöner Song! Und die Band verkauft inzwischen „Sad Dad“-Merchandise.

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21. Rae Morris – No Woman Is An Island
Rae Morris ist der erste und bisher einzige Act, der schon zwei Mal meine Liste der „Songs des Jahres“ angeführt hat: 2012 und 2018. Rechnerisch wäre sie also erst 2024 wieder dran, was ja auch gut sein kann. „No Woman Is An Island“ ist natürlich auch nicht schlecht, ich hab nur eben 20 Songs (von ca. 4.000 gehörten) gefunden, die ich 2022 besser fand als diese leicht theatralische (im Sinne von Bühnenaufführung, nicht im Sinne von übertrieben) Feminismus-Ballade.

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Songs des Jahres 2021

Und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später ist es soweit: Making disco a threat again!

Ich habe wieder ein bisschen länger gebraucht, aber ich möchte auf keinen Fall sein wie Spotify und Musikzeitschriften, die schon zwischen Oktober und Nikolaus auf ein Jahr zurückschauen. Sowas braucht ja auch Zeit und muss sich erst mal setzen — und dann muss man sich selber erst mal setzen, Songs in eine Reihenfolge bringen, die einem in dieser einen Millisekunde die richtige erscheint, obwohl es natürlich völlig absurd ist, Musik in irgendeine Rangliste zu bringen.

Jedenfalls: Hier sind wir! Und hier sind sie: Meine Top-25-Songs eines immer noch etwas mühsamen Jahres!

25. Chicago Sinfonietta – Dances In The Canebrakes (Arr. W.G. Still for Orchestra) : No. 3, Silk Hat And Walking Cane
Ich habe beschlossen, dass ich die Regeln für meine Liste selbst bestimmen kann, also gehen auch Klassik-Songs! „Dances In The Canebrakes“ ist eigentlich ein Klavierwerk der Schwarzen US-Komponistin Florence Price (1887-1953), das hier für Orchester arrangiert wurde und auf dem Album „Project W: Works by Diverse Women Composers“ erschien — und zwar schon 2019. Da mir dieser Umstand aber genau gerade eben erst aufgefallen ist und mich das Stück bis dahin so sehr durch mein Jahr 2021 begleitet hatte, dass ich es zwischenzeitlich als theme in dem Film, der mein Leben ist, wahrgenommen habe, ist mir das alles egal! Es ist ein großartiges Werk mit einem beeindruckenden Hintergrund, also steigen wir einfach hiermit ein!

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24. Aaron Lee Tasjan – Up All Night
Auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte, gab es 2021 doch wieder ein paar Abende, an denen ich angemessen alkoholisiert den Heimweg aus der Innenstadt angetreten habe. Es war stets der perfekte Umstand, um diesen Queer-Folk-Power-Pop-Song in einer Lautstärke zu hören, die einem Apple Health dann hinterher wieder vorwurfsvoll um die Ohren haut.

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23. Adam Levine – Good Mood
Ich sage ja immer, dass es keine peinlichen Lieblingslieder geben kann, aber der Sänger von Maroon 5, der den Titelsong zum „Paw Patrol“-Kinofilm singt — das ist schon eine schwere Hypothek, die man sich selbst gegenüber erst mal rechtfertigen muss!
Tatsächlich hatte ich zuerst den Refrain als Werbepausen-Einleitungsmusik bei Fußball-Übertragungen gehört und sofort geliebt, weil ich seine maximale New-Radicals-Haftigkeit mochte. In Wahrheit hat der Songs nichts mit den New Radicals zu tun (anders als die Songs, die Adam Levine in dem sehr charmanten Film „Begin Again“ und dem dazugehörigen Soundtrack singt), aber das war dann auch schon egal. Keinen Song habe ich 2021 auf dem Fahrrad im Fitnessstudio öfter gehört als „Good Mood“ und wenn Ihr bei diesem Groove nicht mit hochspezialisierten Hundewelpen durch die Wohnung tanzen wollt, kann ich Euch auch nicht helfen!

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Songs des Jahres 2020

Hier Einstiegstext: Was für ein Jahr, Musik als Trost und Eskapismus, streng subjektiv, Stand 16:04, viel Spaß!

25. Janou – Sweet Love
Was für ein Geschenk das ist, talentierten Menschen dabei zusehen zu dürfen, wie sie ihre Kunst verfeinern! Ich kenne Janou jetzt schon seit fast zehn Jahren und habe erlebt, wie sie rumorende Kneipen zum Schweigen brachte, wenn sie ihre Stimme zur Akustikgitarre erhob. Seit einiger Zeit bekommt sie dabei elektronische Unterstützung und gleich die allererste Single des Duos klingt, als hätte sie 1994 auf der „Protection“ von Massive Attack dieses merkwürdige „Light My Fire“-Cover ersetzen sollen:

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24. Holly Humberstone – Deep End
Der Nachteil, wenn einem Spotify einfach so ein Lied vorschlägt, in das man sich dann verliebt, ist ja, dass man ihn manchmal ein Jahr lang hört, ohne irgendetwas über die Person zu wissen, die ihn singt. Andererseits haben wir ja im Studium gelernt, Biographie vom Werk zu trennen, und so können Formatradio-Moderator*innen gerne aus dem Wikipedia-Beitrag von Holly Humberstone vorlesen (als ob!) — ich bleibe einfach ganz ergriffen von diesem todtraurigen, aber irgendwie auch optimistischen Song:

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23. lovelytheband – Loneliness For Love
Erinnern Sie sich noch, als The Killers neu waren und wahlweise dafür gescholten oder gepriesen wurden, dass sie wie Joy Division, New Order und Duran Duran klangen? Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir es alle geschafft haben, so alt zu werden, dass junge Bands wie The Killers klingen! lovelytheband ist nun wirklich kein besonders gelungener Bandname, ich habe keine Ahnung, wie der Rest ihres Schaffens klingt, aber dieser 80’s pop song (und besonders sein Synthesizer-Riff) ist schon sehr chic:

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22. Darlingside – Green + Evergreen
„Fish Pond Fish“, das aktuelle Album von Darlingside, hat es knapp nicht in meine Top 10 geschafft — ich möchte es aber dennoch allen ans Herz legen, die opulent arrangierten Folk-Pop lieben, bei dem trotzdem kein Ton zu viel ist. Wer Fleet Foxes oder The Low Anthem mag, wird auch Darlingside zu schätzen wissen!

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21. Jacob Collier feat. Mahalia and Ty Dolla $ign – All I Need
Der Name Jacob Collier ist mir im letzten Jahr immer wieder in unterschiedlichsten Zusammenhängen untergekommen: Als Songwriter für u.a. Coldplay; als Testimonial, das in den Werbeblöcken auf CNN erzählt, welche Auswirkungen der Lockdown auf Musiker*innen hat; und als Gast in US-Late-Night-Shows. Ob er auch in Deutschland im Radio läuft? Keine Ahnung, ich hör ja kaum welches (eine kurze Recherche ergab allerdings, dass er zumindest innerhalb der letzten Woche nicht auf 1Live gespielt wurde). „All I Need“ ist ein R’n’B-Song, der immer wieder Haken schlägt und in Richtungen geht, die man einen Beat zuvor nicht erwartet hätte. Cool, mit Verweisen auf die Musikgeschichte und eigenem Sound. Zugegeben: Das ist zu viel fürs deutsche Formatradio!

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20. Agnes Obel – Island Of Doom
„Kate Bush“. Da wir das jetzt hinter uns haben, können wir uns ganz auf diesen … nun ja: ätherischen Popsong einlassen, in dem die Stimme von Agnes Obel in vielen Schichten über ein tänzelndes Klavier weht. Einfach mal durchatmen war 2020 gar nicht so leicht, dieser Song konnte dabei helfen. Und: Ja, so coole Sachen bekommen Sie im ARD-Morgenmagazin zu sehen, für das ich unter anderem arbeite!

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Alben des Jahres 2020

Okay, ich bin spät dran — andererseits hat 2021 ja nicht am 1. Januar begonnen, sondern fast drei Wochen später. Und: Ja, ich hatte letztes Jahr schon gesagt, dass ich vielleicht nie wieder eine Liste mit den „Alben des Jahres“ machen würde, weil das Format Album zunehmend an Bedeutung verliert; weil manche Acts zum Beispiel gar keine Alben mehr machen — oder Leute wie Taylor Swift halt gleich zwei, von denen man dann auch irgendwie nicht so recht weiß, wie man diese behandeln soll. Aber es war so ein seltsames Jahr, dass ein wenig Rückbesinnung auf Altbewährtes psychologisch sinnvoll sein kann.

Wald voller Bäume

Also dann: Zum wirklich allerletzten Mal — meine liebsten Alben eines Kalenderjahres!

10. Sevdaliza – Shabrang (Spotify, Apple Music)
Der Musik von Sevdaliza bin ich zum ersten Mal im Februar 2020 bei „All Songs Considered“ begegnet und erstmal abgetaucht in diese etwas ungewohnten Klangwelten. Als dann im August das zweite Album der iranisch-niederländischen Musikerin erschien, war „ungewohnt“ keine Kategorie mehr, in der irgendjemand gedacht hat. Das Internet bezeichnet die Musik als „Electronic, alternative R&B, trip hop, experimental pop, avant-pop“, aber manchmal hilft es ja, sich Sachen einfach anzuhören und darauf einzulassen.

9. Vistas – Everything Changes In The End (Spotify, Apple Music)
Wenn Stephen Thompson von NPR, ein Mann, dem ich in Sachen Musik blind vertraue, sagt, dass er seit langem kein Album mehr gehört habe, das so viele potentielle Hits enthalte; das klinge wie eine Mischung aus den Proclaimers, Andrew W.K. und Fountains Of Wayne und das eines seiner absoluten Lieblingsalben des Jahres sein werde, dann höre ich mir das natürlich an: „Everything Changes In The End“ von Vistas war dann tatsächlich eine einzige Sammlung großer, vor Freude fast platzender Power-Pop-Hymnen — in Sachen Spannungsbogen und Abwechslung war das ein bisschen öde, aber nachdem der Sommer 2020 fast ausschließlich in unserem eigenen Garten stattfand, denke ich bei diesen Songs eben nicht an Nachmittage im Stadtpark, Festival-Besuche (gut: ich bin eh zu alt für diesen Quatsch!) und abendliche Heimwege in kurzen Hosen, sondern an den Teil des Gartens hinter der Garage, den Teil des Gartens neben der Kellertreppe und – total crazy – den Ausflug zu Fuß zum Edeka.

8. Bruce Springsteen – Letter To You (Spotify, Apple Music)
Wenn man ein Album von Bruce Springsteen in seine Jahres-Top-10 packt, kann man eigentlich als nächstes an der Lesercharts-Wahl des deutschen „Rolling Stone“ teilnehmen, sich mit Lederjacke auf ein Motorrad setzen und schon mal den Termin für die nächste Vorsorge-Untersuchung beim Hausarzt machen! Aber wenn uns 2020 eines gelehrt hat, dann: Weniger Zynismus, bitte! (Und mehr Vorsorge-Untersuchungen!) Was können ich und motorradfahrende Rockmagazin-Leser über 60 denn dafür, dass der Boss auch nach all den Jahren so gute Alben aus dem Ärmel seiner Lederjacke schüttelt? Fast das ganze „Letter To You“ ist eine Feier von Musik, Optimismus und Durchhaltevermögen und es ist etwas überraschend, dass die Songs schon vor dem ganzen Scheiß geschrieben (drei sogar vor fast 50 Jahren) und mit der E Street Band aufgenommen wurden.

7. Touché Amoré – Lament (Spotify, Apple Music)
Wer wollte 2020 nicht am Liebsten einfach nur Schreien? Jeremy Bolm macht genau das — und er ist sehr gut darin. Irgendwie waren die ersten vier Alben von Touché Amoré an mir vorbeigegangen, obwohl sie eigentlich genau mein Ding hätten sein müssen. Jetzt aber: „Lament“. Musik, die klingt, als würde ich sie schon seit 20 Jahren im Herzen tragen, als hätte ich dazu schon in abgeranzten Clubs auf der Tanzfläche gestanden, meine Fäuste geballt, die Unterarme angewinkelt und dann sehr laut und emotional mitgebrüllt. Ich verspreche, ich werde es nachholen, sobald es möglich ist!

6. Circa Waves – Sad Happy (Spotify, Apple Music)
Wo wir gerade vom Format Album sprachen: „Sad Happy“ kam in zwei Teilen heraus — „Happy“ im Januar 2020, als die Welt, wie wir sie kannten, noch existierte, und man angesichts von sieben großartigen Songs schon mal nach Tourdaten Ausschau gehalten hat; „Sad“ an jenem 13. März, in dessen Verlauf Schulen und Kindergärten geschlossen, die Bundesliga ausgesetzt und generell die vorherige Normalität völlig abgeschaltet wurde. Nach der euphorischen, energiegeladenen ersten Hälfte passte der 2. Teil zur neuen Wirklichkeit (so, wie natürlich alles plötzlich irgendeine Bedeutung hatte): Ein bisschen mehr Melancholie, ein bisschen mehr Synthesizer, ein bisschen mehr Akustikgitarren. Die ersten sieben Songs waren plötzlich eine Erinnerung an eine andere Welt, das ganze Album blieb toll.

5. Darren Jessee – Remover (Spotify, Apple Music)
Darren Jessee begleitet mich mehr als mein halbes Leben: Erst als Schlagzeuger, Background-Sänger und Gelegenheits-Songwriter bei meiner ewigen Lieblingsband Ben Folds Five, dann als Sänger und Haupt-Bandmitglied von Hotel Lights, wo ich ein paar Mal mit ihm im E-Mail-Austausch stand, um die Musik der Band bei CT das radio zu spielen und sonstwie in Europa populär zu machen. „Remover“ ist Darren Jessees zweites Soloalbum und zählt mit zum Besten, was er je herausgebracht hat: Ein einfaches, reduziertes Folk-Pop-Album zwischen Elliott Smith und Monta, Neil Young und Wilco. Songs wie „Along The Outskirts“ und „Never Gonna Get It“ fühlen sich an wie die kraftvolle Umarmung eines alten Freundes (wenigstens glaube ich das, was weiß ich, wie sich Umarmungen anfühlen?!).

4. Kathleen Edwards – Total Freedom (Spotify, Apple Music)
2014 hatte sich Kathleen Edwards nach vier großartigen Alben und auszehrenden Touren durch die halbe Welt aus dem Musikgeschäft zurückgezogen und in ihrer Heimat einen Coffee Shop namens „Quitters“ aufgemacht. Nach Jahren der Stille und des Milchaufschäumens kehrte sie im vergangenen Jahr zurück und sang auf „Total Freedom“ zum Glück wieder wunderschöne, etwas melancholische Alternative-Folk-Songs über zwischenmenschliche Beziehungen, das Leben und den Ausstieg aus dem Business. Ich bin 2020 wirklich nicht viel Auto gefahren, aber wenn ich mich an unbeschwerte Stunden auf der Autobahn erinnere, dann mit diesem Album.

3. HAIM – Women In Music Pt. III (Spotify, Apple Music)
Natürlich hießen die ersten beiden Alben von HAIM nicht „Women In Music“, aber es war schon ein kluger, kleiner Gag der Schwestern-Band, das dritte Werk so zu benennen, ist es doch im besten Sinne eine konsequente Fortsetzung: Es groovt, die Drums scheppern ein bisschen und die Stimmen von Este, Danielle und Alana Haim harmonieren. Man hat das Gefühl, das eigene Leben würde ein bisschen glamouröser und kredibiler, wenn man diese Musik hört — Roséwave eben! Für mich war „Women In Music Pt. III“ der Soundtrack zu einem Samstagvormittag im Juni, den ich beruflich bedingt in Hamburg verbrachte und an dem ich zwei Stunden bei Sonnenschein (Hamburg!) durchs Schanzenviertel spazierte, was sich trotz Maskenpflicht in den Geschäften so sehr wie Urlaub anfühlte wie wenig anderes in 2020.

2. Gordi – Our Two Skins (Spotify, Apple Music)
Alle, wirklich alle Songs, die Sophie Payten alias Gordi vorab veröffentlicht hatte, hatten es auf meine Vorauswahl-Liste für die Songs des Jahres geschafft und ließen Großes erwarten. „Our Two Skins“ enttäuschte nicht: Vom zaghaften, ganz zerbrechlichen „Aeroplane Bathroom“ über das tänzelnde „Sandwiches“ bis zu den schwelgerischen „Volcanic“ (bei dem man am Deutlichsten hört, dass es mit dem Produzenten Chris Messina und dem Label Jagjaguwar einige Gemeinsamkeiten mit Bon Iver gibt) und “Extraordinary Life“ folgt hier wirklich ein unwahrscheinlicher Hit auf den nächsten. „Our Two Skins“ klingt, wie sich tiefes Durchatmen (was wir ja jetzt Dank der 2020 entdeckten Yoga-Videos und Meditations-Apps alle regelmäßig machen) anfühlt!

1. Taylor Swift – Folklore (Spotify, Apple Music)
Schon als ich „Folklore“ zum ersten Mal gehört habe, wusste ich, dass es eine besondere Beziehung sein würde zwischen mir und diesem Album. Taylor Swift hatte es im 1. Lockdown geschrieben und aufgenommen, keine 24 Stunden vor Veröffentlichung angekündigt — und schon beim ersten Hören war klar, dass sie gemeinsam mit ihren Co-Songwritern und Produzenten Aaron Dessner (The National, Big Red Machine) und Jack Antonoff damit schlichtweg ein Meisterwerk geschaffen hatte. Waren Taylor Swift mit modernster, aufwendigster Produktion schon zahlreiche instant classics gelungen, so katapultierte sie der eher reduzierte Sound von „Folklore“ in noch höhere Höhen. Endlich handelten die Texte mal nicht mehr nur davon, wie es ist, Taylor Swift zu sein, sondern sie erzählten kleine Geschichten — wobei, was heißt da „klein“?! „The Last Great American Dynasty“ ist eine great American novel in 3:51 Minuten; „Betty“ der beste Song, der je darüber geschrieben wurde, wie es ist, ein 17-jähriger Junge zu sein (Sorry, Travis!); „August“ klingt so sorglos, wie sich der gleichnamige Monat im Nachhinein fast anfühlte; „Epiphany“ bringt mich immer noch zum Heulen (oder zumindest dazu, tief durchzuatmen) und das Trennungs-Duett „Exile“ mit Justin Vernon von Bon Iver ist sowieso ein Lied, das einem einfach jedes Mal den Stecker zieht.
Seit Juli wache ich jeden Morgen mit einem neuen Ohrwurm auf — und es sind wirklich alle 16 Songs von „Folklore“ dabei (wahlweise gemeinsam oder anstelle des täglichen „Hamilton“-Ohwurms). Dieses Album hat mich durch die zweite Jahreshälfte begleitet wie sonst nur mein Kind und meine engsten Freund*innen. Etwa ab September war klar, dass „Folklore“ mein Album des Jahres werden würde — und dann haute Taylor Swift im Dezember, wieder mit minimaler Vorwarnung, einfach noch ein Album raus! „Evermore“ hätte mit seinen Kollaborationen mit HAIM, The National und abermals Bon Iver beste Chancen gehabt, ebenfalls in meinen Top 10 zu landen, aber ich hatte ja schon „Folklore“. I think, I’ve seen this film before. And I loved all of it.

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Musik

Songs des Jahres 2019

Machen wir’s schnell: Hier sind also 25 Songs, die ich gestern Abend um 21:57:26 in exakt dieser Reihenfolge für die besten des zurückliegenden Jahres hielt!

25. Loyle Carner – Loose Ends
Ich komme ja generell deutlich besser mit britischem Hip Hop klar als mit amerikanischem (oder deutschem, hahaha), aber Loyle Carner ist wirklich besonders gut, weil sein Sound so unglaublich tight und organisch groovend ist, während er traurige Geschichten erzählt.

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24. J.S. Ondara – American Dream
Über das Album hab ich schon bei meinen Alben des Jahres geschrieben, hier also der Opener. Was ist der amerikanische Traum in Zeiten, in denen man mit den USA vor allem einen wahnsinnigen Reality-TV-Star verbindet, der irgendwie zum Präsidenten wurde? Hier klingt es fast nach einem Fiebertraum:

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23. Maggie Rogers – Light On
Die große Frage bei Maggie Rogers Debütalbum war natürlich: Würde sie es schaffen, nach “Alaska” weitere große Songs zu schreiben? “Light On” beantwortet diese Frage ziemlich eindeutig mit “Ja!” (Bin ich der Einzige, der im Refrain einen Hauch von “Shut Up And Dance” hört?!)

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22. Better Oblivion Community Center – Dylan Thomas
Wenn Phoebe Bridgers und Conor Oberst eine Indie-Folk-Supergroup gründen, ist das alleine natürlich schon mal super. Wenn dabei auch noch solche Songs rumkommen: Umso besser!

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21. Bear’s Den – Only Son Of The Falling Snow
Ich bin ja immer vergleichsweise spät mit meinen Bestenlisten: Viele Leute und Redaktionen veröffentlichen ihre bereits Anfang Dezember. Sie haben dann womöglich die Drei-Song-Ep verpasst, die Bear’s Den am Nikolaustag veröffentlicht haben — und damit diesen wundervollen Folksong!

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Musik

Alben des Jahres 2019

Alben spielen bekanntlich keine Rolle mehr — das Medium der Zukunft heißt Stream (oder eben halt Kassette)! Ich gebe zu, dass ich letztes Jahr zwar wahnsinnig viele Alben gehört habe, um sie für das inzwischen leider eingestellte “JWD”-Magazin zu besprechen (Guten Tag, suchen Sie zufällig noch einen Musikkolumnisten?!), aber in die allermeisten nicht mehr reingehört habe, nachdem meine Rezension fertig war.

Dafür habe ich ca. eine Million Songs gehört (zu deren besten wir dann als nächstes kommen), aber auch jede Menge EPs, die irgendwie streng genommen keine Alben sind, weil sie nur fünf bis sieben Songs enthalten, wobei man mit sieben Songs auch schon ein Album sein kann und … Puh.

Vielleicht ist es also das letzte Mal, dass ich mich im Januar hinsetze, um eine Liste zusammenzustellen, die in dieser Form nur wenige Millisekunden gültig ist und hinter dem 2. Platz eigentlich auch ausgewürfelt sein könnte. Aber heute war es noch mal soweit und hier sind sie nun: Meine zehn liebsten Alben des Jahres 2019!

10. Julia Jacklin – Crushing (Spotify, Apple Music)
Was bei Julia Jacklins Zweitwerk vor allem auffällt: Wie viel Raum die ganzen Indie-Folk-Songs hier haben! Die ruhigen, weil sie so spärlich instrumentiert sind, die lauteren, weil sie ihn sich einfach nehmen. Gleichzeitig sind sie einem als Hörer*in wahnsinnig nahe (aber nur so nahe, dass ich es auch noch ertragen kann). Ein Album, das sich die Aufmerksamkeit holt, die es verdient.

9. Ider – Emotional Education (Spotify, Apple Music)
Am Ende geht es in den allermeisten Liedern ja einigermaßen deckungsgleich um folgende Themen: die eigenen Gefühle, die Gefühle anderer, Beziehungen und warum sie nicht funktioniert haben, das Leben und was man daraus macht. So gesehen erfinden auch Ider das Rad nicht neu, aber wie Megan Marwick und Lily Somerville da in ihren Elektro-Indie-Pop-Songs über all diese Themen singen, das ist schon sehr, sehr gut!

8. Carly Rae Jepsen – Dedicated (Spotify, Apple Music)
Seit sie 2012 forderte, man solle sie vielleicht anrufen, kommt Carly Rae Jepsen alle paar Jahre mit einer Handvoll perfekter Popsongs um die Ecke, die wie für mich gemacht wirken. Auch auf ihrem vierten Album gibt es wieder eingängige Melodien und Grooves und Texte, mit denen sich Teenager und Thirtysomethings identifizieren können (letztere fühlen sich wegen dieses 80er-Sounds, der manchmal beinahe ein bisschen Gefahr läuft, ein Tacken zu viel des Guten zu sein, auch wohlig an die eigene Kindheit erinnert). Wie viel Spaß das alles macht, beweist die Queen of Roséwave auch bei ihrem Auftritt hinter Bob Boilens Schreibtisch beim Tiny Desk Concert.

7. Craig Finn – I Need A New War (Spotify, Apple Music)
Interessante Taktik: Im April ein Soloalbum rausbringen, im August dann eines mit der Hauptband (das wiederum zur Hälfte aus Songs besteht, die man in den Jahren zuvor schon als Singles rausgebracht hatte), im Oktober dann schon wieder eine neue Solo-Single. Keine Ahnung, ob wir uns Craig Finn als Workaholic, als Getriebenen oder als glücklichen Menschen vorstellen müssen — 2019 war er immerhin gut beschäftigt und hat neben dem besten Hold-Steady-Album seit „Stay Positive“ eben auch sein vielleicht bisher bestes Soloalbum veröffentlicht. Um wirklich zu verstehen, was hier textlich passiert, hilft es, mit Craig Finns Gesamtwerk vertraut zu sein, das mehrere Bands und Jahrzehnte umspannt und eher mit Fortsetzungsromanen als mit Lyrik zu vergleichen ist, aber man kann sich auch einfach von der Musik treiben lassen und seinem Sprechgesang als eine Art weiteres Instrument zuhören.

6. Maggie Rogers – Heard It In A Past Life (Spotify, Apple Music)
Wenn Joni Mitchell, Neneh Cherry, Suzanne Vega und Donna Summer gemeinsam ein Mädchen aufgezogen hätten, wäre das zwar ein griffiges Bild für leicht hilflose Musikjournalisten, beschriebe aber noch nicht annähernd, was hier, auf einem der sehnlichst erwarteten Debütalben des letzten Jahres, eigentlich genau los ist. Die Grenzen zwischen „organisch klar“ und „elektronisch verspielt“ verschwimmen ebenso wie die zwischen Melancholie und Euphorie, Folk und Disco, Tag und Nacht.

5. Loyle Carner — Not Waving, But Drowning (Spotify, Apple Music)
Den Albumtitel kennen Menschen mit pop culture overexposure natürlich schon aus „Ready For Drowning“ von den Manic Street Preachers, aber wer wusste schon, dass auch das nur eine Referenz auf ein Gedicht der Autorin Stevie Smith war? Eben! Bei Loyle Carner gibt’s das Gedicht im Titeltrack zu hören, an anderer Stelle spricht seine Mutter und wer sich von so etwas nicht abschrecken lässt, wird ein sensationelles Hip-Hop-Album entdecken, wie gemacht für Menschen, die behaupten, mit Hip Hop nichts anfangen zu können: Grooves wie auf 50 Jahre alten Soul-Platten, dominante Klavier- und Bläserklänge, kluge und nachdenkliche Texte — wenn die Kids demnächst im Englisch-Unterricht Loyle Carner durchnehmen, kann das nur für alle von Vorteil sein!

4. Bon Iver – i,i (Spotify, Apple Music)
Was mit Justin Vernon in einer einsamen Waldhütte begann, ist inzwischen ein großes Künstler*innen-Kollektiv mit Multimedia-Shows. Wieder zugänglicher als beim etwas rätselhaften (und natürlich trotzdem sehr, sehr guten) letzten Album „22, A Million“ kombinieren Bon Iver auf „i,i“ (klar, dass es auch diesmal kein „normaler“ Titel sein kann!) die Sounds der bisherigen drei Alben zu einem dröhnenden, knarzenden, groovenden, flirrenden, hymnischen, dichten, atmenden, umarmenden Gesamtwerk, das man vielleicht immer noch nicht ganz versteht, von dem man sich aber auf merkwürdige Art verstanden fühlt.

3. J.S. Ondara – Tales Of America (Spotify, Apple Music)
Ich finde ja, dass es nur selten nötig ist, die Biographie eines Künstlers zu kennen, um sich seinem Werk zu nähern. Im Fall von J.S. Ondara sollte man aber vielleicht wissen, dass der junge Mann in Kenia aufwuchs, nach einer Diskussion darüber, ob „Knocking On Heaven’s Door“ von Guns ’n’ Roses oder jemand anderem sei, Bob Dylan für sich entdeckte und, nachdem er dessen Gesamtwerk in sich aufgesogen hatte, beschloss, in dessen Heimat Minnesota auszuwandern. Was für eine grandiose Geschichte (bei der es, nebenbei bemerkt, auch nicht ganz so wichtig ist, ob er schon eine Tante in Minnesota wohnen hatte, bei der er unterkommen konnte — Popkultur ist keine Politik, sie ist der einzige Ort, an dem Fakten eine untergeordnete Rolle spielen dürfen!), die allerdings auch nicht viel wert wäre, wenn die Musik doof wäre. Das ist sie auf „Tales Of America“ allerdings ganz und gar nicht: Es ist ein grandioses Folk-Album, dem man das Jahr 2019 jetzt nicht wirklich anhört!

2. Lizzo – Cuz I Love You (Spotify, Apple Music)
Der Opener „Cuz I Love You“ ist noch keine zehn Sekunden alt, da hat man schon einen guten Eindruck von dem bekommen, wozu Lizzo und ihre Musiker*innen in der Lage sind — es folgen aber noch jede Menge weitere Gelegenheiten, sich von dieser Frau und ihrem Album komplett umhauen zu lassen. Big-Band-Sound, Hip Hop, Funk, Rock: kann sie alles! „Crazy, sexy, cool, baby / With or without makeup / Got nothing to prove / But I’ma show you how I do“ singt sie und macht es dann „like a girl“ — was in diesem Fall natürlich bedeutet: mit harter Arbeit, einem bisschen Wut im Bauch und ganz viel Spaß. Meine Fresse, was macht dieses Album Bock!

1. Thees Uhlmann – Junkies und Scientologen (Spotify, Apple Music)
Ich hatte ja ehrlich gesagt nicht mehr mit viel gerechnet, als Thees Uhlmann sein drittes Soloalbum ankündigte: zu groß und alles überstrahlend waren die Tomte-Platten „Hinter all diesen Fenstern“ und „Buchstaben über der Stadt“ für mich gewesen, zu wenig hatte ich mit den Solo-Sachen anzufangen gewusst. Und dann hörte ich zum ersten Mal „Junkies und Scientologen“ und war völlig umgehauen: Dass die ersten vier Songs eines Albums durchweg genial sind, kennt man ja vielleicht von „Hot Fuss“ von den Killers, fünf von „Clarity“ von Jimmy Eat World, aber acht Megahits hintereinander, das hat noch nicht mal „London Calling“ von The Clash („Jimmy Jazz“, puuuuuh!)! Und auch danach sackt das Level nur minimal ab, um aber wieder auf allerhöchstem Niveau zu enden — die beste Stelle des Albums: Dieses gebrüllte „Ich frage Dich“ in „Immer wenn ich an Dich denke, stirbt etwas in mir“, 80 Sekunden vor Album-Ende! Was bis dahin alles passiert: Hymnen auf Stephen King, Avicci, Katy Perry und Hannover, Gedanken wie „Wie ein Sonntagabend nach einer Landtagswahl“ oder „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt“ und so viel mehr Zeilen, die man mit erhobener Faust lautstark mitsingen will. Ein Album, das sich anfühlt wie nach Hause zu kommen, wie drei Derbysiege in einer Woche, wie endlich mit der Frau, die man seit zehn Jahren toll fand, zu knutschen (vermute ich mal — ich hab ihre Nummer an Silvester endlich gelöscht) — aber das habe ich ja im September schon aufzuschreiben versucht. Genial!

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Musik

Songs des Jahres 2018

Die Alben hatten wir schon, kommen wir nun zu den Songs des Jahres 2018. Da ich neben meinen Hauptquellen für neue Musikentdeckungen, “All Songs Cosidered” und Radioeins, auch wieder auf die (meist sehr guter) “Das könnte Dir gefallen”-Funktion von Spotify und diverse Zufallsfunde gesetzt habe, ist es wieder eine eher eklektische Liste, bei der ich nicht zu jedem Lied sonderlich viel sagen könnte.

Auch ist es eigentlich eine absurde Idee, diese Songs irgendwie gewichten und sortieren zu wollen — eigentlich ist spätestens ab Position 10 die Reihenfolge ziemlich willkürlich, weswegen man die Liste auch wieder sehr schön im Shuffle-Modus hören kann.

Aber ich dachte mir: Nach fünfjähriger Babypause ist mein Sohn inzwischen so alt, dass er eigene Ranglisten erstellen könnte, ((Seine Nummer 1, vermutlich: entweder “Africa” von Weezer oder “Solo” von Clean Bandit und Demi Lovato, was übrigens auch mein “Peinlichstes Lieblingslied des Jahres” sein dürfte.)) und weil ich ja auch wieder beruflich viel mehr über Musik schreibe, nehme ich mir jetzt 25 Songs und erkläre die zu einer (wie immer nur 0,3 Millisekunden lang exakt gültigen) Hitparade.

Lukas, stop voting now!

25. Catch Fire – Petrifaction
Autoradio ist schwierig, weil es in NRW natürlich kaum hörbare Radiosender mit Musik gibt. Aber in weiten Teilen der Bochumer Innenstadt empfange ich halbwegs gut CT das radio, meinen Heimatsender, dem ich auf ewig verbunden sein werde. Und da lief dieser Song: Heulende Gitarrenlicks, hämmernde Drums, Geschrei und “Why does everything that I touch turn to stone?” — ich war sofort wieder 19, die dunkel getönten Haare fielen mir in Strähnen ins Gesicht und ich wollte an irgendeinem Fluss stehen und bedeutungsschwer aufs Wasser starren. Es gibt ihn noch, den guten Emo!

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24. The Fratellis – I’ve Been Blind
The Fratellis, waren das nicht diese Indie-One-Hit-Wonder zu einer Zeit, als ich noch in der Musikredaktion von CT das radio tätig war? Was wollen die denn 13 Jahre später wieder (und was haben sie in der Zwischenzeit gemacht)? Nun, warten wir bis zum Refrain, der “Knowing Me, Knowing Me” von ABBA in eine Mitgröhlhymne für Studentenkneipen, Freitagsmorgens um halb zwei, das letzte Bier in die Luft gereckt, transferiert. Wo war dieser Song, als ich jung war?

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23. Hozier feat. Mavis Staples – Nina Cried Power
Wie wirkt dieser Song wohl auf Menschen, die die ganzen Referenzen und das ganze name checking nicht verstehen? Nun: Die jungen Leute haben es millionenfach gestreamt und auf ihren Radiosendern gehört, also wohl ebenfalls gut. Aber wie soll man sich auch diesem Groove und dieser Hymne über Hymnen widersetzen? Extra-Respekt dafür, sich so durch diesen Song zu croonen und dann das Spotlight auf Mavis Staples zu richten, deren Stimme natürlich noch ungefähr zehn mal wirkmächtiger ist! (Übrigens der einzige Song, auf den Barack Obama und ich uns letztes Jahr einigen konnten.)

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22. George FitzGerald – Burns
Ich gebe zu, soeben zum ersten Mal gegoogelt zu haben, wer George FitzGerald eigentlich ist (wobei die Informationen da auch nicht üppig sind). Aber dieser hypnotisch pumpende Elektro-Song hat mich seit Mitte März durch das Jahr begleitet. Sind das alles Stimmen? Synthesizer? Egal! Vor meinem geistigen Auge fahren U-Bahnen durch nächtliche Großstädte und alles ist cool und aufregend.

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21. Brand New Friend – Seatbelts For Aeroplanes

You’re like a seatbelt on an airplane with me lately
You’re more for making me feel safe than for actual safety
And for every single moment that you made me feel amazing
There were several other times that I felt kinda hazy
But I know I was never your everything, but
I hope I was something, so come on

Das ist exakt die Musik, die ich in 2:42 Minuten von einer Truppe 19-bis-23-Jähriger hören möchte, die ein Demo aufgenommen hatten, das dann “versehentlich” zum offiziellen Album erklärt und für den Northern Ireland Music Prize nominiert wurde.

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20. Oh Pep! – Truths
Bronze bei meinen Alben des Jahres und ein Song, der dieses Album wunderbar zusammenfasst: melancholisch und zerbrechlich, aber auch druckvoll und mit hintergründigem Text.

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19. Ariana Grande – No Tears Left To Cry
Schon für sich genommen sind diese drei Songs, die sich hier irgendwie zu einem vereinigen, ja ein echtes Fest. Wenn man dann auch noch mitdenkt, dass hier eine Frau strahlenden Optimismus verbreitet, ein Jahr, nachdem nach Abschluss ihres Konzerts in Manchester bei einem Bombenanschlag 22 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt wurden, jagt einem das schon eine ganz schöne Gänsehaut den Rücken runter. So muss man aus so einer Geschichte erst mal wieder rauskommen! One love!

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18. Childish Gambino – This Is America
“Welche Rolle spielt das Musikvideo noch im Jahr 2018, wo niemand mehr Musikfernsehen guckt und auch YouTube eher zur Hintergrundberieselung genutzt wird?” — “Nun, lassen Sie mich so antworten:

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Ein politisch-kulturelles Gesamtkunstwerk, das hermeneutisch in tausende Einzelteile zerlegt werden konnte, und bei dem man sich den Song, nachdem man das Video einmal gesehen hat, nicht mehr ohne vorstellen kann. Offene Münder, der Wahnsinn!

17. MILCK – Black Sheep
MILCK, alias Connie Lim, wurde 2017 berühmt mit “Quiet”, der inoffiziellen Hymne des “Women’s March”. “Black Sheep” könnte man entsprechend als inoffizielle Hymne der “It Gets Better”-Bewegung bezeichnen: eine Liebeserklärung an alle, die anders sind, ausgegrenzt werden und sich alleine fühlen. “Don’t let anyone turn your unique into flaws / Yeah, you know that I love you the way that you are”. Hach!

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16. Restorations – St.
Am Tag nach meiner Geburtstagsfeier ging ich, nachdem ich alles so weit aufgeräumt und gespült hatte, im strahlenden Sonnenschein dieses unendlichen Sommers spazieren und hörte bei “All Songs Considered” diesen Song. Ich habe dann noch ein paar Umwege genommen, um direkt das ganze (24-minütige) Album zu hören. Anschließend musste meine Musikkolumne im “JWD”-Magazin noch mal geändert werden, denn “LP5000” musste natürlich sofort mit ins Heft!

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15. Janelle Monáe – I Like That

A little crazy, little sexy, little cool
Little rough around the edges, but I keep it smooth
I’m always left of center and that’s right where I belong
I’m the random minor note you hear in major songs

Wer braucht noch Musikjournalismus bei dieser Selbstbeschreibung?

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14. Tocotronic – Unwiederbringlich
Zwei Wochen nach der Beerdigung meines Großvaters saß ich mit meinem Sohn in seinem sonnendurchfluteten Kinderzimmer und hörte zum ersten Mal das neue Tocotronic-Album “Die Unendlichkeit”. Nach einem langen Kammermusik-Intro sang Dirk von Lowtzow “Dein Tod war angekündigt / Das Leben ging dir aus / Unwiederbringlich / Schlich es aus dir hinaus”. Ich saß da, hörte, biss mir auf die Unterlippe und war unwiederbringlich an dieses Lied verloren. Was da lyrisch abgeht, ist intellektuell kaum zu fassen, das knallt direkt in die Magengrube!

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13. Paenda – Paper-Thin
Was haben die Österreicher eigentlich im Trinkwasser, dass sie uns jetzt – obwohl nur ein Zehntel der Einwohnerzahl Deutschlands – seit Jahren vormachen, wie Popmusik noch mal geht? Und damit meine ich nicht nur Wanda und Bilderbuch (und Falco, hohoho), sondern auch weitgehend unbekannte Juwele wie die Wienerin Gabriela Horn alias Paenda, die sich mit ihrem vielschichtigen Elektropop hier irgendwo zwischen Shura, Robyn und Sia einreiht.

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12. Mitski – Nobody
Bei manchen Liedern kann ich exakt erklären, warum ich sie liebe, bei anderen eher gar nicht. Aber vermutlich passt hier einfach alles exakt richtig zusammen: vom Text über die Instrumentierung und den Beat bis zur allgemeinen Anmutung, die dann im entscheidenden Moment mehr als nur einen Hauch an “Lovefool” von den Cardigans erinnert.

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11. Andrew McMahon In The Wilderness – House In The Trees
Es brauchte knapp 13 Sekunden. Andrew McMahon hatte noch gar nicht angefangen zu singen, da wusste ich schon, dass ich diesen Song lieben würde: Das Intro, das ein bisschen an „Sky High“ von Ben Folds Five erinnert, die The-War-On-Drugs-Gitarren — und dann dieser Text von Freundschaften, die irgendwann einfach nicht mehr die selben sind. Andrew McMahon hatte einmal mehr einen Song geschrieben, der direkt zu mir sprach — ja, mehr noch: der sich anfühlte, als hätte ich ihn schreiben können, wenn ich nur mehr Talent hätte und mir ein bisschen Mühe geben würde.

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10. Marteria & Casper – Champion Sound
Deutschsprachiger Hiphop ist für mich wirklich schwierig: entweder so stumpf, menschen- und frauenverachtend dumm und von allen guten Geistern verlassen wie die Rapper-Karikaturen Kollegah und Cillit Bang, oder so egal gealtert wie die Überlebenden der ersten Welle in den 1990er Jahren (Fanta Vier, Fettes Brot, Beginner). Aber es gibt ja noch Casper und Marteria: Als die “Champion Sound” vorlegten, dieses feiste Brett, das den “Wir sind die Coolsten”-Gestus mit so viel Witz, Liebe zum Detail und dickem Bläsersatz erträglich machte, dachte ich, dass sie mit ihrem gemeinsamen Album alles in den Schatten stellen würden. Ganz so übermäßig gut war “1982” dann leider doch nicht, aber dieser Song: meine deutschsprachige Nr. 1, wie ich schon jetzt verraten möchte.

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9. Metric – Now Or Never Now
Erinnert sich noch jemand an Briskeby, dieses norwegische Mini-One-Hit-Wonder, das vor … puh: 18 Jahren mal kurzzeitig als nächstes großes Ding gehandelt wurde? Nun, Metric klingen auf “Now Or Never Now”, als hätten sie der Band ein Denkmal setzen wollen — was ja nun echt absurd wäre, weil Metric ja nun wirklich genug eigenes Renommee mitbringen. Aber weil ich das Briskeby-Debüt damals mochte, hat mich dieser Song irgendwie schwer abgeholt. Und dass der Song in der Albumversion volle fünf Minuten braucht, bis er seine Hook (und Titelzeile) erreicht, macht ihn auch noch mal ein bisschen toller!

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8. The Go! Team – Semicircle Song
Bläser und Drumline, die noch fetter sind als bei Marteria & Casper, Gesang, bei dem man dreimal nachgucken muss, ob man da nicht gerade die Jackson 5 hört, und Menschen, die ihre Sternzeichen aufzählen — völlig normale Zutaten für einen Song, den man eigentlich nur lieben kann. Und da: ein Glockenspiel!

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7. Leoniden – Kids
“Again”, ist, wie gesagt, ein sehr, sehr Album. Und “Kids” ist der beste unter einer ganzen Reihe sehr guter Songs. Fuck it all, we killed it tonight!

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6. DJ Koze – Seeing Aliens
Die “Extended Breakthrough Listen”-Version dauert 8:17 Minuten und wird dabei an keiner Stelle langweilig. Irgendwo zwischen Burial und Underworld stapeln sich hier irgendwelche Sounds über einem treibenden Beat, der immer mal wieder ein- und ausgefadet wird, weswegen der ganze Track mehr nach einer Zug- oder Autofahrt klingt, bis sich dann der eigentliche Song hervorschält, der es schafft, gleichzeitig völlig frisch zu klingen und so, als würde man ihn bereits seit 25 Jahren kennen.

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5. Christine And The Queens – 5 Dollars
Definitiv Roséwave, definitiv queer, also definitiv ein Song nach meinem Geschmack!

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4. Meg Myers – Numb
Wenn man in einem Seminar erklären müsste, wie man einen Song aufbaut, empfehle ich “Numb”: vorsichtig reingrooven, langsam steigern, dann alle Tore öffnen und alles in einer finalen Refrain-Zeile kulminieren lassen, die das Festival-Publikum im Zweifelsfall auch bei 2 Promille noch mitbrüllen kann. Ach, für diesen Song müsste man das Bizarre-Festival wieder auferstehen lassen!

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3. Hayley Kiyoko – Curious
Sie wolle nur wissen, ob es was Ernstes sei, singt Hayley Kiyoko und ihr “If you let him touch ya, touch ya, touch ya, touch ya, touch ya, touch ya / The way I used to, used to, used to, used to, used to, used to” lässt ferne Erinnerungen an eine der dramatischsten Fragen der Popgeschichte wach werden: “Does it feel the same / When she calls your name?” (“The Winner Takes It All”, natürlich). Dass da eine Frau singt, der neue Partner der/des Besungenen aber ein Mann ist, verwirrt höchstens alternde Englischlehrer*innen, die bei diesem Musikvideo einen roten Kopf bekommen: It’s 20GAYTEEN, remember?

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2. Big Red Machine – Hymnostic
Wir unterbrechen diese Galerie junger Frauen kurz für zwei nicht mehr gaaaanz so junge Männer (37 und 42, oh, verdammt!): Justin Vernon (Bon Iver, Volcano Choir, The Shouting Matches, usw. usf.) und Aaron Dessner (The National) haben gemeinsam ein Album aufgenommen, das die Zeit bis zu den neuen Alben von Bon Iver und The National wunderbar überbrückt. Und das mit “Hymnostic” eine langsam vor sich hin gospelnde Single hat, die die Sonne in jeder noch so tiefen Nacht aufgehen lässt.

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1. Rae Morris – Do It
Was zu erwarten war: Im März hatte ich mich in “Do It” verliebt und seitdem nichts unversucht gelassen, den Song zum Sommerhit des Jahres 2018 zu pushen. Das hat auf offizieller Ebene nicht geklappt, aber mein Sohn singt begeistert den Refrain mit und was will man da noch mehr verlangen? Ein Song, ein Video, ein Album, wo nahezu alles stimmt und deshalb – die Statistiker unter Ihnen hatten schon aufgeregt in ihren Unterlagen gewühlt – gehen die Auszeichnungen für “Album des Jahres” und “Song des Jahres” erstmals seit zwölf Jahren (“Buchstaben über der Stadt” und “New York” von Tomte — und wer mich ein bisschen kennt, weiß, welche Fußstapfen das sind!) wieder an ein und denselben Act. Herzlichen Glückwunsch, Rae Morris!

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(Weiterer statistischer fun fact: Rae Morris ist damit der erste Act überhaupt in der 18-jährigen Geschichte meiner persönlichen Bestenlisten, der zum zweiten Mal den Titel “Song des Jahres” einfahren konnte. Wow!)

Und hier sind alle 60 Songs in einer praktischen Spotify-Playlist, die sehr, sehr gut ist:

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Musik

Songs des Jahres 2011

Bevor 2012 richtig Fahrt aufnimmt oder ich meine Liste komplett verworfen habe, hier noch schnell meine Songs des Jahres 2011 (die Alben gibt’s hier):

25. Andreas Bourani – Nur in meinem Kopf
Na, da überrasch ich mich doch mal selbst und fang mit einem deutschsprachigen Singer/Songwriter an! “Nur in meinem Kopf” hab ich geliebt, als ich es das erste Mal im Radio gehört habe, und auch massive Rotationen konnten dem Lied nicht viel anhaben. Es wirkt aber zugegebenermaßen auch wie für mich am Reißbrett entworfen: Pianointro, Four-To-The-Floor-Beat, galoppierende Beats, gerade so viel U2-Anleihen, wie ich ertrage, und dann noch die großartige Zeile von wegen “alles kaputthauen”. Schöne Stimme übrigens und sehr schönes Video, auch!

24. Death Cab For Cutie – You Are A Tourist
“Codes And Keys”, das letztjährige Album von Death Cab For Cutie, hat mich nie so richtig packen können. Kein schlechtes Album, gewiss, aber die Band hatte schon bessere und mein Indie-Müdigkeit macht sich einmal mehr bemerkbar. Die spektakulärste Meldung im Bezug auf die Band im vergangenen Jahr war die Nachricht, dass sich Sänger Ben Gibbard und Zooey Deschanel scheiden lassen (und ich mich nicht entscheiden kann, wen von beiden ich lieber heiraten würde). ANYWAY: “You Are A Tourist” ist ein schöner Song mit einem sehr spannenden Groove, der auf der Tanzfläche noch bedeutend mitreißender ist, als vor dem heimischen Plattenspieler.

23. Lady GaGa – The Edge Of Glory
Wenn man in ein-, zweihundert Jahren ein Buch über die Geschichte des Pop schreiben wird, wird man an Lady Gaga nicht vorbeikommen. Die Frau schafft es meisterhaft, sowohl den intellektuellen Hintergrund des Begriffs “Pop” auszufüllen, als auch Songs am Fließband rauszuhauen, die genau das sind: Pop. Wenn “Spex”-Leser und Schützenfestbesucher zur gleichen Musik tanzen können, ist das eine Leistung, die zumindest die Nominierung für den Friedensnobelpreis nach sich ziehen sollte. Weiteres Argument für “The Edge Of Glory”: Es ist die letzte veröffentlichte Aufnahme von E-Street-Band-Saxophonist Clarence Clemons vor dessen Tod. Gerade noch rechtzeitig, damit eine ganz neue Generation von Musikfans den “Big Man” ins Herz schließen konnte.

22. James Blake – The Wilhelm Scream
“Songs” sind die wenigsten Tracks auf James Blakes phantastischem Debütalbum, Radio-Singles gibt es eigentlich keine. Aber wenn überhaupt, dann ist “The Wilhelm Scream” das poppigste und zugänglichste Stück. Am ausschließlich in musikjournalistischen Texten verwendeten Verb “pluckern” führt kaum ein Weg vorbei, aber es dröhnt, rauscht, zirpt und echot auch ganz gewaltig unter und über Blakes Falsettgesang. Musik wie ein verstörender, aber doch sehr erholsamer Traum.

21. Jupiter Jones – Still
Das Einmal-zu-oft-gehört-Phänomen im neuen Gewand: Wenn “Still” im Radio anfängt, bin ich ein bisschen genervt. Wenn ich den Song selber auflege ist es aber immer noch wie im ersten Moment: Wow! Allein diese Bassline, die gleichermaßen Schlag in die Magengrube wie Schulterklopfen ist! Jupiter Jones hatten vielleicht schon bessere, wütendere oder verzweifeltere Trennungslieder, aber “Still” ist auf seine Art schon sehr besonders — und besonders wahr. Die schönste Version ist natürlich die mit Ina Müller.

20. Rihanna feat. Calvin Harris – We Found Love
Für Rihanna gilt ähnliches wie das, was ich gerade über Lady GaGa geschrieben habe. Sie arbeitet zwar nicht so aktiv selbst an ihrem Gesamtkunstwerk mit, aber sie ist einer der bestimmenden Superstars unserer Zeit. Allein die Liste ihrer Kollaborationen deckt die gegenwärtige Popmusik sehr gut ab: Jay-Z, Kanye West, David Guetta, Eminem, will.i.am, Justin Timberlake, Ne-Yo und Coldplay stehen da zum Beispiel drauf. Diesmal also mit Calvin Harris, der ein House-Feuerwerk abbrennt, während Rihanna einen Song von erhabener Schönheit singt. Ja: “We Found Love” ist nicht nur cool/geil/whatever, sondern auch schön und sollte jedem einsamen Menschen “in a hopeless place” zwischen Dinslaken und Bitterfeld Hoffnung machen.

19. Noah And The Whale – Tonight’s The Kind Of Night
“Last Night On Earth”, das aktuelle Album von Noah And The Whale, hatte ich schon bei den Alben gelobt. “Tonight’s The Kind Of Night” ist ein perfektes Beispiel für diesen Technicolor-Pop mit seinen treibenden Rhythmen und euphorisierenden Chören. Und sagt man sich nicht jeden Abend “Tonight’s the kind of night where everything could change”? Eben! Muss ja nicht, aber könnte!

18. Foster The People – Pumped Up Kicks
Einmal Indiepop-Sommerhit zum Mitnehmen, bitte! “Pumped Up Kicks” hat einen schlichten Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Der Song lief merkwürdigerweise nie in der Werbung eines Mobilfunkanbieters (was eigentlich sein natürlicher Lebensraum gewesen wäre), hat eine Saison länger zum Hit gebraucht als angenommen und hat darüber hinaus noch einen milde gewaltverherrlichenden Text, der dem amerikanischen MTV zu viel war — aber davon ab ist es auch einfach ein sehr schöner Song.

17. Jack’s Mannequin – My Racing Thoughts
Hatte ich schon mal erwähnt, dass keine Band in den letzten fünf Jahren eine so große Bedeutung für mich hatte wie Jack’s Mannequin? Gut. So richtig genau kann ich nämlich auch nicht erklären, warum mir “My Racing Thoughts” so gut gefällt, beim ersten Hören fand ich es nämlich regelrecht cheesy. Jetzt aber mag ich es, weil es ein harmloser, erbaulicher Popsong ist. Und dieser “she can read my, she can read my”-Part ist toll!

16. Rival Schools – Wring It Out
Nein, ein zweites “Used For Glue” ist auf dem zweiten Rival-Schools-Album nicht enthalten. Aber fast. “I wanna wring it out / Every ounce / I wanna do the right thing, when the right thing counts” sind doch genau die Zeilen, die man zum Beginn eines Jahres hören möchte. Und dann einfach rein ins Leben, die richtigen Dinge tun, die falschen Dinge tun, aber in jedem Fall jede Unze rausquetschen. Was für eine Hymne!

15. Maritime – Paraphernalia
Das vierte Maritime-Album “Human Hearts” ist irgendwie komplett an mir vorbeigegangen, aber die Vorab-Single, die hat mich das ganze Jahr über begleitet. Indierock, der nicht nervt, weil er nicht ach so cool sein will, sondern beschwingt unterhält. So einfach ist das manchmal.

14. Adele – Rolling In The Deep
Die Geschichte mit der Echo-Verleihung hab ich ja blöderweise schon bei den Alben erzählt. Muss ich mir jetzt was neues ausdenken? Ach was! Großer Song, bleibt groß! Punkt.

13. Example – Stay Awake
Auf “Playing In The Shadows” sind fünf, sechs Songs, die alle in dieser Liste hätten auftauchen können. “Stay Awake” ist es letztlich geworden, weil die stampfenden House-Elemente (manche würden auch sagen: “die Kirmes-Elemente”) sonst ein wenig unterrepräsentiert gewesen wären. Und dann dieser Refrain: “If we don’t kill ourselves we’ll be the leaders of a messed-up generation / If we don’t kid ourselves will they believe us if we tell them the reasons why” und der Kontrast zwischen dem Four-To-The-Floor-Refrain und den zitternden Dubstep-Strophen! Hach, jetzt ‘n Autoscooter …

12. The Naked And Famous – Young Blood
Vielleicht hab ich mich vertan und es war gar nicht “Pumped Up Kicks” der Indiepop-Sommerhit, sondern “Young Blood”. Immerhin war der Song Jingle-Musik bei Viva und WDR 2 (!) und lief in gefühlt jeder TV-Sendung. Egal, sie können’s ja auch beide gewesen sein, wobei “Young Blood” ganz klar überdrehter und charmanter und … äh: lauter ist. Wegen maximaler Penetration kurz vor nervig, aber eben nur vor.

11. Twin Atlantic – Make A Beast Of Myself
Dieser Break nach zwei Sekunden! Dieses Brett von Gitarrengeschrammel! Diese entspannt vor sich hin groovenden Strophen, die sich in diesen Orkan von Refrain entladen! Und, vor allem: Dieser niedliche schottische Akzent, vor allem beim Wort “universe”! Mein Punkrock-Song des Jahres!

10. Patrick Wolf – The City
Dieser Song hätte unter Umständen der britische Beitrag zum Eurovision Song Contest sein können — und wäre damit einer der besten in der Geschichte des Wettbewerbs gewesen. Nun ist es “nur” ein dezent überdrehter Indiepop-Song mit Handclaps, Saxophon, verzerrten Stimmen und hypnotischen Beats.

9. Coldplay – Every Teardrop Is A Waterfall
Sie haben’s schon bemerkt: Wir sind in dem Teil der Liste angekommen, wo ich die vorgeblich rationalen Argumente weggepackt habe und mehr mit hilflosen Emotionalitäten und “Hach”s um mich werfe. Hier toll: Das absurde Sample, die Rhythmusgitarre, die Leadgitarre, die grandiose Schlagzeugarbeit von Will Champion, der Text und der Moment nach drei Minuten, wenn sich alles aufeinander türmt. Hüpfen! Tanzen! Hach!

8. Jonathan Jeremiah – Happiness
Mein Jahr 2011 lässt sich in zwei Teile teilen: den vor Jonathan Jeremiah und den danach. Mit “Happiness” fühlt sich mein Leben an wie eine britische Komödie mit Hugh Grant. I’m going home where my people live.

7. Imaginary Cities – Hummingbird
Der Weakerthans-Livegitarrist Rusty Matyas hat mit Sängerin Marti Sarbit die Band Imaginary Cities gegründet, deren Debütalbum “Temporary Resident” im letzten Jahr auf Grand Hotel van Cleef erschienen ist. So viel zur Theorie. Die Praxis … ach, hören Sie einfach selbst! Was für ein Song!

6. Cold War Kids – Finally Begin
Früher, als ich noch mit dem Fahrrad durch die Stadt meiner Jugend gefahren bin, hab ich manchmal auf dem Heimweg die Arme ausgebreitet, die Augen zugemacht und bin zur Musik aus meinem Walkman quasi durch die Nacht geflogen. Glücklicherweise nie auf die Fresse, aber das ist schon recht gefährlich, Kinder. Jedenfalls: “Finally Begin” wäre ein Song für genau solche Flugmanöver. Diese Gitarren! Diese Harmonien, die offenbar direkt die Endorphinausschüttung im Hirn anwerfen können! Und dieser Text über überwundene Bindungsangst! Für eine Nacht noch mal 16 sein in Dinslaken, bitte!

5. The Mountain Goats – Never Quite Free
Wie gesagt: “Never Quite Free” wurde Anfang Dezember innerhalb von 48 Stunden zu einem der meist gehörten Songs des Jahres. Wer braucht schon das Strophe/Refrain-Schema? Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese Stelle nach ziemlich exakt zwei Minuten lenken darf, wo das Schlagzeug richtig losscheppert und der Schellenkranz einsetzt: für solche Momente wird Musik gemacht und für solche Momente höre ich Musik.

4. The Pains Of Being Pure At Heart – Heart In Your Heartbreak
Gerade beim Tippen festgestellt: Wenn man für jedes “heart” in Bandnamen und Songtitel einen Schnaps trinken würde, wäre das ein schöner Start in den Abend. Schöner würde der natürlich, wenn der Song auch liefe, denn es ist ein herrlicher Song, der übrigens auch in der (ansonsten etwas freudlosen) fünften Staffel von “Skins” zu hören war. (Radio-)DJs hassen die beunruhigend lange Pause nach 2:42 Minuten, aber ansonsten kann man diesen Song natürlich nur lieben.

3. Ed Sheeran – The A Team
“+”, das großartige Debüt-Album von Ed Sheeran, das Sie bald auch in Deutschland kaufen können (und sollten!), habe ich mir im September im Schottland-Urlaub gekauft, weil Plattenfirma und HMV mich mit ihrer Platzierungspolitik geradezu gewaltsam dazu gedrängt haben. Auf dem Weg zum Flughafen habe ich es zum ersten Mal gehört und ich war nicht direkt verzaubert, was aber auch an dem schottischen Landregen gelegen haben mag, mit dem ich auf meinem Fußmarsch noch zu kämpfen hatte. Beim zweiten Mal jedoch: Was für ein Album! Und was für ein Opener! Zärtlich, ohne weinerlich zu sein! Schmusig, ohne zu langweilen. Vergleiche mit deutschen Singer/Songwritern verbieten sich, aber vielleicht kommt ja auch mal ein Ed-Sheeran-Äquivalent daher.

2. Bon Iver – Calgary
Zugegeben: Das war beim ersten Hören schon etwas verwirrend mit diesen ganzen Keyboardflächen. Aber nur kurz! Justin Vernon könnte auch das Telefonbuch von Milwaukee singen (und manchmal habe ich ehrlich gesagt den Verdacht, er würde es zwischendurch zumindest mal versuchen) und ich würde immer noch eine Gänsehaut bekommen.

1. Bright Eyes – Shell Games
Anfang April schrieb ich, dass der Popsong des Jahres, wenn in den verbleibenden neun Monaten nicht noch ein Wunder geschehe, “Shell Games” sein würde, und ich sollte Recht behalten. Es wirkt ein bisschen, als habe sich Conor Oberst die Pop-Blaupause eines Gregg Alexander vorgenommen und nur noch ein paar persönliche Sonderheiten reingeworfen. Zur Bilder-des-Jahres-Montage in meinem Kopf läuft dieser Song, der auch das Liedzitat 2011 bereit hält: “My private life is an inside joke / No one will explain it to me”.

Hinweis: Bitte beachten Sie auch diesmal beim Kommentieren wieder die Regeln.

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Musik

They’ll be gone in a year or two

Nur fürs Protokoll:

a-ha werden im nächsten Jahr eine Abschiedstour rund um den Erdball machen und am 4. Dezember 2010 (zehn Jahre und zwei Tage nach dem “Abschiedskonzert” der Smashing Pumpkins — aber das hat nichts zu bedeuten, außer dass ich mir definitiv zu viele Daten merke) in Oslo ihr letztes Konzert spielen.

Das ist einerseits schade, anderseits finde ich es immer beachtlich, wenn Bands nach 25 Jahren sagen “Jetzt war gut”, bevor sie in die Rolling-Stones-Falle tappen. Morten Harket wird dann 51 Jahre alt sein und frischer aussehen als irgendwelche Rockmusiker Anfang Zwanzig. Alle drei Bandmitglieder werden vermutlich weiter Musik machen und sie werden das weiterhin sehr ordentlich tun, wie die bisherigen Solo- und Nebenprojekte zeigen. Zwar wäre das übersehene Meisterwerk “Analogue” das noch würdevollere Abschiedsalbum gewesen als “Foot Of The Mountain”, aber so treten sie wenigstens mit sattem Chart-Erfolg ab.

* * *

Bon Iver lösen sich nicht auf, sondern machen nur Pause. Und zwar … irgendwie länger — oder auch eben nicht:

During a packed stand at the Riverside Theater in Milwaukee last night, Bon Iver’s Justin Vernon told the home state crowd that the show would be the Bon-tourage’s last as a full band for an “indefinite” period of time or at least “until next year.”

[The Tripwire, via Paste]

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Musik Unterwegs

Drei Tage im August

Haldern Pop 2009.

Der junge Mann war schon die ganze Zeit mit CDs und einem Filzstift über den Alten Reitplatz gelaufen und hatte Leute an den Eingängen zu Backstage- und Pressebereichen angesprochen, ob sie ihm weiterhelfen könnten. Jetzt stand er plötzlich hinter einer dieser Absperrungen und ließ sich Autogramme von Asaf Avidan und dessen Band geben. Nachdem dieses kleine Zusammentreffen für alle Beteiligten so erfreulich verlaufen war, ging Asaf Avidan noch einmal zum Security-Mitarbeiter am Zugang zum Pressebereich und bedankte sich bei ihm: “Thanks for letting that guy in!”

Es ist nur ein Detail, aber als ich es am Rande mitbekam, dachte ich: “Das ist Haldern!” Das Familiäre, Entspannte, etwas Andere macht das Festival am schönen Niederrhein auch bei der 26. Auflage zu etwas besonderem. (Mit “besonders” meine ich übrigens nicht einzigartig — ich weiß, dass es überall in Deutschland so kleine, persönliche Festivals gibt. Aber unter diesen dürfte Haldern dann schon wieder das größte sein.) Dokter Renz von Fettes Brot wirkte einigermaßen verwirrt, als er feststellte, dass die ganze Bühne frei von Mobilfunkwerbung war — eigentlich erstaunlich, dass die Festival-Tickets trotz solch ausgeschlagener Einnahmequellen vergleichsweise günstig sind.

Haldern Pop 2009.

Dass das Haldern Pop dieses Jahr erst am zweieinhalbten Augustwochenende stattfand, hing mit dem Termin des Lollapalooza-Festivals in Chicago zusammen (das letzte Festival in Nordamerika, nach dem dann all Künstler wie die Zugvögel nach Europa weiterziehen), erwies sich in Sachen Wetter aber als absoluter Glücksfall. Nach den legendären Schlammschlachten 2005 und 2006 ist man ja einigermaßen bescheiden und freut sich schon, wenn sich sowas nicht mehr wiederholt, aber so gut wie in diesem Jahr habe ich das Wetter seit neun Jahren nicht in Erinnerung (2003 war es wärmer, aber das war absolut unanständig und kurz vor tödlich). Und an den improvisierten Wasserwerfern Berieselungsanlagen zeigte sich dann wieder der besondere Haldern-Charme.

Auch sonst war mein Zehntes für mich eines der schönsten Haldern-Festivals überhaupt. Zwar war es musikalisch nicht hundertprozentig überzeugend, aber das liegt zum einen daran, dass ich immer noch jedes Haldern mit der 2001er Ausgabe (Travis, Starsailor, Neil Finn, The Divine Comedy, Phoenix, Muse, Slut, Blackmail, …) vergleiche, und zum anderen kann man’s ja eh nie allen gleichzeitig recht machen. Veranstalter Stefan Reichmann sagte sogar, er fände es legitim, “auch mal was richtig scheiße zu finden” — aber diese Einschätzung traf dann bei mir doch auf keinen der gesehenen Künstler zu.

Fettes Brot beim Haldern Pop 2009.

Bon Iver waren wie erwartet großartig (und genau richtig in der frühen Abendsonne), Fettes Brot, Dear Reader, William Fitzsimmons und Athlete gefielen mir auch live gut. Colin Munroe war die Neuentdeckung des Festivals und mit Anna Ternheim, Asaf Avidan & The Mojos, The Thermals und Blitzen Trapper muss ich mich dann in den nächsten Wochen noch mal näher befassen.

Der Spannungsbogen hätte freilich ein wenig mehr Zug vertragen: Vieles plätscherte nett vor sich hin, was auch sehr schön war, aber als die Thermals plötzlich losbrachen, waren sich viele einig, dass es dem Festival bisher etwas an Drive gefehlt hatte.

Hatte ich in den letzten Jahren zwischendurch immer in bester “Lethal Weapon”-Manier geflucht, dass ich jetzt langsam aber wirklich “zu alt für diesen Scheiß” sei, bin ich mir diesmal absolut sicher: Wir sehen uns 2010!

Mehr Haldern Pop 2009 hier im Blog: Liveblog Freitag und Liveblog Samstag.

Haldern Pop im Fernsehen: Rockpalast.