Heute wurden die Nominierungen für den Grimme Online Award 2008 bekannt gegeben. Da ich noch nicht die Zeit hatte, mir alle nominierten Internetangebote näher anzusehen, schreibe ich aber nicht über die Nominierten, sondern über die nette kleine Veranstaltung in den Räumen der Landesanstalt für Medien NRW in Düsseldorf:
Dem Adolf-Grimme-Institut haftet ja immer eine gewisse Spießigkeit an: Es sitzt in Marl und hängt irgendwie mit dem Deutschen Volkshochschulverband zusammen – Unglamouröseres kann man sich kaum vorstellen, ohne beim Aufschreiben mindestens die Bewohner mehrerer ostdeutscher Landstriche und ein paar Personen zu beleidigen. Trotzdem (vermutlich eher: genau deshalb) macht das Grimme-Institut aber sehr gute und lobenswerte Arbeit – ich selbst habe kürzlich erst an einem sehr interessanten Seminar über Medienjournalismus teilnehmen dürfen.
Wo, wenn nicht im weitgehend ablenkungsfreien Marl, sollten sich Menschen durch fast 1.900 vorgeschlagene Internetseiten klicken; wer, wenn nicht eine Nominierungskommission aus Kommunikationswissenschaftlern, VHS-Studienleitern und Onlinejournalisten, sollte eine solche Masse erst auf 250 näher zu betrachtende Angebote und dann auf 17 Nominierungen einschränken? So erklärte Uwe Kammann, Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, dann auch das Selbstverständnis des Preises: Orientierung und Hilfe liefern in der Flut von Internetangeboten. Im vergangenen Jahr habe ich so das großartige Blog “USA erklärt” kennengelernt.
Zwei Trends seien in diesem Jahr erkennbar, hieß es: der zu Online-Videos und zu Nutzerbeteiligung, wobei letztere inzwischen weit über Kommentarfunktionen hinausginge. Damit war die Horrorvorstellung für einige Journalisten dann auch schön umrissen: “Fernsehen” im Internet, gemacht von Menschen, die womöglich noch nie ein Fernsehstudio, geschweige denn eine Journalistenschule von innen gesehen haben, und noch dazu die Einbindung der Leute, die früher nur abnicken sollten, was man ihnen vorsetzte.
Andere Journalisten finden das freilich toll. So berichtete Jens Rehländer von GEO.de, das mit einer Multimediareportage über die Koralleninsel Raja Ampat nominiert ist, völlig nachvollziehbar davon, wie enthusiastisch er nach einem Jahr in der Online-Redaktion sei, nachdem er 20 Jahre Print gemacht habe. Er sprach von der Veränderung des Berufsbilds Journalist und davon, dass die Reporter von Geo nach Feierabend und am Wochenende ihre Multimediainhalte zusammenschneiden. Dann sagte er noch, dass es Internetnutzer lieber authentisch als extrem professionell hätten, und man gar nicht vorhabe, mit Podcasts und Videos Radio und Fernsehen Konkurrenz zu machen. Und ich dachte nur noch: “Kluger Mann!”
Gut ein Viertel der Nominierungen entfiel auf programmbegleitende Angebote öffentlichlich-rechtlicher Sender, was man natürlich durchaus kritisieren kann, wenn man eh bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit das öffentlich-rechtliche System kritisieren will. Dass die ZDF-Mediathek nominiert wurde, kann man durchaus als politische Entscheidung verstehen, immerhin sollen die öffentlich-rechtlichen Sender nach Plänen der EU-Kommission ihre Inhalte zukünftig nur noch sieben Tage online stellen dürfen, was für den Gebührenzahler in etwa so geistreich ist wie ein Malermeister, der Ihnen nach sieben Tagen die bereits bezahlten Tapeten wieder von den Wänden kratzt. Dieses Thema führte dann auch zu kleineren Diskussionen zwischen Vertretern des WDR und der Düsseldorfer Staatskanzlei und zu spannenden Gesprächen nach dem offiziellen Teil. Dass es im Jahr 2008 überhaupt noch als preiswürdig gilt, wenn ein Fernsehsender fast alle seine Inhalte online verfügbar hat, ist schon einigermaßen tragisch, in Deutschland aber eben auch Fakt. Wenn sich die Jury an die Bewertungskriterien hält (Stichwort “Nutzerfreundlichkeit”), dürfte die ZDF-Mediathek trotzdem keine Chance auf den Preis haben.
Insgesamt ist die Liste der Nominierten schon recht brav, man könnte sagen: Grimme-Institut halt. Mir fiele so spontan aber kein sonderlich “unbraves” Internetprojekt ein, das ich hätte vorschlagen können. Dass vergleichsweise wenige Blogs nominiert wurden (dafür mit Netzpolitik und Störungsmelder zwei politische und das sehr persönliche der ALS-Patientin Sandra Schadek), erklärte Prof. Christoph Neuberger aus der Nominierungskommission damit, dass sich die Standards im Web jedes Jahr änderten und Multimedialität inzwischen einen höheren Stellenwert habe.
Dann sind überproportional viele Angebote für Kinder dabei, was man noch damit rechtfertigen kann, dass Orientierung besonders auf diesem Gebiet Not tut und pädagogisch wertvolle Internetseiten sowieso unterstützenswert sind. Mit Hobnox ist ein Angebot nominiert, das ich zwar für sehr spannend, möglicherweise gar revolutionär halte, sich aber auch noch in der Beta-Phase befindet …
Man kann also wieder kräftig an der Liste rummäkeln, was man als Blogger vermutlich sogar tun muss, weil ja so viele böse “kommerzielle” und “gebührenfinanzierte” Angebote auf der Liste stehen, man kann aber das Anliegen und die Entscheidungen des Grimme-Instituts akzeptieren und, wenn’s denn sein muss, einfach einen eigenen Award ausrufen – so wie Til Schweiger, nachdem er beim Deutschen Filmpreis übergangen worden war.
Nicht ohne Stolz will ich aber zum Schluss darauf hinweisen, dass ich beim Überfliegen der Listen unter den Mitarbeiter an den nominierten Projekten schon wieder zwei ehemalige Dinslakener gefunden habe.