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Leben Unterwegs

Vandalen auf der Durchreise

Gerade im Regionalexpress die vielleicht beste Durchsage ever gehört:

Verehrte Fahrgäste, wir wissen selbst, dass das heute alles etwas bescheiden ist, aber leider hatten wir heute auf dem Weg von Aachen nach Hamm eine Schulklasse im Wagen 3, die die Sitze aufgeschlitzt und mit Flüssigkeit übergossen hat. Wir musste den Wagen deswegen leider abschließen.

Der Rest der Durchsage ging im Gelächter der Fahrgäste unter.

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Leben

Someday We’ll Know

Es wäre unhöflich, den Hauptbahnhof von Mülheim an der Ruhr als heruntergekommensten Bahnhof des Ruhrgebiets zu bezeichnen. Es gibt ja noch Duisburg und Dortmund und sämtliche S-Bahn-Haltepunkte dazwischen. Die beste Zeit aber hatte das Gebäude in der Stadt meiner Vorväter definitiv schon länger hinter sich und das wusste auch jeder in Mülheim.

Nun ist es soweit: Seit Dienstag wird der Bahnhof auf den bald beginnenden Umbau vorbereitet! Der Platz vor dem Haupteingang soll einen eigenen “‘Kiss & Ride’-Bereich” bekommen, was ich ganz entzückend finde.

Mit den jetzt tatsächlich anstehenden Bauarbeiten ist dann allerdings auch das legendäre Schild hinfällig, das schon vor längerem (angeblich) den Mülheimer Hauptbahnhof zierte:

Baubeginn: Demnächst
Eröffnung: Nach Fertigstellung

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Digital Leben

Zettel-Traum

Thomas schrieb in den Kommentaren zum Beitrag über mein selbstgemaltes Schild im Treppenhaus:

Einfach noch einen Zettel schreiben. Mit Rechtschreibfehlern, mehr Unterstreichungen und WICHTIGEN WÖRTERN IN GROSSBUCHSTABEN!!!!! So ähnlich wie die Zettel am Dinslakener Bahnhof bitte.

Damit konnten Sie als Nicht-Dinslakener vermutlich wenig anfangen.

Das macht aber nichts, denn es gibt ein wunderbares Blog, das die geheimnisvollen Zettel am Dinslakener Bahnhof minutiös dokumentiert. Seit anderthalb Jahren fotografiert und kommentiert der mir unbekannte Blogger alle neuen Botschaften, die man am Bahnsteig und in der Eingangshalle lesen kann.

Mein bisheriges Lieblingsmotiv:

Verbot!! Wer besitzt die Unverschämtheit und bringt von zu Hause Mülltüten hier mit und wirft diese in die Behälter der DB? Nur für Reiseabfall. Benutzen Sie zu Hause für Ihren Müll. Ihre Restmülltonne.

Aber nicht nur die Exponate selbst sind sensationell, auch die dazugehörigen Kommentare sorgen immer wieder für Lacher.

So wie dieser hier:

Was auf den ersten Blick wie ein altes, bekanntes Hinweisschildchen ausschaut, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als ein Hinweisschildchen der vierten oder fünften Generation. Immer wieder neu muss hier also mit Hilfe von Freund Tesafilm für den freien Zugang zum Abfallbehälter gekämpft werden.

Hinter diesen ominösen Zetteln steckt vermutlich Manfred Reiners, ein Rentner, der sich seit einigen Jahren ehrenamtlich um den ansonsten völlig heruntergekommenen Dinslakener Bahnhof kümmert und es damit immerhin schon zu Erwähnungen im Lokalteil der “Rheinischen Post”, in der “Wirtschaftswoche” und beim WDR gebracht hat.

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Leben

Train In Vain

Seit 15 Jahren verkehrt zwischen den Hauptbahnhöfen von Bochum und Gelsenkirchen die Nokia-Bahn, deren wichtigste Haltestelle der Bahnhof Bochum-Nokia am Nokia-Werk in Bochum-Riemke ist.

Allein: Das Nokia-Werk gibt es nicht mehr, seit sich der finnische Handyhersteller spontan und unter Zahlung von Abfindungen aus der Stadt verabschiedet hat. Die Haltestelle und die Bahn-Linie der privaten Firma Abellio brauchen also einen neuen Namen, weswegen der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) einen Wettbewerb ins Leben gerufen hat, bei dem man seine Vorschläge einreichen kann.

Na, dann wollen wir doch mal anfangen:

  • BO-GE-n-Bahn (fährt ja zwischen Bochum und Gelsenkirchen und in einem schönen Bogen über das Bochumer Bermuda3eck)
  • Bermuda-Express (weil wegen Bermuda3eck; aus den Kommentaren bei den Ruhrbaronen)
  • Rimmelbahn (benannt nach RIM, der neuen Firma in den alten Nokia-Gebäuden; erfunden von Jens)
  • Blau-Weiß-Express (passt zwar schön zu den Erstligavereinen der beiden Städte, ist aber insofern albern, als die jeweiligen Stadien nur von Straßenbahnen angesteuert werden)
  • Urbahn (braucht ein bisschen länger, bis er zündet, wird sich aber bei Leuten, die in Restaurants namens “Ess-Bar” gehen, großer Beliebtheit erfreuen)
  • Truppenab-Zug (der heimliche Favorit der Partei “Die Linke”)
  • Western And Occidental Express (immerhin hält er in Bochum-West und die Zeit des Understatements muss im Pott endlich mal vorbei sein)
  • City Express (als Hommage an diese unfassbar schlechte ARD-Serie, die ich immer mit großer Begeisterung geschaut habe)
  • Starlight Express

Sehr cool wäre ja ein Coffee-And-TV-Express, aber ich fürchte, selbst wenn wir alle zusammenschmeißen, reicht das nicht aus.

Was meinen Sie?

[via Ruhrbarone]

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Unterwegs Leben

Der Weg ist das Ziel

Arnhem Central

Ich war ja in Amsterdam. Das Hinkommen war allerdings ein bisschen knifflig, das Wegkommen noch mehr.

Und das kam so:

Am Mittwoch, 23. Juli Uhr bestieg ich um 09:35 Uhr in Oberhausen den ICE International 226 nach Amsterdam – dort sollte er allerdings nie ankommen, da kurz vor Utrecht allen Fahrgästen per Durchsage mitgeteilt wurde, der Zug werde heute nur bis Utrecht fahren. Etliche Leute mussten mit ihrer Arbeit aufhören, die sie sich für die 110-minütige Fahrt vorgenommen hatten (ich nur mit dem Gucken von DVDs), die Familie am Nebentisch, die sich auf einem Tagesausflug nach Amsterdam befand, begann ihr Besuchsprogramm im Geiste zusammenzustreichen. In Utrecht wurde unser Zug sofort nach Einfahrt zu einem ICE nach Frankfurt (Main) umdeklariert, der allerdings auch schon einiges an Verspätung hatte. Außerdem hätte er eigentlich aus Amsterdam abfahren sollen und eben nicht aus Utrecht. Wir aber stiegen in einen niederländischen Intercity (was ungefähr unseren Regionalexpressen entspricht) und kamen mit etwa 25 Minuten Verspätung in Amsterdam an.

Am Freitag, 25. Juli sollte der ICE International Richtung Frankfurt um 18:34 Uhr in Amsterdam Centraal losfahren. Eine dreisprachige Durchsage informierte mich und die anderen Fahrgäste darüber, dass der Zug heute erst ab Arnhem fahren werde – wir mögen bitte mit dem Intercity um 18:22 Uhr bis dort fahren. Man machte sich Sorgen, ob wir den ICE denn in Arnhem überhaupt erreichen würden – erst spät kamen Durchsagen, dass der ICE dort auf uns warten würde.

Er hätte nicht warten brauchen, denn wir erreichten Arnhem so, dass ein Wechsel in den dort für 19:37 Uhr eingeplanten ICE problemlos möglich gewesen wären – allein der ICE war nicht da. Er wende gerade, erklärte das ebenfalls wartende DB-Bordpersonal. Schließlich konnten wir ihn alle sehen, aber er kam nicht, weil vorher noch mehrere Regional- und Güterzüge den Bahnsteig passieren mussten. Mütter brachen vor ihren Familien in Tränen aus, Studenten mit Interrailtickets (für die es sich offenbar auszahlt, mit den Lehren des Zen-Buddhismus vertraut zu sein) überschlugen grob, ob sie Salzburg noch vor der Wiederkehr Christi erreichen würden.

Als der Zug schließlich einfuhr gab es tumultartige Szenen, wie man sie sonst nur aus Zombiefilmen der 1970er Jahre kennt. Mit vierzig Minuten Verspätung fuhr der ICE schließlich aus Arnheim los – und kam nach wenigen Minuten wieder zum Stehen. Von den ersten vierzig Minuten nach der Abfahrt verbrachten wir insgesamt 24 Minuten auf offener Strecke stehend, weil die langsamen Güterzüge, die wir im Bahnhof Arnhem noch hatten an uns vorbeifahren sehen, nun direkt vor unserem ICE waren. Ich begann zu ahnen, dass die wirklich anspruchsvollen Aufgaben der Diplomatie eher mit grenzübergreifendem Schienenverkehr zu tun hatten und weniger mit Atombomben und Gefangenenaustauschen.

In den Durchsagen wurde den Reisenden vage in Aussicht gestellt, dass ihre Anschlusszüge auf sie warten könnten – was eine völlige Sprengung des Fahrplans in halb Mitteleuropa zur Folge gehabt hätte. Auf Deutsch und Holländisch (schade für die vielen Amerikaner) wurde schließlich angekündigt, dass es für jeden Fahrgast ein kostenloses alkoholfreies Getränk gebe. Bis Oberhausen schaffte es unser Zug noch auf beeindruckende 73 Minuten Verspätung – bei 110 Minuten geplanter Reisezeit, wohlgemerkt.

Man muss sich folgendes noch mal vor Augen halten:

  • Der ICE nach Amsterdam fuhr am Mittwoch Mittag nur bis Utrecht.
  • Der ICE aus Amsterdam fuhr am Mittwoch Mittag erst ab Utrecht.
  • Der ICE aus Amsterdam fuhr am Freitag Abend erst ab Arnhem.
  • Der ICE nach Amsterdam fuhr am Freitag Abend offenbar nur bis Arnhem.

Bei dieser Summe von Einzelfällen innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitrahmens klopft natürlich schon die Frage an, ob es eigentlich eher die Ausnahme oder die Regel ist, dass die ICEs auf dieser Strecke bis zu ihrem geplanten Ziel bzw. von ihrem geplanten Start fahren.

Bei der Deutschen Bahn AG war man bisher nicht Willens und/oder in der Lage, mir diese Frage zu beantworten hat man ausführlich auf meine Frage geantwortet. Nachzulesen hier.

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Züge, Tiere, Sensationen

Das mit den Tieren und der Deutschen Bahn ist noch viel schlimmer, als bisher vermutet:

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Biber

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Musik

What’s new to you?

Männer tun ja manchmal merkwürdige Dinge. Frauen heiraten, zum Beispiel, oder achteinhalb Stunden unterwegs sein für 75 Minuten Konzert. Ich habe gestern letzteres gemacht und mir die Stereophonics angesehen.

Erst muss man nach Köln fahren, was ja für sich genommen schon schlimm genug ist, und dann steht man auch noch inmitten von angetrunkenen Briten und alten Leuten, die aussehen, als hätten sie eigentlich zu Bryan Adams gehen wollen, und wird mit dem Gesamtwerk der überaus schrecklichen Band Live beschallt. Das allerdings war, wie sich bald herausstellen sollte, eine gute Vorbereitung auf die Vorband Hero. Die vereinten nämlich auf beeindruckende Weise so ziemlich alles, was ich an Bands wie Status Quo, Bush, Simple Minds und INXS nicht ausstehen kann, und hatten einen Sänger der aussah wie der von Right Said Fred. Danach liefen zum Glück die größten Hits von The Clash.

Nach schier endlosem und wiederholtem Gitarrenstimmen auf der Bühne (das ist so nicht Rock’n’Roll) gingen die Stereophonics nebst Zusatzgitarrist und -keyboarder um Punkt 22:00 Uhr auf die Bühne. Da ich noch den letzten Zug nach Bochum erwischen musste, wusste ich schon, dass ich nicht das ganze Konzert würde sehen können. Das war aber erst mal egal, als die ersten Takte von “Bank Holiday Monday” erklangen und die Band loslegte wie ein Haufen junger Hunde.

Die Setlist war eine ausgewogene Zusammenstellung aus nahezu allen Schaffensperioden der Band, nur “You Gotta Go There To Come Back” blieb komplett außen vor. Am meisten gefeiert wurden die ganz neuen Songs von “Pull The Pin” und die Hits der ersten beiden Alben – “Superman”, “Devil” und “Doorman” von “Language. Sex. Violence. Other?” liefen irgendwie ins Leere. Leider gab es nach dem furiosen Auftakt immer wieder Hänger, “Pick A Part That’s New” drohte gar völlig auseinander zu fallen, so erschreckend lahmarschig geriet der Refrain. “Traffic” stand ähnlich auf der Kippe, aber “Mr. Writer” und mein Phonics-Liebling “Just Looking” waren dafür makellos.

Die Band war bestens gelaunt (ich glaube, ich habe Kelly Jones vorher noch nie lachen gesehen) und ließ sich das auch nicht vom bisweilen etwas leblosen Publikum kaputt machen. Mitsingen tut man in Deutschland halt nur bei Pur, kettcar und Oasis und groß Bewegen ging in der gut gefüllten und auf Saunatemperaturen aufgeheizten Live Music Hall auch nicht so gut. Zwischen “It Means Nothing”, der ersten Single aus “Pull The Pin”, und dem Klassiker “Local Boy In The Photograph”, der das reguläre Set abschloss, gab es mit “My Own Worst Enemy” einen neuen Song, der auch fürs nächste Album wieder Mut macht: Die Stereophonics haben eben auf jedem Album eine Handvoll wirklich guter Songs, wie es eine Konzertbesucherin auf dem Weg nach draußen präzise zusammenfasste.

Wegen des oben beschriebenen Zeitdrucks (Konzerte um 21:00 Uhr sollten unter der Woche verboten werden), musste ich die Halle leider vor den Zugaben verlassen. Wenn sich die Band an den Setlisten der anderen Deutschland-Konzerte orientiert hat, habe ich “Roll Up And Shine” und leider auch “Dakota” verpasst. Letzteres konnte ich aber dank YouTube heute früh noch nachholen.

Mein erstes Stereophonics-Konzert seit sechseinhalb Jahren war ein bisschen wie ein Treffen mit alten Freunden: Man erinnert sich gemeinsam an die schönen Zeiten, als man noch jung war und durch die Gegend hüpfte, hört interessiert, was die anderen jetzt so machen, denkt sich zwischendurch “Ich sollte sowas nicht mehr machen” und geht dann doch mit einem wohligen Gefühl nach hause.

Setlist:

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Print

Und was ist mit “Vanity Fair”?

Der Zeitschriftenmarkt ist so unübersichtlich, dass man selbst als Leser des Zeitschriftenblogs nicht alles mitbekommen kann. Insofern finde ich es immer besonders interessant, was die Leute im Zug so lesen.

Meine Favoriten:
Fire & Food – Das Barbeque-Magazin
Das Microwave Journal
GolfPunk

PS: Dazu passend: “Galore” gibt’s jetzt mit neuem Layout und neuem Konzept.

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Leben Unterwegs

Die lustigste Geschichte

Unter allen Menschen, die ich mal persönlich getroffen habe, dürfte es etwa drei bis vier geben, denen ich diese Geschichte noch nicht erzählt habe. Da mein bester Freund kürzlich meinte, man müsse sich mit mir ja gar nicht mehr unterhalten, wenn man dieses Blog nur aufmerksam genug lese, gehe ich also davon aus, diese Geschichte nun zum letzten Mal erzählen zu müssen:

Vor sieben Jahren, als ich noch in Dinslaken zur Schule ging, fuhren mein anderer bester Freund und ich zu einem Konzert von Tom Liwa im Bahnhof Langendreer. Diese Information ist eigentlich nur von minderer Bedeutung für den weiteren Verlauf der Geschichte, könnte andererseits auch eine wichtige Erklärung für ihre Pointe sein.

Wenn ich es mir recht überlege, wird die Geschichte die Erwartungshaltungen an sie, die ich bisher aufgebaut habe, vermutlich nicht erfüllen können, aber ich fahre einfach mal fort: Nach dem Konzert mussten wir, damals beide noch minderjährig und ohne Führerschein, also mit der S-Bahn zurückfahren. Wir stiegen in Langendreer ein, die S-Bahn ruckelte los in die Dunkelheit, als plötzlich ein Mann mittleren Alters entsetzt aufsprang.

“Ist das hier die S-Bahn Richtung Düsseldorf?”, rief er panisch in die Bahn.
“Ja, ja”, bestätigten wir.
“Oh, dann ist gut”, antwortete er und atmete tief durch. “Dann hab’ ich mich nur falschrum hingesetzt!”

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Politik Gesellschaft

Das ist Bahnsinn

Die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) möchte von Mittwoch bis Samstag im Güter-, Nah- und Fernverkehr streiken.

Allerdings drohte GDL-Chef Schell im Gespräch mit der “Passauer Neuen Presse”: “Wir können einen Streik länger durchhalten, als es die Bundesrepublik verkraftet“, sagte er, „und vor allem deutlich länger, als der Bahnvorstand dies glaubt“.

Zitat: Welt.de

Äh, okay. Alles klar.

Leute, wenn Eure Streikkassen so dermaßen gefüllt sind, dass Ihr schon verbal Fuffies im Club schmeißt, wie wäre es dann, wenn Ihr einfach alle Gewerkschaftsfunktionäre würdet, Euch quasi selbst durchfüttert und die Führerstände für Leute räumt, die Spaß am Zugfahren hätten?

Vielleicht könnte man auch einfach in irgendeinem Stadttheater einen schmucken Balkon räumen, Schell und Mehdorn dort in die Sessel tackern und den ganzen Tag im Kinderprogramm grummeln lassen, während Gewerkschaft und Unternehmen von weniger dickköpfigen Menschen geführt werden.

Mit einer Intervention des Bahn-Eigentümers (das sind Sie und ich, vertreten durch die Bundesregierung) ist bis auf weiteres übrigens auch nicht zu rechnen, denn in Berlin hat man gerade andere Sorgen.

(Hölle, Hölle, Hölle!)

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Leben Gesellschaft

Ein Rauch von Nichts

Seit Jahren versuche ich, mit dem Rauchen anzufangen, aber ich schaffe es einfach nicht. Es könnte daran liegen, dass ich weder Zigaretten noch Feuerzeuge besitze und die Momente, in denen ich irgendwo stehe und mir denke, ich müsste jetzt dringend “eine qualmen”, somit ungenutzt verstreichen.

Eigentlich will ich überhaupt nicht rauchen. Das wäre auch absurd: Meine Eltern rauchen nicht, von meinen Freunden in der Schule hat niemand geraucht und wenn die Boulevardjournalisten auf der Suche nach jemandem wären, der auch in den tiefsten Momenten der Pubertät nie auch nur einmal an einer Zigarette gezogen hat, dann wären sie bei mir an der richtigen Adresse. Aber Boulevardjournalisten sind wohl eher auf der Suche nach Kindern, die mit zwölf Jahren ihre erste Alkoholvergiftung hatten und mit 14 die Katze der Nachbarstochter getötet haben. Nachdem sie die Nachbarstochter geschwängert haben.

Jedenfalls kannte ich bis zu meinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr quasi keine Raucher und hatte auch nie das Bedürfnis, selbst einer zu werden. Als unser Englischlehrer in der zehnten Klasse mehrere Stunden damit füllte, uns auf Deutsch vorzurechnen, wie viel Geld wir sparen könnten, wenn wir es nicht für Zigaretten ausgäben, sondern zur Bank brächten, interessierte mich das nicht: Mein Taschengeld ging für CDs und Musikmagazine raus, da war an Rauchwaren und Sparkonten nicht zu denken.1

Eigentlich gibt es keine Argumente für das Rauchen: Es ist die einzige Droge, die keinen Rausch verursacht, den Körper aber trotzdem schädigt; es ist jetzt noch teurer als schon zu meinen Schulzeiten und es stinkt ekelhaft. Warum habe ich also Tage, an denen ich denke, ich müsste jetzt dringend rauchen? Vielleicht, weil es immer noch als Rock’n’Roll-Geste gilt? Oder weil ich das Gefühl habe, irgendwas mit meinen Händen und Lippen tun zu müssen, und ich nicht schon wieder zum Lippenpflegestift greifen kann, weil die Umstehenden dann (nicht ganz zu Unrecht) glauben, ich sei von dem Ding körperlich abhängig?

Ich wette, ich wäre einer dieser Menschen, bei denen Rauchen auch noch gänzlich uncool aussieht. Die ersten zehn, zwölf Stangen würde ich eh in einem alten Bunker im Wald rauchen müssen, damit mich keiner beim Husten und Schleim auswürgen beobachten kann. Ich müsste meine Klamotten jeden Abend auf den Balkon hängen, müsste aber im Gegenzug nicht mehr vor dem Waschen überlegen, ob ich in den nächsten Tagen noch weggehen will, weil sowieso alle meine Kleidungsstücke ganz grauenhaft röchen. Das ist auch der Grund, weshalb ich Raucher für verantwortungsloser halte als beispielsweise Heroinjunkies: Der Junkie setzt sich in einer dunklen Ecke seinen Schuss und riecht vielleicht ungewaschen, mit einer Handvoll Rauchern im Raum riechen danach alle ungewaschen. Ein Biertrinker, der einer anderen Person versehentlich ein halbes Glas Bier übers Hemd schüttet, müsste sich danach wer-weiß-was anhören und die Reinigung bezahlen. Ein Raucher alleine ist nicht weiter schlimm, in der Gruppe verdrecken sie aber allen Leuten in ihrer Umgebung die Kleidung, erhöhen deren Chancen, an Krebs zu erkranken, und zahlen niemandem die Reinigung. “Selbstmordattentäter”, nennt Volker Pispers diese Leute, die sich selbst töten und dabei noch so viele Unschuldige wie möglich mitnehmen.

Obwohl ich das Rauchen aus den oben genannten Gründen hasse und auch gerne lebenslanges Bahnverbot für die Menschen fordere, die auf den Toiletten ansonsten rauchfreier Züge ihrer Sucht frönen, finde ich Nichtraucher oft genug noch unerträglicher: Wer schon laut und affektiert hustet, wenn sich jemand knapp innerhalb seiner Sichtweite eine Zigarette ansteckt, hat vermutlich andere Probleme als den nahenden Tod durch Passivrauchen. Auch in diesen Momenten ärgere ich mich, dass ich nicht rauche.

Ich freue mich auf das Rauchverbot, das ab 1. Januar auch in NRW gelten soll. Es wird merkwürdig sein, in meiner Dinslakener Stammkneipe, die außer von meinem Freundeskreis hauptsächlich von älteren Herren und Stammtischbrüdern bevölkert wird, vom hintersten Tisch aus noch die Theke sehen zu können. Ich hoffe, dass die Gäste mit ihrer Sucht umzugehen lernen und dem Wirt kein finanzieller Nachteil entsteht. Ein Freund aus Baden-Württemberg berichtete mir kürzlich, dass es in den dortigen Clubs und Discotheken immer grauenhaft nach Schweiß und Bier stinke, seit dort nicht mehr geraucht werden darf. Das wäre in der Tat ein unschöner Nebeneffekt. Zu Beginn dieses Jahrzehnts war ein nach Melone duftendes Parfüm sehr in Mode, das mich auch heute immer noch verzückt, wenn ich es an jungen Damen rieche. Ich würde mir vom Bundesgesundheitsministerium wünschen, dass dieses Parfüm kostenlos an die Bevölkerung ausgegeben wird, bis uns eine andere Lösung eingefallen ist.

1 An Sparkonten ist auch heute noch nicht zu denken, wie mein Anlageberater neulich erst wieder feststellte.

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Leben

Zeit ist nicht auf ihrer Seite

Ich habe das Wochenende bei der Familie in Dinslaken verbracht. Als mich meine Geschwister zum Bahnhof brachten, fiel mir auf, dass die große Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz noch auf Sommerzeit stand. Nun hat man in Bahnhofsnähe in der Regel eine diffuse Ahnung, welche Stunde die richtige sein müsste – wichtiger wäre da, dass die Uhr vor dem Bahnhof und die am Gleis möglichst synchron gehen, damit man beispielsweise bei der Parkplatzsuche weiß, ob man sich beeilen sollte. Natürlich trifft auch das nicht zu.

Da fiel mir auch wieder ein, dass schon die letzte Zeitumstellung im Frühjahr, die ja auch kein spontan aufgetretenes Ereignis war, in Dinslaken verspätet vonstatten gegangen war. Etwa drei oder vier Wochen stand sie noch auf Winterzeit, bis ich eines Freitags am Bahnhof ankam und mich sehr wunderte: Entweder hatte sich spontan ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum gebildet, oder ich war tatsächlich vor meiner Abfahrt aus Bochum in Dinslaken angekommen. Dann fiel mir auf: Die Uhren waren in die falsche Richtung umgestellt worden und gingen nun zwei Stunden nach.