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Listenpanik 01/09

Zu Beginn des neuen Jahres gibt es mal wieder ein paar Veränderungen an der Listenpanik: Ich habe mich von diesem doofen Top-Five-Denken verabschiedet.

Es gibt Monate, in denen könnte man acht Alben loben, und es gibt welche, da fallen einem eben nur drei ein. In der Vergangenheit standen öfter gerade noch okaye Alben in den Monatslisten, während gute Alben fehlten — dies wird fürderhin nicht mehr der Fall sein. Ich schreibe einfach alles auf, was mir gefallen hat, und versuche auch nicht mehr ganz so krampfhaft, eine Reihenfolge festzulegen.

Was bleibt: Die Listen sind streng subjektiv, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und das beste Album des Jahres findet man sowieso immer erst viel später.

Alben
Bon Iver – Blood Bank
“For Emma, Forever Ago” habe ich erst spät entdeckt und nach wochenlangem Hören bin ich mir sicher, dass Platz 8 in den Jahrescharts viel zu weit hinten war. Es ist aber nicht nur Wiedergutmachung, diese EP jetzt an exponierter Stelle zu loben, denn die gerade mal vier Tracks haben es in sich. Der Titeltrack entstand gemeinsam mit den Album-Songs, aber “Woods” klingt beispielsweise völlig anders: Er besteht nur aus Justin Vernons Stimme, bzw. dem, was Autotune davon übrig gelassen hat. Trotzdem klingt es nicht grauenhaft, wie auf dem letzten Kanye-West-Album, sondern ungefähr so packend wie Imogen Heaps “Hide And Seek”. Mann kann’s nicht beschreiben, man sollte es hören!

Antony And The Johnsons – The Crying Light
“Kunden, die Bon Iver kauften, kauften auch … Antony And The Johnsons”. Ich hab lange überlegt, ob ich vorher eigentlich schon mal einen Song von Antony Hegarty und seiner Band gehört habe. Ja, sagt Wikipedia, in “V for Vendetta”. Ich kann mich nicht daran erinnern, verspreche aber, diese Bildungslücke zu schließen, denn “The Crying Light” ist ein großartiges Album: Kammerkonzertartige Instrumentierung (weswegen die Band auch unter “Chamber pop” einsortiert ist), überraschende Wechsel in Takt und Harmonie und über allem eine Stimme, die man nur mit dem Adjektiv “entrückt” beschreiben kann. Wenn die Engelchen backen und sich der Himmel am Horizont rosa verfärbt, hören sie vermutlich solche Musik.

Black Rust – Medicine & Metaphors
Ein Album, wie geschaffen für den Januar: Es passt zu grauen Nachmittagen ebenso wie zu Schneespaziergängen im Sonnenschein. Da ist ein Songtitel wie “New Year’s Day” nur noch das Tüpfelchen (vielleicht sogar das Herzchen) auf dem i. Was mir an dieser Akustikrock-Platte so gefällt, steht ausführlicher hier.

Songs
Lily Allen – The Fear
Spätestens seit ich sie vor zweieinhalb Jahren live gesehen habe, bin ich ein bisschen in Lily Allen verliebt. Ich bin also nicht sehr objektiv, was ihre Musik angeht. Aber “The Fear” ist auch mit etwas versuchtem Abstand ein toller Song: ausgewogen zwischen Melancholie (Akustikgitarren, der Text) und Partystimmung (die Beats, das Gezirpe) geht er sofort ins Ohr, ohne dabei zu cheesy zu sein. Und zu der Idee, nicht wieder mit Mark Ronson zusammenzuarbeiten (und damit so zu klingen wie all diese Sängerinnen, die nach ihr kamen), kann man ihr sowieso nur gratulieren.

Mando Diao – Dance With Somebody
Es ist natürlich reiner Zufall, dass ausgerechnet in dem Monat, in dem Franz Ferdinand am Umgang mit Synthesizern scheitern, ihre schwedischen Wiedergänger einen derart gelungenen Tanzbodenstampfer aus dem Ärmel schütteln. Ein paar Takte “Enola Gay”; ein Sound der klingt, als habe man die eigentliche Band gegen The Ark ausgetauscht, und ein Refrain, der so schlicht ist, dass man ihn nur lieben oder hassen kann.

Bruce Springsteen – The Wrestler
Das neue Album “Working On A Dream” will mich irgendwie nicht so recht packen, alles klingt so altbekannt. Aber dann kommt “The Wrestler”, der Golden-Globe-prämierte Bonustrack, der an “The River”, “Secret Garden” oder “Dead Man Walking” erinnert, und ich bin wieder hin und weg. Die ganze Schwere der Welt in einem Song und auf den Schultern eines Mannes, der das aushält.

Antony And The Johnsons – Her Eyes Are Underneath The Ground
“Mutti, wovon singt dieser Mann?” – “Dass er mit seiner Mutter in einem Garten eine Blume gestohlen hat.” – “Aha!” Fragen Sie mich nicht, aber dieses Lied ist verdammt groß.

The Fray – You Found Me
Eigentlich soll man sich ja nicht für seinen Geschmack entschuldigen, aber bei College Rock habe ich immer das Gefühl, es trotzdem tun zu müssen. Ich liebe das Debütalbum von The Fray (die Melancholie, die Texte, das Klavier!) und es ist mir egal, dass sie als “christliche Rockband” gelten. “You Found Me”, die Vorabsingle ihres zweiten, selbstbetitelten Albums, läuft angeblich bei Einslive rauf und runter (Lily Allen läuft sogar auf WDR 2), aber das macht nichts. Die erste große Pathos-Hymne des Jahres 2009 hat Aufmerksamkeit verdient.

Animal Collective – Brother Sport
“Merriweather Post Pavillon”, das neue Album von Animal Collective (von denen ich bisher nichts kannte), fällt bei mir in die Kategorie “Sicher nicht schlecht, aber ich wüsste nicht, wann ich mir sowas noch mal anhören sollte” — und befindet sich dort mit Radiohead und Portishead in bester Gesellschaft. “Brother Sport” unterscheidet sich in Sachen Unzugänglichkeit und Melodielosigkeit nicht groß vom Rest des Albums, hat aber dennoch irgendwas (sehr präzise, ich weiß), was mich zum Hinhören bringt. Das Repetitive nervt diesmal nicht, sondern entfaltet seine ganz eigene hypnotische Wirkung. Aus irgendwelchen Gründen erinnert mich das an den Tanz der Ewoks am Ende von “Return of the Jedi”, auch wenn ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wieso.

[Listenpanik, die Serie]

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Get The Patina Started

Im Mai 2006, keine vier Monate, nachdem ich ihm die Kilians-Demo in die Hand gedrückt hatte, trafen Thees Uhlmann und ich in der Bochumer Zeche erneut aufeinander. Thees war Juror beim Nachwuchsbandwettbewerb einer großen Brauerei, ich war Zuschauer und diesmal völlig unschuldig. Es spielten drei oder vier oder fünf Bands und ich kann mich noch an zwei erinnern: die eine spielte Ska und hatte ihren ganzen Fanclub mitgebracht, die andere spielte Akustikrock und hatte den Vater eines Bandmitglieds als Percussionisten dabei.

Letztere Band hieß Black Rust und kam aus Ahlen. ((Ich werde mich hüten, irgendwas über kleine Städte zu schreiben, aus denen Bands kommen.)) Sie gewann die Publikumsabstimmung, ich erschwatzte mir am Merch-Stand eine Demo-CD für den Radioeinsatz ((Mir fällt in diesem Moment ein, dass ich die CD nie zur Abhörsitzung bei CT das radio mitgenommen habe. Ich bin gerne bereit, die zehn Euro nachträglich zu bezahlen, weil dieses Verhalten unentschuldbar ist — aber auch unerheblich für den weiteren Verlauf der Geschichte.)) und die Band spielte ein paar Wochen später – history does repeat – als Support für Tomte. Das Area-4-Festival, für das man bei dem Nachwuchswettbewerb einen Auftritt gewinnen konnte, fand nie statt.

Danach spielten Black Rust noch beim Haldern Pop 2007 (wo ich sie verpasste) und fortan hörte ich nichts mehr von ihnen. Um so überraschter war ich, als ich im letzten Dezember plötzlich hörte, dass die Band bald ihr offizielles Debütalbum veröffentlichen würde — produziert von niemand geringerem als dem Sophia-Mastermind Robin Proper-Sheppard.

Okay, von den Einflüssen des Düsterpop-Mannes hört man auf “Medicine & Metaphors”, das am heutigen Freitag erschien, auf Anhieb nicht ganz so viel, aber sowas spricht ja eher für die Band und ihre eigenen Qualitäten. Black Rust spielen Folkrock im weitesten Sinne, der mal nach Counting Crows, mal nach Goo Goo Dolls und mal an die Wallflowers erinnert. Musik amerikanischer Prägung also, die man sich wunderbar als Untermalung irgendwelcher romantischer Komödien und höherwertiger TV-Serien vorstellen kann.

“Empty Park. Empty Street.” erinnert stark, aber nicht zu sehr, an Ryan Adams und seine alte Band Whiskeytown; “Silent Lament” hat eher was von Damien Rice, weil es einerseits sehr reduziert mit einem Klavier und der angenehmen Stimme von Jonas Künne daherkommt, andererseits Dank eines Streichinstruments ((Da merkt man meine sehr begrenzte Kompetenz im Bezug auf Musikinstrumente, die nicht in meinem Keller stehen.)) eine enorme Opulenz entwickelt.

Ob es gleich 13 Songs und fast 57 Minuten Spielzeit voller Akustikgitarren, Kontrabässe und Mandolinen sein mussten, ist allerdings eine berechtigte Frage. Schlecht oder störend ist dabei kein einziges Lied, aber es zieht sich halt etwas, bis das Album schließlich mit dem Übersong “Marlene (6:54 Minuten, inkl. Wieder-Fade-In) seinen krönenden Abschluss findet.

Man ist versucht zu schreiben, dass Black Rust “erfrischend un-deutsch” klängen, aber dafür müsste man erstmal sagen, welche englischsprachige Band aus Deutschland eigentlich “deutsch” klingt. Jetzt von Reamonn mit ihrem irischen Sänger mal ab.

Black Rust - Medicine & Metaphors (Albumcover)
Black Rust – Medicine & Metaphors

VÖ: 30. Januar 2009
Label: Strange Ways
Vertrieb: Indigo

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Wir Sind Haldern

Haldern Pop 2003

Übermorgen ist es endlich soweit: das Haldern Pop Festival beginnt. Zeit, für einen letzten Stand der Dinge:

  • Ich werde versuchen, eine Art Liveblog zu betreiben. Natürlich nicht alle paar Minuten wie beim Grand Prix oder Fußball, aber ich werde schon versuchen, zu jeder Band zeitnah etwas zu schreiben. Mal gucken, wie das ohne eigenen Laptop geht, aber das sollte eigentlich schon passen. Ansonsten wird auch hier und hier von fachkundigem Personal live gebloggt.
  • Zu den Bands, die beim Wettbewerb für Nachwuchskünstler einen Slot im Spiegelzelt ergattern konnten, zählen Black Rust. Die hab ich letztes Jahr bei einem anderen Nachwuchswettbewerb in Bochum gewinnen sehen (sie erhielten einen Slot beim letztjährigen Area-4-Festival, das dann nie stattfand) und fand sie sehr gut. Das sollte man also nach Möglichkeit auch noch mitnehmen.
  • Als letzte Nachnominierung fürs “offizielle” Aufgebot tickerte vergangene Woche Kate Nash herein. Die junge Dame gilt schon als neue Lily Allen (wurde ja auch langsam Zeit …) und ist mit ihrer Single “Foundations” aktuell auf Platz 2 der britischen Singlecharts. Spielen wird sie am Donnerstag um 18 Uhr im Zelt – das könnte knapp werden.
  • Apropos Zelt und knapp: Sie haben es tatsächlich getan. Erstmals in der Geschichte des Haldern Pop werden sich Konzerte (absichtlich) überlappen. Am Freitag ist das für mich persönlich nicht so tragisch, weil zwischen Spiritualized und The Electric Soft Parade genug Zeit liegt, um vom Platz ins Spiegelzelt zu gelangen. Theoretisch zumindest, denn in den letzten Jahren war das schmucke Zelt fast immer bis an den Rand gefüllt – das kommt halt davon, wenn man Bands einlädt, die jeder sehen will. Schwieriger wird der Samstag, denn ich kann nicht gleichzeitig bei Jan Delay & Disko No. 1 und Ghosts sein. Im Zweifelsfall muss Herr Verzögerung dann vor einer Lukas-freien Zuschauerschaft spielen. Schade eigentlich.
  • Zuletzt das wichtigste: Hoffen wir mal, dass sich die Wettervorhersagen (Regenwahrscheinlichkeit ab Freitag Abend: 0%) bestätigen. Beim dritten Regen-Haldern in Folge würde ich nämlich meine Festivalbesucherkarriere beenden. Eigentlich bin ich eh schon viel zu alt, um im Zelt zu schlafen und notdürftig aufgewärmte Dosensuppen zu essen. Auf der Festivalseite gibt es aber ein Temperaturen-Tippspiel, bei dem man bis Donnerstag teilnehmen kann.

Haldern Pop 2002