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Feigheit ist keine Nachricht

Wir müssen nochmal auf die Erklärung der 26 SPD-Abgeordneten zu sprechen kommen, in der diese ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ausdrückten, dann aber erklärten, diesem trotzdem zuzustimmen.

Nicht nur ix und Dr. Dean fragen sich, warum es das Thema eigentlich überhaupt nicht in die Medien geschafft hat. Der Sache wollte ich dann doch mal auf den Grund gehen.

Ich schrieb also einige E-Mails und rief in Redaktionen an, wo man mich bat, weitere E-Mails zu schicken. Eine wirkliche Antwort habe ich bisher nur vom ZDF bekommen, wobei das eigentlich auch keine Antwort auf meine Frage war:

Da an diesem Tag auch der Sonderermittler des Europarats Dick Marty seinen Bericht vorstellte, habe man diesem Ansatz den Vorzug gegeben gegenüber einer eher inlandsorientierten Berichterstattung.

Offenbar war die Erklärung der Abgeordneten deshalb nirgendwo Thema gewesen, weil außer den Redakteuren bei heise.de niemand in das Protokoll der entsprechenden Bundestagssitzung geguckt hatte. Die 26 Abgeordneten hatten es also nicht nur geschafft, einem Gesetz zuzustimmen, dass sie selbst für verfassungswidrig hielten, sie hatten es auch noch fertig gebracht, dies in einer öffentlichen Erklärung zuzugeben, die nie eine breitere Öffentlichkeit erreicht hat (oder erreichen sollte). Dafür mussten sie nur eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgeben:

§ 31 Erklärung zur Abstimmung

(1) Nach Schluß der Aussprache kann jedes Mitglied des Bundestages zur abschließenden Abstimmung eine mündliche Erklärung, die nicht länger als fünf Minuten dauern darf, oder eine kurze schriftliche Erklärung abgeben, die in das Plenarprotokoll aufzunehmen ist. Der Präsident erteilt das Wort zu einer Erklärung in der Regel vor der Abstimmung.

Damit entlastet man sein Gewissen und kann hinterher, wenn das Gesetzt kassiert wurde und mal wieder alle auf der Bundesregierung rumhacken, freundlich lächelnd Anlage 4 hervorholen und “Wir ham’s ja schon immer gesagt” murmeln.

Eine andere Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit von der Erklärung erfahren hätte, wäre natürlich der Pranger der Opposition gewesen. Also rief ich mal bei den drei Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag an und fragte, warum man diese Vorlage aus Teilen der SPD-Fraktion denn nicht für eine öffentliche Bloßstellung der 26 Abgeordneten genutzt habe.

Bei der FDP hatte man bis zu meinem Anruf noch nichts von der Erklärung gehört, war aber sehr interessiert und sagte mir, man wolle “über Handlungsmöglichkeiten nachdenken”. Vielleicht höre ich von denen also noch was.

Mark Seibert, Referent im Büro des Die-Linke-Abgeordneten Jan Korte, nannte die Erklärung eine “politische Verantwortungslosigkeit”, die dem ohnehin umstrittenen Gesetz “die Krone aufgesetzt” habe. Allerdings sei zu dem konkreten Fall im Moment nichts geplant, da “kein neuer Nachrichtenwert” vorhanden sei. Die Linke und besonders Jan Korte seien aber in verschiedenen Initiativen gegen die Vorratsdatenspeicherung organisiert und planten weitere Aktionen.

Auch bis zu Bündnis 90/Die Grünen war der Inhalt von Anlage 4 noch nicht ganz durchgedrungen. Wolfgang Wieland, Sprecher für Innere Sicherheit der grünen Fraktion, ließ mir aber nur wenige Stunden nach meinem Anruf eine schriftliche Stellungnahme zukommen, die ich (schon wegen ihrer Exklusivität) gerne wiedergebe:

Dass man für ein Gesetz stimmt, weil man die Inhalte überzeugend findet, ist der Normalfall. Dass es wenige Gesetze gibt, bei denen man als Abgeordneter nicht auch einige Aspekte verzichtbar gefunden hätte, gehört ebenfalls dazu. Wer aber für ein Gesetz stimmt und darauf vertraut, dass seine ungeliebten Teile sowieso bald vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden, der versucht, aus einem Dilemma eine win-win-Situation zu machen.

Tatsache ist: Die Logik hinter der jüngst beschlossenen Vorratsdatenspeicherung stellt Sicherheit über Freiheit. Tatsache ist auch, dass sie sowohl europarechtlich wie grundgesetzlich auf wackeligen Beinen steht. Das erkennen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD ja auch, aber sie handeln nicht danach. Das ist enttäuschend, denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, verfassungsrechtliche Bedenken von vornherein auszuräumen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Das Motto „Koalitionsfrieden wahren, Ideale zitierfähig ins Protokoll schreiben, Karlsruhe das Aufräumen überlassen“ darf nicht die Handlungsmaxime für Abgeordnete sein.

Für uns Blogger heißt das, dass wir einerseits zwar ganz nah an den Themen sind, der Sprung dieser Themen in die sog. “etablierten Medien” und in eine breitere Öffentlichkeit aber andererseits noch überhaupt nicht funktioniert.

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Literatur Digital

Weder Lennon noch Heino: Interview mit Volker Strübing

Auf meiner Dienstreise nach Berlin habe ich mich auch zu einem Interview mit Volker Strübing getroffen. Es war ein sehr nettes Gespräch mit dem Schriftsteller und Schöpfer von “Kloß & Spinne” und daraus wäre sicher auch ein hübsches, kleines Video geworden, wenn …

Volker Strübing und Lukas Heinser sitzen auf einem Sofa (v.r.n.l.)

Ja, wenn die Videokamera nicht zu weit von uns und zu nah an der Theke vom RAW-Tempel gestanden hätte, an der gerade das gesamte Flaschenlager durchgeschüttelt wurde. Ohne Vorkenntnisse hätte man also kein Wort verstanden, weswegen ich gezwungen war, das ganze Gespräch abzutippen. Auch wenn jetzt der schöne Berliner Tonfall in Volkers Stimme fehlt, denke ich, dass es sich gelohnt hat:

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Print Digital

Austisten unter sich

Stefan Aust wird ab 1. Januar 2009 nicht mehr Chefredakteur des Hamburger Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” sein, das wurde am Donnerstag bekannt.

Kaum war die Meldung raus, freuten sich vor allem die Blogger, dass der umstrittene, als Machtmensch verschriene Aust gehen muss und verliehen ihrer Freude vor allem durch Namenswitze Ausdruck. Coffee And TV stellt die schönsten Wortspiel-Überschriften vor:

Nachtrag 17:35 Uhr: Bulo von Clap hat mich noch auf die passende Illustration, die allerdings schon fünf Monate alt ist, hingewiesen.

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Digital

In eigener Sache

In den letzten Tagen gehen hier vermehrt Trackbacks von Artikeln ein, in denen coffeeandtv.de gar nicht verlinkt ist. Ich habe diese Trackbacks aus meinen Kommentaren entfernt.

Ich finde es völlig okay, wenn regelmäßige Leser und Kommentatoren einen Eintrag im Sinne von “Ich habe auch was dazu geschrieben und zwar hier …” abgeben, aber dieses automatische, kommentarlose Hinklatschen von Links finde ich doch ein bisschen unfreundlich.

Alternativ können Sie bei sich natürlich auch etwas schreiben wie “Coffee And TV hat auch was dazu geschrieben”, das entsprechend verlinken und mir einen Trackback schicken. Den lasse ich dann selbstverständlich gerne stehen.

Nachtrag 18:35 Uhr: Einige andere Trackbacks scheinen hier nie angekommen zu sein. Dabei muss es sich um ein Problem beim Server oder der WordPress-Version handeln. Sowas ist natürlich doppelt ärgerlich, da Trackbacks von Artikeln, die sich auf coffeeandtv.de beziehen und auch darauf verlinken, ja durchaus gewünscht sind. Ich kümmer mich darum.

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Digital Politik Gesellschaft

Alles Elend dieser Welt

In den vergangenen Tagen hat die Militärjunta von Myanmar, dem früheren Burma, friedliche Proteste von buddhistisches Mönchen und Zivilisten mit aller Brutalität niedergeschlagen. Etwa 4.000 Mönche sollen in Gefängnisse im Norden des Landes verschleppt worden sein, meldet die BBC.

Es ist ein wenig überraschend, dass ein Land, in dem solche Verbrechen seit Jahrzehnten an der Tagesordnung sind, plötzlich doch noch in den Focus der Weltöffentlichkeit gerät. Und vielleicht liegt es wirklich am Internet, dass sich die Welt ein Bild von dem machen kann, was in dem südostasiatischen Land so vor sich geht. Zumindest kann man sich Bildergalerien wie diese oder jene ansehen, auch wenn das Land jetzt vom Internet abgeschnitten ist.

Für den 4. Oktober (also Donnerstag) ist im Internet eine Aktion geplant, bei der Blogs, Websites und Webforen einen Tag lang zu allen anderen Themen “schweigen” sollen und so auf die Situation in Burma aufmerksam machen wollen (alle Infos gibt’s hier).

Wie eigentlich immer bei symbolischen Aktionen, kommt sofort die Frage auf, was das bringen soll. Wenn das deutsche Volk von einer Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung der deutschen Bundesregierung in der deutschen Hauptstadt Dank der Kompetenz der deutschen Nachrichtenagenturen gleichsam nichts mitbekommt – wie beeindruckt werden dann Generäle, die auf ihr eigenes Volk schießen lassen, davon sein, dass irgendwelche Blogger in irgendwelchen Ländern einen Tag lang nichts schreiben? Nun: Dass sie die Militärjunta kaum erreichen werden, wissen die Organisatoren wohl selbst. Aber eine solche Aktion kann auch Leute, die sich bisher gar nicht mit Burma beschäftigt haben (was 95% der Weltbevölkerung sein dürften), auf das Land bzw. Thema aufmerksam machen. Sie kann Hintergründe erklären, z.B. welche Firmen mit den Militärs so Geschäfte machen und welche deutschen Unternehmen in dem Land ihr Geld verdienen. Vor allem kann sie nicht schaden, denn im schlimmsten Fall ändert sich nichts, die Generäle morden weiter wie bisher und in 41 Jahren steht vielleicht Darfur mal für zwei Wochen im Focus der Weltöffentlichkeit.

Das dämlichste und zynischste Argument gegen solche Aktionen aber lautet “Es gibt so viel Elend auf der Welt, warum konzentriert man sich ausgerechnet auf Burma?”. Konsequent zu Ende gedacht, bräuchte man dann auch kein einziges Buch mehr lesen (weil man eh nicht alle Bücher lesen kann), man bräuchte nicht mehr essen (weil Reste übrig bleiben könnten und andere Menschen gar nichts zu essen haben), ja, man bräuchte nicht einmal mehr leben (weil andere Menschen tot sind). Menschen, die so argumentieren, fragten am Morgen des 12. September 2001 “Und was ist mit den Kindern, die in Afrika verhungern?”, und vielleicht stehen sie sogar am offenen Grab ihrer Mutter und sagen etwas wie “Nun ja, jetzt isse tot, aber während wir hier stehen, sterben bei einem bewaffneten Konflikt in Südamerika vierhundert Menschen.”

Als ich Thees Uhlmann von Tomte das erste Mal interviewte, war wenige Monate zuvor sein guter Freund, der Musikjournalist Rocco Clein verstorben. Tomte und andere Bands hatten ein Benefizfestival organisiert, um Geld für Roccos Kinder einzuspielen. Natürlich gab es auch damals wieder Leute, die mit den verhungernden Negerkindern argumentierten und der Meinung waren, dass die Halbwaisen eines “Prominenten” schon genug Geld zum Leben haben müssten. Ich fragte Thees, was er auf dieses Gerede antworten würde, und Thees sagte wie so oft etwas sehr, sehr Kluges:

Menschen funktionieren so. Sie mögen das, mit dem sie zu tun haben oder hatten. Warum ist einem das World Trade Center näher, als wenn irgendwo in Ruanda 120.000 Menschen innerhalb von 90 Tagen abgemordet werden? Weil Ruanda abstrakt ist. In Amerika war jeder schon mal. Und wenn er nicht da war, dann kennt er jemanden, der da war. So funktionieren Menschen. Und das ist schlimm oder egal oder gut, aber das ist einfach so.

Ich weiß noch nicht, ob ich mich an dieser Blogger-Aktion beteiligen werde. Aber ich weiß, dass ich Respekt habe vor denen, die sowas planen, die sich Gedanken machen. Es liegt nun mal offenbar in der Natur des Menschen, dass er nicht an alles Elend der Welt gleichzeitig denken kann – aber würden wir nicht auch wahnsinnig, wenn wir es könnten? Vor zwei Wochen wussten viele nicht, dass ein Land namens Myanmar existiert, heute machen sie sich für die Menschen dort, von denen sie vermutlich keinen einzigen je kennenlernen werden, stark. Das mag man als Aktionismus sehen, aber dann dürfte man auch bei den Adventssammlungen der Kirchen kein Geld mehr geben und müsste Medikamente und Schulen verbieten, weil sie die Chancengleichheit (“Alle haben keine Chance”) der Menschen verzerren. Wer so argumentiert, verfügt über die nötige Portion Zynismus und Menschenverachtung, um einem Militärregime anzugehören.

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Digital

Besser nie als jetzt.de

jetzt.de, der traurige Internet-Nachfolger der einst sehr guten Jugendbeilage der “Süddeutschen Zeitung”, hat eine Auflistung von 25 deutschsprachigen Blogs erstellt, aus der die Leser das “interessanteste deutsche Weblog” wählen sollen.

Herausgekommen ist eine überaus heterogene Mischung, die neben den obligatorischen Beispielen BILDblog und Spreeblick auch die Blogs von Robert Basic, Jojo Beetlebum und Felix Schwenzel und das Pottblog. In den Kommentaren jammert es schon wieder, dass da eh wieder nur “die üblichen Verdächtigen, die nur deshalb in der Auswahl sind, weil jeder Depp meint, diese Blogs wären ein Muss in der Blogroll” auftauchen.

Das ist natürlich nicht falsch, offenbart aber auch das Dilemma dahinter: An wen richtet sich die Liste? Für die Leute, die sich in der sog. Blogosphäre auskennen, ist das kalter Latte Macchiato, und wer sich nur rudimentär für das Thema interessiert, wird irgendwann glauben, es gäbe in Deutschland nur eine Handvoll Blogs, so wie es ja auch zu jedem Thema immer nur einen Experten in den Nachrichtensendungen dieses Landes gibt. Wer noch nie von Blogs gehört hat, wird die jetzt.de-Seite in der gedruckten “Süddeutschen Zeitung” überblättern und schon gar nicht im Internet darüber stolpern. Bleibt also noch die ach so tolle Abstimmung.

Als wäre das nicht alles schon traurig genug, werden die 25 Blogs bei jetzt.de in der journalistischen Form präsentiert, die seit einiger Zeit bei sueddeutsche.de und ihren Unterseiten Pflicht ist: als 26-teilige Bilder Textgalerie, bei der man für jede Blogbeschreibung eine Seite weiterklicken muss.

jetzt.de sucht das “interessanteste deutsche Weblog”
Ausrisse: jetzt.de

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Digital Gesellschaft

Auf nach Nordkorea!

Kennen Sie die Firma Callactive? Callactive ist eine Endemol-Tochter, die Anrufspielshows produziert, die nachts im Fernsehen laufen.

Ich hätte (wie viele andere vermutlich auch) nie im Leben von Callactive gehört bzw. mir diesen Firmennamen nie gemerkt, wenn Callactive nicht den Betreiber des kritischen Webforums call-in-tv.de vor Gericht zitiert und es damit auch in ein Mainstream-Medium wie “Spiegel Online” geschafft hätte. Oder wenn Callactive nicht Stefan Niggemeier, einen der meistgelesenen deutschen Blogger, abgemahnt hätte (für Kommentare, die Leser abgegeben hatten), was dann sogar dem österreichischen “Standard” eine kurze Meldung wert war.

Als ahnungsloser, naiver Zuschauer (des Geschehens, nicht der Sendungen) sitze ich vor solchen Meldungen und frage mich, ob man es im Umfeld von Callactive wirklich für klüger hält, im Kontext der Prozesse von renommierten Medien als “der umstrittene Gewinnspieleveranstalter Callactive” bezeichnet zu werden, als die Kritik der Webkommentatoren (auch wenn diese mitunter etwas überspitzt formuliert sein mag) einfach zu ignorieren. Immerhin dürften call-in-tv.de und das Blog von Stefan Niggemeier (durchschnittlich 5.000 Besucher täglich) deutlich weniger Leser haben als die Anrufsendungen Zuschauer und die Schnittmenge beider Zielgruppen dürfte verschwindend gering sein.

Jedenfalls: Callactive hat Stefan Niggemeier ein weiteres Mal abgemahnt – wieder geht es um einen Leserkommentar:

Es geht um einen Kommentar, den ein Nutzer am vergangenen Sonntag um 3.37 Uhr früh unter diesem Eintrag abgegeben hat. Ich habe diesen Kommentar unmittelbar, nachdem ich ihn gesehen habe, gelöscht: Das war am Sonntag um 11.06 Uhr.

Zunächst einmal fällt auf, dass man Stefans Blog bei Callactive offenbar mit Argusaugen beobachtet – wem sonst wäre ein mitten in der Nacht geschriebener und am Sonntagvormittag gelöschter Kommentar zu einem Blogeintrag, der zuvor während Stefans Urlaub und meines Blogsittings zehn Tage lang für Kommentare gesperrt gewesen war, aufgefallen?

Dann fällt auf, dass da offenbar endlich Klarheit geschaffen werden soll auf dem Gebiet der immer noch recht schwammigen Forenhaftung. Eine Klarheit, die Stefan so sieht:

Hätte Callactive mit diesem Vorgehen Erfolg, wäre das meiner Meinung nach das Ende der offenen Diskussion in Foren und Blogs, in den Leserkommentaren von Online-Medien und im Internet überhaupt. Selbst Beiträge, die unmittelbar nach ihrem Erscheinen vom Seitenbetreiber gelöscht werden, könnten dann kostenpflichtige Abmahnungen nach sich ziehen; sämtliche Kommentare müssten vor ihrer Veröffentlichung überprüft werden.

Man möchte hinzufügen: Und selbst, wenn der Betreiber eines Forums oder Blogs alle Kommentare vor der Veröffentlichung überprüfen und nur die ihm unbedenklich erscheinenden freischalten würde, könnte er hinterher immer noch belangt werden, falls sich irgendeine abwegige Interpretation des Geschriebenen finden und vor Gericht durchdrücken ließe.

Mit dieser Angst müssten aber nicht nur Blogger leben, auch die Kommentar- und Diskussionsfunktionen namhafter Online-Medien wie “Spiegel Online”, “sueddeutsche.de” oder “FAZ.net” könnten allenfalls noch mit einem enormen Personalaufwand aufrechterhalten werden. Bewertungsportale wie Ciao, Qype, ja: selbst Amazon müssten ständig in Sorge sein über das, was ihre User und Kunden da an (gewünscht subjektiven) Einträgen verfassen.

Mit anderen Worten: Es ginge schnell nicht mehr “nur” um Meinungs- oder Pressefreiheit, es ginge auch ganz knallhart um wirtschaftliche Aspekte, denn kein Unternehmen begibt sich bereitwillig auf juristische Minenfelder. Es geht, liebe Politiker, auf lange Sicht um Steuergelder, das Bruttoinlandsprodukt und – *tataaaa* – Arbeitsplätze. Deutschland könnte irgendwann wie Nordkorea sein, nur ohne Kim Yong-Il. Das will sicher niemand, auch nicht die Politiker, die jeden Tag aufs Neue zu beweisen versuchen, dass sie von den sog. neuen Medien nicht den Hauch einer Ahnung haben.

Um vom Abstrakten wieder zum Konkreten zu kommen: Callactive dürfte es mit der jüngsten Aktion gelungen sein, das Blogosphären-Thema dieser Tage zu werden: Bei Spreeblick, einem der anderen vielgelesenen Blogs in Deutschland, ist man Thema, aber auch hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Eigentlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die “klassischen” Medien das Thema für sich entdecken.

In einigen Blogs sind inzwischen sogar Kommentatoren aufgetaucht, die sich “Callactive” nennen und den angeblichen Satz, um den sich diesmal alles dreht, zitieren (er wurde inzwischen von den Blog-Betreibern unkenntlich gemacht). Sollte dieser Kommentar echt sein (was Callactive gegenüber dem Blogger Valentin Tomaschek zu bestätigt haben scheint), wäre das höchst interessant: Erstens wäre es recht offensichtlich, dass Callactive das Internet sehr genau auf mögliche Erwähnungen des Firmennamens überwacht (was natürlich ihr gutes Recht ist), und zweitens hätte Callactive den Satz, den zuvor niemand kannte und dessen weitere Verbreitung man mit der Abmahnung an Stefan verhindern wollte, damit lautstark in die Welt getragen. Außerdem verweist der Kommentar auf den einzigen halbwegs Niggemeier-kritischen Blogeintrag zum Thema bei F!XMBR, was wiederum Chris von F!XMBR dazu brachte, sich von der lobenden Erwähnung seines Blogs in den vermeintlichen Callactive-Kommentaren zu distanzieren.

Es könnte interessant sein, sich heute Abend doch mal Callactive-Sendungen (auf Viva, Nick und Comedy Central) anzusehen …

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Digital

SpOn findet “funzen” nicht k3w1

Wenn der “Spiegel” übers Internet schreibt, ist das meist ähnlich desaströs, wie wenn der “Spiegel” über Sprache schreibt. Wie erreicht man also maximales Desaster mit minimalem Aufwand? Richtig: Indem man jemanden über Internetsprache schreiben lässt.

Die eigenwillige Sprachgestaltung hat Tradition im Netz. Da schreiben Menschen schon mal Sätze wie “Das Hijacking-Problem könnte man mit dem header-redirect 301 leicht vermeiden.” Diese Sprache nervt Web-Nutzer.

Ja ja, diese ganzen verrückten Betrüger, Kriminellen und Kinderschänder im sogenannten “Internet”, ganz komische Leute.

Warum liest man eigentlich nie sowas:

Die eigenwillige Sprachgestaltung hat Tradition im Journalismus. Da schreiben Menschen schon mal Sätze wie “Das Musikmagazin ‘Rolling Stone’ zählte Spector noch 2004 zu den ‘100 großartigsten Künstlern aller Zeiten’.” Diese Sprache nervt Leser.

Spiegel Online ließ seine Leser über die “grässlichsten Web-Wörter” abstimmen. Mit erwartbaren Ergebnissen:

Blogosphäre. Übersetzung von Blogosphere. Meint die Gesamtheit aller Weblogs.

Leider erfahren wir nicht, was jetzt so “grässlich” an dem Wort ist. Ist es die Eindeutschung des englischen Begriffs, der englische Begriff selbst oder die Tatsache, dass man doch auch bequem “die Gesamtheit aller Weblogs” sagen könnte. Was wir aber sicher wissen: Autor Konrad Lischka hätte sein “meint” von seinem notorischen Kollegen Bastian Sick um die Ohren gehauen bekommen.

Netiquette. Benimmregeln für den Umgang miteinander im Netz. Es gibt keine einheitliche Liste, sondern viele, zum Teil schriftliche Vorschläge – und den gesunden Menschenverstand.

So what? Wir reden auch vom “Gesetz”, obwohl es sich dabei auch um “keine einheitliche Liste, sondern viele, zum Teil schriftliche” Texte handelt. Verstöße dagegen werden übrigens – im Gegensatz zu Netiquette-Verstößen – trotz gesunden Menschenverstands auch noch geahndet.

Zu den “von den SPIEGEL-ONLINE-Lesern meistgenannten Stör-Wörtern aus dem Internet”, die aber etwas anderes sind als die “grässlichsten Web-Wörter”, zählt unter anderem:

Googeln: “Mit Google im Internet suchen”, definiert der Duden, in dem dieser Ausdruck für das Recherchieren im Web inzwischen auch zu finden ist. “Google Earthen” kann man beim Googlen schon 384 Mal finden!

Schrecklich! Worte, die im Duden stehen! So tu doch jemand etwas!

Zu den “gedankenlosen Verniedlichungen, die man am liebsten nie mehr lesen oder hören will” zählt Spiegel Online dann das Wort “funzen”, womit endgültig klar sein dürfte, dass Texte zu Sprachthemen dort grundsätzlich nur von Nicht-Linguisten geschrieben und gegengelesen werden – sonst wäre sicher jemandem aufgefallen, dass “funzen” bekanntlich zu den Vokabeln der Ruhrgebietssprache zählt und eben kein Computer-Neologismus ist. Und eine “Verniedlichung” schon dreimal nicht.

Ich will das ganze Elend (“Jeder anständige Web-2.0-Dienst hat nicht nur einen vokalarmen Namen, sondern auch ein entsprechendes Verb.”) gar nicht weiter ausbreiten. Dass “Spiegel” und Spiegel Online” dumpfen Sprachprotektionismus betreiben wollen und sich noch nicht einmal von Linguistik-Professoren beeindrucken lassen, ist spätestens seit Mathias Schreibers großer Titelgeschichte (ist die 50 Cent nicht wert) offensichtlich. Das könnte einem ja egal sein, wenn derartige Geschichten nicht aufgegriffen und von selbsternannten “Sprachschützern” nachgeplappert würden.

Sprache lebt und verändert sich. Gerade Beispiele wie die auch verteufelten Verben “qypen”, “posten” oder “voipen” zeigen, wie kreativ man mit Sprache umgehen kann, und wie schnell Sprache auf technische Veränderungen reagiert (viel schneller als weite Teile der Gesellschaft oder gar der sog. Qualitätsjournalismus). Diese Veränderungen zu verurteilen, ist ungefähr so sinnvoll, wie die Evolution zu verurteilen.

Und wer schon über Internetsprache schreibt, sollte (wir wissen: “Qualitätsjournalismus”) wenigstens auch mal den einen oder anderen Fachmann zu Wort kommen lassen.

Kaufen Sie sich deshalb unbedingt das “Spiegel”-Sonderheft “Leben 2.0 – Wir sind das Netz”, wenn auch Sie an niedrigem Blutdruck leiden oder gerne Leserbriefe schreiben!

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Digital Leben Fernsehen

Jenseits von Eden

Gestern war also die zweite pl0gbar in Bochum und wenn ich eines gelernt habe, dann dass man hinterher darüber bloggen sollte. Zum Beispiel, um sich selbst und den anderen noch mal zu versichern, was für ein netter Abend es war (war es wirklich), und um niederzuschreiben, wie die Themen lauteten, über die man gesprochen hatte: Die goldene Fleischwurst der Fiege-Brauerei, diverse Auftritte Anwesender in den sog. “alten Medien” (ich hab mal lieber nicht erzählt, dass ich mal bei einer Aufzeichnung der Vox-Sendung “Kochduell” zugegen und auch groß im Bild war), die schönsten Lieder bei “Singstar”, sowie die Viva-Moderatorin Gülcan Karahanci, die man lieber nicht in der Nähe einer Fledermauskolonie sprechen lassen sollte, die aber bald einen Fernseher heiratet (oder irgendwie sowas).

Neben diesem Themen-Potpourri wurde auch immer wieder kurz über die mögliche Organisation eines sog. “Barcamps” in Bochum gesprochen, aber was das genau ist, hab ich auch nach längeren Erklärungsversuchen noch nicht ganz verstanden. Klang aber ein bisschen wie eine Mischung aus Informatikunterricht und Kirchentag. Gesungen wurde gestern schon – aber nur am Nebentisch.

Und hier noch die Nachklapps bei die ständige Reise, Pottblog, Tales from the Mac Hell und Ich denke nicht….

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Digital Leben

Seid Netz zueinander!

Es gibt Sachen, für die fehlt mir irgendwie der Zugang. So weiß ich zum Beispiel mit dem Gerede von der “Blogosphäre” nicht allzuviel anzufangen – nur weil ein paar Hundert Menschen mit der gleichen Content-Management-Software Texte ins Internet stellen, macht sie das doch nicht automatisch zu Gleichgesinnten. Genauso gut könnten sie sich ja auch “Generation Golf” nennen oder so einen Blödsinn. Auch habe ich bisher nicht verstanden, warum man sich mit Leuten, die man online kennengelernt hat, im Real Life treffen sollte – das Internet wurde doch erfunden, damit jeder in seinem Elfenbeinturm sitzen bleiben und trotzdem mit Menschen aus aller Welt kommunizieren (und sie im Zweifelsfall beleidigen) kann.

Trotzdem (und obwohl parallel “Dr. House” im Fernsehen lief) war ich vor knapp zwei Wochen bei der ersten pl0gbar in Bochum. Das war wider erwarten ein sehr netter Abend und deshalb wird dieser Spaß jetzt fortgesetzt.

Was ich auch nicht wusste ist, dass man hinterher darüber bloggen muss sollte. Klar, es kann ja außer den Dagewesenen keiner wissen, dass man da war – der Blog-Eintrag wird somit zur digitalen Urlaubspostkarte.

Wer also aus dem Großraum Bochum (wir nennen es “Ruhrgebiet”) kommt, irgendwie online aktiv ist und sich vielleicht darüber hinaus auch noch in der Lage sieht, mir die Angst vor Real-Life-Versammlungen zu nehmen, der ist am kommenden Dienstag, 12. Juni 2007 ab 19:00 Uhr im Café Konkret herzlich willkommen.

(Und jetzt kann ich noch diesen Link hier setzen, hat mein Betreuer gesagt. Ich weiß nur nicht genau, was das ist.)