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Listenpanik 07/08

Die Ankündigungen, was für Alben in diesem Jahr noch so alles erscheinen sollen, machen mir ein bisschen Angst. Im August geht’s los und es wird erst zur großen Best-Of-Live-und-Raritäten-Welle im Dezember nachlassen. Davor lag aber noch der Juli, der jetzt nicht soooo viel Alben und Songs angespült hat, dafür aber einige richtig gute. Und für zwei gewohnt subjektive und unvollständige Top-Five-Listen reicht das allemal:

Alben
1. She & Him – Volume One
Die üblichen Klischeesätze über singende Schauspielerinnen (inkl. Verweis auf “Bandits”) können Sie sich ja selbst ausdenken: “She” ist Zooey Deschanel, die Sie aus “Almost Famous”, “Per Anhalter durch die Galaxis” oder der dritten Staffel von “Weeds” kennen, “Him” ist M. Ward, einer der ganz Großen im US-Indie-Folk. Fräulein Deschanel singt aber nicht nur gut, sie spielt auch einige Instrumente und hat fast alle Songs selbst geschrieben. Herausgekommen ist ein charmantes Album zwischen Folk und Sixties Pop, für dessen perfekte Rezeption sich irgendwie Cabriofahrten durch weite Landschaften anbieten.

2. The Hold Steady – Stay Positive
Ich muss ja zugeben, dass ich bis zu diesem Jahr noch nie von The Hold Steady gehört hatte. Aber irgendwie tauchten sie dann in allen von mir konsumierten Musikmedien auf und die CD stand an prominenten Stellen im Laden. Die Band kommt aus Brooklyn, NY und sieht sich mit ihrer Rockmusik in der Tradition von Hüsker Dü und Bruce Springsteen. Außerdem klingt’s für meine Ohren noch nach The Clash, R.E.M. und Ben Folds Five und da sehen Sie sehr schnell, warum mir das Album gefällt. Eigentlich handelt es sich um 14 Popsongs, die aber unter einer leichten Schmutzschicht aus überdrehten Gitarren versteckt sind – bis auf die Stellen, wo sich die Schmutzschicht löst und darunter zum Beispiel ein Harpsichord (oder ein ähnlich barockes Instrument) zum Vorschein kommt. Stellen Sie sich die Counting Crows zu “August And Everything After”-Zeiten und Weezer zu “Pinkerton”-Zeiten gemeinsam auf einem Album vor und Sie sind nah dran. Ach, hören Sie es sich einfach an!

3. Black Kids – Partie Traumatic
Und schon wieder so eine Indieband. Was die Black Kids von den meisten anderen Bands, die in dieser Serie schon zu Gast waren und längst wieder vergessen sind, unterscheidet ist die Tatsache, dass sie aus Florida kommen. Ihr Debütalbum haben sie aber unter der Regie von Bernard Butler in Großbritannien aufgenommen, weswegen sie auch eher britisch klingen (vermutlich taten sie das auch vorher schon, aber so kommt eins zum anderen). “Partie Traumatic” hat einen Überhit (“I’m Not Going To Teach Your Boyfriend How To Dance”, s.u.) auf der Habenseite und verfügt über neun weitere charmante Indiepopschlager. In einem halben Jahr vergessen, aber heute genau das richtige.

4. Dirty Pretty Things – Romance At Short Notice
Carl Barât ist der Paul McCartney der Libertines: der nette, weniger verrückte, der ohne die komische Frau. Eben nicht Pete Doherty. Und so, wie ich vieles von McCartney besser fand als die Lennon-Sachen, mag ich auch die Dirty Pretty Things mehr als die Babyshambles. Auf ihrem zweiten Album klingen sie nach Madness, The Clash und dann mal wie The Kooks in spannend. Oder: etwas spannender.

5. Beck – Modern Guilt
Seien wir ähnlich: Beck lebt (ein bisschen wie Oasis) von dem Ruf, einige der besten Alben der Neunziger aufgenommen zu haben. Nach dem phantastischen “Sea Change” vor sechs Jahren kamen zwar zwei Studioalben und ein Remixalbum, aber die klangen irgendwie so, wie Beck halt klingt. Was bei Oasis nicht weiter ins Gewicht fällt, ist bei einem wie Beck schon fataler – immerhin war sein Sound mal innovativ und neu. Vor diesem Hintergrund sind dann auch die Songs, die man vor zehn Jahren vermutlich urst cool gefunden hätte, heute eher noch okay. Aber weil ich im Juli nicht so viele neue Alben gehört habe, soll’s mal gerade noch für die Liste reichen.

Songs
1. Black Kids – I’m Not Going To Teach Your Boyfriend How To Dance
Offenbar soll es jetzt jedes Jahr den großen The-Cure-Gedächtnishit geben. Was letztes Jahr den Shout Out Louds gelang, ist dieses Jahr den Black Kids vorbehalten. Was für eine riesige Indie-Hymne, die jede Tanzfläche zum Bersten bringen dürfte!

2. She & Him – This Is Not A Test
Wären die Beach Boys die Beach Girls gewesen, hätten sie so geklungen: “Baaaaaaaa”, gepflegtes Geschunkel und ein Hauch von Melancholie hinter dem sommerlichen Frohmut. Der vermutlich beste Song auf einem tollen Album (s.o.)

3. Get Cape. Wear Cape. Fly – Waiting For The Monster To Drown
Bei Get Cape. Wear Cape. Fly steht für mich das Album irgendwie immer über den Songs. Vom Debüt könnte ich kaum ein einzelnes Lied benennen, das Gesamtkunstwerk Album überstrahlt alles. Aber beim Wiederhören des zweiten Albums (s. Listenpanik 03/08) musste ich feststellen, dass “Waiting For The Monster To Drown” ein Hammersong ist. Bigbeat, Streicher und “Baba”-Chöre, so schreibt man Hits. Also einfach: noch mal reinhören, Wahnsinnssong!

4. Weezer – Heart Songs
Angeregt durch diesen Kommentar habe ich mich dann doch noch mal näher mit der roten Weezer-Platte beschäftigt und siehe da: “Heart Songs”. Nicht unbedingt ein eingängiger Rocksong, aber ein unglaublich anrührender. Rivers Cuomo arbeitet sämtliche Einflüsse von Cat Stevens über Bruce Springsteen bis zur Erweckung durch Nirvana und den Start der eigenen Karriere ab und jeder Mensch, dessen Adoleszenz durch Rockmusik geprägt war (also ungefähr jeder Mensch), weiß, wovon der Mann singt.

5. Fotos – Explodieren
Von Fotos kriege ich irgendwie immer nur die Singles mit. Vor zwei Jahren zum Beispiel das gigantische “Giganten”, dieses Jahr eben “Explodieren”. Ein bisschen PeterLicht, ein bisschen Sterne, ein bisschen Superpunk. Ein sympathischer kleiner Rocksong, in jedem Fall besser als Madsen (was allerdings auch ein ziemlicher Gemeinplatz ist).

[Listenpanik – Die Serie]

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Was geht

Am Samstag schloss der Traditionsplattenladen “Elpi” in Bochum für immer seine Pforten. Nach langer Zeit (ich hab vergessen, noch mal nachzufragen, meine aber, mich an die Zahl von 28 Jahren erinnern zu können) zieht sich damit ein traditionsreicher Einzelhändler zurück, ein fast schon prototypischer Plattenladen wie in “High Fidelity”.

Ich war das erste Mal vor grob vier Jahren bei “Elpi”, an meinem ersten Tag in Bochum, dem Tag meiner Einschreibung. Ich kaufte mir damals “Sea Change” von Beck im Angebot, packte die CD in meinen Discman und weil sie so unendlich traurig ist, ich vom ersten Eindruck Bochums ziemlich deprimiert war und es auch noch anfing zu regnen, machte ich sie wieder aus und habe sie dieses Jahr am Abend vor meiner Examensfeier zum ersten Mal an einem Stück gehört.

Ich war gerne bei “Elpi” und habe viele CDs gekauft, aber ehrlich gesagt nur wenige neue. Da konnte der Laden, der zu keiner großen Kette gehörte, nicht mit den Preisen der Elektronikkaufhäuser und Internet-Versandhäsuer mithalten. Und nicht nur ich zuckte bei Preisen von siebzehn, achtzehn Euro immer wieder zusammen, auch viele andere kauften nicht mehr in dem kleinen Laden in der Fußgängerzone.

Deshalb war jetzt Schluss. Nicht wegen “Saturn”, wie mir die Mitarbeiter erzählten, aber die Perspektive eines riesigen CD-Angebots zu Kampfpreisen in der Nachbarschaft beschleunigte die Entscheidung wohl. So war immerhin noch ein würdevoller Abschied möglich und der Laden musste nicht leer bleiben, während die alten Kunden mit schlechtem Gewissen zur Konkurrenz schlichen. Der Name und die Mitarbeiter bleiben immerhin im “Elpi-Ticketshop” erhalten, der im neuen “Saturn” neben der CD-Abteilung im zweiten Stock liegt.

Die letzten Wochen waren natürlich die übliche Leichenfledderei mit Ausverkauf und Rabatten von 25 bis 50 Prozent. “Soll man da überhaupt noch mal hingehen?”, fragte ich mich und mein imaginary friend sagte: “Doch, klar. Erstens hast Du ja schon früher da gekauft und zweitens nehmen die so wenigstens noch was Geld ein.” Und so kaufte ich noch mal CDs: The Clash, Sugababes und Randy Newman, als allerletztes “Neon Golden” von The Notwist.

Und auf der heißt es ja:

Fail with consequence, lose with eloquence and smile.