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Kultur

Es gilt das erbrochene Wort

Ich verehre Jochen Malmsheimer seit mehr als einer Dekade. Ich schriebe nicht, wenn er und sein damaliger Tresenlesen-Kollege Frank Goosen mir nicht gezeigt hätten, was man alles Schönes mit der deutschen Sprache anfangen kann (der Rest meines Schreibens stützt sich auf die Gesamtwerke von Benjamin von Stuckrad-Barre, Christian Kracht und natürlich Max Goldt). Deshalb freut es mich besonders, dass Herrn Malmsheimer das gelungen ist, was in unserer beider Heimatstadt Bochum maximal alle zwei Wochen passiert: Er hat einen “Eklat” ausgelöst.

Ort und Grund war die Eröffnung des Zeltfestivals Ruhr, das auch in diesem Jahr wieder hochkarätige Künstler, aber auch Acts wie Ich + Ich, die Simple Minds oder die H-BlockX an den Gestaden des malerischen Kemnader Sees versammelt. Malmsheimer war geladen, ein Grußwort zu sprechen, und er nutzte die Gelegenheit, dass die gesamte Stadtspitze wehrlos vor ihm saß, zu einer “Suada” (“Westdeutsche Allgemeine Zeitung”), um “vom Leder zu ziehen” (ebd.), zu einer “Litanei” (“Ruhr Nachrichten”) und um zu “schocken” (ebd.).

Da ich nicht zu den rund 500 geladenen Würdenträgern aus Politik, Wirtschaft und Kultur gehörte (it’s a long way to the top, even in Bochum), muss ich mich auf die Auszüge aus der elfseitigen Rede verlassen, die die “Ruhr Nachrichten” ins Internet gestellt haben. Diese gefallen mir jedoch außerordentlich.

Zum Beispiel das, was Malmsheimer über das geplante, jedoch nicht vor der Wiederkehr Christi fertiggestellte Bochumer Konzerthaus zu sagen hat:

…dies ist die Stadt, die vollmundig, um nicht zu sagen: großmäulig, die Notwendigkeit zur Installation eines vollkommen unnützen Konzerthauses verkündet, ohne einen Bedarf dafür zu haben und die Kosten des laufenden Betriebes decken zu können, und das alles in einem Kulturraum, der inzwischen über mehr nicht ausgelastete Konzerthäuser verfügt, als er Orchester unterhält, und die das alles dann doch nicht hinkriegt, weil der Regierungspräsident zum Glück solchen und ähnlichen Unfug einer Gemeinde untersagt hat, die ihre Rechnungen in einer Größenordnung im Keller verschlampt, die unsereinen für Jahre in den Knast brächte und die finanziell noch nicht mal in der Lage ist, die Frostschäden des letzten Winters im Straßennetz zu beseitigen…

Den gekürzten Rest gibt’s auf ruhrnachrichten.de.

Malmsheimers Worte jedenfalls verfehlten nicht ihr Ziel. Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz ließ eine erneute Einladung, sich zu blamieren, nicht ungenutzt verfallen, wie die “WAZ” berichtet:

Die Oberbürgermeisterin beschwerte sich bei den Veranstaltern, diese distanzierten sich sogleich von ihrem Gast; in seinem “polarisierenden Vortrag” habe Malmsheimer “für sich selbst gesprochen”.

Das hatte Malmsheimer selbst freilich direkt klargestellt — aber dafür hätte man ihm natürlich zuhören müssen:

Dabei möchte ich gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass ich, anders als jene, die vor mir adressierten, ausschließlich für mich selber spreche, eine Fähigkeit, die ich mir unter Mühen antrainierte und die mich eigentlich seitdem hinreichend ausfüllt.

[via Jens]

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Rundfunk Kultur

Die Pottheads vom WDR

Am Sonntag ist es endlich soweit: Die A 40 wird zwischen Duisburg und Dortmund gesperrt, um darauf einen riesigen Tisch zu errichten und ein Volksfest zu feiern. Die Idee kann man charmant finden oder bekloppt, aber es wird hoffentlich tolle Bilder geben, die mithelfen, das Image des Ruhrgebiets zu verbessern.

Der Westdeutsche Rundfunk bringt deshalb mehrere Sondersendungen, die er in mehreren Pressemitteilungen vollmundig ankündigt:

Kein Stau, kein Stress, keine Autos – am 18. Juli geht auf der Autobahn A40 alles. Die RUHR 2010 sperrt den so genannten Pott-Highway.

Den was?!

den so genannten Pott-Highway.

Ach was. Und wer nennt den so?

Der Westdeutsche Rundfunk — und zwar offensichtlich nur der Westdeutsche Rundfunk.

Aua.

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Leben Gesellschaft

Möbeltransport im ÖPNV – Eine Fallstudie

Menschen mit entsprechenden Erfahrungen erklären gerne, ein Kind zu bekommen würde die Sichtweise auf die Welt völlig verändern. Ich bin weit davon entfernt, dem widersprechen zu wollen (oder zu können), aber ich kann diesen Menschen zurufen: “Für einen Perspektivwechsel braucht’s keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr. Es reicht auch, mit vier Aluminiumstühlen unterm Arm U-Bahn zu fahren.”

Und das kam so:

Ich hatte kurz vor meinem Umzug in einem Geschäft in der Bochumer Innenstadt meine Traumsitzmöbel entdeckt: Nachbauten des Designklassikers “Navy Chair”, herabgesetzt auf einen Preis, der nahezu unanständig niedrig war. Als mein Vater meiner neuen Einrichtungsgegenstände ansichtig wurde (und den dazugehörigen Preis erfuhr), rief er aus: “Sohn, gehe hin und hole mir davon, so viel Du tragen kannst!”

Das ganze Prozedere dauerte etwas länger, die Stühle mussten erst bestellt werden, aber dann waren sie da: Schön, stabil, leicht und unfassbar billig. Problem: Meine Fuhre hatte ich bequem mit einem Auto abholen können, das zum Zwecke der Umzugsvorbereitungen gerade bei mir auf dem Parkplatz rumgestanden hatte. Aber das war jetzt weg.

Da zu den oben aufgeführten hervorstechenden Eigenschaften der Möbel auch das geringe Gewicht zählt, war ich aber unbesorgt, die Situation trotzdem meistern zu können. Kurz bevor Bochum zum siebenundneunzigsten Mal in dieser Saison unter einer geschlossenen Schneedecke versank, machte ich mich also auf den Weg, kaufte die bestellten Stühle und klemmte sie mir unter dem angsterfüllten Blick der Mitarbeiter unter den Arm. Würde ich es schaffen, das Geschäft zu verlassen, ohne andere Teile der Produktpalette in Mitleidenschaft zu ziehen? Ich schaffte es. Eine freundliche Kundin hielt mir sogar die Tür auf.

Der Weg hinab in die U-Bahn-Station war kurz und soweit kein Problem. Zwar nahm ich auf der Rolltreppe einigen Platz ein, aber die wenigen Menschen, die vorbei wollten, beschieden mir geradezu ausufernd, dass das schon passe.

Die U35 stellte kein Problem dar: Die Wagen sind groß und geräumig, und da ich eh nur eine Haltestelle fahren und auf der gegenüberliegenden Seite aussteigen musste, konnte ich mich direkt vor die Tür stellen. Heikel wurde es, als sich eine Kontrolleurin näherte und die Fahrausweise sehen wollte. Auf keinen Fall wollte ich die genau ausbalancierten Sitzelemente abstellen müssen, um mein Portemonnaie zu zücken. Es war wie bei Hitchcock: Sie kam immer näher, während die Bahn schon für den Halt am Hauptbahnhof abbremste. Glücklicherweise schaffte ich es, den Zug zu verlassen, bevor ich mein Ticket vorzeigen musste.

Im Bahnhof kämpfte ich mich – etwas in Wendigkeit und Tempo gehemmt – zur unterirdischen Straßenbahnhaltestelle vor. Dort traf mich die Erkenntnis mit der Wucht einer auf dem Bühnenboden des New Yorker Palladiums zertrümmerten Bassgitarre: Die Rush Hour ist nicht der ideale Zeitpunkt, um den öffentlichen Personennahverkehr als Möbeltransporter zu missbrauchen.

Mehrere Hunderttausend Menschen (Schätzung von mir) standen am Gleis und scharrten mit den Füßen, auf dass sie sich in eben jene Straßenbahn des Todes zwängen können würden, um möglichst schnell bei Familie, Abendbrot und/oder TV-Unterhaltung zu sein. Das würde ein harter, brutaler Kampf werden.

Innerlich bereitete ich mich schon darauf vor, Galle geifernde Texte über zu kleine Verkehrsmittel, dumm glotzende Mitmenschen und die generelle Schlechtigkeit der Welt ins Internet zu kotzen. Dann kam die Bahn, eine stark gegen unendlich tendierende Anzahl Menschen stieg aus und eine ebensolche ein. Ich auch.

Es war mir etwas unangenehm und ich hatte auch Angst, Menschen mit den Leichtmetallmöbeln zu verletzen. Aber zum Glück ist ja immer noch Polarwinter und alle Menschen sind gut verpackt. Entschuldigend murmelte ich in die Runde, ich hätte halt kein Auto und die Stoßzeiten außer acht gelassen. “Ach, Sie haben sich dazu entschieden, jetzt und hier mit der Bahn zu fahren und damit ist es gut”, erklärte mir eine Frau mittleren Alters zu meiner eigenen Verwunderung meine momentane Situation.

Erstaunlicherweise waren alle Menschen in einem Maße hilfsbereit, dass mich sofort das schlechte Gewissen überkam, vorher jemals etwas anderes erwartet zu haben: Soll ich Ihnen das mal abnehmen? Wo müssen Sie denn raus? Wissen Sie, auf welcher Seite der Ausstieg ist?

An meiner Haltestelle trug mir ein junger Mann zwei zwischenzeitlich doch mal abgestellte Stühle auf den Bahnsteig und fragte, ob er mir tragen helfen solle, er wohne hier ja auch in der Gegend. Vielen Dank, sagte ich, geht schon.

Auf der Rolltreppe nach oben starrte mich eine junge Frau mit einer Mischung aus Mitleid und Entsetzen an und fragte, ob ich Hilfe brauche. Nein, sagt ich, kein Problem, wiegt ja nix.

Drei Minuten später war ich zuhause. Ich hatte nicht nur meine Heimatstadt mit ganz neuen Augen gesehen, sondern auch die Menschen dort.

Nächste Woche bringe ich meine alte Ledercouch mit der Bahn von Dinslaken nach Bochum.

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Digital

Ein Loch ist im Dach

Bei der Schalker Veltins-Arena ist – möglicherweise in Folge der hohen Schneelast, 80 Millionen Experten spekulieren schon wieder – ein Teil des Glasfaserdachs eingerissen.

Damit man sich selbst ein Bild der Lage machen kann, hat “Der Westen”, das Online-Portal der WAZ-Mediengruppe, eine kleine Bildergalerie zusammengestellt, die das Ausmaß des Schadens zeigt:

Das Dach der Veltins-Arena in Gelsenkirchen, Spielstätte des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, ist in einem Teilbereich über der Haupttribühne eingebrochen. Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool

Das Dach der Veltins-Arena in Gelsenkirchen, Spielstätte des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, ist in einem Teilbereich über der Haupttribühne eingebrochen. Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool

Das Dach der Veltins-Arena in Gelsenkirchen, Spielstätte des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, ist in einem Teilbereich über der Haupttribühne eingebrochen. Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool

Das Dach der Veltins-Arena in Gelsenkirchen, Spielstätte des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, ist in einem Teilbereich über der Haupttribühne eingebrochen. Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool

Das Dach der Veltins-Arena in Gelsenkirchen, Spielstätte des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, ist in einem Teilbereich über der Haupttribühne eingebrochen. Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool

Das Dach der Veltins-Arena in Gelsenkirchen, Spielstätte des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, ist in einem Teilbereich über der Haupttribühne eingebrochen. Foto: Martin Möller / WAZ FotoPool

Entweder der Fotograf hat sich (bei Temperaturen um den Gefrierpunkt) keinen Millimeter bewegt, während er die Bilder gemacht hat — oder “Der Westen” zeigt einfach sechs Mal das gleiche Bild in einem anderen Ausschnitt.