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Musik Leben

25 Jahre „Reload“

Die­ser Ein­trag ist Teil 8 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Tom Jones - Reload (abfotografiert von Lukas Heinser)

Zum ers­ten Mal von Tom Jones gehört habe ich, wie ver­mut­lich die meis­ten Men­schen mei­ner Gene­ra­ti­on, in „Mars Attacks!“, dem über­se­he­nen Meis­ter­werk von Tim Bur­ton. In dem Film grei­fen Mar­sia­ner die Erde an und sie tun das unter ande­rem in Las Vegas, wäh­rend Tom Jones auf der Büh­ne eines Casi­no-Hotels steht und – natür­lich – „It’s Not Unu­su­al“ singt. Jones spielt sich selbst, er wird im wei­te­ren Ver­lauf des Films mit Annet­te Bening und Janice Rive­ra zu den Tahoe-Höh­len flie­hen und, nach­dem die Mar­sia­ner besiegt sind und ein Fal­ke auf sei­nem Arm gelan­det ist, erneut „It’s Not Unu­su­al“ anstim­men. Eines der Top-10-Enden der Film­ge­schich­te. (Falls Ihr „Mars Attacks!“ noch nie gese­hen habt: Es ist, seit ich mit 13 im Kino war, einer mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­fil­me. Auch mehr als 25 Jah­re spä­ter muss ich immer noch sagen: 10/​10, ein Meis­ter­werk für alle Zei­ten. Guckt ihn Euch an!)

Für mei­ne Eltern und ihre Gene­ra­ti­on war Tom Jones damals im Wesent­li­chen eine etwas abge­half­ter­te Witz­fi­gur, nicht unähn­lich den ehe­ma­li­gen Schla­ger­stars, die bei Baum­artk­er­öff­nun­gen san­gen. Es waren die zyni­schen 1990er und die Qua­li­tä­ten, die es braucht, um Las Vegas resi­den­ci­es und Baum­artk­er­öff­nun­gen zu bestehen, wur­den allen­falls von Götz Als­mann gewür­digt. Da konn­te auch sein Mini-Come­back von 1994 nichts dran ändern, als er gemein­sam mit The Art Of Noi­se „Kiss“ von Prin­ce cover­te und mit sei­ner Ver­si­on für nicht weni­ge Kri­ti­ker das Ori­gi­nal über­traf.

Womög­lich war es eine Mischung aus 1990er-„Ironie“ und Teen­ager-Trotz, aber irgend­wie fand ich Tom Jones cool. Ent­spre­chend über­rascht war ich, als ich im Herbst 1999 in einem Elek­tronik­markt ein neu­es Album von ihm sah, gemein­sam mit Gast­stars wie The Car­di­gans, Rob­bie Wil­liams, Nata­lie Imbru­glia und Sim­ply Red, die mir natür­lich etwas sag­ten. Irgend­wie muss ich auch erkannt haben, dass es sich um jede Men­ge Cover­ver­sio­nen und Neu­ein­spie­lun­gen han­del­te, denn ich war ent­täuscht, dass „It’s Not Unu­su­al“ nicht dabei war, und so habe ich die CD zu die­sem Zeit­punkt nicht gekauft.

Doch dann kam der Auf­tritt bei „Wet­ten, dass ..?“: Nina Pers­son und die Jungs hat­ten sich trotz aller eige­nen Chart­erfol­ge ver­mut­lich nie vor­ge­stellt, ein­mal in die­ser selt­sa­men deut­schen Fern­seh­sen­dung, von der sich inter­na­tio­na­le Stars in first class loun­ges, Fes­ti­val-Back­stage-Berei­chen und bei Preis­ver­lei­hung fas­sungs­los erzäh­len, vor einem spre­chen­den Büh­nen­bild (ja, in der Tat: ein bren­nen­des Haus) einen Auf­tritt mit dem „Tiger“ zu absol­vie­ren, bei dem sie so tun, als wür­den sie gera­de ihre Ver­si­on von „Bur­ning Down The House“ live per­for­men. Ich kann­te das Ori­gi­nal von den Tal­king Heads nicht (und war, als ich es dann end­lich irgend­wann mal hör­te, nicht son­der­lich beein­druckt), aber die­ser Auf­tritt ließ mich direkt am dar­auf­fol­gen­den Mon­tag zu R&K in Dins­la­ken fah­ren und „Rel­oad“ doch noch kau­fen.

Das Album war für mich der Erst­kon­takt mit Acts wie The Divi­ne Come­dy, Baren­aked Ladies, Port­is­head, Cata­to­nia und Ste­reo­pho­nics und die ers­te CD in mei­ner Samm­lung, auf der The Car­di­gans und James Dean Brad­field von den Manic Streets Pre­a­chers zu hören waren – Acts, bei denen ich, wie auch bei Rob­bie Wil­liams, in der Fol­ge einen gewis­sen Hang zum Kom­plet­tis­mus ent­wi­ckeln soll­te. Es mach­te mich nicht nur mit „Bur­ning Down The House“ bekannt, son­dern auch mit Songs wie „All Mine“ (Port­is­head), „Never Tear Us Apart“ (INXS) und wahr­schein­lich auch „Lust For Life“ (Iggy Pop). Kurz­um: Es war ein Crash­kurs in Sachen Pop­kul­tur der vor­an­ge­gan­ge­nen Jahr­zehn­te und der Gegen­wart.

„Are You Gon­na Go My Way“ (Len­ny Kra­vitz) mit Rob­bie Wil­liams wirk­te nicht nur wegen des Titels wie die Über­ga­be eines Staf­fel­stabs. „Some­ti­mes We Cry“ von und mit Van Mor­ri­son, der als Ein­zi­ger einen sei­ner eige­nen Songs sang, rührt mich bis heu­te. James Dean Brad­field von den Manic Streets Pre­a­chers lie­fert bei „I’m Left, You’­re Right, She’s Gone“ (Elvis Pres­ley) eine der bes­ten Gesangs­leis­tun­gen sei­ner Kar­rie­re ab (Tom Jones schreibt, wenn ich das rich­tig erin­ne­re, in sei­ner Auto­bio­gra­phie, dass er Angst hat­te, ein Duett mit einem so begna­de­ten Sän­ger zu sin­gen, und ganz ehr­lich: Wenn Ihr kei­ne Gän­se­haut bekommt, wenn JDBs Stim­me zum ers­ten Mal in den Song rein­grätscht, kann ich Euch auch nicht hel­fen!). Selbst die Ideen, die auf dem Papier schlecht wir­ken, funk­tio­nie­ren im (hof­fent­lich weit auf­ge­dreh­ten) Laut­spre­cher: Soll­te man Iggy Pops „Lust For Life“ covern? Nein. Außer, wenn Chris­sie Hyn­de von The Pre­ten­ders und Tom Jones sin­gen. Dann unbe­dingt.

Dass ein Album mit 17 Tracks so sei­ne Län­gen hat, lässt sich schwer ver­mei­den: „Ain’t That A Lot Of Love“ mit fuck­ing Sim­ply Red? „She Dri­ves Me Cra­zy“ mit Zuc­che­ro? Ist doch schön, wenn Tom Jones so vie­le ange­sag­te Acts zum Mit­wir­ken bewe­gen konn­te!

Der gro­ße Hit, der zu einem spä­ten signa­tu­re song wer­den soll­te, war indes ein ande­rer: „Sex Bomb“, die ein­zi­ge Neu­kom­po­si­ti­on des Albums, aus der Feder des Han­no­ve­ra­ner Musik­pro­du­zen­ten Mousse T., der mit sei­nem Debüt-Hit „Hor­ny ’98“ bereits gezeigt hat­te, dass er stump­fes Rumpf-Gemumpf extrem cool und club­taug­lich klin­gen las­sen konn­te. Heu­te wür­de man anders dar­über den­ken, wenn ein 59-jäh­ri­ger Mann mit gefärb­tem Haupt­haar einer mut­maß­lich sehr viel jün­ge­ren Frau den Refrain „Sex­bomb, sex­bomb you’­re a sex­bomb /​ You can give it to me, when I need to come along /​ Sex­bomb, sex­bomb you’­re my sex­bomb /​ And baby you can turn me on“ ange­dei­hen las­sen woll­te, aber man muss Pop­kul­tur immer aus ihrem Zeit­geist lesen, wenn man sie irgend­wie ver­ste­hen will, und der Zeit­geist der aus­ge­hen­den 1990er Jah­re war eben so, dass ich ihn auf einer Web­site, die auch Min­der­jäh­ri­ge besu­chen kön­nen, schlecht aus­for­mu­lie­ren kann.

Ein­mal ange­fixt, tauch­te ich natür­lich in das Gesamt­werk des wali­si­schen Tigers ein – und, mei­ne Güte, waren da Hits, Hits, Hits! Gut: Die Mör­der­bal­la­de „Deli­lah“ wur­de in den letz­ten Jah­ren von Sport­ver­an­stal­tun­gen ver­bannt und auch die Sujets manch ande­rer Songs sind schlecht geal­tert, aber die­se Stim­me, die immer über irgend­wel­chen Sta­te-of-the-art-Arran­ge­ments schweb­te, lässt zumin­dest mich einen Tacken mehr durch­ge­hen las­sen als es bei ande­ren Acts der Fall wäre.

Tom Jones war – nach den Prin­zen 1994 – tat­säch­lich das zwei­te gro­ße Pop­kon­zert, das ich in mei­nem Leben besuch­te (im Mai 2000 mit mei­nen Eltern und mei­nem Bru­der in der Are­na Ober­hau­sen; das Kon­zert­pla­kat, das mein Vater auf dem Heim­weg von einem Maschen­draht­zaun abmon­tier­te, könn­te immer noch im Kel­ler mei­ner Eltern ste­hen) und auch wenn natür­lich kei­ner der „Reload“-Gäste dabei war, war es ein Erleb­nis. Jones leg­te in der wei­te­ren Fol­ge einen beein­dru­cken­den drit­ten (oder vier­ten oder fünf­ten) Kar­rie­re-Akt hin, indem er auf­hör­te, sei­ne Haa­re zu fär­ben, und begann, Folk- und Ame­ri­ca­na-Alben auf­zu­neh­men (ich habe im letz­ten Jahr zufäl­lig fest­ge­stellt, dass er eine Ver­si­on von „Char­lie Dar­win“ von The Low Anthem ver­öf­fent­licht hat!). Das hat­te Fol­gen, denn als ich ihn zum zwei­ten Mal live sah, spiel­te er die meis­ten sei­ner Klas­si­ker in kaum wie­der­zu­er­ken­nen­den Arran­ge­ments. Das Publi­kum wirk­te ein biss­chen ent­täuscht, aber mit damals schon 79 Jah­ren hat­te er sich das Recht erar­bei­tet, sei­ne Songs der­art zu dylani­sie­ren. Der über­ra­schen­de Ort die­ses über­ra­schen­den Auf­tritts: das Burg­thea­ter Dins­la­ken.

Tom Jones – Rel­oad
(Gut/​V2, 16. Sep­tem­ber 1999)
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Zu Beginn der Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­schaft der Her­ren ging eine Schal­te des bri­ti­schen „Sky Sports“-Reporters Kaveh Sol­he­kol viral, in der die­ser ein gewis­ses Unver­ständ­nis über die Zustän­de im Spiel­ort Gel­sen­kir­chen zum Aus­druck brach­te. Sky Sports nahm das Video recht schnell wie­der off­line, ich habe bis heu­te kei­ne Kopie davon fin­den kön­nen, aber die Bericht­erstat­tung (inkl. back­lash und zu erwar­ten­der trau­ri­ger Repli­ken loka­ler Medi­en und Per­sön­lich­kei­ten) war enorm. Neben der tris­ten Innen­stadt hat­te Sol­he­kol auch bemän­gelt, dass man fast nir­gend­wo mit Kar­te (gemeint war: mit Kre­dit­kar­te) zah­len kön­ne.

Nun war ich aus offen­sicht­li­chen Grün­den lan­ge nicht in Gel­sen­kir­che­ner Gas­tro­no­mien unter­wegs, aber für die Nach­bar­stadt Bochum kann ich berich­ten: Hier kann man inzwi­schen fast in allen Cafés, Eis­die­len, Bäcke­rei­en und Brat­wurst­bu­den mit Kre­dit­kar­te zah­len, idea­ler­wei­se per Apple Pay – Han­dy dran­hal­ten, fer­tig! Es ist – neben der völ­li­gen Abwe­sen­heit von Ter­mi­nen – eine der weni­gen guten Sachen, die uns die COVID-19-Pan­de­mie gebracht hat­te: Der All­tag ist inzwi­schen der­art durch-digi­ta­li­siert, dass sich Bochum fast wie Schwe­den, Eng­land oder wei­te Tei­le der Nie­der­lan­de anfühlt, was die Ankunft in der Gegen­wart angeht. Man kann sogar Ein­tritts­kar­ten für die Bochu­mer Frei­bä­der vor­ab online kau­fen (was wir erst erfah­ren haben, nach­dem wir 20 Minu­ten in der Mit­tags­son­ne in einer Kas­sen­schlan­ge gestan­den hat­ten, aber: nun gut)!

Kaveh Sol­he­kol und die ange­reis­ten Fuß­ball-Fans soll­ten sich glück­lich schät­zen, wenn sie nicht auf Gebie­ten mit der deut­schen Inter­pre­ta­ti­on des Kon­zepts „Digi­ta­li­sie­rung“ in Kon­takt gekom­men sind, die über das Bezah­len von Essen und Geträn­ken hin­aus­ge­hen.

Ich füh­le mich wie ein Fens­ter­rent­ner, der mit einem Behör­den­schrei­ben in die Kame­ra des Foto­gra­fen der Lokal­zei­tung wedelt, aber die RTL-Ver­brau­cher­sen­dung „Wie bit­te?!“ wur­de vor 25 Jah­ren ein­ge­stellt, von daher müsst Ihr jetzt mit mei­nen läng­li­chen, anek­do­ti­schen Empö­run­gen leben:

Ende April wur­den im Bochu­mer Stell­werk Kup­fer­ka­bel geklaut. Um irgend­wie zur Arbeit nach Köln zu kom­men, nahm ich ein Taxi zum Esse­ner Haupt­bahn­hof und schick­te die Quit­tung über 65 Euro gut gelaunt an die Deut­sche Bahn. Weil angeb­lich noch Unter­la­gen fehl­ten, bekam ich ein Anschrei­ben per Post, auf das ich auch nur per Post ant­wor­ten konn­te (die Unter­la­gen waren frei ver­füg­bar im Inter­net ein­zu­se­hen, ich habe sie also aus­ge­druckt und phy­sisch ver­schickt), und vier Wochen spä­ter eine Ableh­nung, weil angeb­lich wei­te­re Unter­la­gen fehl­ten, nach denen die DB Dia­log GmbH am Anfang gar nicht gefragt hat­te. Ich habe also mit der Hot­line tele­fo­niert, wo die freund­li­che, aber auch etwas hilf­lo­se Mit­ar­bei­te­rin und ich in rund zehn Minu­ten immer­hin das Rät­sel lösen konn­ten, was mit „Feh­len­de Anga­ben und Bele­ge“ eigent­lich gemeint sei (ich konn­te die Anga­ben über­ra­schend per Tele­fon über­mit­teln), und bekam dann ges­tern ein Schrei­ben der Bahn, dass die Bear­bei­tung mei­nes Falls noch ein biss­chen dau­ern kön­ne. Die bezau­bern­den Begrün­dun­gen: Hoch­was­ser und eine „ange­spann­te Betriebs­qua­li­tät“, was natür­lich einer­seits per­fekt zu einem Kon­zern passt, der einen regel­mä­ßig mit Sprach­neu­schöp­fun­gen wie „Ver­zö­ge­run­gen im Betriebs­ab­lauf“ erfreut, ande­rer­seits kaum etwas ande­res bedeu­ten kann als: „Für uns ist alle sieb­te oder ach­te Stun­de, wir gehen kom­plett auf dem Zahn­fleisch, die Ein­spa­run­gen wer­den uns alle töten, bit­te hel­fen Sie uns!“

Ande­res Bei­spiel: Die Deut­sche Post hat­te zwei Brie­fe verloren/​nicht zuge­stellt, in denen die Fir­ma Cong­star mir eine SIM-Kar­te zustel­len woll­te (das ist noch mal ein eige­nes The­ma für sich, eini­gen wir uns auf: die Adres­sie­rung war miss­ver­ständ­lich). Man kann, wenn man ein biss­chen danach sucht, bei der Post online eine sog. „Brief­er­mitt­lung“ beauf­tra­gen und bekommt dann auch eine Bestä­ti­gung per E‑Mail – alles fein. Bis ich dann – pas­sen­der­wei­se am glei­chen Tag wie den letz­ten Brief der Deut­schen Bahn – zwei Brie­fe der Post im Brief­kas­ten hat­te. Dar­in, jeweils: Ein Schrei­ben mit der Bestä­ti­gung, dass ich eine Brief­er­mitt­lung beauf­tragt hat­te inkl. Ent­schul­di­gung und Bit­te um Geduld, auf der Rück­sei­te ein Vor­druck, den ich nut­zen kön­ne, falls der ver­miss­te Brief inzwi­schen ange­kom­men sei – und ein Rück­um­schlag, mit dem ich den Vor­druck dann pos­ta­lisch zurück an die Deut­sche Post schi­cken könn­te.

Am Ende sind es ver­mut­lich wie­der die immer glei­chen Grün­de aus der Büro­kra­tie­höl­le („Doku­men­ten­echt­heit“, „Daten­schutz“, „Haben wir immer schon so gemacht“), aber es ist ja nicht nur die feh­len­de Digi­ta­li­sie­rung, die mich hier ver­zwei­feln lässt: Da wur­den fünf Din-A-4-Blät­ter bedruckt, zwei klei­ne Rück­ant­wort-Kuverts in grö­ße­re Brief­um­schlä­ge gesteckt und das alles wur­de quer durch Deutsch­land trans­por­tiert. Am Ende viel­leicht immer noch umwelt­scho­nen­der als ein AI-Chat­bot, aber eben doch nicht wirk­lich öko­lo­gisch. Und wäh­rend ich anneh­me, dass die Deut­sche Post ihre eige­nen Brie­fe kos­ten­los zustellt, zahlt die Bahn auf alle Fäl­le Por­to – bzw. natür­lich nicht die Bahn selbst, son­dern wir alle, indem wir immer teu­rer wer­den­de Bahn­ti­ckets kau­fen.

Wir schrei­ben das Jahr 2024, 95 Pro­zent der Deut­schen nut­zen das Inter­net „zumin­dest sel­ten“, selbst bei den Per­so­nen über 70 sind es 80 Pro­zent. Das größ­te außer­a­me­ri­ka­ni­sche Soft­ware­un­ter­neh­men, die Num­mer 3 der Welt, kommt aus Deutsch­land und es gibt sicher­lich auch jede Men­ge Soft­ware-Fir­men, die Lösun­gen anbie­ten, die für alle Betei­lig­ten Vor­tei­le bie­ten.

Ich kann es selbst kaum fas­sen, dass ich die fol­gen­den Wor­te, die auch in einen FDP-Mit­glieds­an­trag pas­sen könn­ten, schrei­be, aber: Sobald man sich nur einen Schritt von gewinn­ori­en­tier­ten Unter­neh­men ent­fernt, die in einem ech­ten Wett­be­werb am Markt bestehen müs­sen, muss in die­sem Land immer noch (fast) alles aus­ge­druckt wer­den. (Kei­ne Angst, ich wer­de natür­lich nicht und auf gar kei­nen Fall in die FDP ein­tre­ten. Die stellt ihre Kom­pe­tenz im Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Digi­ta­les und Ver­kehr ja selbst am Bes­ten unter Beweis.)

Und es ist ja nicht so, dass die Deut­sche Bahn ein beson­de­res Herz für jene Leu­te zei­gen wür­de, die sich ohne Smart­phone durchs Leben bewe­gen: Die Bahn­card gibt es zum Bei­spiel nur noch digi­tal. Es sind die­se mixed signals, die alles noch schlim­mer machen.

Die gute Nach­richt, natür­lich: Immer­hin lebe ich nicht in Gel­sen­kir­chen.

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Die (vorerst) letzte Sendung: Bochum Total 2024, neue Musik von Fontaines D.C., Blush Always

Der ver­bre­che­ri­sche Tech-Kon­zern Spo­ti­fy nimmt uns die Mög­lich­keit, eine klei­ne Musik­sen­dung für Euch zu machen, wie­der weg. 

Wir wol­len die letz­te Aus­ga­be von Cof­fee And TV in die­ser Form nut­zen, um auf das Bochum Total 2024 zurück­zu­bli­cken, Euch ein paar neu ent­deck­te Acts vor­zu­stel­len — und natür­lich, um mit einem Knall zu gehen.

Alle Songs:

  • The Sixsters – Same Kid
  • Tril­le – Ich mag Dich (und Du mich auch)
  • UMME BLOCK – 25 Hours
  • The Bot­tom Line – Over And Over
  • Sti­na Holm­quist – I Do
  • Fon­tai­nes D.C. – Favou­ri­te
  • Blush Always – My Mum’s Bir­th­day
  • Blur – Cof­fee & TV

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Neue Musik von Disclosure, James Blake, Ezra Collective, Something Corporate

In Bochum ist der Som­mer aus­ge­bro­chen. Des­halb geht Lukas auf die Suche nach dem Som­mer­hit des Jah­res 2024 und macht Euch ein paar Vor­schlä­ge: Neue Songs von Dis­clo­sure, James Bla­ke und Ezra Coll­ec­ti­ve, dazu der ers­te neue Song von Some­thing Cor­po­ra­te – eine von Lukas’ abso­lu­ten Lieb­lings­bands – seit Jahr­zehn­ten und vie­les mehr.

Die Sen­dung ist also gut gefüllt wie ein Glas Melo­nen­bow­le mit gan­zen Früch­ten!

Alle Songs:

  • Dis­clo­sure – She’s Gone, Dance On
  • The Boy From The South – Space Par­ty
  • Suzan Köcher’s Supra­fon – Seven­teen
  • James Bla­ke – Thrown Around
  • Ezra Coll­ec­ti­ve feat. Yaz­min Lacey – God Gave Me Feet For Dancing
  • Balu Bri­ga­da – So Cold
  • One­Da – Set It Off
  • Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness feat. Some­thing Cor­po­ra­te – Death Grip

Alle Songs:

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Musik

Sounds Like Sugar Festival, neue Musik von Nada Surf, Eels

Am Sams­tag hat unse­re Redak­ti­on einen Betriebs­aus­flug zum Sounds Like Sugar Fes­ti­val in Her­ne gemacht. Von da bringt Lukas viel neue Musik mit, es gibt aber auch ein Wie­der­hö­ren mit Bands wie Nada Surf und Eels, die ihn schon sein hal­bes Leben beglei­ten.

Alle Songs:

    • Loki – The Girl With No Eyes
    • Mar­ya­ka – Part Of You
    • Zimmer90 – What Love Is
    • Phi­li­ne Son­ny feat. Miya Folick – Shame
    • Nada Surf – In Front Of Me Now
    • Auro­ra – To Be Alright
    • Eels – If I’m Gon­na Go Any­whe­re
    • Jean Sei­zu­re – Don’t Tell Me I’m Going To Hell

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Musik

Lukas‘ Lieblingslieder

Heu­te möch­te Lukas ein­fach mal die Schön­heit der Pop­kul­tur fei­ern. Des­halb spielt er nur Lieb­lings­lie­der. Wel­che genau, das wuss­te er wäh­rend der Auf­zeich­nung auch noch nicht.

Alle Songs:

  • Alex The Astro­naut – I Think You’re Gre­at
  • R.E.M. – Find The River
  • Car­ly Rae Jep­sen – Call Me May­be
  • Tra­vis – Drift­wood
  • Rae Mor­ris – Do It
  • The Pos­tal Ser­vice – Such Gre­at Heights
  • Gor­di – All The Light We Can­not See
  • The Kil­lers – Mr. Brights­ide

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25 Jahre „The Man Who“

Die­ser Ein­trag ist Teil 7 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Travis - The Man Who (abfotografiert von Lukas Heinser)

Ein aller­letz­tes Mal habe ich die Sin­gle zuerst gehört. Denn das war ja frü­her so: Man kann­te einen Song aus dem Radio (oder Musik­fern­se­hen, um nicht ganz so alt zu erschei­nen) und wenn man dann beschlos­sen hat­te, ver­gleichs­wei­se viel Geld in die CD zu inves­tie­ren, fing das Album meist mit einem Song an, den man (noch) gar nicht kann­te. Man woll­te ja aber end­lich den ver­kaufs­för­dern­den Hit hören, des­sent­we­gen man den Weg zum Plat­ten­la­den auf sich genom­men hat­te. Mit dem Fahr­rad. An einem Sams­tag­vor­mit­tag im Janu­ar. In Dins­la­ken.

Ich weiß noch, wie ich auf der Couch im Wohn­zim­mer mei­ner Eltern lag (dem Drei­sit­zer an der Innen­wand, nicht dem Zwei­sit­zer an der Außen­wand, in case you’­re won­de­ring) und Track 7 aus­ge­wählt hat­te: „Why Does It Always Rain On Me?“, die­se über­le­bens­gro­ße Char­lie-Brown-Ver­lie­rer­hym­ne, die natür­lich direkt zu einem 16-jäh­ri­gen sprach, der sich irgend­wie nie so ganz dazu­ge­hö­rig fühl­te. Und danach dann das Album von vor­ne.

Tra­vis waren einen Monat zuvor – sor­ry, wenn ich mich da wie­der­ho­le – Teil der „Rol­ling Stone Road­show“ gewe­sen und mit Ben Folds Five und Gay Dad durch Deutsch­land getourt. (Ich weiß qua­si nichts über Gay Dad. Ich habe, seit wir im Jahr 2005 die CD-Schrän­ke bei CT das radio auf­ge­räumt haben, sogar ihr 1999er Album „Lei­su­re Noi­se“ im Regal ste­hen, aber in all den Jah­ren nie gehört. Wenn man über­legt, wel­che Bedeu­tung Ben Folds Five und Tra­vis in der Fol­ge in mei­nem Leben ein­neh­men soll­ten, ist es eigent­lich wahl­wei­se ein Wun­der oder eine Schan­de, dass Gay Dad als fünf­tes Rad am Wagen der­art an den Rand gedrängt wur­den. Ich ver­spre­che Euch jetzt ein­fach mal, dass ich zum 25. Jah­res­tag des ver­häng­nis­vol­len, nicht besuch­ten Kon­zerts in der Live Music Hall am 29. Novem­ber zum ers­ten Mal bewusst Gay Dad hören und hier dar­über schrei­ben wer­de!) „Why Does It Always Rain On Me?“ kann­te ich von Viva 2, obwohl ich das damals gar nicht gucken konn­te, und ich moch­te die Mischung aus unver­kenn­ba­rer Lebens­en­er­gie (der Rhyth­mus!) und Trau­rig­keit (alles ande­re).

Stell­te sich raus: Mit sei­nem hüpf­ba­ren Rhyth­mus war der Song noch der kla­re upper auf dem Album. Alle ande­ren Songs schlepp­ten sich eher dahin, kro­chen oder tau­mel­ten. Selbst der ein­zi­ge objek­ti­ve Rock­song auf „The Man Who“, der hid­den track „Blue Flas­hing Light“, dreht sich schwind­lig auf der Stel­le und han­delt davon, dass jemand allein zuhau­se sitzt, wäh­rend alle ande­ren fei­ern gehen. Wer weiß, wie ich das Album gefun­den hät­te, wenn ich es bei Ver­öf­fent­li­chung im Mai 1999 gehört hät­te – in den grau­en ers­ten Wochen des Jah­res 2000 pass­te es jeden­falls per­fekt zum Wet­ter und dem Mill­en­ni­umska­ter, der sich über die Welt gelegt hat­te: Die Zukunft hat­te ganz ein­deu­tig und aus­weis­lich des Kalen­ders begon­nen, aber alles war immer noch wie zuvor. Das Theo­dor-Heuss-Gym­na­si­um in Dins­la­ken war kein Ort, an dem Opti­mis­mus und Zuver­sicht (oder auch nur irgend­et­was ande­res als gene­rel­ler Welt­schmerz) gedei­hen und auf­blü­hen konn­ten.

Ich hat­te gera­de im Janu­ar (genau­er: am 7., als ich mir bei einem Aus­flug nach Essen den Sound­track zu „Abso­lu­te Gigan­ten“ gekauft hat­te) begon­nen, abends zum Ein­schla­fen Musik auf mei­nem Disc­man zu hören. Nicht etwa gan­ze Alben, son­dern drei Songs, sau­ber kura­tiert. „The Man Who“ bot sehr vie­le die­ser Songs. Noch heu­te kommt eine gan­ze Wel­le sehr spe­zi­fi­scher Emo­tio­nen hoch, wenn das Intro von „Drift­wood“, die ers­ten Tak­te von „Turn“ oder das Gitar­ren­so­lo aus „As You Are“ erklin­gen. Es ist wie­der Anfang 2000 und ich war vor ein paar Tagen mit mei­nem Papa und mei­nen Freun­den in die Groß­stadt (Duis­burg) gefah­ren, um im dor­ti­gen Art­house-Kino „Ghost Dog“ von Jim Jar­musch oder „The Mil­li­on Dol­lar Hotel“ von Wim Wen­ders zu sehen – Fil­me, die im Kern schon irgend­wie lebens­be­ja­hend sind, aber in ers­ter Linie schwel­ge­risch, melan­cho­lisch, lang­sam und rät­sel­haft. (Und falls sich jemand gefragt hat: Natür­lich habe ich an mei­nem 17. Geburts­tag um kurz nach Mit­ter­nacht „Why Does It Always Rain On Me?“ gehört, des­sen titel­ge­ben­de Fra­ge ja wei­ter­geht: „Is it becau­se I lied when I was seven­teen?“)

„Ever­y­day I wake up alo­ne becau­se /​ I’m not like all the other boys“, singt Fran Hea­ly zu Beginn von „As You Are“ und die­se Zei­le soll­te mir in den kom­men­den Jah­ren so etwas wie Man­tra und Trost wer­den, ste­ter Beglei­ter beim Melo­dra­ma­tisch-unglück­lich-ver­liebt-Sein, Die Lei­den des jun­gen Hein­sers. (Alter Vat­ter, was bin ich froh, dass die­se Zei­ten vor­bei sind! Kin­der, wenn Ihr glaubt, dass Euer Leben nur mit einem ande­ren Men­schen an Eurer Sei­te „gut“ und „rich­tig“ wer­den kann: Sucht Euch Hil­fe! Ihr wer­det geliebt, Ihr seid lie­bens­wert, aber die Exis­tenz oder Nicht­exis­tenz einer Zwei­er­be­zie­hung ist in die­sem Kon­text eben genau: zweit­ran­gig.)

Viel­leicht wäre ich auch ohne „The Man Who“ auf die Idee gekom­men, Musik zu machen, Schlag­zeug in einer Band zu spie­len, mir selbst Gitar­re bei­zu­brin­gen und eige­ne Songs zu schrei­ben. Die hät­ten aber zumin­dest sehr anders geklun­gen, denn Tra­vis waren, was trau­rig-antriebs­lo­se Songs in G‑Dur betrifft, ein gro­ßer Ein­fluss. Weil ich wuss­te, dass die Band­mit­glie­der Joni Mit­chell so sehr lie­ben, habe ich mit 18 ange­fan­gen, Joni Mit­chell zu hören. Ich hat­te sogar so einen faux hawk wie Fran Hea­ly (oder wahl­wei­se David Beck­ham)! Chris Mar­tin hat mal gesagt, dass es ohne Tra­vis kein Cold­play gege­ben hät­te, aber den vier Schot­ten jetzt die Schuld an der wei­te­ren Ent­wick­lung sei­ner Kapel­le zu geben, wäre auch üble Nach­re­de.

Im Juni 2001 erschien der Nach­fol­ger „The Invi­si­ble Band“, der heu­te eigent­lich einen noch grö­ße­ren Stel­len­wert bei mir hat. Als wir erst­mal schnel­les Inter­net hat­ten, habe ich alle, wirk­lich alle B‑Seiten, die Tra­vis jemals auf ihren Sin­gles ver­öf­fent­licht hat­ten, zusam­men­ge­sam­melt und sicher­lich öfter gehört als gro­ße Tei­le ihres Spät­werks. („Die B‑Seiten bri­ti­scher Gitar­ren­bands zwi­schen 1994 und 2002 sind bes­ser als alles, was nach 2005 von der Insel kam“ ist ein immer noch nicht geschrie­be­ner, aber in regel­mä­ßi­gen Abstän­den nam­haf­ten deut­schen Publi­ka­tio­nen ange­bo­te­ner Text von mir.) Ich habe Tra­vis zwi­schen Som­mer 2001 und Dezem­ber 2016 sie­ben Mal live gese­hen (ein­mal sogar tat­säch­lich am glei­chen Abend wie Ben Folds) und ein paar Mal kurz gespro­chen; im Sep­tem­ber könn­te ein ach­tes Mal hin­zu­kom­men. Ihre letz­ten Alben haben mich gar nicht mehr inter­es­siert, aber wenn einem eine Band mal so wich­tig war, ver­sucht man es ja doch immer wie­der.

Und irgend­ei­ne beson­de­re Bezie­hung muss es immer noch geben: Ich hät­te die­sen Text hier eigent­lich ges­tern schon schrei­ben wol­len, aber nicht die Zeit gefun­den. Da hät­te aber auch die Son­ne geschie­nen. Heu­te passt hin­ge­gen alles: Der VfL Bochum ist so gut wie abge­stie­gen und es reg­net. Weil ich mit 17 gelo­gen habe.

Tra­vis – The Man Who
(Inde­pen­di­en­te; 24. Mai 1999)
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Musik

Neue Musik von Travis, The Decemberists, Maro, Ider

Lukas blickt kurz zurück auf den 69. Euro­vi­si­on Song Con­test, wo schon wie­der ein Song gewon­nen hat, den wir in unse­rer ESC-Vor­schau nicht gespielt hat­ten: „The Code“ von Nemo aus der Schweiz.

Dann gibt es neue Songs von Maro, The Decem­be­rists, Amil­li, Ider — und den ers­ten inter­es­san­ten Tra­vis-Song seit lan­ger Zeit.

Alle Songs:

  • Nemo – The Code
  • Maro feat. Nesaya – Life­line
  • Blush Always feat. Brock­hoff – Big­ger Pic­tu­re
  • The Decem­be­rists feat. James Mer­cer – Buri­al Ground
  • Amil­li – Four Days
  • Ider – Girl
  • Tra­vis – Raze The Bar
  • Car­pool – Can We Just Get High?

Show­no­tes:

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25 Jahre „Play“

Die­ser Ein­trag ist Teil 6 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Moby - Play (abfotografiert von Lukas Heinser)

Am Anfang waren die Songs. Ich weiß gar nicht, wel­che alle als Sin­gle aus­ge­kop­pelt wur­den und wo ich sie viel­leicht gehört habe – am Ende ist es auch egal, denn „Play“ ging ja auch des­halb in die Geschichts­bü­cher ein, weil es das ers­te kom­plett durch­li­zen­zier­te Album war: Jeder ein­zel­ne Track wur­de für (min­des­tens) einen Wer­be­spot, einen Film und/​oder eine Serie ver­wen­det. Im Radio und in Cafés lau­fen die Songs eh immer noch rauf und run­ter, als sei­en sie Teil des dor­ti­gen Sound-Designs. (Selbst als ich ver­gan­ge­ne Woche dem Deutsch­land­funk Kul­tur ein Inter­view zum ESC in Mal­mö gege­ben habe, lief vor dem Gespräch irgend­ein Song aus die­sem Album. Es zahlt ein biss­chen auf mei­ne hier auf­ge­stell­te Muzak-The­se ein, dass ich nicht sagen kann, wel­cher, aber ich bin mir abso­lut sicher, dass es einer von die­sem Album war.)

Gekauft hab ich „Play“ von Moby auch erst etwa andert­halb Jah­re nach dem Release – obwohl die­se Songs damals schon all­ge­gen­wär­tig schie­nen. Das Kon­zept, Musik zu „besit­zen“ ist im Jahr 2024 ja nicht nur Nach­ge­bo­re­nen schwer zu ver­mit­teln, son­dern fast allen, aber es war eben unab­ding­bar, 30,99 D‑Mark für die­se CD zu bezah­len, sie im Ruck­sack auf dem Rücken mit dem Fahr­rad vom R&K‑Markt nach Hau­se zu fah­ren und dann ins DVD-Rom-Lauf­werk des Com­pu­ters zu schie­ben, um sie über die PC-Boxen abzu­spie­len. Opa erzählt vom Frie­den.

Obwohl ich die vor­he­ri­gen Hit-Sin­gles von Moby schon aus „Hit-Clip“, von 1Live und von „Bra­vo Hits“ kann­te, umweh­te die­se Musik etwas Erwach­se­nes, ja, regel­recht: Kos­mo­po­li­ti­sches. So, dach­te ich damals, klingt Dins­la­ken nicht. Der Big Beat von „Body­rock“ und „Mache­te“, die Blues- bzw. Gos­pel-Samples von „Honey“ und „Run On“, die Kaf­fee­haus-Elec­tro­ni­ca von „7“ und „Down Slow“ – so etwas kann­te man in der Klein­stadt nur aus dem Fern­se­hen. (Heu­te hat Dins­la­ken sei­ne eige­nen Hips­ter-Sze­nen und ‑Knei­pen und die­se Ent­wick­lung ist durch­aus zu begrü­ßen, bremst sie doch die Gen­tri­fi­zie­rung in den Groß­städ­ten wenigs­tens mini­mal ab.)

Moby selbst war bekannt als der knuf­fi­ge, aus­ge­sucht freund­li­che, manch­mal ein ganz klei­nes biss­chen ner­ven­de Vega­ner mit der Glat­ze. Womög­lich hät­te man ahnen kön­nen, dass bei ihm nicht alles im Lot war und er mit psy­chi­schen Pro­ble­men, Alko­hol und ande­ren Dro­gen kämpf­te; „Play“ war ein eher melan­cho­li­sches Par­ty-Album, vor allem in der zwei­ten Hälf­te. Und allein die Song­ti­tel: „Why Does My Heart Feel So Bad?“, „Natu­ral Blues“, „My Weak­ne­ss“. Aber als schwer­mü­ti­ger 17-jäh­ri­ger Indi­vi­dua­list bezieht man das alles natür­lich aus­schließ­lich auf sich selbst und denkt nicht mal an den Künst­ler.

„Play“ war da schon lan­ge ein unfass­ba­rer welt­wei­ter Erfolg und alle Labels, die das Album abge­lehnt hat­ten, hat­ten sich viel­leicht kurz geär­gert. Moby, des­sen Out­put bis dahin eher eklek­tisch gewe­sen war, hat­te sei­ne Nische gefun­den und lie­fert seit­dem ver­läss­lich den Sound­track zu Wer­be­spots, Seri­en, Fil­men und Leben.

Moby – Play
(Mute/​PIAS; 17. Mai 1999)
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Fernsehen Musik

Eurovision-Vorschau 2024

It’s the most won­derful time of the year: In Mal­mö fin­det der 68. Euro­vi­si­on Song Con­test statt und unser Team wagt eine klei­ne Vor­schau. Sel­ma Zoron­jić und Lukas Hein­ser spre­chen über ihre per­sön­li­chen Favo­ri­ten, die unter­schied­lichs­ten Arten von Folk­lo­re und die bes­ten Songs für Ü50-Par­ties.

Dann begrü­ßen sie spe­cial guest Thors­ten Schorn, der die­ses Jahr erst­ma­lig den ESC kom­men­tie­ren wird, und spre­chen mit ihm über Kind­heits­träu­me, lang­wie­ri­ge Ver­let­zun­gen und sein Selbst­ver­ständ­nis als deut­scher Kom­men­ta­tor.

Einen beson­de­ren Blick in die Kom­men­ta­to­ren­ka­bi­ne beim ESC gibt es auch die­ses Jahr wie­der auf Lukas‘ Insta­gram-Account.

Alle Songs:

  • Alyo­na Alyo­na and Jer­ry Heil – Tere­sa & Maria (Ukrai­ne)
  • Aiko – Pedes­tal (Tsche­chi­en)
  • Joost Klein – Euro­pa­pa (Nie­der­lan­de)
  • Lada­ni­va – Jako (Arme­ni­en)
  • Saba – Sand (Däne­mark)
  • Bam­bie Thug – Doomsday Blue (Irland)
  • Olly Alex­an­der – Diz­zy (Ver­ei­nig­tes König­reich)
  • Nebulos­sa – Zor­ra (Spa­ni­en)
  • Isaak – Always On The Run (Deutsch­land)

Der ESC im deut­schen TV:

Diens­tag, 7. Mai, 21 Uhr: 1. Halb­fi­na­le auf One und in der ARD-Media­thek

Don­ners­tag, 9. Mai, 21 Uhr: 2. Halb­fi­na­le auf One und in der ARD-Media­thek

Sams­tag 11. Mai, 20.15 Uhr: Warm-Up, Grand Final und After­show-Show im Ers­ten, bei One und in der ARD-Media­thek

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Musik Leben

25 Jahre „The Ego Has Landed“

Die­ser Ein­trag ist Teil 5 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Robbie Williams - The Ego Has Landed (abfotografiert von Lukas Heinser)

Was für ein merk­wür­di­ges Album: Um das ehe­ma­li­ge Take-That-Mit­glied Rob­bie Wil­liams auch auf dem ame­ri­ka­ni­schen Markt groß zu machen, hat­te Capi­tol Records ein­fach Songs sei­ner ers­ten bei­den Alben zusam­men­ge­wür­felt und auf den Markt gebracht. Das Gan­ze war natür­lich gar nicht für euro­päi­sche Plat­ten­lä­den gedacht gewe­sen und ent­spre­chend teu­er und schwer zu bekom­men, aber ande­rer­seits hat­te man alle Hits und ein paar unbe­kann­te­re Songs auf einem Album. Klar, dass ich mir das zu mei­nem 16. Geburts­tag wün­schen muss­te!

Mei­ne liebs­ten Boy­bands der 1990er Jah­re: 1. East 17, 2. Boy­zo­ne, 3. Take That. Natür­lich waren die Kon­ven­tio­nen zu die­ser Zeit noch so, dass man als Jun­ge mit 12, 13 Jah­ren eine sol­che Boy­band eher doof zu fin­den hat­te, und so war Rob­bie Wil­liams schon dadurch cool gewor­den, dass er die­se Band ver­las­sen hat­te.

Aber auch die Sin­gles, die man danach von ihm im Radio hören konn­te, waren gut. Für einen Jun­gen, der über die Hits von Oasis, Blur und The Light­ning Seeds gera­de mit dem Kon­zept „Brit­pop“ in Kon­takt gekom­men war, waren Songs wie „Strong“, „No Reg­rets“ oder „Old Befo­re I Die“ kon­se­quen­te Ergän­zun­gen – und auch heu­te hal­te ich „Strong“ immer noch für einen der bes­ten Oasis-Songs, den Noel Gal­lag­her nie geschrie­ben hat.

Was für ein groß­ar­ti­ges Album: Da waren nun wirk­lich die gan­zen Hits, die ich aus dem Radio kann­te, plus so deep cuts wie „Win Some Lose Some“, „Jesus In A Cam­per Van“ (ein Song, der spä­ter wegen Urhe­ber­rechts­strei­tig­kei­ten aus Wil­liams‘ gesam­tem Schaf­fen gelöscht wur­de) und „Kar­ma Kil­ler“ (eine von Strei­chern ange­trie­be­ne Alter­na­ti­ve-Rock-Abrech­nung mit dem ehe­ma­li­gen Take-That-Mana­ger Nigel Mar­tin-Smith). Im Herbst 1999 wur­de „The Ego Has Lan­ded“ (Ent­schul­di­gung, was ist das über­haupt für ein genia­ler Album­ti­tel?!) mein treu­es­ter Beglei­ter und noch heu­te kommt „No Reg­rets“ für mich nach „Mill­en­ni­um“ und nicht wie auf dem ori­gi­na­len Album „I’ve Been Expec­ting You“ davor.

Natür­lich habe ich mir spä­ter doch noch die bei­den Alben „Life Thru A Lens“ und „I’ve Been Expec­ting You“ gekauft, so wie ich mir zwi­schen 2001 und 2006 alle Sin­gles und bis 2013 alle Alben gekauft habe. Zwi­schen 2000 und unge­fähr 2005 war Rob­bie Wil­liams, das ist für Nach­ge­bo­re­ne auch nur noch schwer vor­stell­bar, unan­ge­foch­ten das, was man eigent­lich immer über Micha­el Jack­son gesagt hat­te: King of Pop. (War­um er erst 2012 ein Album „Take The Crown“ genannt hat, weiß er auch nur selbst.) Es gab gan­ze Rob­bie-Tage bei MTV und er ist bis heu­te der ein­zi­ge Act, für den ich an einem Sams­tag­mor­gen um halb Acht auf­ge­stan­den bin, um in einem phy­si­schen Ticket-Shop Kon­zert­kar­ten zu erwer­ben. Ent­spre­chend bedrü­ckend fand ich es, in der Net­flix-Doku-Serie über sein Leben zu erfah­ren, dass er, als er uns um die Jahr­tau­send­wen­de so viel Freu­de und so vie­le Ever­greens berei­tet hat, eigent­lich die gan­ze Zeit unglück­lich war. Dabei hat­te er uns das – „You think that I’m strong /​ You’­re wrong“ – ja auch immer gesagt.

Für jeman­den, der sich Weiß-Gott-was auf sei­nen Musik­ge­schmack jen­seits des Main­streams ein­ge­bil­det hat, war Rob­bie Wil­liams natür­lich auch immer ein Anknüp­fungs­punkt zu den Mäd­chen der eige­nen Jahr­gangs­stu­fe. Er war einer der weni­gen Radio-Acts, die einen coo­ler mach­ten, wenn man signa­li­sier­te, sei­ne Musik zu hören. Es gibt so vie­le sei­ner Songs aus die­ser Zeit, deren Tex­te schon damals zu mir spra­chen und es auch heu­te noch tun, dass es sich, wenn ich sie heu­te höre, fast so anfühlt, als könn­ten der 40-jäh­ri­ge Lukas und sein 16-jäh­ri­ger Vor­gän­ger durch die Musik mit­ein­an­der spre­chen.

Als der über­trie­ben kum­pe­li­ge Mode­ra­tor auf WDR 4 (of all places), vor eini­ger Zeit „Feel“ als „einen der Klas­si­ker von Rob­bie Wil­liams“ ankün­dig­te, dach­te ich, ernst­haft über­rascht: „Für mich ist ‚Esca­po­lo­gy‘ immer noch das ‚neue‘ Album!?“ Es erschien im Herbst 2002.

Fol­gen­de wah­re Geschich­te: Als ich Neil Han­non von The Divi­ne Come­dy im Jahr 2006 inter­viewt habe, hab ich ihn natür­lich auch auf „No Reg­rets“ ange­spro­chen – und war­um er so viel schwie­ri­ger zu hören sei als der ande­re Gast-Sän­ger, Neil Ten­n­ant von den Pet Shop Boys. Han­non erzähl­te mir, dass Ten­n­ant zufäl­lig im Stu­dio gewe­sen sei, als der Song gemischt wur­de, und den Audio-Inge­nieur ein­fach gebe­ten habe, die eige­ne Spur ein wenig lau­ter zu dre­hen. Ich habe die­se Anek­do­te nicht zu veri­fi­zie­ren ver­sucht, weil ich den Rock’n’Roll-Mythos dahin­ter nicht zer­stö­ren woll­te.

Rob­bie Wil­liams – The Ego Has Lan­ded
(Chrysalis/​Capitol, 4. Mai 1999)
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Musik

Neue Musik von Thursday, Nina Chuba, Pet Shop Boys, Jacqui Naylor

Lukas muss einen Feh­ler aus der letz­ten Sen­dung rich­tig­stel­len. Aber dann geht’s los mit neu­en Songs von Thurs­day, Nina Chuba, Chil­ly Gon­za­les und Joy Ola­do­kun und Tracks von den neu­en Alben von Pet Shop Boys und Jac­qui Nay­lor, die so frisch sind, dass wir mit unse­rer Sen­dung extra auf den Release um Mit­ter­nacht gewar­tet haben.

Alle Songs:

  • Thurs­day – Appli­ca­ti­on For Release From The Dream
  • Nina Chuba – Nina
  • Chil­ly Gon­za­les – Fuck Wag­ner
  • Joy Ola­do­kun – Ques­ti­ons, Cha­os & Faith
  • Deer Anna – What She Does At Night
  • Pet Shop Boys – Why Am I Dancing?
  • Jac­qui Nay­lor – All That We Could Be
  • Ben Folds Five – Lul­la­bye

Show­no­tes: