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“Nazi” und “Papst” gehen immer

Länger keinen Nazi-Vergleich mehr im Blog gehabt …

Abhilfe schafft da die Schauspielerin Susan Sarandan, seit jeher politisch aktiv. Sie hatte sich laut “Newsday” in einem Interview mit ihrem Schauspiel-Kollegen Bob Balaban am Wochenende wie folgt geäußert:

She was discussing her 1995 film “Dead Man Walking,” based on the anti-death-penalty book by Sister Helen Prejean, a copy of which she sent to the pope.

“The last one,” she said, “not this Nazi one we have now.” Balaban gently tut-tutted, but Sarandon only repeated her remark.

Die deutschen Medien griffen den Vergleich mit mehr als 24-stündiger Verspätung auf und hatten somit den Vorteil, die (erwartbare) Empörung gleich mitnehmen zu können:

Die jüdische Anti-Defamation League bezeichnete die mutmaßliche Bemerkung als “verstörend, schwer beleidigend und vollkommen unangebracht”. Die Bürgerrechtsorganisation Catholic League for Religious and Civil Rights nannte den angeblichen Kommentar “obszön”.

In ganz eigene Sphären schraubt sich “Spiegel Online” mit dem Remix einer Reuters-Meldung. Schon im Vorspann versucht sich der Autor an einer Art Meta-Vergleich:

Willkommen in der Lars-von-Trier-Liga für entgleiste Film-Größen: Die Schauspielerin Susan Sarandon hat Papst Benedikt auf einem Filmfestival in New York als Nazi bezeichnet. Ihr Interviewpartner versuchte, Schlimmeres zu verhindern.

Und wenn Sie jetzt sagen: “Hä? Lars von Trier hatte doch in einem irrlichternden Gedankenstrom irgendwelche prominenten Vertreter des Dritten Reichs genannt und sich dann, gleichsam als Pointe der Provokation, selbst als ‘Nazi’ bezeichnet. Das hat ja wohl außer dem Wort ‘Nazi’ (und der damit verknüpften erwartbaren Empörung) nichts mit dem aktuellen Fall zu tun!”, dann beweisen Sie damit nur, dass Sie nicht für “Spiegel Online” arbeiten könnten.

Der Artikel schließt nämlich mit diesen Sätzen:

Sarandon wird nun in den kommenden Tagen erfahren, wie sehr sich die Öffentlichkeit an Nazi-Vergleichen von Prominenten abarbeitet. Der dänische Regisseur Lars von Trier hatte sich auf den Filmfestspielen in Cannes erfolgreich um Kopf und Kragen geredet und Sympathie für Adolf Hitler bekundet. Nach einem Empörungstsunami ermittelt nun sogar die Staatsanwaltschaft.

Nun könnten die Fälle von Sarandon und von Trier kaum weiter voneinander entfernt sein: Bei der einen ist es ein Skandal, weil sie den ehrenwerten Benedikt XVI. recht unspezifisch einen “Nazi” geheißen hat, beim anderen war es ein Skandal, weil er Hitler und Speer gelobt und sich dann auf der Suche nach einem Ausgang aus dem rhetorischen Führerbunker in die Selbstbezichtigung als “Nazi” zu retten versucht hatte.

Aber vielleicht meint “Spiegel Online” mit dem verunglücktesten Nazi-Vergleichsvergleich aller Zeiten ja etwas ganz anderes: “Sag einfach mal öfter ‘Nazi’, und wir schreiben auch wieder über Dich!”

Nachtrag, 18 Uhr: Bild.de bemüht sich überraschenderweise um ein wenig Relativierung:

Nun muss man wissen, dass im US-amerikanischen Wortschatz die Bezeichnung “Nazi” auch für kalte, herrscherische Person gebraucht wird – allerdings bleibt ein fahler Beigeschmack, der bei Bill Donohue, Präsident der katholischen Liga, für Empörung sorgt.

Am Ende dreht dann aber auch dieser Artikel ab:

Wie schnell die Bezeichnung “Nazi” nach hinten losgehen kann, zeigte sich im Mai bei den Filmfestspielen in Cannes. Star-Regisseur Lars von Trier (55, “Melancholia”) mit Hitler-freundlichen Äußerungen nicht nur für einen Skandal, sondern auch für seinen Ausschluss vom renommierten Festival gesorgt.

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Dialektik der Nicht-Aufklärung

Waschen Sie sich den rechten Arm, pieksen Sie kleine Reichskriegsfähnchen in den Käse und hängen Sie die Hakenkreuzgirlande auf: Wir haben einen neuen Nazi-Vergleich!

Die katholischen Traditionalisten der Priesterbruderschaft St. Pius X. hat sich im Vorfeld des Stuttgarter Christopher Street Days zu einer bemerkenswerten Aussage hinreißen lassen, wie “Spiegel Online” berichtet:

“Wie stolz sind wir, wenn wir in einem Geschichtsbuch lesen, dass es im Dritten Reich mutige Katholiken gab, die sagten: ‘Wir machen diesen Wahnsinn nicht mit!’. Ebenso muss es heute wieder mutige Katholiken geben!” heißt es in dem Text. Die Bruderschaft stellt den CSD als “eine Menge von sich wild und obszön gebärdenden Menschen” dar, die durch die Straßen Stuttgarts ziehen und suggerieren wollten, “Homosexualität ist das Normalste der Welt”.

Dieser Vergleich ist in zweierlei Hinsicht beeindruckend: Erstens war der Widerstand der Katholiken im Dritten Reich, vorsichtig gesagt, nicht sonderlich erfolgreich. Es dürfte also feststehen, dass nur noch eine Allianz aus den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion Deutschland von der Homosexualität befreien könnte. Und zweitens war der Nationalsozialismus laut Piusbruderschaft ja gar nicht so schlimm.

Hier berufen sich also Leute stolz auf den erfolglosen Widerstand gegen ein – ihrer Meinung nach – nur mittelmäßiges Verbrechen. Normale menschliche Gehirne wären wegen Überhitzung längst auf Not-Aus gegangen.

Auch “Bild” berichtet über die “Kampfansage” der Piusbrüder — natürlich nicht, ohne vorher noch ein bisschen Papst-Klitterung zu betreiben:

Nachdem Anfang des Jahres Pius-Bischof Williamsons den Holocaust leugnete und daraus ein Streit zwischen Pius-Bruderschaft und Vatikan entbrannte, folgt nun der nächste Hammer.

(Für die Jüngeren: Führende Piusbrüder hatten den Holocaust schon öfter geleugnet. Die öffentliche Diskussion entzündete sich daran, dass Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation von vier Bischöfen der Bruderschaft aufgehoben hatte.)

Jetzt schießt kreuz.net, das inoffizielle Zentralorgan der Piusbruderschaft, zurück und beginnt seine Hasstirade völlig unverblümt:

Spätestens jetzt wird die Einrichtung von Gaskammern unvermeidlich – dieses Mal nicht für die von den Deutschen getöteten religiösen Juden, welche die Homo-Perversion genauso verabscheuten wie es heute die Altgläubigen tun.

Immer wieder überraschend, wie viele Haken so ein Kreuz schlagen kann.

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Improve Your Importance!

Das People-Magazin “Vanity Fair” (also dessen tragischer deutscher Ableger) unternimmt zur Zeit mal wieder einen Versuch, Relevanz zu generieren. Diesmal nicht mit der beliebten Serie “Friedman und die Nazis”, sondern mit einer großen Abstimmung:

Die 100 wichtigsten Deutschen: Stimmen Sie ab!  Sie geben unserem Land Profil, ziehen an den Strippen, sorgen für Kultur, Fortschritt und kontroverse Debatten: 100 Persönlichkeiten, die unsere Gegenwart prägen. Wählen Sie mit uns die wichtigsten Deutschen des Jahres! Unterschätzt oder überschätzt? Starten Sie die Top 100 und klicken Sie auf den entsprechenden Button. Jede Stimme zählt. Ihr Favorit ist nicht dabei? In unserem Forum können Sie ihn gerne nachnommieren. Klicken Sie hier, um sich für das Forum anzumelden.

Man wundert sich ein bisschen, wer es so alles in die (aktuelle) Liste geschafft hat – über manche Personen ärgert man sich, bei anderen hält man es für verdient und muss zugeben, dass man sie selbst vergessen hätte.

Besonders angetan hat es den Machern und Nachreichern der Liste offenbar die Führungsetage von “Spiegel Online” bzw. “Spielgel Online”:

65: Wolfgang Büchner - Geschäftsführer Spielgel Online

66: Rüdiger Ditz - Geschäftsführer Spiegel Online

91: Rüdiger Dietz

(Der Mann, der sich zwei Mal mit unterschiedlicher Schreibweise, aber gleichem Foto in der Liste findet, heißt korrekt übrigens Rüdiger Ditz.)

Vorne werden die Plätze natürlich vor allem von mobilisierten Fanclubs vergeben (es gibt keine IP-Sperre, jeder kann so oft abstimmen, wie er mag): Hape Kerkeling, Tokio Hotel, Angela Merkel, Bushido, Benedikt XVI., Helmut Schmidt, Sido, …

Da stefan-niggemeier-fans.de.vu vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen wird, dachte ich mir, ich könnte ja ersatzweise mal hier im Blog Stimmung für meinen Chef machen – gerade, wo sich die Verantwortlichen von vanityfair.de die Mühe gemacht haben, mal ein anderes Foto von ihm zu finden.

Also: Klicket zuhauf!

PS: Sie tun vanityfair.de damit auch noch was Gutes, denn jeder Klick gilt als page impression und treibt damit deren Anzeigenpreise in die Höhe.

Nachtrag, 30. August, 02:04 Uhr: Zum Thema Ditz/Dietz schickte David M. diesen schönen Screenshot:

Außerdem:

1: Stefan Niggemeier, Medienjournalist und Blogger

Nachtrag, 2. September: vanityfair.de hat auf die denkbar unsouveränste Weise reagiert und den Counter für Stefan Niggemeier (und offensichtlich nur für ihn) einfach zurückgesetzt.

Unabhängig davon bin ich der Meinung, dass diese peinliche Abstimmung inzwischen genug Aufmerksamkeit abbekommen hat, und möchte Sie deshalb bitten, mit vanityfair.de das zu tun, was man mit vanityfair.de am Besten tut, und den Quatsch fürdahin einfach zu ignorieren.

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Wie schon St. Peter Lustig immer sagte

Ich hoffe, Sie hatten ein schönes Osterfest!

Die Karwoche ist immer die Zeit des Jahres, zu der ich katholisch werde. Sonst bin ich nie katholisch, schon gar nicht so getauft, und den Papst und das alles finde ich natürlich sowieso nicht gut. Aber ich mag die Showelemente, die die katholische Kirche dem Protestantismus voraushat ((Streng genommen gibt es den Protestantismus ja unter anderem genau deshalb, weil diese Showelemente wenig mit dem Glauben an sich zu tun haben, aber ich möchte hier weder Martin Luther erklären, noch in längere Religionsphilosophien abdriften.)) – ich gehe ja auch auf Robbie-Williams- und Killers-Konzerte – und Show gibt es eben an Palmsonntag und in der Osternacht.

Karfreitag verzichte ich aus mir selbst nicht nachvollziehbaren Gründen ((I guess that’s why they call it religion.)) auf Fleisch und Alkohol. Gleichwohl hätte ich kein Problem damit, wenn jemand vor meinen Augen ein halbes Schwein verspeisen oder ein Fass Wein leeren würde. Ich würde auch am Karfreitag “weg gehen”, gerne auch auf Konzerte. Zuhause wäre dies kein Problem: Außerhalb Bayerns können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie das “Tanzverbot”, das an den sogenannten “Stillen Tagen” gilt, aufheben wollen. In Bochum will man das offenbar seit längerem und die reichlich besuchten Gothic- und Metalparties sprechen für eine große Nachfrage. ((“Vier Tage Familienfeier ohne zwischenzeitlichen Ausgang” stehen auf George W. Bushs “Liste mit den Nicht-Folter-Methoden, die wir erproben sollten, falls wir Waterboarding jemals verbieten sollten” ziemlich weit oben.)) In Dinslaken ginge es nicht: Als regiere im Kreis Wesel der Pietcong, sind öffentliche Tanzveranstaltungen, der Betrieb von Spielhallen, Märkte, Sportveranstaltungen und die Vorführung nicht “feiertagsfreier” Kinofilme dort verboten – und zwar schon ab Gründonnerstag, 18 Uhr. Da kann man als Mensch, der an die Trennung von Staat und Kirche glaubt, schon mal nervöse Zuckungen im Gesicht kriegen.

Wenn der Staat Tanzveranstaltungen verbietet und gleichzeitig im Fernsehen Mord und Totschlag stattfinden, kann der Bürger die Plausibilität von staatlichen Regelungen nicht mehr nachvollziehen

sagte deshalb Bischof Gebhard Fürst, meinte das nur völlig anders als ich. Im katholischen Festttagskalender fest verankert ist nämlich seit einiger Zeit die Medienschelte zum Feiertagsprogramm: “Zu brutal, zu lustig, zu wenig familientauglich”, rufen dann der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz oder der Vorsitzende des medienpolitischen Expertenkreises der CDU ((Was lustigerweise ausgerechnet Günther Oettinger ist.)) erschüttert aus und werfen die Hände zum Himmel, so wie Pfarrer das in Fünfziger-Jahre-Schwarzweiß-Filmen immer machen, wenn der Satan in Form von Peter Kraus und seiner Rock’n’Roll-Kapelle ins Dorf kommt.

Während der Papst – über den Bernward Loheide von dpa übrigens letzte Woche einen sehr lesenswerten Bericht geschrieben hat – zum Osterfest 2008 so einiges unternahm, um sowohl Juden als auch Moslems vor den Kopf zu stoßen, soll also das deutsche Fernsehen unverfängliche Familienunterhaltung senden für eine Zuschauerschaft, die Ostern sicher nicht vor dem Fernseher, sondern mit der Familie beim Essen oder in der Kirche verbringen wollten? Aha. ((Nickeligkeiten wie die Behauptung, die zwanzigste Wiederholung von “Stirb Langsam” habe mehr Zuschauer gehabt als die Kirchen an Ostern Gottesdienstbesucher, spare ich mir schon aus Faulheit, die tatsächlichen Zahlen herauszusuchen. Außerdem liegt es mir fern, mich über Leute lustig zu machen, die in die Kirche gehen. Ich wäre nämlich auch in der (natürlich katholischen) Kirche gewesen, war aber im Urlaub.))

Reflektierter klang da der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, der in seiner Osterpredigt Medienkompetenz einforderte, aber gleichzeitig klarstellte, dass jeder die Freiheit habe, sich bestimmte Dinge nicht anzuschauen und abzuschalten. Und das ist ein so weiser Gedanke, dass er auch Carsten Matthäus als Schlusssatz seines sehr lesenswerten Kommentars bei sueddeutsche.de diente. Eben “Abschalten”, wie schon St. Peter Lustig immer sagte.