Kategorien
Digital

Dem „Spiegel“ weht eine steife Hybrise ins Gesicht

Vor sechs Wochen schrieb ich hier im Blog, es hand­le sich bei „The Euro­pean” um ein „kon­ser­va­ti­ves Inter­net­ma­ga­zin, des­sen erklär­tes Ziel es ist, inner­halb der nächs­ten Jah­re so wich­tig zu wer­den, wie es sich selbst seit dem ers­ten Tag nimmt“.

Damit lag ich anschei­nend falsch: „The Euro­pean“ sieht sich selbst nicht als kon­ser­va­tiv, son­dern als Platt­form, auf der die „gro­ßen gesell­schaft­li­chen Debat­ten“ „dis­kur­siv“ „ver­han­delt“ wer­den, wie Chef­re­dak­teur Alex­an­der Gör­lach im Namen der Redak­ti­on klar­stell­te. Außer­dem ist „The Euro­pean“ bereits wich­tig – womög­lich sogar, und das ist die eigent­li­che Sen­sa­ti­on, noch wich­ti­ger, als es sich selbst nimmt.

Jeden­falls hat Chef­re­dak­teur Alex­an­der Gör­lach ges­tern (offen­bar nur in sei­nem eige­nen Namen) erklärt:

SPIEGEL fürchtet die Konkurrenz von The European

Huch! Ein Blatt mit mehr als 60-jäh­ri­ger Tra­di­ti­on, das von vie­len aus Gewohn­heit immer noch für ein füh­ren­des Nach­rich­ten­ma­ga­zin gehal­ten wird, hat Angst vor einem … äh: „Blog“, das seit sech­zehn Mona­ten am Start ist? Also qua­si das Face­book des Pole­mi­sie­rens Mei­nungs­jour­na­lis­mus?

Scheint so:

Gan­ze vier Kolum­nen durf­te Mat­thi­as Matus­sek für uns schrei­ben. Die Chef­re­dak­ti­on des Maga­zins hat ihm, so ver­lau­te­te aus Krei­sen des Nach­rich­ten­blat­tes, wei­te­re Publi­ka­tio­nen als Kolum­nist auf The Euro­pean ver­bo­ten. Begrün­dung: The Euro­pean sei ein direk­ter Kon­kur­rent des Ham­bur­ger Nach­rich­ten­por­tals. Das ehrt The Euro­pean natür­lich. Wir grü­ßen die Ham­bur­ger Kol­le­gen.

Das „Ver­bot“ dürf­te vor allem eine arbeits­recht­li­chen Hin­ter­grund haben: Ein Redak­teur darf nicht ein­fach für ein Medi­um arbei­ten, das ver­gleich­ba­re Inhal­te anbie­tet – egal, wie groß oder klein, wich­tig oder egal es ist. Gör­lach sieht das erwar­tungs­ge­mäß anders:

Uns zeigt die ner­vö­se Reak­ti­on des Medi­en­rie­sen, dass uns der Wurf eines Online-Maga­zins, das aus­schließ­lich auf poin­tier­ten Mei­nungs- und Debat­ten­jour­na­lis­mus setzt, gelun­gen ist.

Seit Sep­tem­ber 2010 stellt Gör­lach für Bild.de übri­gens den „Blog-Radar“ zusam­men, in dem er zusam­men­fasst, was „das Netz“ (also meis­tens die Autoren von „The Euro­pean“) von die­sem oder jenen The­ma hal­ten. So berich­te­te er im Novem­ber bei­spiels­wei­se, das „Netz“ lau­fe „Sturm gegen Abzo­cke bei Weih­nachts­lie­dern“, und schloss sich damit der erschre­cken­den Ahnungs­lo­sig­keit vie­ler Medi­en an. Sein „Blog-Radar“ vom 2. Dezem­ber war dann bis heu­te der letz­te. Womög­lich schei­nen sie bei „The Euro­pean“ Bild.de noch als Kon­kur­renz zu betrach­ten. Immer­hin.