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Bei Bild.de kann man was erleben

ozy.com ist eines dieser sehr bunten, sehr egalen Internetportale mit wilden Anrissen und wenig Inhalt. Oder, wie Mathias Döpfner es nennt: “ein überzeugendes Beispiel für attraktiven digitalen Journalismus”. Döpfner ist Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE und in dieser Funktion Mitglied im Verwaltungsrat von OZY, in das Springer ganz gut investiert hat.

Eugene S. Robinson ist der “Dr. Sommer” von OZY, der Sex-Onkel, dem (angebliche) Leser (angebliche) Zuschriften über ihre (angeblichen) Erfahrungen, Meinungen und Sorgen zum Thema zukommen lassen, und die er mal launig und meist sehr rätselhaft beantwortet.

In seiner aktuellen Kolumne bittet eine Frau um Rat, die schreibt, gemeinsam mit einer anderen Frau im Hotelzimmer eines “berühmten Komikers, der nicht Bill Cosby heißt und von allen geliebt wird” gewesen zu sein:

We get to his room and we’re drinking and having a good time, and he says out of the blue, “Do you gals mind if I jerk off?” We laughed, because we thought he was joking, until he pulled it out and started masturbating. At this point, we moved to leave quickly. He stood in front of the door and said, “Not until I finish.” When he finished, he moved and we left.

Die (angeblichen) Frauen seien sich unsicher, was ihnen da eigentlich genau widerfahren sei, schreibt die (angebliche) Verfasserin.

Robinson versucht sich an einer Einordnung und erhält von einem (angeblichen) Polizisten diese (angebliche) Antwort:

“It’s a crime in California. It’s a 236 PC, false imprisonment, and maybe a 314 PC, indecent exposure. But the most important question is, did he have a freckled dick?”

(Sie ahnen vielleicht, warum die Lektüre dieser Seite nicht zu meinem täglichen Freizeitvergnügen gehört.)

Robinsons Text endet so:

Criminality aside, I am going to gamble that no one’s ever written a letter like this about Brad Pitt. And not because Brad Pitt hasn’t not done this either. If you know what I mean.

Oooookay …

Nachdem wir uns alle geduscht und gesammelt haben, schauen wir mal, wie Bild.de diese (angebliche) Geschichte über einen Vorfall, der nach deutschem Strafrecht mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden könnte, auf der eigenen Startseite bewirbt:

Mein Sex-Erlebnis mit einem Promi

Nachtrag, 30. Oktober: Auf Twitter weist Britscilla darauf hin, dass der vorgebliche Brief an Eugene S. Robinson erstaunliche Parallelen zu einer Geschichte aufweist, die Gawker schon vor dreieinhalb Jahren aufgeschrieben hatte.

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Digital

Lucky & Fred: Episode 5

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Es hat wieder ein bisschen länger gedauert, aber wir hatten unsere Gründe. Jetzt sind wir wieder da und stellen uns die entscheidende Frage: “Was macht eigentlich Jockel Gauck?” Wir widmen uns der Scheiße am Fuß vom ZDF, sprechen über Geld und Politik, werfen einen Blick auf die (traurige) Medienlandschaft im Ruhrgebiet und erleben die Geburtsstunde der Heinser’schen Hackfressentheorie.
Außerdem: Fred hat ein neues Telefon und kriegt merkwürdige Anrufe und wir führen den beliebten Cocktailpartydialog “Unsere Wikipedia-Einträge”.

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Rundfunk Digital

Von Frank Elstner lernen, heißt Moderieren lernen

Die Axel Springer Akademie startet demnächst die “Frank-Elstner-Masterclass”, in der “herausragende Talente” zu “Moderatoren-Persönlichkeiten” weiterentwickelt werden sollen. Konkret geht es darum, die “Web-TV-Moderatoren von morgen” zu finden.

Wir haben bereits einen exklusiven Einblick erhaschen können, wie es aussieht, wenn Internet-Menschen moderieren wie Frank Elstner:

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[Elstners Anleitung]

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Film Politik

Christian Wulff im Wortlaut

Sie können es heute überall lesen: Bundespräsident Christian Wulff hat “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann mit dem “endgültigen Bruch” gedroht, falls die Zeitung über seinen Privatkredit berichte.

Einige Zitate vom Überschreiten des “Rubikons” und “Krieg führen” sind schon bekannt geworden, aber der genaue Wortlaut ist bisher nicht kolportiert.

Bisher, denn Coffee And TV hat den Mitschnitt von Kai Diekmanns Mailbox exklusiv:

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Digital Leben

Hang On To Your IQ

Als ich bei CT das radio anfing, gab es eine feste Regel: Pro Nachrichtenblock wurde eine Weltnachricht, eine Deutschlandnachricht, eine aus NRW/Ruhrgebiet und eine aus dem Hochschulwesen benötigt. Hochschulnachrichten begannen meist mit der Formulierung “Forscher der Ruhr-Universität haben herausgefunden …” und endete nicht selten mit schlafenden Hörern. ((Mutmaßlich, für eine Media-Analyse fehlte das Geld.)) Manchmal auch mit schlafenden Nachrichtensprechern.

Irgendwann wurden die gelangweilt abgelesenen Mitteilungen der Uni-Pressestellen zum Hormonhaushalt von Karpfen und zur Anziehungskraft weit entfernter Planeten in ein eigenes Programmsegment verfrachtet, dessen Bumper ((Fachbegriff für “Eine gut gelaunte Stimme ruft den Namen der Rubrik, dann läuft jene Hintergrundmusik, die die verrückten Radiomenschen ‘Bett’ nennen …”)) den Hörern deutlich macht, dass sie jetzt gefahrlos zwei Minuten auf Klo gehen können, ohne ihren aktuellen Lieblingssong zu verpassen. Aber was will man tun? Hochschulnachrichten gehören halt zum Sendeauftrag von Campusradios …

Medien gehen kaum weniger lieblos mit den Entdeckungen und Erkenntnissen großer Forscher um: Wissenschaftliche Inhalte sind nur dann spannend, wenn “wir” ((Also Sie, ich und Kai Diekmann — das ganze deutsche Volk halt.)) mal wieder Nobelpreis “sind” oder sich zu knackigen Schlagzeilen im “Panorama”-Ressort bürsten lassen.

In den letzten Wochen also in etwa so:

Studie: Niedriger IQ schlecht fürs Herz

Herz-Kreislauf-Erkrankung durch niedrigen IQ - Gesundheitszustand vom IQ abhängig

Areale im Gehirn - Wo die Intelligenz sitzt

Und wenn man Ursache und Wirkung vertauscht, kommt schon mal so etwas heraus:

Die neuesten Erkenntnisse sind auch wieder beruhigend:

Intelligenz und Evolution - Konservative haben geringeren IQ

Satoshi Kanazawa von der London School of Economics and Political Science will eine ganze Menge herausgefunden haben:

In the current study, Kanazawa argues that humans are evolutionarily designed to be conservative, caring mostly about their family and friends, and being liberal, caring about an indefinite number of genetically unrelated strangers they never meet or interact with, is evolutionarily novel. So more intelligent children may be more likely to grow up to be liberals.

Mehr noch:

“Humans are evolutionarily designed to be paranoid, and they believe in God because they are paranoid,” says Kanazawa. […] “So, more intelligent children are more likely to grow up to go against their natural evolutionary tendency to believe in God, and they become atheists.”

Und schließlich:

And the theory predicts that more intelligent men are more likely to value sexual exclusivity than less intelligent men, but general intelligence makes no difference for women’s value on sexual exclusivity.

All diese Erkenntnisse ((Ein höherer IQ führt zu mehr Progressivität, weniger Religiosität und höherer Monogamie.)) gerinnen bei den Online-Medien des Axel-Springer-Verlags schließlich zu Schlagzeilen wie diesen:

Britischer Forscher behauptet: Fremdgeher haben einen niedrigeren IQ!

Sex-Studie: Fremdgeher haben niedrigen IQ

Hmmmm. Was könnte wohl passieren, wenn es die Meldung bis nach Österreich schafft?

Untreue Männer sind dümmer

Ob die im Volksmund weit verbreitete These, wonach Dumm besser ficke, auch für Männer gilt, steht leider nicht im Artikel.

Wäre aber doch ein schöner Ausgleich, denn:

Wer einen niedrigen IQ hat, stirbt früher

Mit Dank auch an Peter B., Lukas S. und noir

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Digital

“Welt Online” auf den Spuren vieler

Oliver Michalsky, stellvertretender Chefredakteur von “Welt Online” freut sich: gestern verzeichnete das Portal erstmals mehr als acht Millionen page impressions.

Dafür verantwortlich sein könnte unter anderem diese 39-teilige Klickstrecke über die Notwasserung in New York, diese ebenfalls auf der Startseite verlinkte Klickstrecke zur Notlandung einer Qantas-Maschine aus dem vergangenen Juli (25 Teile) und diese Klickstrecke zum Flugzeugabsturz in Madrid (August 2008, 13 Teile, auch auf der Startseite verlinkt).

Aber ich will Herrn Michalskys Freude gar nicht schmälern. Mit großen Worten und vielen Ausrufezeichen lobt er in einer internen E-Mail die Arbeit der Kollegen, die diesen Erfolg möglich gemacht haben.

Ich hab Ihnen hier mal die wichtigste Stelle rausgesucht:

Betreff: Die WELT-Gruppe sagt: Internet? Yes, we can!

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Film Print Gesellschaft

Komplexe Verhältnisse

Nächste Woche läuft “Der Baader Meinhof Komplex” (nur echt ohne Bindestriche) in den deutschen Kinos an. Auch wenn mich das Thema RAF seit vielen Jahren interessiert, weiß ich nicht, ob ich mir den Film ansehen soll: die Handlung ist hinlänglich bekannt und außerdem muss man den Film ja gar nicht selber sehen — es schreibt je eh jeder drüber.

Besonders “Bild” ist an vorderster Front mit dabei: schon seit Monaten schreibt das Blatt über jedes kleine bisschen Information, in den letzten Tagen dann mit immer stärkerer Frequenz. Der Sohn von Hanns Martin Schleyer hat sich den Film bereits für “Bild” angesehen, die Tochter von Ulrike Meinhof ebenfalls.

Bettina Röhl ist für “Bild” eine wichtige Kronzeugin, denn:

Bettina Röhl (Ihre Mutter war Ulrike Meinhof) über den RAF-Film  Martina Gedeck ist eine Fehlbesetzung!

Sie war also dabei. Genauso wie “Bild”, möchte man einwenden, denn das Massenblatt des Axel-Springer-Verlags ist natürlich untrennbar mit ’68 und allen seinen Folgen verbunden.

Und da kommt ganz schnell so etwas wie Nostalgie auf, wenn Bild.de im traditionellen Duktus fragt:

Kommt die Baader-Meinhof-Bande zu Oscar-Ehren?

Auch beeindruckend doof ist diese Frage:

Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Johanna Wokalek: Dürfen sympathische Stars Terroristen spielen?

Da schließt sich doch gleich die Fragestellung an, wie unsympathisch Stars sein müssen, damit sie nach Ansicht von Bild.de Terroristen spielen dürfen. Müsste ich Til Schweiger und Iris Berben im Kino ertragen, damit mir Andreas Baader und Ulrike Meinhof nicht sympathisch erscheinen?

Ein besonderer Treppenwitz der Geschichte ist es allerdings, wenn Bild.de ein Foto von den Dreharbeiten erklärt, bei denen gerade die Krawalle des 2. Juni 1967 nachgestellt werden. Die ganz Alten werden sich erinnern: an diesem Tag war der Schah von Persien auf Staatsbesuch in Berlin, bei den Demonstrationen gegen ihn kam es zu beiderseitigen Gewalteskalationen, in deren Folge der Student Benno Ohnesorg durch eine Polizeikugel getötet wurde.

“Bild” beschrieb das damals so:

Ein junger Mann ist gestern in Berlin gestorben. Er wurde Opfer von Krawallen, die politische Halbstarke inszenierten.

31 Jahre nach der “Todesnacht von Stammheim” kommt jetzt die zweite Generation zum Einsatz: Nachfahren von Tätern und Opfern erzählen “Bild”-Redakteuren, die damals allenfalls Schulaufsätze geschrieben haben, was sie von der filmischen Aufbereitung der Ereignisse halten.

Allein: Bettina Röhl ist eine ähnlich zuverlässige Zeitzeugin wie “Bild” selbst. Die Frau (“Röhl muss es wissen, immerhin ist Ulrike Meinhof ihre Mutter!”) hat sich in den letzten Jahren in den Medien als eine Mischung aus Eva Herman und Henryk M. Broder (nur nicht ganz so sympathisch) präsentiert, die gegen ihre Elterngeneration und das Gender Mainstreaming zu Felde zieht und in allem und jedem wahlweise Geschichtsklitterung oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen sieht. Das ist ihr gutes Recht, aber es macht sie im doppelten Sinne befangen.

Frau Röhl kann sich natürlich zu dem Film äußern, wie sie mag. Sie kann es sogar in “Bild” tun, wenn sie das für eine gute oder witzige Idee hält. Es bleibt aber eine irgendwie merkwürdige Aktion, die andererseits auch zeigt, wie viel sich in den letzten 40 Jahren geändert hat: “Bild” macht munter Promotion für einen Film über die “Baader-Meinhof-Bande” und ist auch längst nicht mehr das Feindbild, das sie damals war. Letztlich haben alle gewonnen: die Terroristen kommen, wie jeder große Bösewicht irgendwann, zu Leinwandehren und “Bild” ist in der Mitte der Gesellschaft. Wir Spätgeborenen blicken erstaunt auf riesige Demonstrationszüge, die “Enteignet Springer!” skandieren, und lassen uns vom Feuilletonchef der “Zeit” Charakterlosigkeit vorwerfen. Für tatsächliche Diskurse sind wir sowieso ungeeignet.

Bernd Eichinger, der alte Geisterbahnbetreiber, entwickelt sich derweil langsam zum Guido Knopp des Kinos, der nach Hitler jetzt den zweiten deutschen Dämon des 20. Jahrhunderts auf die Leinwand bringt. Sein Stasi-Film ist sicher schon in Vorbereitung.