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You should have known by now you were on my list

Nach­dem Lukas nun seit Wochen schon erheb­li­che Stü­cke sei­ner Zeit dafür auf­bringt, die letz­ten zehn Jah­re nach den musi­ka­li­schen Häfen sei­nes Lebens zu durch­fors­ten, ((Für den Strauß Stil­blü­ten, der in den nächs­ten Zei­len sicher noch dicker wer­den wird, darf man sich dann am Schluss bei mir bedan­ken.)) macht sich mitt­ler­wei­le ange­sichts des mit Pfer­den und Streit­wa­gen her­an­brau­sen­den Jah­res­en­des auch bei mir der Zug­zwang bemerk­bar, zumin­dest die letz­ten zwölf Mona­te die­ses über­durch­schnitt­lich guten Plat­ten­jah­res in eine gewis­se, zumin­dest für mich gül­ti­ge Ord­nung zu brin­gen.

Wenn ich mei­nen last.fm-Statistiken Glau­ben schen­ken darf, und das ist auf­grund eini­ger über das ers­te Quar­tal 2009 ver­teil­ten Kom­plett­ab­stür­ze mei­nes alten Rech­ners, denen regel­mä­ßig eine eher spo­ra­di­sche Neu­in­stal­la­ti­on irgend­wel­cher Sta­tis­tik-Plug­ins folg­te, höchst frag­wür­dig, dann beginnt das Jahr und beginnt die­se Rang­lis­te mit bedenk­lich hoher Rota­ti­on des Albums „Noble Beast“ von Andrew Bird, der mich schon mit der 2007 erschie­ne­nen Plat­te „Arm­chair Apo­crypha“ an mei­ner despek­tier­li­chen Hal­tung gegen­über Sport­mu­sik und Muckertum hat­te zwei­feln las­sen. Ent­ge­gen der sta­tis­ti­schen Hin­wei­se kann ich mich aller­dings selt­sa­mer­wei­se kaum dar­an erin­nern, Birds jüngs­tes Werk ein­ge­hend unter die Lupe genom­men zu haben, im Gegen­teil erin­ne­re ich mich nur noch dar­an, dass im Ope­ner „Oh No!“ an einer Stel­le von einem Gefäng­nis die Rede ist. Den Rest der Songs fin­de ich in der Rück­schau ent­we­der gar nicht mehr, oder ziem­lich bedeu­tungs­los. Den­noch steht der Mann hier, weil mich die rela­ti­ve Ent­täu­schung über „Noble Beast“ dazu ver­lei­tet hat, „Arm­chair Apo­crypha“ wie­der zu hören, wenn nicht gera­de der ver­ma­le­dei­te Com­pu­ter wie­der im Abrau­chen begrif­fen war. Daher gibt es hier jetzt also für die­ses nicht 2009 erschie­ne­ne Album von mir Platz 10 des Jah­res 2009. Schö­ne Dop­pel­stan­dards habe ich ja.

Auf Lis­ten­platz 9 lan­det eine Schei­be, bei der ich mir zum Zeit­punkt ihres Erschei­nens, also im März, noch unum­stöß­lich sicher war, dass nichts und nie­mand mehr dazu in der Lage sein wür­de, mich davon abzu­brin­gen, es schon aus der hier seman­tisch über­aus schief ver­wen­de­ten ex-ante-Per­spek­ti­ve zum Album des Jah­res zu erklä­ren. „Hazards Of Love“ von The Decem­be­rists ist im posi­ti­ven Sin­ne ein Kon­zept­al­bum ((Wenn ich im Zusam­men­hang mit Kon­zept­al­ben von posi­ti­vem Sinn spre­che, mei­ne ich das durch­aus als tie­fe Wür­di­gung des Künst­lers. Das letz­te „Kon­zept­al­bum“, das mir von Freun­den als hör­bar nahe­ge­legt wor­den ist, war irgend­was von Dream Thea­ter und kann mitt­ler­wei­le nach­hal­tig dazu ver­wen­det wer­den, mich in rasen­der Geschwin­dig­keit aus der Woh­nung zu jagen. Ob ich kom­plett ange­klei­det bin oder nicht.)) über so eine Art Lie­bes­ge­schich­te. Aller­dings wer­den da wohl auch Prot­ago­nis­ten von wil­den Vögeln ent­führt und ins heu­ti­ge Russ­land depor­tiert (ganz habe ich das noch nicht ver­stan­den, viel­leicht kommt das noch). Jeden­falls ist das ein wun­der­ba­res Album von einer eben­so wun­der­ba­ren Band, die wun­der­ba­rer­wei­se am lau­fen­den Band Auf­nah­men ver­öf­fent­licht, ohne dass das nervt. War­um „Hazards Of Love“ hier also nicht an der Pole Posi­ti­on steht, ((Zu Ihrem Stil­blü­ten­strauß haben Sie nun noch eine beson­ders präch­ti­ge Rose dazu­ge­schenkt bekom­men.)) lässt sich wohl nur dadurch erklä­ren, dass irgend­wann fol­gen­de Din­ge pas­siert sind:

Ich freun­de­te mich mit Ani­mal Coll­ec­ti­ve an, was schon allein dadurch etwas Beson­de­res ist, weil ich ein paar Jah­re vor­her noch jedem ver­gif­te­te Bli­cke zuge­wor­fen hat­te, der mir deren vor­letz­tes Album „Feels“ nahe­le­gen woll­te. Für mich war die­se Band und alles mit ihr Zusam­men­hän­gen­de ein vager Abklatsch von längst ver­bli­che­nen Idol­fi­gu­ren wie Cir­cu­la­to­ry Sys­tem, Oli­via Tre­mor Con­trol und so wei­ter, mit dem Unter­schied, dass Ani­mal Coll­ec­ti­ve es für mei­nen Geschmack ein wenig über­trie­ben mit der Psy­che­de­li­tät. Und nun die­se Plat­te! „Mer­ri­wea­ther Post Pavil­li­on“ ist einer der für mich (und ver­mut­lich jeden ande­ren auch) sel­te­nen Fäl­le, die sofort mit vol­ler Wucht ein­schla­gen und danach trotz­dem immer noch bes­ser und aber vor allen Din­gen nicht lang­wei­lig wer­den. Die­ses Album ver­ur­sacht in mir ein nicht mehr weg­zu­leug­nen­des Bedürf­nis zu tan­zen, ((Liegt auf mei­ner per­sön­li­chen Wert­schät­zungs­ska­la nur knapp ober­halb von Kon­zept­al­ben, dies­mal aber eher aus voll­kom­men per­sön­li­chen Grün­den.)) wo es mög­lich ist und ist auch sonst ein­fach ziem­lich per­fekt. Lei­der habe ich es erst sehr spät ken­nen­ge­lernt (lies: vor knapp ein­ein­halb Mona­ten) und kann es des­halb lei­der noch nicht guten Gewis­sens höher ein­stu­fen als auf Platz 8. Aber fra­gen Sie mich nächs­tes Jahr noch­mal, wie ich retro­spek­tiv ent­schei­den wür­de!

Ich sprin­ge chro­no­lo­gisch. Sie haben das viel­leicht schon geahnt. Wenn ich mir also den Juni die­ses Jah­res so auf last.fm angu­cke, erschleicht mich ein Pein­lich­keits­ge­fühl und noch dazu eine Mah­nung an so etwas wie eine Pflicht­schul­dig­keit, näm­lich dahin­ge­hend, dass es ja eigent­lich nicht sein kann, dass man über vier Wochen hin­weg nicht nur einen ein­zi­gen Künst­ler, son­dern tat­säch­lich immer ein- und das­sel­be Album des glei­chen Künst­lers hört, wie­der und wie­der. Die­ses Delik­tes habe ich mich schul­dig gemacht, und das auch noch mit schmie­rigs­tem eng­li­schen Indie­rock, den man drü­ben beim NME in der Jah­res­end­lis­te ver­mut­lich auch irgend­wo auf­ge­führt hat, aber fra­gen Sie mich nicht, ich habe kei­ne Ahnung vom NME, die Charts dort ver­fol­ge ich qua­si nicht. Ich ver­mu­te ein­fach, dass die da eine Gre­at-Bri­tain-Quo­te haben, die ihnen ver­bie­tet, mehr als fünf­zig Pro­zent der jewei­li­gen Charts von Nicht-Bri­ten ein­neh­men zu las­sen, andern­falls wird wohl ein­fach irgend­was ein­ge­fügt, das ent­fernt nach Franz Fer­di­nand klingt. Aber ich schwei­fe ab: Die­ses schlei­mi­ge, auf Hoch­glanz polier­te und viel zu pathe­ti­sche Album, das mich aus Grün­den der inne­ren Kohä­renz und der Gefühls­ge­walt so umge­wor­fen hat, dass ich wage, ihm eine bes­se­re Stel­le als den Decem­be­rists zukom­men zu las­sen, ist „Wall Of Arms“ von The Mac­ca­bees. Man kann heut­zu­ta­ge kei­nen toten Fisch wer­fen, ohne jeman­den zu tref­fen, der genau­so klingt, ich weiß, aber den­noch: Sehr schö­nes Ding. Emp­feh­lens­wert ist hier ins­be­son­de­re der Song „Wil­liam Powers“. Platz 7 für die Mac­ca­bees und „Wall Of Arms“.

Irgend­wann im Sep­tem­ber stol­per­te ich über eine Band namens Tap Tap, von der ich abso­lut gar nichts weiß, außer, dass sie dem Akzent des Sän­gers nach eben­falls aus dem Ver­ei­nig­ten König­reich stammt und ein Album namens „On My Way“ her­aus­ge­bracht hat­te. Es pas­siert mir indes nicht oft, dass mich eine Plat­te so über­zeugt wie die­se hier, ohne dass ich auch nur den gerings­ten Schim­mer habe, wer eigent­lich dahin­ter steckt. Ver­mut­lich hängt das mit der Mini­mal­men­ge Fan­boy-Tum zusam­men, die einen dazu bringt, erst­mal anhim­meln kön­nen zu wol­len, ehe man ent­schei­det, das Pro­dukt auch „objek­tiv“ gut zu fin­den. Aber hier! So ein­fa­che, eigent­lich so sehr nach Sche­ma F kom­po­nier­te Songs, dass man sofort wie­der Pearl Jam hören dür­fen will, und den­noch so ori­gi­nell und Ver­trau­ens­vor­schuss hei­schend, dass es mir schon arg Weh tun wür­de, müss­te ich irgend­wann her­aus­fin­den, dass Tap Tap eine Band von poli­tisch am rech­ten Rand sich tum­meln­den Sau­er­kraut­stamp­fern wären, die wochen­tags ger­ne Vor­schul­kin­dern die Base­ball­müt­zen vom Kopf schie­ßen oder sowas. Aber ich glau­be auch nicht, dass es so weit kom­men muss. Platz 6 over here!

Jetzt wird es ernst. Bei allem, was jetzt kommt, muss­te ich für die fina­le Rei­hen­fol­ge der­art grü­beln, dass sich an mei­nen Schlä­fen nun tat­säch­li­che Grü­bel­gru­ben gebil­det haben, aus denen man dann ger­ne mal kol­lek­tiv Zwie­bel­dip abs­tip­pen darf, soll­te ich der­einst als Tisch in einem mexi­ka­ni­schen Restau­rant ange­stellt sein. Es muss daher jetzt auch ver­gleichs­wei­se schnell gehen, weil ich mir das mit dem Grü­beln nicht so rich­tig abge­wöh­nen konn­te und nun, ein­mal ent­schlos­sen, lie­ber mit geschlos­se­nen Augen durch die Wand fah­re, als mich wie­der in end­lo­sen Abwä­gun­gen wie­der zu fin­den.

Platz 5 die­ser mit nie­man­dem abge­spro­che­nen und über­aus sub­jek­ti­ven Album­chart­lis­te des ver­gan­ge­nen Jah­res geht an eine klei­ne, fei­ne Band namens Clues, die aller­dings inso­fern hoch­ka­rä­tig ist, als in ihr sowohl ein ehe­ma­li­ges Mit­glied der Uni­corns als auch ein Prä-Fun­e­ral-Mit­mu­si­ker von The Arca­de Fire ihr zwei­fels­oh­ne ernst gemein­tes Blut-Schweiß-Trä­nen-Hand­werk tun. Im Mai ver­öf­fent­lich­ten sie ihr selbst­be­ti­tel­tes Debut, bei dem es sich um den sprich­wört­li­chen Wahn­sinn han­delt. Der Grund, war­um die­ses Album fünf Plät­ze fal­len muss­te und des­halb nicht auf dem ers­ten Platz liegt, ist ein in der Mit­te des Albums ver­or­te­ter Song namens „You Have My Eyes Now“, bei dem ich über­haupt kei­nen Zugang fand, und der mei­nes Erach­tens auch kohä­renz­mä­ßig über­haupt nicht auf die­ses Album passt. Natür­lich will ich nicht behaup­ten, dass ich die minu­ti­ös geplan­te Lied­ab­fol­ge solch einer guten Plat­te bes­ser ver­ste­he als die betref­fen­de Band selbst, aber in die­sem Fall hat sich immer eine sehr inter­es­san­te Rei­se in mei­nem Kopf auf­ge­baut, ehe die­ser Track eine Ver­wir­rung bei mir aus­löst, die mich lei­der zum sofor­ti­gen Wei­ter­skip­pen zwingt.

Platz 4 geht an „The Con­for­mist“ von Dove­man, einem jun­gen Mann, der mir als Tour­po­sau­nist der fan­tas­ti­schen New Yor­ker Band The Natio­nal bekannt wur­de. „The Con­for­mist“ ist eine sehr ruhi­ge und bestän­dig trau­ri­ge, aber natür­lich auch aus ande­ren Grün­den schö­ne Plat­te, die unter ande­rem mit Bryce und Aaron Dess­ner von The Natio­nal auf­ge­nom­men und pro­du­ziert wur­de. Ab und an, zum Bei­spiel im Song „Angel’s Share“ hört man gar Matt Ber­nin­ger als zwei­te Stim­me mit­grum­meln, was für jeman­den, der wie ich eine durch­aus irra­tio­na­le Lie­be zu The Natio­nal pflegt, eine ver­mut­lich eben­so irra­tio­na­le Ver­klä­rung aller Musik, in der die drin hän­gen, bedeu­tet. Aber das ist ja dann auch wie­der egal, wenn das Pro­dukt so schön klingt. Super Sache! ((Eine eben­so super Sache ist außer­dem, dass wei­te­re Back­ing Vocals von einer gewis­sen Norah Jones gesun­gen wur­den, zu der man ver­mut­lich auch nur eine höchst irra­tio­na­le Lie­be haben kann, was im vor­lie­gen­den Fall aber auch so ist.))

Roy­al Bangs aus Knox­ville grei­fen für ihr zwei­tes Album „Let It Beep“ den drit­ten Platz ab. Es gibt ja immer sol­che Schei­ben, an denen alles stimmt. Die letz­te die­ser Art, die nicht aus 2009 stammt und an die ich mich ohne Hil­fe erin­nern kann, ist „Recon­s­truc­tion Site“ von The Wea­k­erthans. ((Musik, Lyrics und Art­work waren so umwer­fend, dass ich schon beim drit­ten oder vier­ten Hören wuss­te, dass hier jemand mal eben ein Meis­ter­werk abge­lie­fert haben muss­te, schein­bar ohne beson­ders exal­tiert mit irgend­wel­chen Wim­pern zu zucken.)) Die­ses Jahr gibt es für mich immer­hin zwei die­ser Art. Eine davon ist die eben Genann­te der Roy­al Bangs, die ich mir ein­zig und allein wegen des Covers zuleg­te und dann zwei Wochen am Stück hören muss­te, wo ich ging und stand (eine Aus­drucks­wei­se, die vom Erschaf­fer der­sel­ben ver­mut­lich wohl doch eher aus­schließ­lich für das Prä­sens gedacht war). Inner­halb die­ser zwei Wochen gab es dann auch noch über­ra­schend ein Kon­zert im Kreuz­ber­ger „West­ger­ma­ny“, was natür­lich kein Zufall sein konn­te. Elek­tro-Rock ohne alles, was das Wort „Elek­tro-Rock“ zu einem so wir­kungs­vol­len Brech­mit­tel machen kann. Die Her­ren lan­den aus Grün­den der lei­der nicht ver­schwin­dend gerin­gen „Tot-Hör­bar­keit“, aber auch des­halb auf dem drit­ten Platz, weil ich ihnen dank oben erwähn­ten Kon­zer­tes einen gewis­sen Malus ein­räu­men muss: Sel­ten habe ich eine Band, die ihre Songs so gut vor­trägt, so lust­los erlebt, mut­maß­lich auf­grund der viel­leicht zwan­zig anwe­sen­den Gäs­te. Das Kon­zert selbst war super, aber es hät­te wegen der sie­ben Tage Regen­wet­ter, die in den Band­ge­sich­tern statt­fan­den, mit geschlos­se­nen Augen höchst­wahr­schein­lich viel bes­ser gefal­len. Nur mäßig ent­schuld­ba­res Ver­hal­ten, lei­der.

Platz zwei erhält ein­deu­tig „Eski­mo Snow“ von WHY?. Ein fan­tas­ti­sches Album aus Folk­songs von Hip­hop-Musi­kern, die schon mit ihrer letz­ten Ver­öf­fent­li­chung „Alo­pe­cia“ etwas her­aus­ge­bracht hat­ten, was nir­gends ein­zu­ord­nen war und den­noch – nicht: „gera­de des­halb“ ((Ein­fach weil der Stil­blü­ten­strauß wohl sonst am Pack­li­mit ange­kom­men und bei Über­tre­tung der Gewichts­gren­ze nur noch als Sperr­gut zu trans­por­tie­ren wäre.)) – ein­gän­gig und nach­hal­tig erhei­ternd. „Eski­mo Snow“ ist nun etwas ganz ande­res als alle Vor­gän­ger­al­ben, viel­leicht dadurch auch gewöh­nungs­be­dürf­tig, aber ich bit­te Sie: Hören Sie es durch. Viel­leicht vier­mal, viel­leicht hun­dert­mal. Sie wer­den es lie­ben, allein für Tex­te wie „And when a thing starts finis­hing around me, I faint or fake a mousta­che, an accent, or flee, in fear my expi­red licen­se be pul­led by sheer pro­xi­mi­ty“, aber wahr­schein­lich auch für das gan­ze Drum­her­um. ((Mei­ne Damen und Her­ren, der Stil­blü­ten­strauß ist soeben an Adi­po­si­tas ver­en­det und lässt sich nun auch nicht mehr durch ein bei­läu­fig ein­ge­wor­fe­nes „Bit­te eine Packung gute Lau­ne mit­brin­gen!“ ins Leben zurück­ho­len. Das haben wir nun davon!))

So nun, zu Platz 1. Ich mache es kurz und schmerz­los: „Vecka­ti­mest“ von Grizz­ly Bear. Nein, ich möch­te gar nicht hypen. Unter allen Umstän­den will ich das ver­mei­den. Man soll­te viel­leicht den­ken, dass es nach allen Lob­hu­de­lei­en auf die­se Plat­te lang­sam ein­mal genug wäre, aber: Nein, ist es nicht. Dies ist eines der bei­den Alben, bei denen in die­sem Jahr für mich schon beim ers­ten Hören der Musik und Sehen des Art­works nichts auch nur vage unan­ge­nehm auf­stößt, son­dern mit jedem Blick und Hin­hö­ren, so flüch­tig bei­des auch sein mag, nur wächst und wächst. Das hier ist aber schon des­halb weit groß­ar­ti­ger, weil es min­des­tens zehn­fa­ches Anhö­ren der gesam­ten CD braucht, um es über­haupt auch nur in Tei­len so weit ver­stan­den zu haben, dass man es ohne Vor­ur­tei­le gegen­über einer Pseu­do-Prog-Rock-Hal­tung, die Grizz­ly Bear von ande­ren schon nach­ge­sagt wor­den ist, gut fin­den kann. Hat man sich aller­dings dar­auf ein­ge­las­sen, ist es mei­ner Ansicht nach völ­lig unmög­lich, das Gefal­len an die­sem Album zu ver­lie­ren, im Gegen­teil ist man bis auf Wei­te­res dazu ver­ur­teilt, es nach jedem Durch­hö­ren um ein Viel­fa­ches mehr zu mögen als vor­her, sofern das über­haupt mög­lich ist. Auf Schul­tern klop­fen und „Sehr gut gemacht!“ sagen möch­te man hier.

So. Ich freue mich, der­glei­chen mit Ihnen allen geteilt zu haben! Aller­dings kann ich, wie bereits gesagt, nicht garan­tie­ren, dass ich in einer leicht ande­ren Tages­form die ers­ten fünf Plät­ze nicht voll­kom­men anders geord­net hät­te. Ich hof­fe, Sie ver­zei­hen mir das. Außer­dem soll­te noch gesagt wer­den, dass es die­ses Jahr auch eini­ge sehr schö­ne Plat­ten gab, die nicht zu mei­nen zehn Favo­ri­ten gehö­ren, bei­spiels­wei­se „Bit­te Orca“ von den Dir­ty Pro­jec­tors, die ich noch vor Kur­zem intern auf Platz 2 geführt habe. Aber die­se Din­ge ändern sich schnell, und inso­fern ist es viel­leicht gut, wenn ich wie jedes Jahr nicht möch­te, dass sich irgend­ein Album ärgert oder trau­rig ist. Des­halb, und weil zehn Ord­nungs­plät­ze ein­fach rei­chen, ran­gie­ren alle übri­gen Ver­öf­fent­li­chun­gen, von denen ich die­ses Jahr wohl­wol­lend Kennt­nis genom­men habe, gleich­ran­gig auf Platz 11. Hof­fent­lich gibt das kein Gedrän­ge da unten!

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Listenpanik 01/​09

Zu Beginn des neu­en Jah­res gibt es mal wie­der ein paar Ver­än­de­run­gen an der Lis­ten­pa­nik: Ich habe mich von die­sem doo­fen Top-Five-Den­ken ver­ab­schie­det.

Es gibt Mona­te, in denen könn­te man acht Alben loben, und es gibt wel­che, da fal­len einem eben nur drei ein. In der Ver­gan­gen­heit stan­den öfter gera­de noch okaye Alben in den Monats­lis­ten, wäh­rend gute Alben fehl­ten – dies wird für­der­hin nicht mehr der Fall sein. Ich schrei­be ein­fach alles auf, was mir gefal­len hat, und ver­su­che auch nicht mehr ganz so krampf­haft, eine Rei­hen­fol­ge fest­zu­le­gen.

Was bleibt: Die Lis­ten sind streng sub­jek­tiv, erhe­ben kei­nen Anspruch auf Voll­stän­dig­keit, und das bes­te Album des Jah­res fin­det man sowie­so immer erst viel spä­ter.

Alben
Bon Iver – Blood Bank
„For Emma, Fore­ver Ago“ habe ich erst spät ent­deckt und nach wochen­lan­gem Hören bin ich mir sicher, dass Platz 8 in den Jah­res­charts viel zu weit hin­ten war. Es ist aber nicht nur Wie­der­gut­ma­chung, die­se EP jetzt an expo­nier­ter Stel­le zu loben, denn die gera­de mal vier Tracks haben es in sich. Der Titel­track ent­stand gemein­sam mit den Album-Songs, aber „Woods“ klingt bei­spiels­wei­se völ­lig anders: Er besteht nur aus Jus­tin Ver­nons Stim­me, bzw. dem, was Auto­tu­ne davon übrig gelas­sen hat. Trotz­dem klingt es nicht grau­en­haft, wie auf dem letz­ten Kanye-West-Album, son­dern unge­fähr so packend wie Imo­gen Heaps „Hide And Seek“. Mann kann’s nicht beschrei­ben, man soll­te es hören!

Ant­o­ny And The John­sons – The Crying Light
„Kun­den, die Bon Iver kauf­ten, kauf­ten auch … Ant­o­ny And The John­sons“. Ich hab lan­ge über­legt, ob ich vor­her eigent­lich schon mal einen Song von Ant­o­ny Hegar­ty und sei­ner Band gehört habe. Ja, sagt Wiki­pe­dia, in „V for Ven­det­ta“. Ich kann mich nicht dar­an erin­nern, ver­spre­che aber, die­se Bil­dungs­lü­cke zu schlie­ßen, denn „The Crying Light“ ist ein groß­ar­ti­ges Album: Kam­mer­kon­zert­ar­ti­ge Instru­men­tie­rung (wes­we­gen die Band auch unter „Cham­ber pop“ ein­sor­tiert ist), über­ra­schen­de Wech­sel in Takt und Har­mo­nie und über allem eine Stim­me, die man nur mit dem Adjek­tiv „ent­rückt“ beschrei­ben kann. Wenn die Engel­chen backen und sich der Him­mel am Hori­zont rosa ver­färbt, hören sie ver­mut­lich sol­che Musik.

Black Rust – Medi­ci­ne & Meta­phors
Ein Album, wie geschaf­fen für den Janu­ar: Es passt zu grau­en Nach­mit­ta­gen eben­so wie zu Schnee­spa­zier­gän­gen im Son­nen­schein. Da ist ein Song­ti­tel wie „New Year’s Day“ nur noch das Tüp­fel­chen (viel­leicht sogar das Herz­chen) auf dem i. Was mir an die­ser Akus­tik­rock-Plat­te so gefällt, steht aus­führ­li­cher hier.

Songs
Lily Allen – The Fear
Spä­tes­tens seit ich sie vor zwei­ein­halb Jah­ren live gese­hen habe, bin ich ein biss­chen in Lily Allen ver­liebt. Ich bin also nicht sehr objek­tiv, was ihre Musik angeht. Aber „The Fear“ ist auch mit etwas ver­such­tem Abstand ein tol­ler Song: aus­ge­wo­gen zwi­schen Melan­cho­lie (Akus­tik­gi­tar­ren, der Text) und Par­ty­stim­mung (die Beats, das Gezir­pe) geht er sofort ins Ohr, ohne dabei zu chee­sy zu sein. Und zu der Idee, nicht wie­der mit Mark Ron­son zusam­men­zu­ar­bei­ten (und damit so zu klin­gen wie all die­se Sän­ge­rin­nen, die nach ihr kamen), kann man ihr sowie­so nur gra­tu­lie­ren.

Man­do Diao – Dance With Some­bo­dy
Es ist natür­lich rei­ner Zufall, dass aus­ge­rech­net in dem Monat, in dem Franz Fer­di­nand am Umgang mit Syn­the­si­zern schei­tern, ihre schwe­di­schen Wie­der­gän­ger einen der­art gelun­ge­nen Tanz­bo­den­stamp­fer aus dem Ärmel schüt­teln. Ein paar Tak­te „Eno­la Gay“; ein Sound der klingt, als habe man die eigent­li­che Band gegen The Ark aus­ge­tauscht, und ein Refrain, der so schlicht ist, dass man ihn nur lie­ben oder has­sen kann.

Bruce Springsteen – The Wrest­ler
Das neue Album „Working On A Dream“ will mich irgend­wie nicht so recht packen, alles klingt so alt­be­kannt. Aber dann kommt „The Wrest­ler“, der Gol­den-Glo­be-prä­mier­te Bonus­track, der an „The River“, „Secret Gar­den“ oder „Dead Man Wal­king“ erin­nert, und ich bin wie­der hin und weg. Die gan­ze Schwe­re der Welt in einem Song und auf den Schul­tern eines Man­nes, der das aus­hält.

Ant­o­ny And The John­sons – Her Eyes Are Under­neath The Ground
„Mut­ti, wovon singt die­ser Mann?“ – „Dass er mit sei­ner Mut­ter in einem Gar­ten eine Blu­me gestoh­len hat.“ – „Aha!“ Fra­gen Sie mich nicht, aber die­ses Lied ist ver­dammt groß.

The Fray – You Found Me
Eigent­lich soll man sich ja nicht für sei­nen Geschmack ent­schul­di­gen, aber bei Col­lege Rock habe ich immer das Gefühl, es trotz­dem tun zu müs­sen. Ich lie­be das Debüt­al­bum von The Fray (die Melan­cho­lie, die Tex­te, das Kla­vier!) und es ist mir egal, dass sie als „christ­li­che Rock­band“ gel­ten. „You Found Me“, die Vor­ab­sin­gle ihres zwei­ten, selbst­be­ti­tel­ten Albums, läuft angeb­lich bei Eins­li­ve rauf und run­ter (Lily Allen läuft sogar auf WDR 2), aber das macht nichts. Die ers­te gro­ße Pathos-Hym­ne des Jah­res 2009 hat Auf­merk­sam­keit ver­dient.

Ani­mal Coll­ec­ti­ve – Brot­her Sport
„Mer­ri­wea­ther Post Pavil­lon“, das neue Album von Ani­mal Coll­ec­ti­ve (von denen ich bis­her nichts kann­te), fällt bei mir in die Kate­go­rie „Sicher nicht schlecht, aber ich wüss­te nicht, wann ich mir sowas noch mal anhö­ren soll­te“ – und befin­det sich dort mit Radio­head und Port­is­head in bes­ter Gesell­schaft. „Brot­her Sport“ unter­schei­det sich in Sachen Unzu­gäng­lich­keit und Melo­die­lo­sig­keit nicht groß vom Rest des Albums, hat aber den­noch irgend­was (sehr prä­zi­se, ich weiß), was mich zum Hin­hö­ren bringt. Das Repe­ti­ti­ve nervt dies­mal nicht, son­dern ent­fal­tet sei­ne ganz eige­ne hyp­no­ti­sche Wir­kung. Aus irgend­wel­chen Grün­den erin­nert mich das an den Tanz der Ewoks am Ende von „Return of the Jedi“, auch wenn ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wie­so.

[Lis­ten­pa­nik, die Serie]