Nicht gänzlich überraschend endete vor zwei Wochen auch die letzte aller Übergangsfristen im langsamsten aller Bundesländer – und so trat auch im von kolumbianischen Tabakkartellen kontrollierten Nordrhein-Westfalen das in Kraft, was man leichtfertig “Rauchverbot” nennt. In Bochum, immerhin der Kneipenhauptstadt des Ruhrgebiets, hört man von einzelnen Gaststätten, die sich auch dran halten.
Am vergangenen Wochenende weilte ich zu Verwandtenbesuchen in Dinslaken. Die Stadt krankte schon zu meiner Zeit daran, dass man dort eigentlich nichts anderes tun kann als sich zu betrinken, es aber keine geeigneten Lokalitäten für derartige Pläne gibt. Am Samstagabend hatte ich aber einige liebe Menschen um mich gesammelt und gemeinsam fühlten wir uns unbesiegbar für unser Vorhaben: Jetzt, wo nirgends mehr geraucht werden darf, wollten wir endlich mal eine Kneipentour durch all die Schuppen machen, in die wir uns bisher nicht hineingetraut hatten.
Um den halbherzigen Versuch eines Spannungsaufbaus direkt an dieser Stelle abzuwürgen: wir sind gescheitert. Kläglich. Mit wehenden Segeln, Pauken und Trompeten. Es begann nämlich schon mal damit, dass die Sommerferien keine gute Zeit für Kneipentouren sind. Gut die Hälfte der Gaststätten auf unserer imaginären Liste begrüßte uns mit geschlossenen Rollläden und dem Hinweis auf ausgedehnte Betriebsferien. Immerhin: die Vorstellung, dass sämtliche Altherrenkneipenwirte der Stadt einen gemeinsamen Kegelurlaub verbrachten, die hatte was.
Die nächsten Läden, die wir passierten, waren inzwischen in Raucherclubs umgewandelt worden. Damit schieden sie für unser Vorhaben der rauchfreien Kneipentour natürlich aus und auch sonst werde ich jetzt weder den einen noch den anderen Schuppen jemals von innen zu sehen bekommen – was angesichts dessen, was man schon von außen sehen kann, allerdings aufs Heftigste begrüßt werden muss. Auch auf die Gefahr hin, den Ruf sämtlicher Dinslakener Innenarchitekten für immer zu zerstören: Kneipen, die wie die Gastronomiezeile eines Sonnenstudios aussehen, gehen gar nicht!
Nach zwanzig Minuten Rumgegurke auf nicht ganz verkehrssicheren Fahrrädern durch eine glücklicherweise verkehrsfreie Innenstadt (in der es nach dem Hochklappen der Bürgersteige übrigens nach Pferdemist riecht) blieben noch genau zwei Lokale übrig: die über die Grenzen der Stadt bekannte “Szenekneipe” “Ulcus” und das Lehrer-in-Lederwesten-trinken-Rotwein-Lokal “Zur Adler-Apotheke”.
Der “Ulcus” ist die vermutlich einzige Szenekneipe der Welt, in der junge Menschen beim Weggehen auf ihre eigenen Eltern treffen können, dafür wird Service dort in bester Berliner Szenekneipen-Tradition klein geschrieben (und das nicht nur, weil es sich dabei ursprünglich um ein englisches Wort handelte). In bester Verkennung des Gesetzestextes hatte man dort einen kleinen Nebenraum zur Nichtraucherzone erklärt, was witzigerweise dazu führt, dass man, wenn man in die Nichtraucherzone, auf Toilette oder zur Theke (Sie erinnern sich: Service) will, durch den vollgequalmten Hauptraum muss. Immerhin liegt der Nichtraucherbereich ein bisschen niedriger, so dass der Qualm einigermaßen draußen bleibt – eine Tür oder wenigstens einen Vorhang gibt es nämlich auch nicht. Das Argument, die meisten Gäste wollten ja rauchen, sollte jetzt besser niemand bringen, denn der Nichtraucherraum war voll, während wir im Raucherraum immerhin noch eine halbe Bank hätten besetzen können. Wollten wir aber nicht.
Also die “Apotheke” – wie der Name schon sagt eine alte Apotheke mit einer Inneneinrichtung aus der Kaiserzeit und viel Liebe zum Detail. Dass auch hier im Hauptraum (Theke, Eingang, Durchgang zu den Toiletten) geraucht werden darf und wir auf Anhieb gar keinen Nichtraucherraum erspähen konnten, war uns zu diesem Zeitpunkt egal. Wir hatten Durst und müde Knochen. Wir verbrachten einen netten Abend und die Bedienung war freundlich.
Das mit dem Rauchverbot aber, das scheint in Dinslaken noch in weiter Ferne zu liegen. Vielleicht hätte das Ordnungsamt nicht vorab in der Presse verkünden sollen, dass man eh nicht kontrollieren werde …