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Sommer-Songs

Die Som­mer­fe­ri­en in NRW sind vor­bei, ohne dass man vom Som­mer son­der­lich viel gemerkt hät­te. Aber wir hat­ten vor der Som­mer­pau­se eine Som­mer-Fol­ge ver­spro­chen, also: Hier sind wir!

Lukas spielt ein paar per­sön­li­che Som­mer-Favo­ri­ten und Eure ganz per­sön­li­chen Som­mer-Hits. Von Die Ärz­te bis zu die­sem schlim­men Lied aus der Eis­creme-Rekla­me.

Alle Songs:

  • A – Paci­fic Oce­an Blue
  • Die Ärz­te – Him­mel­blau
  • kett­car – Som­mer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun) – Live
  • Funk­star De Luxe – Sun Is Shi­ning
  • Bea­gle Music Ltd. – Like Ice In The Suns­hi­ne
  • Air – New Star In The Sky
  • Ste­phen San­chez – Until I Found You
  • Jac­qui Nay­lor – Sum­mer­ti­me

Show Notes:

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Musik

I’m serious, so come on

Der Früh­ling ist da: Die Son­ne scheint vom wol­ken­lo­sen Him­mel, Vögel und Mäd­chen sind aus dem Win­ter­schlaf erwacht und es ist wie­der an der Zeit, eines mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­al­ben zu hören.

Das war Quatsch: Es ist natür­lich immer an der Zeit, eines mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­al­ben zu hören, aber im Moment macht es noch viel mehr Spaß.

Das Album, um das es geht, stammt von der bri­ti­schen Band A (ein Name aus der Zeit, als Band­na­men noch nicht such­ma­schi­nen­op­ti­miert waren), heißt „Hi-Fi Serious“ und ist vor ziem­lich genau zehn Jah­ren erschie­nen. Theo­re­tisch müss­te ich die Band damals auch bei der Oster­rock­nacht in der Düs­sel­dor­fer Phil­ips­hal­le gese­hen haben, aber ich kann mich beim bes­ten Wil­len nicht dar­an erin­nern.

Damals hat­te ich zunächst aller­dings auch nur ein, zwei MP3s von dem Album, wie man das in Zei­ten von soge­nann­ten Netz­werktref­fen und Tausch­bör­sen damals eben so hat­te. Einer die­ser Songs, „Paci­fic Oce­an Blue“, war aller­dings auf mei­nem Mix­tape „05/​02“, das ich mir nach den letz­ten schrift­li­chen Abitur­prü­fun­gen auf­ge­nom­men hat­te und dann stän­dig gehört habe. Mit Zei­len wie „And the sum­mer is fore­ver /​ It’s the end­less sum­mer“ pass­te der Song aller­dings auch wie der sprich­wört­li­che Arsch auf Eimer zu den nai­ven All­machts­phan­ta­sien, die man als jun­ger Mensch eben hat, wenn man sechs bis acht Wochen kei­nen ande­ren Grund zum Auf­ste­hen hat, außer sich mit sei­nen Freun­den zu tref­fen, um wahl­wei­se Schwim­men, Gril­len oder Trin­ken zu gehen. ((Theo­re­tisch ist auch alles drei gleich­zei­tig mög­lich, aber ich bin am Nie­der­rhein auf­ge­wach­sen und der liegt – nun ja – am Rhein.))

Das gan­ze Album hat­te ich dann erst zwei Jah­re spä­ter und viel­leicht liegt es dar­an, dass auch damals grad Früh­ling war, aber „Hi-Fi Serious“ ist seit­dem mein aller­liebs­tes Son­nen­schein­al­bum. Schon bei den ers­ten Tak­ten von „Not­hing“ möch­te ich sofort los­ge­hen und mir ein Skate­board kau­fen. ((Ich habe mir mein ers­tes Skate­board mit 19 gekauft, als ich nach dem Zivil­dienst wie­der nichts zu tun hat­te. Nach eini­gen Fahr­ver­su­chen mit mei­nen gleich­alt­ri­gen, etwa gleich talen­tier­ten Freun­den, die wir alle immer­hin unver­letzt über­stan­den, hat sich mein klei­ner Bru­der das Ding gezockt und ich habe es seit­dem nicht mehr pro­biert.)) Ich könn­te über jeden ein­zel­nen Song schrei­ben, über das ver­knall­te „Something’s Going On“, die nied­li­che Kon­sum­kri­tik von „Star­bucks“ und über „Going Down“, das die letz­ten Minu­ten an Bord eines abstür­zen­den Flug­zeugs beschreibt, ((Auch kein The­ma, was man im Früh­jahr 2002 zwin­gend in einem Rock­song erwar­tet hät­te.)) oder über das wüten­de „W.D.Y.C.A.I.“, aber es ist das Album in sei­ner Gesamt­heit, das so groß­ar­tig ist.

„Hi-Fi Serious“ ist ein musik­ge­wor­de­ner Som­mer­nach­mit­tag. Ich lie­be die posi­ti­ve Ener­gie und die hör­ba­re Spiel­freu­de, die einem aus den Lie­dern ent­ge­gen­schlägt und die ich an Künst­lern wie The Hold Ste­ady, Andrew W.K. oder eben A so sehr schät­ze. Die Musik sorgt dafür, dass ich bei fast jedem Song (ein paar ruhi­ge­re sind ja auch dabei) durch die Gegend und am Liebs­ten mit einem lebens­ge­fähr­li­chen Stunt in den nächs­ten Swim­ming Pool hüp­fen möch­te.

Natür­lich sind wäh­rend mei­ner Jugend musi­ka­lisch anspruchs­vol­le­re, his­to­risch bedeut­sa­me­re Alben erschie­nen – aber kein Album die­ser Welt erin­nert mich so dar­an, wie es sich anfühlt, jung zu sein, wie „Hi-Fi Serious“ von A. In den Liner Notes schreibt Sän­ger Jason Per­ry über „Paci­fic Oce­an Blue“, für ihn hät­ten die Beach Boys den Som­mer erfun­den. Für mich waren es A.

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Leben Unterwegs

Urlaub machen, wo andere leben

Jesus auch in Bochum

Besucht man irgend­wen irgend­wo und drängt die­se Per­son mit mil­der Gewalt dazu, am eige­nen tou­ris­ti­schen Pro­gramm mit­zu­ma­chen, wird man mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit am Ende einen Satz wie die­sen hören: „Also, das fand ich jetzt wirk­lich inter­es­sant. Wenn man hier wohnt, guckt man sich das ja nor­ma­ler­wei­se gar nicht an.“

Mich kommt in Bochum lei­der nie­mand besu­chen, wes­we­gen Kath­rin und ich uns am Wochen­en­de ein­fach mal auf eige­ne Faust als Tou­ris­ten in der eige­nen Hei­mat ver­sucht haben. Einen beson­de­ren Grund dazu gab es eigent­lich nicht, außer dass wir mal recht drin­gend Urlaub brauch­ten.

Gute Grün­de, dass die Innen­stadt voll ist, gibt es hin­ge­gen schon: Die Son­ne scheint in all ihrer som­mer­li­chen Pracht vom Him­mel hin­ab, der VfL spielt zur Sai­son­er­öff­nung gegen Wer­der Bre­men und auf dem Dr.-Ruer-Platz fin­det „Bochum kuli­na­risch“ statt, eine Art Weih­nachts­markt ohne Geschen­ke­stän­de und mit bes­se­rem Essen im Som­mer. Es herrscht das, was in Fern­seh­do­ku­men­ta­tio­nen mit dem Satz „Es herrscht Volks­fest­stim­mung“ beschrie­ben wird, bevor dann irgend­ein Unglück pas­siert (Explo­sio­nen, ein­stür­zen­de Tri­bü­nen, nie­der­ge­schla­ge­ne Volks­auf­stän­de).

Ein Unglück soll­te uns am Sams­tag aber nicht pas­sie­ren, denn Jesus liebt uns. Das behaup­ten zumin­dest die jun­gen Men­schen, die uns hun­dert Meter wei­ter Flug­blät­ter in die Hand drü­cken wol­len. Wir bedan­ken uns für so viel Unter­stüt­zung, gehen aber lie­ber wei­ter, bevor wir noch beim gro­ßen gemein­sa­men Sin­gen mit­ma­chen müs­sen. Kath­rin möch­te ihren Tele­fon­an­schluss kün­di­gen, was aber im Tele­kom-Laden natür­lich nicht geht. Des­halb gehen wir direkt wei­ter „Kla­mot­ten gucken“, also serious shop­ping betrei­ben. Zwan­zig Minu­ten spä­ter habe ich bei C&A ein Paar Jeans in mei­ner Grö­ße für 9 Euro erstan­den (alle ande­ren Grö­ßen kos­ten 15 Euro, der Ursprungs­preis ist dem Eti­kett lei­der nicht mehr zu ent­neh­men) und ver­schwand erst mal in den Tie­fen einer Buch­hand­lung.

Um das Gefühl von Groß­stadt und Urlaub noch ein biss­chen aus­zu­kos­ten, gehen wir zu Star­bucks – davon hat Bochum inzwi­schen zwei Stück im New-York-ver­däch­ti­gen Abstand von 250 Metern. Star­bucks ist zwar eigent­lich ein Super-Feind­bild für alles und A haben mit „Don’t want your job in Star­bucks“ eine wun­der­bar tref­fen­de Lied­zei­le zum The­ma, aber wie sonst soll man Welt­läu­fig­keit simu­lie­ren, wenn nicht mit einer ame­ri­ka­ni­schen Kaf­fee­ket­te? Ganz uname­ri­ka­nisch set­zen wir uns aller­dings hin1 – wenn auch drau­ßen vor den Laden, wo wir die Men­schen in der Fuß­gän­ger­zo­ne wie Qual­len an uns vor­bei­trei­ben las­sen. Die Bochu­mer Innen­stadt ist teil­wei­se der­art reno­viert wor­den in den letz­ten Jah­ren, dass ich nur auf den Tag war­te, an dem die Stadt das ers­te Mal in einem Fern­seh­film Ber­lin dou­beln muss, weil sich die Kame­ra­teams in Ber­lin ja sowie­so immer gegen­sei­tig auf den Füßen rum­ste­hen.

Der shop­ping spree soll bei H&M wei­ter­ge­hen, dort haben sie schwar­ze Cord­sackos, deren Erwerb ich seit eini­gen Jah­ren ernst­haft in Erwä­gung zie­he. Ein­mal hat­te ich bereits eines gekauft, aber mei­ne per­sön­li­che Stil­be­ra­te­rin, die lan­ge als Mar­ke­ting-Direk­tor in der New Yor­ker Mode­bran­che gear­bei­tet hat­te, schick­te mich mit harr­schem Ton zum Umtausch. Die Ärmel sei­en defi­ni­tiv zu kurz, so ihr ver­nich­ten­des Urteil. Die Ärmel sind auch dies­mal zu kurz, was den Ver­dacht nahe­legt, dass mei­ne Arme in Wahr­heit zu lang sind. Dafür sind mei­ne Bei­ne zu kurz, was das Ein­stel­len des Fah­rer­sit­zes im Auto immer zu einer län­ge­ren Ange­le­gen­heit wer­den lässt.

Nach etwa einer Stun­de schwe­di­scher Mas­sen­mo­de (ich hat­te die eben­falls shop­pen­de Dame ja erwähnt) bin ich gegen Fünf lang­sam doch mal reif für Mit­tag­essen. Also gehen wir zur Fisch­bra­te­rei von Gül­cans Schwie­ger­va­ter und ich ent­schei­de mich zwecks Urlaubs­fee­ling für ein Krab­ben­bröt­chen mit Nord­see­krab­ben. Das erin­nert mich immer an die unge­zähl­ten Fami­li­en­ur­lau­be an der hol­län­di­schen Nord­see­küs­te (war­um ein Bröt­chen mit Nord­see­krab­ben in Bochum knapp die Hälf­te von dem kos­tet, was man in Hol­land hin­term Deich bezahlt, kann mir sicher irgend­ein VWL-Stu­dent erklä­ren, falls ich mal einen ken­nen­ler­ne).

Für den Sams­tag reicht uns das, außer­dem will ich ja die „Sport­schau“ sehen. Hät­te ich geahnt, dass in der ers­ten Stun­de sowie­so nichts inter­es­san­tes läuft, hät­te ich mir die Tier­schüt­zer, die in der Fuß­gän­ger­zo­ne Vide­os von lei­den­dem Schlacht­vieh zei­gen, viel­leicht noch mal genau­er ange­guckt.

Nach die­sem groß­städ­ti­schen Sams­tag hät­ten wir es am Sonn­tag­abend gern ein paar Num­mern klei­ner. Das ist kein Pro­blem, denn in fuß­läu­fi­ger Ent­fer­nung befin­det sich das „Kirch­vier­tel“ mit alten Berg­ar­bei­ter­häu­sern; diver­sen Bäcke­rei­en, Apo­the­ken und Super­märk­ten; zwei Piz­za­bu­den und tat­säch­lich einer Kir­che. Uns inter­es­siert aber beson­ders die Eis­die­le: Die Aus­wahl ist noch grö­ßer als am Tag zuvor bei Star­bucks und ich wün­sche mir für einen Moment, irgend­je­mand wür­de ein­fach mal für mich ent­schei­den. Dann wäre ich aber ver­mut­lich bei Bana­ne-Moc­ca aus­ge­kom­men und nicht bei Ana­nas-Tira­mi­su wie jetzt. Vor uns ist ein Mann dran, der mit etwas eigen­tüm­li­chen Wün­schen zu über­ra­schen weiß: Fünf Kugeln Moc­ca mit Sah­ne und zwei Kugeln Eis für den Hund (ohne Sah­ne).2

Eis schle­ckend und trop­fend spa­zie­ren wir durch den Orts­teil, der so wun­der­bar dörf­lich wirkt, dass man kaum glau­ben kann, mit­ten im Ruhr­ge­biet zu sein. Die Bewoh­ner des nahe­ge­le­ge­nen Senio­ren­heims (das erklärt die vie­len Apo­the­ken) schlur­fen durch die Stra­ßen und mei­ne Hän­de kle­ben von der zer­lau­fe­nen Eis­creme. Als wir wie­der Rich­tung Uni­ver­si­täts­stra­ße gehen, fra­gen wir uns, ob Bochum nicht viel­leicht doch ein ganz guter Wohn­ort ist, auch län­ger­fris­tig, und war­um man sich sowas nor­ma­ler­wei­se nicht anguckt.

1 Fol­gen­der Dia­log wur­de mir mal aus einer kali­for­ni­schen High School über­lie­fert:
Deutsch­leh­re­rin (Deut­sche): „In Euro­pe, espe­ci­al­ly in Ger­ma­ny, the peo­p­le usual­ly sit down in a cafe. I don’t get why Ame­ri­cans always have to walk around with their bever­a­ges.“
Schü­ler (Ame­ri­ka­ner): „It’s becau­se they have jobs – which 4.5 mil­li­on Ger­mans don’t do, as I recall.“
Der Schü­ler wur­de dar­auf­hin des Unter­richts ver­wie­sen.

2 Das ist aller­dings nichts ver­gli­chen mit dem Mann, der in Dins­la­ken mal „Ama­re­na­ta durchs Spa­ghet­ti-Eis-Sieb gepresst im Hörn­chen“ haben woll­te. Ama­re­na­ta ist Eis mit gan­zen Kir­schen drin.