Ich bin medizinisch nicht sehr bewandert, von daher weiß ich nicht, ob es analog zum Blinddarm-Durchbruch auch einen Hirn-Durchbruch gibt. Zumindest gibt es eine Art Dammbruch (diesmal nicht medizinischer, sondern wasserbaulich-metaphorische Natur), was die Verwendung von dummen, kranken, naheliegenden, anstrengenden und mehrfach gebrochenen (auch nicht medizinisch, sondern ironisch) Obama-Anspielungen angeht.
Hier eine kleine Auswahl der aktuellsten Kanntastrophen-Meldungen:
Es ist vermutlich kein Geheimnis, dass ich den Online-Auftritt der “New York Times” – neben dem des englischen “Guardian” – für das absolute Nonplusultra halte. Die Seite verbindet die qualitativ oft sehr hochwertigen Texte der Zeitung mit einem ansprechenden Layout und so ziemlich allem, was die moderne Technik hergibt.
Die neueste Idee: ein riesiges Foto von der Ehrentribüne bei der gestrigen Vereidigung (oder “Inauguration”, um das neue Lieblingswort vokabelschwacher deutscher Journalistendarsteller zu verwenden) von Barack Obama.
Aber es ist nicht nur ein riesiges (zusammengesetztes) Foto, man kann auch hineinzoomen, über die Köpfe der dort sitzenden Personen fahren und sich bei vielen Personen anzeigen lassen, wie sie heißen. Darüber hinaus kann man direkt auf eine bestimmte Stelle des Fotos verlinken (falls man z.B. wie John Cusack selbst im Bild ist und damit vor all seinen Freunden rumprotzen will) und nach allen identifizierten Personen suchen. Und das alles bei Interesse auch noch im Vollbildmodus.
Ist es das, was die Welt unbedingt gebraucht hat? Nein. Ist es trotzdem toll? Auf alle Fälle.
Nur einen Walter habe ich nirgendwo finden können.
Nachtrag, 15:52 Uhr: Dank tatkräftiger Unterstützung von Stitch habe ich doch noch einen Walter gefunden: Walter Mondale, Vizepräsident von 1977 bis 1981.
Der heutige Tag lädt natürlich irgendwie zum völligen Freidrehen ein. Aber wenn wir uns dann vielleicht darauf einigen könnten, ab morgen wieder mit diesem Unfug aufzuhören …
[Aus dem Prospekt eines “Promarkts” in Frankfurt, eingesandt von Leser Georg Z.]
[cd-wow.com feiert einen “Barak Obama”, wer auch immer das sein mag]
In einer Woche wird Barack Obama in Washington DC den Amtseid schwören und auch endlich offiziell der 44. Präsident der USA sein. Dann geht es los mit seiner Weltrettungsmission, an deren Ende alle Menschen Brüder geworden und alle Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet sein werden.
Wie das genau aussehen wird, darüber haben sich die Macher von Nicht gedreht, Projekt Hörspiel und Prisac so ihre Gedanken gemacht. Dank dieses Internets, von dem man im Moment so viel hört, können wir alle daran teilhaben:
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, den Eierlikör kurz zur Seite zu stellen, sich vielleicht eine Wunderkerze vom Vorrat für morgen abzuzwacken und sich von den Plätzen zu erheben. Applaus für den Stargast des heutigen Abends: Howard Carpendale!
Ich kenn ihn aus dem Fernsehn Internet
Seit über einem Jahr
Am Anfang war ich skeptisch
Doch am Ende war mir klar
Wenn einer etwas ändert bloggt
Dann ist es sicher er
Und ich hätt auch mit geschrien getrackbackt
Wenn ich dabei gewesen wär
Yes We Can
Es war die Nacht der Nächte
Und ich war bis morgens wach
Und ich wünschte mir nichts mehr als dass
dieser schwarze schmale Mann es schafft
Ich wär gern dabei gewesen
So wie tausende zwei oder drei mit ihm
Und ich hätt mit ihnen allen
In den Himmel das Twitter rein geschrien
Yes We Can
Jawohl, er hat es geschafft: Lukas Heinser ist mit dem Goldenen Blogger 2008 ausgezeichnet worden. Er wurde in der großen Publikumsabstimmung zum “Besten Blogger deutsch” gewählt. Frau Franzi und die Herren Knüwer und Fiene übergaben den traditionsreichen Preis gestern Abend im Rahmen einer glanzvollen Sofarunde mit Konferenzschaltung.
Lukas Heinser nahm die Würdigung gefasstundäußerlichgelassen auf. Vermutlich weiß er, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt. Dass er die vielen Hoffnungen, die in ihn gesetzt werden, nicht enttäuschen darf.
Aber wenn Sie die Kraft aufbringen, oben im YouTube-Fenster auf “Replay” zu klicken, wissen Sie, dass man alles kann, wenn man nur an sich glaubt.
Manchmal stolpert man über Texte, die erscheinen einem auf den ersten Blick wirr. Dann liest man sie nochmal und fragt sich, was einem der Autor damit sagen wollte. Beim dritten Lesen wüsste man dann gerne, ob da nicht vielleicht der Hustensaft abgelaufen war.
Lesen Sie die folgenden Zeilen also ruhig mehrfach:
Die Kanzlerin spricht nicht von Weltschmerz, dem schönen Begriff des bayerischen Dichters Jean Paul. Sie wählt statt des Germanismus’ den Anglizismus „Herausforderung“. Alles, was für den Deutschen ein Problem ist, nennt der US-Amerikaner Herausforderung. Das ist die Wurzel des „Yes-we-can“-Optimismus’ eines Barack Obama. Der Deutsche stellt sich naturgemäß der Herausforderung, die ihm ebenso natürlich zur Herkulesaufgabe gerät. Das ist die Wurzel des „No we can’t“-Pessimismus’ der deutschen Kanzlerin.
Beim Verständnis dieser Passage ist weder der Kontext hilfreich noch die folgende Erklärung zur Person des Verfassers Georg Thanscheidt:
Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der AZ
Bisher hat sich die SPD viel Mühe gegeben, unsere neue Liste “Yes, maybe we could try to, but come to think of it: we definitely can’t” zu dominieren. Aber die CDU schläft nicht:
Nun kann man sicher sein, dass das heillose Durcheinander der folgenden Sätze auf das Konto der “Ruhr Nachrichten” geht, aber zum Horst macht sich Schlütermann trotzdem:
„Mein Ziel sind 11000 Bürger.“ Es sei zwar sicher, dass diese Zahl später aufgrund der demographischen Entwicklung wieder aufnehmen, doch sage ich Leuten, die ein Bevölkerungsanstieg nicht glauben können : „Yes we do“.
“Was können wir vom Wahlkampf von Barack Obama lernen?” hatte ein Delegierter auf dem Grünenparteitag den zu diesem Zeitpunkt noch designierten Parteivorsitzenden Cem Özdemir gefragt. Özdemir antwortete irgendwas Kluges, Abwartendes, von wegen das solle man jetzt nicht alles nachmachen und man müsse auch mal sehen und so …
“Ist eine Internet-Kampagne wie die von Barack Obama auch in Deutschland möglich?” hatte Markus Beckedahl schon kurz nach Obamas Wahlsieg gefragt und sowohl eine kurze (“Ja und Nein”), als auch eine lange Antwort darauf gegeben.
Aber wie das immer so ist: auf besonnene Politiker hören genauso viele Personen, wie längliche Blog-Einträge lesen — also kaum einer. Und so kommt es, dass die zweite bis dreißigste Reihe (so viele Sitzreihen hat das Bochumer Ruhrstadion, vielleicht bietet jemand mehr) der Politiker jetzt vor den Fettnäpfen Schlange steht, um auf eine neue Liste zu kommen.
Sie heißt: “Yes, maybe we could try to, but come to think of it: we definitely can’t”
Eine weitere gewagte Kombination aus Slogan und missglückter deutscher Sprache fand ich dann bei Facebook:
Und den finalen Auslöser, die Nummer von einer Twitter–Serie zu einer Blog-Serie zu machen (hoffentlich nicht), fand ich dann im Dinslakener Lokalteil der “Rheinischen Post”:
Der aufstrebende Lokalpolitiker Heinz Wansing hat sich vom Dinslakener Regisseur Adnan Köse (“Lauf um Dein Leben – Vom Junkie zum Ironman”) überreden lassen, einen Wahlwerbespot zu drehen, der ab Januar als zehnminütige Version auf seiner Homepage und später als Zweiminüter in der Dinslakener Lichtburg laufen soll.
Die “RP” zitiert den Regisseur wie folgt:
Man muss die neuen Medien nutzen. Mir gefällt seine Haltung und ich will mit dem Film erreichen, dass neben dem Politiker und Verwaltungsfachmann auch der private, der Mensch Heinz Wansing fokussiert wird.
Und wenn Sie jetzt fragen: “Ja, was sollen die armen deutschen Politiker denn jetzt machen, ohne dass Ihr Internet-Jungspunde Euch immer über deren Unbeholfenheit lustig macht?”, dann antworte ich mit meiner glockenklarsten Engelsstimme, die sonst für Familienbesuche und meinen Bankberater reserviert ist: “Politik!”
Für jeden Obama-Verweis hier auf dem Grünenparteitag sollen wir einen Kiwilikör trinken, hat Kunar in den Kommentaren geschrieben. Bisher hält sich das in den Reden in Grenzen, aber diese Journalisten fordern uns einiges ab:
Und zum Schluss noch ein richtig knackiger Slogan von welt.de:
Beachten Sie für alle Parteitags-Beiträge bitte die Vorbemerkungen.
Was auch immer es braucht, um in den braunen Fettnapf zu treten: es liegt dieser Zeit eine Menge davon in der Luft.
Vor knapp zwei Wochen hatte Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, einen äußerst unglücklichen Vergleich zwischen der aktuellen Pauschalkritik an Managern und der Situation der Juden nach der Weltwirtschaftskrise gezogen — und am Tag darauf sofort um Entschuldigung gebeten.
Gestern muss es dann mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff durchgegangen sein, der ausgerechnet in der Talkshow von Michel Friedman von einer “Pogromstimmung” gegen Manager gesprochen hat, wie “Spiegel Online” berichtet. Aber vermutlich lag ihm die Vokabel nur gerade so auf der Zunge, weil sich in wenigen Tagen die Reichspogromnacht zum siebzigsten Mal jährt. Auch Wulff hat seinen Vergleich heute bedauert.
Die schwerwiegendere Entgleisung dieser Woche kommt (wie irgendwie fast immer) aus Österreich: Dort hatte sich der pensionierte ORF-Journalist Klaus Emmerich in der Sondersendung zur US-Präsidentschaftswahl wie folgt geäußert:
Ich möchte mich nicht von einem Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen. Wenn sie sagen, des ist eine rassistische Bemerkung: richtig, ist gar keine Frage.
Mit diesen unverhohlenen Ansichten schlägt Emmerich sogar Michael Heinrich, der in der anlässlich der Wahl Obamas in der Münchner “Abendzeitung” von “negroiden Lippen” und “Kopfformen” schwafelt.
Und dann war da noch der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der in seiner ersten Stellungnahme zur Wahl Obamas sagte, dieser sei “jung, hübsch und gebräunt”.
Sie alle haben sich einen Platz in meinem Buch “Schlimmer als Hitlerkrebs – Missglückte Rhetorik für Profis” verdient, das ich auf Grundlage dieser Liste nächste Woche zu Schreiben beginnen werde.
Man sollte diese ganzen Vergleiche nicht ziehen. Man sollte sich nicht ansehen, wie Barack Obama diese Präsidentschaftswahl gewonnen hat, und dann an Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Oskar Lafontaine denken. Wir könnten depressiv werden und das wäre ein schlechter Zeitpunkt, jetzt da die ganzen New Yorker Psychiater, die vor Bush geflohen waren, bald in ihre Heimat zurückkehren.
Markus hat sich bei Netzpolitik trotzdem Gedanken darüber gemacht, was die deutsche Politik aus dem Wahlkampf lernen könnte, den Obama geführt hat. Man kann es glaube ich so zusammenfassen: die verkrusteten, jahrzehntealten Parteistrukturen dürften eine Graswurzelbewegung nahezu unmöglich machen.
Aber vielleicht könnte die deutsche Politik ja mit was Einfacherem anfangen und von John McCain lernen. Hier seine concession speech:
A little while ago, I had the honor of calling Senator Barack Obama to congratulate him on being elected the next president of the country that we both love.
[…]
I urge all Americans who supported me to join me in not just congratulating him, but offering our next president our good will and earnest effort to find ways to come together to find the necessary compromises to bridge our differences and help restore our prosperity, defend our security in a dangerous world, and leave our children and grandchildren a stronger, better country than we inherited.
McCains Rede war klar und aufrichtig. Sie war von der Annahme geprägt, dass die amerikanischen Wähler klug entschieden haben, wem sie in der Krise am meisten vertrauen, und von dem Wunsch, dass es Amerika gut geht. McCain bremste den Zorn und die Enttäuschung seiner Anhänger und schwor sie auf ein gemeinsames Amerika ein. Und als er auf Obamas am Tag zuvor verstorbene Großmutter zu sprechen kam (“Though our faith assures us she is at rest in the presence of her Creator and so very proud of the good man she helped raise.”), kamen mir wirklich fast die Tränen.
Zum direkten Vergleich hier noch mal kurz der Verlierer der letzten Bundestagswahl:
Verglichen mit dem, was wir erleben mußten in den letzten Wochen und Monaten, bin ich wirklich stolz auf meine Partei, auf die Menschen, die mich unterstützt haben, die uns gewählt haben und die uns ein Ergebnis beschert haben, das eindeutig ist. Jedenfalls so eindeutig, daß niemand außer mir in der Lage ist, eine stabile Regierung zu stellen. Niemand, außer mir!
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