Kategorien
Film

An einem anderen Tag gestorben

Natür­lich fehlt in den Pres­se­be­rich­ten jetzt wie­der jed­we­der Hin­weis dar­auf, dass James Bond in Wat­ten­scheid gebo­ren wur­de. So steht es in der „auto­ri­sier­te Bio­gra­fie von 007“, die John Pear­son, der ehe­ma­li­ge Assis­tent von James-Bond-Erfin­der Ian Fle­ming, 1973 ver­öf­fent­licht hat, und weil die Wattenscheider*innen immer noch nicht dar­über hin­weg sind, dass ihre Stadt seit 1975 zu Bochum gehört, kon­zen­triert sich ihr Stolz eben auf die­sen Fakt. Das Stadt­mar­ke­ting wei­det die­sen Umstand mit einer Hin­ga­be aus, die schon in Essen und Gel­sen­kir­chen (of all places) eher pein­lich berührt zur Kennt­nis genom­men wird: Zum 100. Geburts­tag der Figur im Novem­ber 2020 gab es eine Pla­kat­ak­ti­on, Zei­tungs­an­zei­gen, eine Post­kar­ten-Edi­ti­on und die Bie­re „James Blond“ und „James Dun­kel­blond“ in der Tou­rist­info zu erwer­ben. Eine geplan­te Foto­ak­ti­on mit einem Dani­el-Craig-Dou­ble muss­te pan­de­mie­be­dingt eben­so abge­sagt wer­den wie eine Aus­stel­lung.

Gestor­ben ist der legen­dä­re Geheim­agent, da sind sich die meis­ten Fans sicher, nicht in den letz­ten Sze­nen von „Kei­ne Zeit zu ster­ben“, jenem vom Pech ver­folg­ten letz­ten Dani­el-Craig-Film, des­sen Film­start erst wegen des Abgangs des ursprüng­lich geplan­ten Regis­seurs Dan­ny Boyle („Train­spot­ting“, „28 Days Later“, „Slum­dog Mil­lionaire“) und dann wegen der begin­nen­den COVID-19-Pan­de­mie ins­ge­samt fünf Mal ver­scho­ben wur­de, son­dern am gest­ri­gen Don­ners­tag auf irgend­ei­nem Schreib­tisch, als die bis­he­ri­gen Produzent*innen Bar­ba­ra Broc­co­li und Micha­el G. Wil­son bekannt gaben, die krea­ti­ve Kon­trol­le an der Film­rei­he an Ama­zon MGM Stu­di­os abge­ge­ben zu haben.

Union Jack

Eben­so wie rich­ti­ge Geheim­dienst­ar­beit in der Regel aus der Lek­tü­re und Nie­der­schrift von Berich­ten besteht, ist die Geschich­te der James-Bond-Fil­me min­des­tens genau­so eine von Rech­ten (juris­ti­sche, nicht Nazis) wie von exo­ti­schen Dreh­or­ten und rie­si­gen Sets: Der kana­di­sche Film­pro­du­zent Har­ry Saltz­man und sein US-ame­ri­ka­ni­scher Kol­le­ge Albert R. Broc­co­li hat­ten 1961 die Fir­ma Eon Pro­duc­tions gegrün­det, nach­dem Saltz­man die Film­rech­te der Roman­rei­he von Ian Fle­ming erwor­ben hat­te. Eon ist eine Toch­ter­ge­sell­schaft der Dan­jaq, LLC, die eben­falls von Saltz­man und Broc­co­li gegrün­det wur­de (und nach den dama­li­gen Ehe­frau­en der bei­den benannt ist) und die die Rech­te an der Mar­ke „James Bond“ hält — was etwas ande­res ist als die Urhe­ber­rech­te der Fil­me und die der Bücher. 1975 ver­kauf­te Saltz­man sei­nen Anteil an die Film­fir­ma United Artists, die wie­der­um 1980 von MGM (die mit dem Löwen) über­nom­men wur­de.

Weil der Regis­seur und Pro­du­zent Kevin McClo­ry wegen eines kom­pli­zier­ten Urhe­ber­rechts­streits die Rech­te an Ian Fle­mings James-Bond-Roman „Thun­der­ball“ und der dort vor­kom­men­den Vebre­cher­or­ga­ni­sa­ti­on SPECTRE besaß, konn­te er 1983 unab­hän­gig von den Eon-Fil­men „Sag nie­mals nie“ dre­hen, ein fak­ti­sches Remake der „Thunderball“-Verfilmung „Feu­er­ball“, in dem Sean Con­nery im Alter von 53 Jah­ren zum aller­letz­ten Mal James Bond spielt. Albert R. Broc­co­li wie­der­um über­trug sei­nen Teil der Fir­ma vor sei­nem Tod 1996 an sei­ne Toch­ter Bar­ba­ra Broc­co­li und sei­nen Stief­sohn Micha­el G. Wil­son, die seit „Gol­de­nEye“ (1995) alle Bond-Fil­me pro­du­zier­ten. (Wil­son hat auch in unge­fähr jedem Film einen Mini-Gast­auf­tritt, was einem nur dann pene­trant erscheint, wenn man viel zu tief drin ist in der Mate­rie.) 2005 wur­den United Artists und MGM von Sony über­nom­men, wo sich die finan­zi­el­le Lage des Stu­di­os bald als so dra­ma­tisch erwies, dass die Pro­duk­ti­on des 23. Bond-Films, der spä­ter „Sky­fall“ wer­den soll­te, zunächst auf Eis lag. Nach einer  erfolg­rei­chen Chap­ter-11-Insol­venz (die gan­ze Num­mer mit den Bond-Ver­leih­rech­ten bei 20th Cen­tu­ry Fox, heu­te Dis­ney, und Uni­ver­sal erspa­re ich uns allen, denn es ist ja jetzt schon kom­pli­zier­ter als jeder John-le-Car­ré-Roman) fusio­nier­te MGM im Jahr 2022 mit Ama­zon Stu­di­os.

Eines der Opfer die­ser gan­zen „Succession“-mäßigen Unter­hal­tungs­in­dus­trie-Wir­run­gen ist James Bond: Nach „Kei­ne Zeit zu ster­ben“, dem letz­ten Film mit Dani­el Craig als Titel­held, soll­te eigent­lich ein neu­er Haupt­dar­stel­ler gefun­den wer­den. Krea­ti­ve Ent­schei­dun­gen hät­ten gefällt wer­den müs­sen: Macht man, wie schon bei Craigs ers­tem Auf­tritt in „Casi­no Roya­le“ einen erneu­ten reboot, also einen Neu­an­fang, der die bis­he­ri­gen Fil­me der Rei­he ver­wirft bzw. in ein Par­al­lel­uni­ver­sum ver­weist? Lässt man die neu­en Fil­me, wie Ian Fle­mings Roman­vor­la­gen, in den 1950er und 60er Jah­ren und damit im Kal­ten Krieg spie­len? Wird James Bond viel­leicht doch eine Frau? Für die­se Ent­schei­dun­gen waren eigent­lich immer Bar­ba­ra Broc­co­li und Micha­el G. Wil­son zustän­dig, bei Ama­zon fan­den sie aber offen­bar kei­ne Ansprechpartner*innen mehr, von denen sie sich aus­rei­chend wert­ge­schätzt fühl­ten: Im ver­gan­ge­nen Dezem­ber berich­te­te das „Wall Street Jour­nal“, dass Wil­son nur Gesprächspartner*innen in unte­ren Hier­ar­chie­rän­gen bekä­me und Broc­co­li die Ama­zon-Leu­te im pri­va­ten Rah­men als „fuck­ing idi­ots“ bezeich­net habe. Vor die­sem Hin­ter­grund liest sich die gest­ri­ge Ankün­di­gung nur zwei Mona­te spä­ter als Kapi­tu­la­ti­on der Denkmalpfleger*innen.

Broc­co­li und Wil­son hat­ten es mehr­fach geschafft, James Bond zu moder­ni­sie­ren: Mit­te der 1990er Jah­re, als Pier­ce Brosn­ans Bond-Lauf­bahn begann, konn­te ihn sei­ne Che­fin M (Judi Dench) als „sexis­ti­schen Dino­sau­ri­er“ und „Relikt des Kal­ten Krie­ges“ ver­spot­ten und den (aus heu­ti­ger Sicht wirk­lich ver­stö­ren­den) Sexis­mus der alten Fil­me so wenigs­tens werk­im­ma­nent kom­men­tie­ren. 2006, als es mit Dani­el Craig tat­säch­lich zurück auf Anfang ging (irri­tie­ren­der­wei­se immer noch mit Judi Dench als M, aber wer wür­de die­ser Cas­ting-Ent­schei­dung wider­spre­chen wol­len?), ori­en­tier­ten sich die Fil­me an der schrof­fen Ästhe­tik der damals sehr erfolg­rei­chen Jason-Bourne-Fil­me mit Matt Damon. Das wären einer­seits gute Argu­men­te, das Duo wie­der mit einer Neu­erfin­dung der Rei­he zu beauf­tra­gen. Ande­rer­seits ist Wil­son inzwi­schen 83 und bei Ama­zon sit­zen Men­schen, die weni­ger als halb so alt sind, das Ekel­wort „con­tent“ benut­zen und auf­grund von sekun­den­ge­nau­en Aus­wer­tun­gen des eige­nen Strea­ming-Ange­bots genau zu wis­sen glau­ben, was die Leu­te inter­es­siert und was nicht. Das ist ein üble­res Auf­ein­an­der­tref­fen zwei­er Wel­ten als in der Sze­ne mit Bros­nan und Dench.

Außer­dem hat­te die Rei­he nach „Sky­fall“ auch arg ihr Mojo ver­lo­ren: In „SPECTRE“ und „Kei­ne Zeit zu ster­ben“ konn­ten die nach wie vor beein­dru­cken­den set pie­ces von den Dreh­bü­chern nur noch bedingt zusam­men­ge­hal­ten wer­den. Zu drin­gend woll­ten die Macher die Vebre­cher­or­ga­ni­sa­ti­on SPECTRE, deren Rech­te sie gera­de nach den oben ange­deu­te­ten jahr­zehn­te­lan­gen Rechts­strei­tig­kei­ten end­lich erwor­ben hat­ten, in die bereits bestehen­de Geschich­te ein­flech­ten, wes­halb die gan­ze Moti­va­ti­on und der gan­ze Hand­lungs­bo­gen des „Skyfall“-Bösewichts Sil­va (Javier Bar­dem) nach­träg­lich unter den Bus bzw. den ent­gleis­ten U‑Bahn-Wag­gon gewor­fen wur­de. Chris­toph Waltz über­schritt als unge­fähr sieb­te Ite­ra­ti­on des Super­schur­ken Ernst Stav­ro Blo­feld die Gren­zen zur Selbst­par­odie, nur um dann in „Kei­ne Zeit zu ster­ben“ nach einem Kli­schee-Mono­log urplötz­lich abge­murkst zu wer­den. Die Film­rei­he war – wie zuletzt im berüch­tig­ten letz­ten Pier­ce-Bros­nan-Auf­tritt „Stirb an einem ande­ren Tag“ – ein­mal mehr aus der Kur­ve getra­gen wor­den.

Tower Bridge, Frontalansicht

Mei­ne per­sön­li­che Bond-Sozia­li­sa­ti­on begann 1995 in der Licht­burg in Dins­la­ken an der Sei­te mei­nes Vaters mit besag­tem „Gol­de­nEye“. Ich war gera­de zwölf und ent­sprach damit der Alters­frei­ga­be (die Vor­stel­lung, den Film in andert­halb Jah­ren mit mei­nem Sohn zu schau­en, irri­tiert mich gera­de aller­dings sehr), es war mein ers­ter „Erwachsenen“-Film, der Titel­song kam von Tina Tur­ner und der Cha­rak­ter der Xenia Ona­topp (Fam­ke Jans­sen), einer Schur­kin, die Män­ner beim Geschlechts­akt mit ihren Schen­keln ermor­det, sorg­te für ein irri­tier­tes ers­tes sexu­el­les Erwa­chen. Woll­te ich wie James Bond sein? Wohl kaum. Aber ich woll­te sol­che Fil­me machen, wes­halb die meis­ten Heim­vi­de­os, die ich als Teen­ager mit mei­nen Freun­den und Geschwis­tern dreh­te, auch James-Bond-Par­odien rund um unse­rem eige­nen Geheim­agen­ten Johann Bünett waren („James und Johann sind bei­des But­ler-Namen und statt ‚blond‘ ohne L halt ‚brü­nett‘ ohne R“, wie mein Schul­freund Ben­ja­min tod­si­cher aus­ge­führt hat­te).

Mit einer Ener­gie, die nur Nerd-Kin­der ohne Com­pu­ter an den Tag legen kön­nen, ver­schlang ich alle gedruck­ten Infor­ma­tio­nen über die damals schon mehr als 30 Jah­re lau­fen­de Film­rei­he, so dass ich Euch die oben auf­ge­führ­ten juris­ti­schen Pro­ble­me schon mit 13, 14 hät­te refe­rie­ren kön­nen. Da mein Schlag­zeug­leh­rer eben­so gro­ßer Fan war und alle Fil­me auf VHS besaß, war ich nicht zwin­gend auf die Aus­strah­lun­gen im linea­ren Fern­se­hen ange­wie­sen — obwohl „Lizenz zum Töten“ für mich heu­te immer noch ein Weih­nachts-Vor­abend-Film ist, nur weil er zufäl­li­ger­wei­se am 23. Dezem­ber 1997 im Ers­ten gelau­fen war, als mei­ne Eltern im Wohn­zim­mer den Baum schmück­ten und ich den Film des­halb in Papas Arbeits­zim­mer gucken durf­te.

Die Dani­el-Craig-Ära begann im Novem­ber 2006, als ich gera­de für drei Mona­te in San Fran­cis­co leb­te, und tat­säch­lich hab ich bis heu­te kei­nen ein­zi­gen Craig-Bond in deut­scher Syn­chron­fas­sung gese­hen, weil es ab „Ein Quan­tum Trost“ (2008) dann auch in Bochum Film­vor­füh­run­gen im eng­lisch­spra­chi­gen Ori­gi­nal gab. Aber seit 2015 haben die „Mis­si­on: Impossible“-Filme bei mir eh „James Bond“ als liebs­te Agen­ten­film-Rei­he abge­löst.

Und jetzt? Unken die Fans im Inter­net, dass es das natür­lich gewe­sen sei mit James Bond. Ama­zon wer­de das fran­chise aus­schlach­ten und eine Art Mar­vel Cine­ma­tic Uni­ver­se (MCU) dar­aus erschaf­fen mit spin-offs, Fern­seh­se­ri­en, ori­gin sto­ries und ähn­li­chem Schnick­schnack. Gera­de Bar­ba­ra Broc­co­li hat­te bis zuletzt dar­auf beharrt, Bond-Fil­me als sin­gu­lä­re Ereig­nis­se alle zwei bis fünf Jah­re ins Kino zu brin­gen. Ver­glei­che wer­den gezo­gen zum „Star Wars“-Universum, das seit dem Ver­kauf von Lucas­film an Dis­ney auch sei­nen Reiz ver­lo­ren habe. Und da muss man jetzt vor­sich­tig sein: Ich sit­ze den gan­zen „Star Wars“-Fernsehserien auch rat­los gegen­über und fin­de, dass „Der Auf­stieg Sky­wal­kers“, der letz­te „Star Wars“-Film der drit­ten Tri­lo­gie aus dem Jahr 2019 sei­nen unmit­tel­ba­ren Vor­gän­ger „Die letz­ten Jedi“ in ähn­li­cher Wei­se ver­ra­ten hat wie „SPECTRE“ es mit „Sky­fall“ getan hat­te. Anders als vie­le „Star Wars“-Fans, die zumin­dest geis­tig das Arbeits­zim­mer ihres Vaters oder den Kel­ler ihrer Mut­ter nie ver­las­sen zu haben schei­nen, sehe ich das Pro­blem aber nicht in star­ken Frau­en­rol­len oder einem diver­sen cast.

Das Elend moder­ner Erzähl­wei­sen liegt für mich viel­mehr in dem unend­li­chen Breit­tre­ten von Cha­rak­te­ren und Hand­lungs­bö­gen (Stich­wort „hori­zon­ta­les Erzäh­len“, Stich­wort MCU), weil das teu­er erwor­be­ne intellec­tu­al pro­per­ty so stark wie mög­lich aus­ge­presst wer­den muss — da bin ich dann ganz bei Bar­ba­ra Broc­co­li, ihren event movies und ihrer Ableh­nung des Begriffs „con­tent“. (Die Iro­nie, dass wir hier über Bewegt­bild-Adap­tio­nen von Comic­buch-Rei­hen bzw. geho­be­ne­ren Gro­schen­ro­ma­nen spre­chen, ist mir dabei durch­aus bewusst, dan­ke der Nach­fra­ge!)

Fans, die sich im Inter­net empö­ren, die krea­ti­ve Kon­trol­le über künst­le­ri­sche Pro­jek­te zu über­las­sen, hal­te ich aller­dings für min­des­tens eben­so bescheu­ert, wie die­se Auf­ga­ben an die con­trol­ler abzu­ge­ben, die einem dank irgend­wel­cher Erhe­bun­gen erklä­ren wol­len, wel­che „Inhal­te“ gut „funk­tio­nie­ren“ — die Ergeb­nis­se die­ser Vor­ge­hens­wei­se kann man in den meis­ten Social-Media-Auf­trit­ten ehe­mals seriö­ser deut­scher Medi­en­mar­ken besich­ti­gen. Es gibt immer zwei Sor­ten Nerds: Die, die Musik hören und dann das Bedürf­nis haben, eine Band grün­den (oder fern­se­hen und dann eine Kame­ra in die Hand neh­men), und die, die Ver­kaufs­zah­len oder Ein­schalt­quo­ten stu­die­ren und dann dar­aus ablei­ten zu kön­nen glau­ben, was für Songs oder Fil­me erfolg­reich sein könn­ten. Ich war immer ent­schie­den im ers­ten Team.

Den rau­chen­den, trin­ken­den, schie­ßen­den und durch­aus auch sexu­ell über­grif­fi­gen James Bond der Roma­ne und frü­hen Fil­me könn­te man heu­te allen­falls als peri­od pie­ce insze­nie­ren, auch das ver­mut­lich nur mit irgend­ei­ner Art ein­ord­nen­dem Kom­men­tar. In Zei­ten, wo Typen wie Andrew Tate, Mark Zucker­berg und Joe Rogan ihre eher ver­stö­ren­de, weil unend­lich trau­ri­ge, Vor­stel­lung von Männ­lich­keit unge­fil­tert auf Mil­lio­nen Jun­gen und jun­ge Män­ner los­las­sen kön­nen und gif­ti­ge Männ­lich­keit eher wie­der auf dem auf- als auf dem abstei­gen­den Ast scheint, wür­de einer Judi Dench, die mal ordent­lich auf den Tisch haut, ver­mut­lich „can­cel cul­tu­re“ vor­ge­wor­fen wer­den, aber sie wäre not­wen­dig.

Eine beson­de­re Iro­nie liegt natür­lich dar­in, dass die Zukunft des berühm­tes­ten Geheim­agen­ten jetzt in den Hän­den eines Kon­zerns liegt, des­sen Grün­der so ein­deu­tig eine Check­lis­te der wich­tigs­ten Bond-Böse­wich­te abge­ar­bei­tet zu haben scheint: Er baut Rake­ten wie Hugo Drax („Moon­ra­ker“), besitzt eine wich­ti­ge Zei­tung wie Elli­ot Car­ver („Der Mor­gen stirbt nie“) und ist kahl­köp­fig wie Ernst Stav­ro Blo­feld bei meh­re­ren Auf­trit­ten. Aber wer weiß, viel­leicht will Jeff Bezos den Ant­ago­nis­ten im nächs­ten Film auch ein­fach selbst spie­len.

Kategorien
Musik Digital

Geburtstagskaffee

Heu­te vor 18 Jah­ren ging die­ses klei­ne Pop­kul­tur-Blog an den Start — mit einem Kick­off-Text, der zuvor den 4. Platz beim Wett­be­werb „Schü­ler ver­su­chen, wie Max Goldt zu schrei­ben“ belegt hat­te.

Das heißt: Cof­fee And TV ist jetzt voll­jäh­rig, darf Auto fah­ren, har­ten Alko­hol kau­fen und wäh­len. Uff!

So einen Geburts­tag muss man natür­lich ordent­lich fei­ern, des­we­gen ist heu­te Nacht, exakt 157.800 Stun­den nach dem Sta­pel­lauf, mein Pro­jekt 18 Jah­re, 18 Songs online gegan­gen, das eigent­lich nur eine Play­list mit ein paar Anmer­kun­gen wer­den soll­te und jetzt – natür­lich – einer der längs­ten Tex­te der Blog-His­to­rie ist.

Außer­dem fei­ert die kurz­le­bi­ge 2014er-Serie „Song des Tages“ eine Wie­der­auf­er­ste­hung — und zwar exklu­siv in unse­rem Whats­App-Kanal. Da soll es aber extra kei­ne Begleit­tex­te in Roman-Län­ge geben, son­dern ein­fach nur jeden Tag einen Song, der mir gera­de pas­send erscheint — obskur oder Hit, aktu­ell oder uralt.

Und dann woll­ten wir Ihnen noch das zei­gen:

The rumours are true: Aus Anlass des 18. Geburts­tags wer­de ich aus den schöns­ten Blog-Tex­ten (oder den schöns­ten, die ich wie­der­ge­fun­den habe) lesen!

18 Jah­re Cof­fee And TV
Frei­tag, 7. März 2025, 20 Uhr (anschl. Par­ty)
Gold­kan­te, Alte Hat­tin­ger Str. 22, 44789 Bochum
Ein­tritt frei, hin­ter­her geht ein Hut rum

Das wird super, ich freu mich!

Mein beson­de­rer Dank geht heu­te an die ande­ren Gründungs-Autor*innen Kath­rin, Oli­ver, Ste­phan, Dani­el, Mar­ta, Tho­mas und Gor­di­an, die gleich­zei­tig mei­ne ers­ten Leser*innen waren, und an Anni­ka, Mar­kus, Ste­fan, Katha­ri­na, Bas­ti, Lisa, Tom­my, Tom, Fried­rich, Domi­nik, Sari­na, Sue, Sel­ma, Peter, Jens, Thors­ten und Jus­tus, die spä­ter zu die­sem Blog bei­getra­gen haben! They cal­led us the pop kids.

Kategorien
Digital Leben Gesellschaft

Bitte werfen Sie eine Münze ein!

Zu Beginn der Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­schaft der Her­ren ging eine Schal­te des bri­ti­schen „Sky Sports“-Reporters Kaveh Sol­he­kol viral, in der die­ser ein gewis­ses Unver­ständ­nis über die Zustän­de im Spiel­ort Gel­sen­kir­chen zum Aus­druck brach­te. Sky Sports nahm das Video recht schnell wie­der off­line, ich habe bis heu­te kei­ne Kopie davon fin­den kön­nen, aber die Bericht­erstat­tung (inkl. back­lash und zu erwar­ten­der trau­ri­ger Repli­ken loka­ler Medi­en und Per­sön­lich­kei­ten) war enorm. Neben der tris­ten Innen­stadt hat­te Sol­he­kol auch bemän­gelt, dass man fast nir­gend­wo mit Kar­te (gemeint war: mit Kre­dit­kar­te) zah­len kön­ne.

Nun war ich aus offen­sicht­li­chen Grün­den lan­ge nicht in Gel­sen­kir­che­ner Gas­tro­no­mien unter­wegs, aber für die Nach­bar­stadt Bochum kann ich berich­ten: Hier kann man inzwi­schen fast in allen Cafés, Eis­die­len, Bäcke­rei­en und Brat­wurst­bu­den mit Kre­dit­kar­te zah­len, idea­ler­wei­se per Apple Pay – Han­dy dran­hal­ten, fer­tig! Es ist – neben der völ­li­gen Abwe­sen­heit von Ter­mi­nen – eine der weni­gen guten Sachen, die uns die COVID-19-Pan­de­mie gebracht hat­te: Der All­tag ist inzwi­schen der­art durch-digi­ta­li­siert, dass sich Bochum fast wie Schwe­den, Eng­land oder wei­te Tei­le der Nie­der­lan­de anfühlt, was die Ankunft in der Gegen­wart angeht. Man kann sogar Ein­tritts­kar­ten für die Bochu­mer Frei­bä­der vor­ab online kau­fen (was wir erst erfah­ren haben, nach­dem wir 20 Minu­ten in der Mit­tags­son­ne in einer Kas­sen­schlan­ge gestan­den hat­ten, aber: nun gut)!

Kaveh Sol­he­kol und die ange­reis­ten Fuß­ball-Fans soll­ten sich glück­lich schät­zen, wenn sie nicht auf Gebie­ten mit der deut­schen Inter­pre­ta­ti­on des Kon­zepts „Digi­ta­li­sie­rung“ in Kon­takt gekom­men sind, die über das Bezah­len von Essen und Geträn­ken hin­aus­ge­hen.

Ich füh­le mich wie ein Fens­ter­rent­ner, der mit einem Behör­den­schrei­ben in die Kame­ra des Foto­gra­fen der Lokal­zei­tung wedelt, aber die RTL-Ver­brau­cher­sen­dung „Wie bit­te?!“ wur­de vor 25 Jah­ren ein­ge­stellt, von daher müsst Ihr jetzt mit mei­nen läng­li­chen, anek­do­ti­schen Empö­run­gen leben:

Ende April wur­den im Bochu­mer Stell­werk Kup­fer­ka­bel geklaut. Um irgend­wie zur Arbeit nach Köln zu kom­men, nahm ich ein Taxi zum Esse­ner Haupt­bahn­hof und schick­te die Quit­tung über 65 Euro gut gelaunt an die Deut­sche Bahn. Weil angeb­lich noch Unter­la­gen fehl­ten, bekam ich ein Anschrei­ben per Post, auf das ich auch nur per Post ant­wor­ten konn­te (die Unter­la­gen waren frei ver­füg­bar im Inter­net ein­zu­se­hen, ich habe sie also aus­ge­druckt und phy­sisch ver­schickt), und vier Wochen spä­ter eine Ableh­nung, weil angeb­lich wei­te­re Unter­la­gen fehl­ten, nach denen die DB Dia­log GmbH am Anfang gar nicht gefragt hat­te. Ich habe also mit der Hot­line tele­fo­niert, wo die freund­li­che, aber auch etwas hilf­lo­se Mit­ar­bei­te­rin und ich in rund zehn Minu­ten immer­hin das Rät­sel lösen konn­ten, was mit „Feh­len­de Anga­ben und Bele­ge“ eigent­lich gemeint sei (ich konn­te die Anga­ben über­ra­schend per Tele­fon über­mit­teln), und bekam dann ges­tern ein Schrei­ben der Bahn, dass die Bear­bei­tung mei­nes Falls noch ein biss­chen dau­ern kön­ne. Die bezau­bern­den Begrün­dun­gen: Hoch­was­ser und eine „ange­spann­te Betriebs­qua­li­tät“, was natür­lich einer­seits per­fekt zu einem Kon­zern passt, der einen regel­mä­ßig mit Sprach­neu­schöp­fun­gen wie „Ver­zö­ge­run­gen im Betriebs­ab­lauf“ erfreut, ande­rer­seits kaum etwas ande­res bedeu­ten kann als: „Für uns ist alle sieb­te oder ach­te Stun­de, wir gehen kom­plett auf dem Zahn­fleisch, die Ein­spa­run­gen wer­den uns alle töten, bit­te hel­fen Sie uns!“

Ande­res Bei­spiel: Die Deut­sche Post hat­te zwei Brie­fe verloren/​nicht zuge­stellt, in denen die Fir­ma Cong­star mir eine SIM-Kar­te zustel­len woll­te (das ist noch mal ein eige­nes The­ma für sich, eini­gen wir uns auf: die Adres­sie­rung war miss­ver­ständ­lich). Man kann, wenn man ein biss­chen danach sucht, bei der Post online eine sog. „Brief­er­mitt­lung“ beauf­tra­gen und bekommt dann auch eine Bestä­ti­gung per E‑Mail – alles fein. Bis ich dann – pas­sen­der­wei­se am glei­chen Tag wie den letz­ten Brief der Deut­schen Bahn – zwei Brie­fe der Post im Brief­kas­ten hat­te. Dar­in, jeweils: Ein Schrei­ben mit der Bestä­ti­gung, dass ich eine Brief­er­mitt­lung beauf­tragt hat­te inkl. Ent­schul­di­gung und Bit­te um Geduld, auf der Rück­sei­te ein Vor­druck, den ich nut­zen kön­ne, falls der ver­miss­te Brief inzwi­schen ange­kom­men sei – und ein Rück­um­schlag, mit dem ich den Vor­druck dann pos­ta­lisch zurück an die Deut­sche Post schi­cken könn­te.

Am Ende sind es ver­mut­lich wie­der die immer glei­chen Grün­de aus der Büro­kra­tie­höl­le („Doku­men­ten­echt­heit“, „Daten­schutz“, „Haben wir immer schon so gemacht“), aber es ist ja nicht nur die feh­len­de Digi­ta­li­sie­rung, die mich hier ver­zwei­feln lässt: Da wur­den fünf Din-A-4-Blät­ter bedruckt, zwei klei­ne Rück­ant­wort-Kuverts in grö­ße­re Brief­um­schlä­ge gesteckt und das alles wur­de quer durch Deutsch­land trans­por­tiert. Am Ende viel­leicht immer noch umwelt­scho­nen­der als ein AI-Chat­bot, aber eben doch nicht wirk­lich öko­lo­gisch. Und wäh­rend ich anneh­me, dass die Deut­sche Post ihre eige­nen Brie­fe kos­ten­los zustellt, zahlt die Bahn auf alle Fäl­le Por­to – bzw. natür­lich nicht die Bahn selbst, son­dern wir alle, indem wir immer teu­rer wer­den­de Bahn­ti­ckets kau­fen.

Wir schrei­ben das Jahr 2024, 95 Pro­zent der Deut­schen nut­zen das Inter­net „zumin­dest sel­ten“, selbst bei den Per­so­nen über 70 sind es 80 Pro­zent. Das größ­te außer­a­me­ri­ka­ni­sche Soft­ware­un­ter­neh­men, die Num­mer 3 der Welt, kommt aus Deutsch­land und es gibt sicher­lich auch jede Men­ge Soft­ware-Fir­men, die Lösun­gen anbie­ten, die für alle Betei­lig­ten Vor­tei­le bie­ten.

Ich kann es selbst kaum fas­sen, dass ich die fol­gen­den Wor­te, die auch in einen FDP-Mit­glieds­an­trag pas­sen könn­ten, schrei­be, aber: Sobald man sich nur einen Schritt von gewinn­ori­en­tier­ten Unter­neh­men ent­fernt, die in einem ech­ten Wett­be­werb am Markt bestehen müs­sen, muss in die­sem Land immer noch (fast) alles aus­ge­druckt wer­den. (Kei­ne Angst, ich wer­de natür­lich nicht und auf gar kei­nen Fall in die FDP ein­tre­ten. Die stellt ihre Kom­pe­tenz im Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Digi­ta­les und Ver­kehr ja selbst am Bes­ten unter Beweis.)

Und es ist ja nicht so, dass die Deut­sche Bahn ein beson­de­res Herz für jene Leu­te zei­gen wür­de, die sich ohne Smart­phone durchs Leben bewe­gen: Die Bahn­card gibt es zum Bei­spiel nur noch digi­tal. Es sind die­se mixed signals, die alles noch schlim­mer machen.

Die gute Nach­richt, natür­lich: Immer­hin lebe ich nicht in Gel­sen­kir­chen.

Kategorien
Literatur

Die Feuerwehr Bochum stoppt Robert Frost im Weitmarer Holz

Wenn es geschneit hat, soll­te man bes­ser nicht in den Wald gehen — das gilt auch für gefei­er­te Dich­ter:

Kategorien
Gesellschaft

Bist Du noch wach? — 5. Was bringt Dich zum Lachen?

In der fünf­ten Fol­ge „Bist Du noch wach?“ spre­chen Sue und Lukas über Tan­nen­bäu­me, Tier­vi­de­os und lebens­wer­te Städ­te.

Lukas ver­rät exklu­siv den lus­tigs­ten Witz der Welt und die Schön­heit des Ruhr­ge­biets — außer­dem lachen wir sehr viel und es geht sehr viel um Nudeln.

Wenn Ihr uns schrei­ben wollt (zum Bei­spiel, weil Ihr eige­ne Fra­gen habt), könnt Ihr das unter bistdunochwach@coffeeandtv.de tun!

Show­no­tes:

Kategorien
Leben

Another Decade Under The Influence: 2016

Die­ser Ein­trag ist Teil 7 von bis­her 10 in der Serie Ano­ther Deca­de Under The Influence

2016. Sil­ves­ter­feu­er­werk gucken auf dem Dach der Dort­mun­der Oper. Mal wie­der reno­vie­ren und Fuß­bo­den ver­le­gen. Plötz­lich wie­der allei­ne früh­stü­cken tut weh, aber das Kind wohnt ja die Hälf­te der Zeit hier. In mei­nem Wiki­pe­dia-Ein­trag steht kurz­zei­tig, dass ich eine IKEA-Küche erfolg­reich auf­ge­baut habe (kei­ne Ahnung, war­um das wie­der gelöscht wur­de). Ich schrei­be tau­send unge­nutz­te Gags für die Panel­lis­ten beim „Come­dy Clip Club“ und wer­de zum Maxi-Gstet­ten­bau­er-Fan. Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re is back — da kann man doch mal ent­spannt auf drei Lesun­gen gehen! It’s a long way to hap­pi­ness /​ A long way to go /​ But I’m gon­na get the­re, boy /​ The only way I know. Dating & Crus­hes. ESC in Stock­holm: Ganz viel Lakritz­scho­ko­la­de, wir sehen Björn von ABBA und Jus­tin Tim­ber­la­ke live! So vie­le Aus­flü­ge zum Haupt­bahn­hof und zum Kem­n­ader See. We got the wind in our sail /​ Like Dar­win on the Bea­gle /​ Or Men­del expe­ri­men­ting with a pea. Ich lackie­re Möbel neu, die seit Jahr­zehn­ten im Fami­li­en­be­sitz sind. Ich fah­re zum ers­ten Mal Was­ser­ski: Macht voll Bock, ich habe aber ein Jahr lang Mus­kel­ka­ter. Post von der Köni­gin für mei­ne Omi. Den hal­ben Som­mer im Plansch­be­cken ver­bracht. There’s just some­thing about the light /​ That lets all of us think that their pro­blems are­n’t our pro­blems. Mein klei­ner Bru­der hei­ra­tet. Das Kind kommt in den Kin­der­gar­ten. Mit mei­ner gan­zen Fami­lie nach Hol­land. Der Idi­ot wird tat­säch­lich zum US-Prä­si­den­ten gewählt. When I wake in the mor­ning /​ I’ve for­got­ten what it is to cope. Ein­mal Elb­phil­har­mo­nie gucken, in Bochum eröff­net das Musik­fo­rum. Kek­se backen und ver­zie­ren. Ich dre­he „Rück­wärts“, mei­ne ers­te ganz eige­ne Sen­de­rei­he für den MDR (na gut: fürs Inter­net). Die Weih­nachts­zeit beginnt am 23. Dezem­ber um 17.32 Uhr.

Ein Jahr, um erst­mal wie­der auf die Bei­ne zu kom­men. Das Leben ist ein biss­chen so wie frü­her, aber trotz­dem ganz anders. Es ster­ben gefühlt alle Pro­mi­nen­ten, aber irgend­wie haben wir über­lebt. Ich hab eine schö­ne neue Woh­nung mit Gar­ten, in der wir es uns gemüt­lich machen.

Kategorien
Leben Gesellschaft Musik

Another Decade Under The Influence: 2010

Die­ser Ein­trag ist Teil 1 von bis­her 10 in der Serie Ano­ther Deca­de Under The Influence

Heu­te in zehn Wochen ist Sil­ves­ter — und mit dem Jahr endet auch das Jahr­zehnt. Vor zehn Jah­ren habe ich das zum Anlass genom­men, hier im Blog eine zehn­tei­li­ge Serie zu ver­öf­fent­li­chen, in der ich sehr, sehr läng­lich auf jedes ein­zel­ne Jahr, sei­ne pop­kul­tu­rel­len und per­sön­li­chen Momen­te zurück­ge­blickt habe. Ich hab nicht mehr so viel Zeit und Ner­ven, 10.000 Zei­chen zu ver­bal­lern, Ihr nicht mehr die Zeit und Auf­merk­sam­keits­span­ne, das zu kon­su­mie­ren – also gibt’s für jedes Jahr ein Foto und ein paar Stich­wor­te. Say hel­lo to #ano­ther­de­ca­de­un­dertheinfluence!

2010. Mei­ne ers­te Woh­nung, ganz für mich allein. Eine unglaub­lich auf­wen­di­ge Reno­vie­rung (mein Papa hat mal eben neu­en Est­rich gegos­sen, bevor wir den Fuß­bo­den ver­legt haben) und das Gefühl, end­lich wie­der ein Zuhau­se zu haben. So vie­le neue Freund*innen, so vie­le gute Gesprä­che, so vie­le Aben­de (und Näch­te) im Frei­beu­ter (wo ich nur in die­sem Jahr, grob über­schla­gen, einen vier­stel­li­gen Betrag zurück­ge­las­sen, aber immer­hin meh­re­re Musik­quiz­ze gewon­nen habe). Zwei Win­ter wie auf Hoth und ein con­s­truc­ti­ve sum­mer. Ein legen­dä­res Hald­ern-Fes­ti­val, eine kaum min­der legen­dä­re Geburts­tags­fei­er, bei der die Leu­te auf den Tischen getanzt haben, bevor sie umfie­len. (Die Tische. Und die Leu­te. Natür­lich alles im Frei­beu­ter.) Ein Kul­tur­haupt­stadt­jahr mit gesperr­ter A40 und Love­pa­ra­de-Kata­stro­phe. Knut­schen und Rau­chen. Mei­ne ers­ten Ein­sät­ze als DJ (die Leu­te ham getanzt, die Leu­te ham geschrien). Dienst­rei­sen nach Oslo (mit Ste­fan Nig­ge­mei­er und Lena Mey­er-Land­rut), Lon­don (mit mei­nem Onkel Tho­mas) und Rom. Mein neu­er Job als BILD­blog-Chef­re­dak­teur mit Auf­trit­ten im Fern­se­hen und Radio. Ein Jahr mit durch­ge­tre­te­nem Gas­pe­dal (und das, obwohl ich, haha­ha, ver­mut­lich nicht mehr als 300 Kilo­me­ter mit dem Auto zurück­ge­legt habe) und exqui­si­tem Sound­track. And my head told my heart /​ Let love grow /​ But my heart told my head /​ This time no /​ This time no. You’­re a beau­tiful girl and you’­re a pret­ty good wai­tress /​ But Jes­se I don’t think I’m the guy. Hal­lo, ich bin Lukas, 27, ich kom­me aus Bochum und das ist mein soge­nann­tes Leben. Ein Jahr, in dem selbst die lei­sen Momen­te laut waren. Da ist es gut, wenn man einen Platz hat, an den man sich zurück­zie­hen kann (zum Schla­fen und zum Arbei­ten, denn was hab ich da wohl sonst noch gemacht?), und an dem einen kei­ne Mit­be­woh­ner stö­ren. End­lich wie­der ein Zuhau­se, end­lich ange­kom­men und sofort auf­ge­bro­chen ins Leben.

Die­se Serie läuft par­al­lel hier im Blog und auf Insta­gram.

Kategorien
Leben

Wochenendspaß mit der WAZ (1)

Am Mor­gen (oder, genau­er: Vor­mit­tag) nach der „1Live Kro­ne“ durch­weht den Bochu­mer Haupt­bahn­hof immer ein ent­fern­ter Hauch von Jet­set und Gla­mour: Musik­in­dus­trie­mit­ar­bei­ter, leicht zu erken­nen an der Kom­bi­na­ti­on „Jog­ging­an­zu­g/­Lou­is-Vuit­ton-Weeken­der“ und der Base­ball­kap­pe auf dem Kopf, war­ten auf ihre Züge, die sie zurück nach Ham­burg, Ber­lin oder … äh, ja: nach Ham­burg oder Ber­lin brin­gen.

Ich habe ges­tern kurz den Schluss der Ver­an­stal­tung im WDR Fern­se­hen gese­hen und bekam das woh­li­ge Gefühl, es mir gera­de exakt in dem Lebens­ab­schnitt bequem machen zu kön­nen, wo ich 90% der dort ver­tre­te­nen Leu­te nicht mehr bzw. noch nicht ken­nen muss.

Das bringt aber auch gewis­se Schwie­rig­kei­ten mit sich, wenn man sich über Ver­lauf und Aus­gang der Ver­an­stal­tung bei WAZ.de (ehe­mals Der Wes­ten) infor­mie­ren will.

Oder kön­nen Sie mir sagen, wie vie­le Per­so­nen die fol­gen­de Auf­zäh­lung umfasst?

Mark Fos­ter, Sil­ber­mond, die Kat­ze, Danie­la Kat­zen­ber­ger mit ihrem Mann, Felix Jaehn, die Rap­per von Bonez MC & Raf Camo­ra.

Mei­ne Lieb­lings­stel­le in dem Arti­kel, die bei mir wil­des­tes Kopf­ki­no aus­ge­löst hat, ist aber die­se hier:

Nach dem Ende der Ver­an­stal­tung aber hat [Ober­bür­ger­meis­ter Tho­mas Eis­kirch (SPD)] dann ein ande­res Pro­blem. Er müss­te drin­gend auf die Toi­let­te, die Hal­le füllt sich nur lang­sam.

Und wo wir ein­mal auf der „Bochum“-Seite von WAZ.de sind, möch­te ich Ihnen noch zwei wei­te­re aktu­el­le High­lights mit an die Hand geben: Die­se Bil­der­ga­le­rie, die beweist, dass man im Ruhr­ge­biet wirk­lich zu fei­ern weiß (und zwar alles), und die­sen Blau­licht­mel­dung über einen Mann, der mit 2,8 Pro­mil­le im Blut einen Not­arzt­wa­gen in Wat­ten­scheid mit But­ter bewor­fen hat­te, weil ihn des­sen Mar­tins­horn stör­te.

So weit, so nor­mal. Spek­ta­ku­lär wird die Mel­dung durch die­sen Satz:

Spon­tan ent­riss der 46-Jäh­ri­ge sei­ner eben­falls betrun­ke­nen Beglei­te­rin zwei Päck­chen But­ter, wie die Poli­zei berich­te­te.

Laut Pres­se­mit­tei­lung der Poli­zei Bochum waren es übri­gens sogar „zwei zuvor gekauf­te Pake­te But­ter und ein Kunst­stoff­teil, das aus einer Bau­stel­len­ab­sper­rung stamm­te“.

Kategorien
Musik Gesellschaft Kultur

Re: Elbphilharmonie

Ich war Anfang die­ser Woche beruf­lich in Ham­burg und habe mir ein paar Stun­den Zeit genom­men, um ganz doof tou­ris­tisch an den Lan­dungs­brü­cken aus­zu­stei­gen und zu Fuß bis zum Haupt­bahn­hof zurück zu lat­schen. Es war tro­cken (ich habe in Ber­lin übri­gens bedeu­tend mehr Regen und schlech­tes Wet­ter erlebt als in Ham­burg) und schön und ich war schon nach weni­gen Metern wie­der schwer ver­liebt in die­se Stadt.

Ich mag Was­ser unge­heu­er ger­ne (zu mei­nen Lieb­lings­or­ten in Bochum gehört des­halb auch vor allem der Kem­n­ader See, das ein­zi­ge halb­wegs ernst­zu­neh­men­de Was­ser im Stadt­ge­biet) und man kann die Lan­dungs­brü­cken ja völ­lig zurecht als gru­se­li­gen Tou­ris­ten­nepp mit homöo­pa­thi­schen Antei­len von See­fah­rer­ro­man­tik, also mit­hin als deut­schen Pier 39, abtun und man kann die gan­zen Auf­hüb­schun­gen und Leucht­turm­pro­jek­te und die gan­ze Gen­tri­fi­zie­rung kri­ti­sie­ren, aber das hat mich in dem Moment nicht inter­es­siert: Ich konn­te die Frei­heit der gro­ßen, wei­ten Welt ein­at­men.

Ich bin dann wei­ter­ge­gan­gen Rich­tung Spei­cher­stadt, wo ich fest­stell­te, dass die Elb­phil­har­mo­nie nicht nur fer­tig ist (kurz nach dem Bochu­mer Musik­zen­trum, aber immer­hin), son­dern man da bereits zum Gucken rein­kann — und zwar sofort und kos­ten­los.

Elbphilharmonie Hamburg (Foto: Lukas Heinser)

Es fol­gen mei­ne Gedan­ken in Echt­zeit:

„Urgs, die Elb­phil­har­mo­nie! Völ­lig über­teu­er­ter Protz­bau für die han­sea­ti­sche Eli­te. Brauch ich nicht! Das Musik­zen­trum ist eh viel coo­ler und über­haupt, bla­bla­bla, Hafen­stra­ße, Punk, puber­tä­res Ich­will­d­anicht­rein!“
„… sagt der Voll­idi­ot, der in New York war und weder aufs Empire Sta­te Buil­ding, noch aufs Rocke­fel­ler Cen­ter woll­te, weil die Schlan­gen zu lang waren oder das umge­rech­net zwei CDs gekos­tet hät­te und zehn Jah­re spä­ter kannst Du immer noch allen erzäh­len, dass Du in New York warst, aber es nur aus Stra­ßen­hö­he gese­hen hast!“
„Okay, ich geh da jetzt rein! Dann kann ich’s ja auch viel bes­ser begrün­det doof fin­den!“

Was soll ich sagen: Ich hab’s ver­sucht, aber das, was ich gese­hen habe, ist wirk­lich, wirk­lich beein­dru­ckend. Jedes ein­zel­ne Detail ist völ­lig unnö­tig kom­pli­ziert (Eine Roll­trep­pe, deren Stei­gungs­grad zwi­schen­durch vari­iert! Rie­si­ge, geschwun­ge­ne Glas­schei­ben, die in einem Dreh­tür­me­cha­nis­mus an einer unebe­nen Decke ver­an­kert sind!), es ist wie Math Rock mit Tex­ten von Adal­bert Stif­ter. Fuck yeah, Her­zog & de Meu­ron!

Elbphilharmonie Hamburg (Foto: Lukas Heinser)

Alles, wirk­lich alles, ist eine knal­li­ge Ant­wort auf die Fra­gen der Leser­brief­schrei­ber, der „Mario Barth deckt auf“-Zuschauer und des Bun­des der Steu­er­zah­ler, ob „wir“ „das“ „jetzt“ „wirk­lich“ „brau­chen“: „Nein, brau­chen wir nicht. Wir brauch­ten auch kei­nen Köl­ner Dom, kei­ne Alte Oper, kein Bran­den­bur­ger Tor und kein Neu­schwan­stein. Und jetzt lasst mich end­lich mit Eurem klein­geis­ti­gen Vor­gar­ten­den­ken in Frie­den! Ich bin ein Bau­denk­mal für die Ewig­keit!“

Wenn man auf den Kai­spei­cher A einen rie­si­gen, von Jeff Koons gestal­te­ten Mit­tel­fin­ger mon­tiert hät­te, wäre die Bot­schaft ver­gleich­bar gewe­sen, aber die Akus­tik und der prak­ti­sche Nut­zen deut­lich gerin­ger. Die Ästhe­tik sowie­so.

Da stand ich jetzt in 37 Metern Höhe auf der „Pla­za“ (Gut, an dem Namen hät­te man noch arbei­ten kön­nen, damit er wei­ni­ger nach Food Court im Ein­kaufs­zen­trum klingt!), genoss die phan­tas­ti­sche Aus­sicht und die gute Stim­mung unter den Leu­ten, die, so nahm ich ein­fach mal an, je zur Hälf­te Tou­ris­ten und Ein­hei­mi­sche waren. „Es ist ein­fach die schöns­te Stadt der Welt“, sag­te ein Mann leicht seuf­zend zu sei­ner Beglei­te­rin und für eine Sekun­de hat­te ich San Fran­cis­co, Wien, Ams­ter­dam und Stock­holm ver­ges­sen und dach­te: „Jau!“

Elbphilharmonie Hamburg (Foto: Lukas Heinser)

Im Okto­ber war ich bei der Eröff­nung des Anne­lie­se Brost Musik­fo­rum Ruhr in Bochum (das übri­gens auch ganz toll gewor­den ist, aber auf einem völ­lig ande­ren Level) und es war eine sehr ähn­li­che Atmo­sphä­re: Wenn so ein Bau­werk erst­mal fer­tig ist, inter­es­sie­ren die Kos­ten (egal, ob jetzt 15 oder … äh: 866?!?! Okay: 866 Mil­lio­nen Euro. Hui!) nur noch die Unter­su­chungs­aus­schüs­se, die Haus­halts­prü­fer und die Jour­na­lis­ten. Die Men­schen freu­en sich über das neue Wahr­zei­chen, über die Kul­tur und – im Fall von Bochum sicher­lich stär­ker als im Fall von Ham­burg – über die über­re­gio­na­le Auf­merk­sam­keit und selbst die meis­ten Oppo­si­ti­ons­po­li­ti­ker und Kri­ti­ker sind, wenn’s erst mal toll gewor­den ist, immer schon dafür gewe­sen.

Die­ser Text erschien ursprüng­lich in mei­nem News­let­ter „Post vom Ein­hein­ser“, für den man sich hier anmel­den kann.

Kategorien
Film Leben

Cinema And Beer: „Junges Licht“

Ein Som­mer im Ruhr­ge­biet: In den 1960er Jah­ren eine hei­ße, mehr­wö­chi­ge Pha­se, in der Her­an­wach­sen­de nicht wuss­ten, wie sie die Zeit tot­schla­gen soll­ten und was mit ihnen und um sie her­um pas­siert; im Jahr 2016 ein ein­zel­ner schö­ner Abend vor einer Knei­pe im Bochu­mer Ehren­feld.

Letz­te­res reicht aber aus, um ers­te­res zu bespre­chen, und so wid­men sich Tom The­len und Lukas Hein­ser in ihrer belieb­ten Pod­cast­rei­he dem Film „Jun­ges Licht“ von Adolf Win­kel­mann und auch dem Ruhr­ge­biet an sich. Beglei­tet natür­lich von einem küh­len Getränk aus Bochum (und aus Lie­be).

Junges Licht (Offizielles Filmplakat)

Cine­ma And Beer: „Jun­ges Licht“
(Zum Her­un­ter­la­den rechts kli­cken und „Ziel spei­chern unter …“ wäh­len.)
Pod­cast bei iTu­nes abon­nie­ren.
Nor­ma­ler Pod­cast-Feed.

Kategorien
Politik Gesellschaft

Lucky & Fred: Episode 9

Am Anschlag auf Char­lie Heb­do und die Pres­se­frei­heit führt auch bei uns kein Weg dran vor­bei: Wir dis­ku­tie­ren, was Sati­re darf, und fra­gen uns, wie man Sala­fist wird, wäh­rend Lucky über­ra­schend sein Mit­ge­fühl für Kar­ne­va­lis­ten ent­deckt.
Über einen Umweg nach Wien gelan­gen wir nach Grie­chen­land und zur Geld­ma­schi­ne Olym­pi­sche Spie­le.
Fred hält einen Nach­ruf auf Alt­bun­des­prä­si­dent Richard von Weiz­sä­cker und Lucky freut sich auf die Ober­bür­ger­meis­ter­wahl in Bochum.

Link­lis­te:

„Lucky & Fred“ als RSS-Feed
„Lucky & Fred“ bei iTu­nes
„Lucky & Fred“ bei Face­book

Kategorien
Film

Cinema And Beer: „Finsterworld“

Nach knapp vier Mona­ten Pau­se ist end­lich mal wie­der Pod­cast­zeit: Tom The­len und Lukas Hein­ser haben sich „Fins­ter­world“ von Frau­ke Fins­ter­wal­der (Dreh­buch: Chris­ti­an Kracht) ange­se­hen und medi­tie­ren ein wenig über die­se Medi­ta­ti­on.

Ihr Fazit: „Da kön­nen sich vie­le Leu­te anschlie­ßend die Bir­nen heiß reden, wenn sie wol­len.“

Finsterworld (Offizielles Filmplakat)

Cine­ma And Beer: „Fins­ter­world“
(Zum Her­un­ter­la­den rechts kli­cken und „Ziel spei­chern unter …“ wäh­len.)
Pod­cast bei iTu­nes abon­nie­ren.
Nor­ma­ler Pod­cast-Feed.