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The Sellf Fullfilling Prophecies

Darf man sich eigent­lich selbst zitie­ren? Wenn es dar­um geht, selbst auf­ge­stell­te und in der Wirk­lich­keit beleg­te The­sen zu unter­mau­ern, wohl schon, oder?

Jeden­falls ist es vier Tage her, dass ich die fan­tas­ti­sche New­co­mer­band Kili­ans abfei­er­te. Neben diver­sem Lob für die Band hat­te ich in mei­nem Text auch eini­ge Sät­ze der Kri­tik an die Adres­se von Musik­jour­na­lis­ten und ‑kon­su­men­ten ver­steckt. Die­se waren nicht extra gekenn­zeich­net, lau­te­ten aber:

Wer den Kili­ans vor­wirft, sie mach­ten “Sound, Auf­tre­ten und Song­wri­ting” der Strokes nach, der macht sich ver­däch­tig, außer den Strokes nicht all­zu vie­le ande­re Bands zu ken­nen.

und

Was man den sym­pa­thi­schen und krea­ti­ven jun­gen Män­nern jetzt nur noch wün­schen kann ist […], dass die Leu­te ler­nen, den Band­na­men rich­tig zu schrei­ben: ohne “The” und mit einem L.

Nun gehe ich natür­lich nicht davon aus, dass man bei den Opi­ni­on Lea­dern von Eins Live und Visi­ons unser klei­nes Blog liest und sich dann auch noch an dem ori­en­tiert, was ich glau­be, der Mensch­heit so mit­zu­tei­len zu haben. Aber es hät­te ja sicher auch ande­re Grün­de (bei­spiels­wei­se ästhe­ti­sche oder gram­ma­ti­sche) gege­ben, einen Satz wie die­sen zu ver­hin­dern:

Dank pro­mi­nen­ten Befür­wor­tern wie Thees Uhl­mann und per­ma­nen­tem tou­ren – unter ande­rem mit Kett­car und The Coo­per Temp­le Clau­se – spricht es sich lang­sam rum, dass sich die Ant­wort des Nie­der­rheins auf die Strokes The Kili­ans nennt.

Jetzt ist natür­lich die Fra­ge, wel­che PR-Grund­re­gel man in die­sem Fall zückt: „Jede Pres­se ist gute Pres­se“ oder doch lie­ber „Call me m***erf***er but spell my name cor­rect­ly“?

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„Die Kunst ist dazu da, beim Zuhörer Jammern und Schaudern zu erwecken.“

Manch­mal ist es schreck­lich, Musik­jour­na­list zu sein und Musi­ker zu inter­view­en: Sie sind aus irgend­wel­chen Grün­den schlecht gelaunt, ant­wor­ten nur sehr knapp oder gar nicht und am Ende hat man viel­leicht drei, vier Sät­ze, mit denen man etwas anfan­gen kann.

Manch­mal ist es schreck­lich, Musi­ker zu sein und von Musik­jour­na­lis­ten inter­viewt zu wer­den: Sie haben sich kul­tur­theo­re­tisch kom­ple­xe Fra­ge­blö­cke aus­ge­dacht, stel­len völ­lig ver­que­re Fra­gen oder schwei­gen plötz­lich ein­fach.

Sven Rege­ner von Ele­ment Of Crime, der sehr gute Sachen sagt, wenn man ihm die rich­ti­gen Fra­gen stellt, beweist in einem Inter­view mit der Net­zei­tung, dass er fast noch bes­se­re Sachen sagt, wenn man ihm die fal­schen Fra­gen stellt:

War­um heißt es in einem Song, «Wo Dei­ne Füße ste­hen, ist der Mit­tel­punkt der Welt»?

Ja, war­um denn nicht. Weil es rich­tig ist und weil es zu dem­je­ni­gen gehört, des­sen Rol­le er ein­nimmt.

Ste­pha­nie Weiß, die sich sicher irre vie­le Gedan­ken gemacht hat, was sie den von ihr hoch­ver­ehr­ten Musi­ker so fra­gen könn­te, fragt sich um Kopf und Kra­gen – bis sie schließ­lich gar nichts mehr sagt:

(Lan­ges Schwei­gen)

Ja, ich mei­ne, INTERVIEW, Frau Weiss! Haben Sie noch Fra­gen?

Das erstaun­li­che an die­sem Inter­view ist zum Einen, dass es offen­bar nicht „glatt­ge­bü­gelt“ wur­de, d.h. die Inter­viewe­rin ihre Fra­gen im fer­ti­gen Text nicht fre­cher oder intel­lek­tu­el­ler (bzw. in die­sem Fall: weni­ger intel­lek­tu­ell) for­mu­liert oder für sie unvor­teil­haf­te Stel­len und Ant­wor­ten ent­fernt hat. Ein sol­ches Doku­ment des eige­nen Schei­terns öffent­lich zu machen, erfor­dert Mut und ver­dient Respekt. Zum Ande­ren funk­tio­niert das Inter­view aber trotz sol­cher Sze­nen und diver­ser Wie­der­ho­lun­gen immer noch erstaun­lich gut. Es gibt Künst­ler, die wären irgend­wann ein­fach gegan­gen und hät­ten das Gespräch damit wohl auto­ma­tisch einer media­len Ver­wer­tung ent­ris­sen. Sven Rege­ner aber blieb und for­mu­lier­te zum drit­ten, vier­ten, fünf­ten Mal (als Ant­wort auf die drit­te, vier­te, fünf­te Fra­ge zum The­ma) sein Anlie­gen, den Hörern kei­ne Inter­pre­ta­ti­on sei­ner Tex­te vor­schrei­ben zu wol­len:

Kunst kennt kei­ne Bei­pack­zet­tel. Wenn man ein Kunst­werk schafft, dann kann man den Leu­ten nicht sagen, so oder so habt ihr es zu ver­ste­hen.

Nach der Lek­tü­re glaubt man zu wis­sen, war­um Sven Rege­ner so groß­ar­ti­ge Tex­te und auch so fan­tas­ti­sche Bücher („Herr Leh­mann“, „Neue Vahr Süd“) schreibt: Er hat ein­fach ein Gespür für Spra­che und denkt einen Moment län­ger als ande­re dar­über nach, wie er etwas for­mu­liert.

Netzeitung.de: Ein wei­te­rer Erklä­rungs­ver­such: Sie schaf­fen es, mit einer schwe­ren Leich­tig­keit oder leich­ten Schwe­re aktu­el­le Befind­lich­kei­ten zu tref­fen.

Rege­ner: Das Wort Befind­lich­keit fin­de ich gar nicht gut.

Netzeitung.de: Ist Zeit­geist bes­ser?

Rege­ner: Nein.

Netzeitung.de: Hm (Schwei­gen)

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Das Jahr Paranoia

Es könn­te eine Sati­re sein: Band ver­teilt als Teil einer Mar­ke­ting­ak­ti­on frei­gie­big unge­schütz­te Musik, Fans neh­men dank­bar an der auf Ver­wir­rung und Aus­ufe­rung ange­leg­ten Kam­pa­gne teil und stel­len die Songs ins Netz, und die ewig toll­wü­ti­ge RIAA über­zieht Web­sei­ten­be­trei­ber mit Dro­hun­gen und Unter­las­sungs­kla­gen. Ehren­sa­che, daß sich die pflicht­schul­di­gen Anwäl­te der Musik­in­dus­trie vor­her nicht dar­um geküm­mert hat­ten, daß die frag­li­chen MP3s eben nicht „Raub­ko­pien“, son­dern Mit­tel zum geziel­ten Mar­ke­ting und zur Ziel­grup­pen­bin­dung waren.

Aber von vorn: Trent Rez­nor, Kopf der ame­ri­ka­ni­schen Indus­tri­al-Rocker Nine Inch Nails, hat­te für sein am kom­men­den Frei­tag erschei­nen­des Album „Year zero“ eine Visi­on. In nicht all­zu fer­ner Zukunft sei­en die USA der­ma­ßen den Bush Bach run­ter, daß die christ­li­che Rech­te end­gül­tig die Macht über­nom­men hat und das Ende der Welt her­auf­be­schwört. Eine Orwell­sche Dys­to­pie, die Rez­nor nicht nur in 16 gewohnt düs­te­ren Tracks skiz­ziert, son­dern für die er auch noch einen unmit­tel­ba­ren Nach­fol­ger (sowie einen Film) in pet­to haben soll. Und mit einem par­al­lel lau­fen­den Alter­na­te-Rea­li­ty-Spiel die Ver­wir­rung mun­ter anheizt.

Spä­tes­tens das ver­zwick­te Drum­her­um der TV-Serie „Lost“ zeig­te, wie vira­les Mar­ke­ting sozia­le Netz­wer­ke nutzt sowie alte und neue Medi­en vir­tu­os mit­ein­an­der ver­knüpft, ohne mit bun­ten Auf­kle­bern, über­la­de­nen Flash-Ani­ma­tio­nen und klin­gel­ton­durch­setz­ten Trai­lern wuchern zu müs­sen. So spann Rez­nor (bzw. span­nen sei­ne Mar­ke­ting­fach­leu­te) ein fins­te­res Netz: mit in Kon­zert­hal­len ver­steck­ten USB-Sticks, Ein­blen­dun­gen in Video­clips und Hin­wei­sen auf T‑Shirts. Mit ver­steck­ten Tele­fon­num­mern und gehei­men Bot­schaf­ten über Bio­ter­ro­ris­mus und fik­tio­na­le Dro­gen. Mit einer Unzahl ver­schie­de­ner Pro­pa­gan­da-Web­sites, die das Spiel wei­ter­trei­ben. Aller­lei Bruch­stü­cke, Andeu­tun­gen und Fuß­an­geln. In Bild und Ton ver­steck­te Hin­wei­se auf eine über­sinn­li­che Prä­senz und ande­re Selt­sam­kei­ten. Und ein omi­nö­ses US-Büro für Mora­li­tät, an das man sich wen­den möge, wenn man bei sich selbst oder bei ande­ren sub­ver­si­ves Gedan­ken­gut fest­stel­le. (Selbst betrof­fen? Sach­dien­li­che Hin­wei­se bit­te an 1–866-445‑6580.)

All das hät­te die sinn­freie Akti­on der RIAA min­des­tens tor­pe­die­ren kön­nen. Wenn das Netz nicht viel schnel­ler wäre, als eine lah­me Behör­de es je sein könn­te. Und so ist der ver­meint­li­che Schlag der Musik­in­dus­trie gegen das digi­ta­le Böse, der so selt­sa­me Par­al­le­len zu der ent­wor­fe­nen Zukunft von „Year zero“ auf­weist, auch nur noch ein zusätz­li­ches Pro­mo­ti­on­tool für das Album und die Sin­gle „Sur­vi­va­lism“. Cha­peau!

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Hype aus deutschen Landen: die Kilians klopfen an

Wenn man mich in einer fer­nen oder auch nähe­ren Zukunft ein­mal bäte, Deutsch­land am Oster­wo­chen­en­de 2007 zusam­men­zu­fas­sen, so wären mei­ne Wor­te wohl: „Alte Män­ner sag­ten dum­me Din­ge, mein Lieb­lings­ver­ein stand mal wie­der kurz vor dem Abstieg (ich hof­fe aber immer noch, den Halb­satz „der aber mal wie­der in letz­ter Sekun­de abge­wen­det wer­den konn­te“ nach­schie­ben zu kön­nen) und die wich­tigs­te Per­son im gan­zen Land war ein jun­ger Eis­bär. Aber ich war den­noch guter Din­ge, denn ich hör­te Musik, die mich sehr glück­lich mach­te.“

Die Musik ist die „Fight The Start“-EP der Kili­ans, die man hier bereits jetzt (und damit zwei Wochen vor ihrer Ver­öf­fent­li­chung) hören kann.

Die Geschich­te dazu geht so: Vor ziem­lich genau andert­halb Jah­ren sag­te mein klei­ner Bru­der zu mir: „Hör Dir das mal an, das sind Freun­de von mir …“ Ich hör­te mir ein paar MP3s an und was ich hör­te, mach­te mich schlicht und ergrei­fend sprach­los. Die sechs Songs klan­gen, als kämen sie direkt aus einem schimm­li­gen Pro­be­raum in Lon­don oder New York, jeden­falls über­haupt gar nicht nach einer Schü­ler­band aus Dins­la­ken. Aber genau das war es.

Ein paar Wochen spä­ter hat­te sich die Band end­lich auf einen Namen geei­nigt: The Kili­ans. Bei CT das radio beka­men sie mit „Jea­lous Lover“ ihren ers­ten Air­play und wur­den zur Abstim­mung für die Cam­puscharts vor­ge­schla­gen. 2006 begann mit Platz Vier in eben jenen Cam­puscharts und einem ein­sei­ti­gen Arti­kel im Dins­la­ke­ner Lokal­teil der „Rhei­ni­schen Post“. Eine Woche spä­ter ging der Song auf Platz 3 (hin­ter Franz Fer­di­nand und Tom­te) und drei Wochen spä­ter hat­te Thees Uhl­mann das Demo gehört und für gut befun­den. Für so gut, dass er sei­ne Band­kol­le­gen über­zeug­te, die fünf Jungs (ein­mal, ein ein­zi­ges Mal darf man eine Band als „Jungs“ bezeich­nen – zumin­dest, wenn der jüngs­te gera­de erst 18 ist), die er noch nie zuvor auf der Büh­ne gese­hen oder auch nur getrof­fen hat­te, für sie­ben Aben­de im Vor­pro­gramm mit­zu­neh­men.

Die Tour wur­de ein Erfolgs­zug son­der­glei­chen. Publi­kum und Haupt­band schlos­sen die Frisch­lin­ge, die zuvor gera­de eine Hand­voll Kon­zer­te im wei­te­ren Bekann­ten­kreis gespielt hat­ten, sofort in ihre Her­zen. Die am hei­mi­schen PC gebrann­ten EPs gin­gen noch vor der Hälf­te des Wegs aus und muss­ten im Tour­bus und noch in der Kon­zert­hal­le auf zusam­men­ge­lie­he­nen Lap­tops nach­ge­brannt wer­den. Am Ende einer Woche waren über 700 Stück ver­kauft, was bei einer Media-Con­trol-Erfas­sung locker für die deut­schen Sin­gle­charts gereicht hät­te. Und Thees Uhl­mann ließ kaum noch eine Gele­gen­heit aus, sei­nen neu­en Freun­de über den grü­nen Klee zu loben.

Mit­te Juni, noch ehe Simon, Domi­nic, Arne, Gor­di­an und Micka das ein­jäh­ri­ge Band­ju­bi­lä­um fei­ern konn­ten, hat­ten sie Kon­zer­te in den Epi­zen­tren Ham­burg und Ber­lin gespielt, eine Erwäh­nung im Musik­ex­press erhal­ten und waren mit ihrer EP „Demo des Monats“ in der Visi­ons. Zwei Mona­te spä­ter waren sie in einem von Red Bull umge­spritz­ten alten Schul­bus kreuz und quer durch Deutsch­land unter­wegs, stell­ten ihr Gefährt auf den Zelt­plät­zen der wich­tigs­ten Musik­fes­ti­vals ab und spiel­ten auf dem Dach klei­ne, umfei­er­te Gue­ril­la­kon­zer­te – sofern die Poli­zei ihnen nicht gera­de den Strom abge­stellt hat­te.

Im Herbst ging es dann zu Swen Mey­er, der zuvor schon die Grand-Hotel-van-Cleef-Klas­si­ker von kett­car, Tom­te und Marr auf­ge­nom­men hat­te, ins Ham­bur­ger Stu­dio. Die ers­ten Früch­te die­ser Arbeit sind jetzt auf der EP „Fight The Start“ zu hören, die am 20. April über Ver­ti­go Ber­lin, Grand Hotel van Cleef und Uni­ver­sal in den Han­del kom­men wird – und vor­ab auf der (obli­ga­to­ri­schen) MySpace-Sei­te der Band, die sich inzwi­schen vom Arti­kel im Band­na­men getrennt hat, durch­ge­hört wer­den kann.

Die Tee­nies ras­ten aus, als hät­ten die Arc­tic Mon­keys und Tokio Hotel unehe­li­che Kin­der gezeugt, die dann auch noch sofort der Puber­tät ent­sprun­gen sind, und die Indi­en­a­zis in den ein­schlä­gi­gen Foren meckern: „unglaub­lich öde“, „Unta­len­tier­te, und vor allem iden­ti­täts­lo­se, Gören­kom­bo!“, „Für eine deut­sche Band, die ver­sucht eng­lisch zu klin­gen, viel­leicht ganz nett. Aber mehr auch nicht.“

Der Vor­wurf, dass deut­sche Künst­ler (also sol­che, die zufäl­li­ger­wei­se auf dem Stück Land gebo­ren wur­de, auf dem in Erd­kun­de­at­lan­ten immer „Deutsch­land“ steht), gefäl­ligst auch danach zu klin­gen haben (wie auch immer man sich das vor­zu­stel­len hat), schaff­te es bis in eine Arc­tic-Mon­keys-Kon­zert­kri­tik bei intro.de: „Ich hat­te schon vor­her Stoß­ge­be­te in den Him­mel geschickt: ‚Bit­te nicht schon wie­der eine Dins­la­ke­ner Band, die sich ein­bil­det in Cam­den zu woh­nen!‘ “ Ande­rer­seits auch ein ziem­lich coo­ler Satz, der zeigt, dass die Kili­ans in den Köp­fen der Kri­ti­ker ange­kom­men sind – und impli­ziert, dass Dins­la­ken noch mehr zu bie­ten hat.

Und in der Tat: für knapp 72.000 Ein­woh­ner hat Dins­la­ken eine gera­de­zu blü­hen­de Musik­sze­ne. Mit Leo Can Dive (vgl. Miles, Che­wy, Jim­my Eat World) und The Rumours (vgl. Arc­tic Mon­keys, The Liber­ti­nes, Black Rebel Motor­cy­cle Club) ste­hen gleich die nächs­ten Indie­bands zum gro­ßen Sprung bereit. Die Dorf­ju­gend enga­giert sich in Ver­ei­nen zur Sze­ne­för­de­rung und tut sich gegen­über den Kili­ans dann doch vor allem mit Neid und fast aggres­si­ver Ableh­nung her­vor. Es geht ja auch nicht an, dass man Bands, die seit dem letz­ten Jahr­tau­send vor sich hin­mu­cken, plötz­lich rechts über­holt – und das mit einer Pro­fes­sio­na­li­tät und Cool­ness, die für die Punk- und Emo­kid­dies in Erman­ge­lung eines grö­ße­ren Wort­schat­zes natür­lich nur eines sein kann: „Arro­ganz“.

Genau­so ver­hält es sich mit der Beschrei­bung der Musik: Wer den Kili­ans vor­wirft, sie mach­ten „Sound, Auf­tre­ten und Song­wri­ting“ der Strokes nach, der macht sich ver­däch­tig, außer den Strokes nicht all­zu vie­le ande­re Bands zu ken­nen. Natür­lich klin­gen die Kili­ans auch nach The Strokes, aber eben auch nach min­des­tens zwei Dut­zend ande­ren Bands der letz­ten vier­zig Jah­re. Das reg­ga­ein­spi­rier­te „Insi­de Out­side“ könn­te auch von The Liber­ti­nes (oder wenigs­tens den Dir­ty Pret­ty Things) sein, „Take A Look“ ist Blues, mit Mit­teln des Ruhr­ge­biets nach­emp­fun­den, und wo „Fool To Fool“ eigent­lich her­kommt, könn­ten wohl höchs­tens The Kooks oder – *Tadaa!* – The Beat­les erklä­ren. Und dann klingt es noch nach Franz Fer­di­nand, Oasis, Man­do Diao und diver­sen wei­te­ren Bands, aber eben immer auch ein­deu­tig nach den Kili­ans, was nicht zuletzt der beein­dru­cken­den Stim­me von Simon den Har­tog („singt als hät­te er schon alles erlebt“, Thees Uhl­mann) lie­gen dürf­te.

Ja, das ist eine Geschich­te wie aus einem Mär­chen oder wenigs­tens aus dem Mut­ter­land des Pop – und sie hat gera­de erst ange­fan­gen. Wie die Kili­ans letzt­end­lich ein­schla­gen wer­den, wird sich eben­so zei­gen wie was die Fach­pres­se davon hält. Aber schon jetzt steht fest: das ist kei­ne all­täg­li­che Geschich­te aus einem Land, in dem sich die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Par­tei einen „Pop­be­auf­trag­ten“ leis­te­te und in dem die gro­ßen Sta­di­en seit min­des­tens 15 Jah­ren von den immer­glei­chen Künst­lern gefüllt wer­den.

Was man den sym­pa­thi­schen und krea­ti­ven jun­gen Män­nern jetzt nur noch wün­schen kann ist (neben dem ganz gro­ßen Durch­bruch, der eigent­lich nur eine Fra­ge der Zeit sein soll­te), dass die Leu­te ler­nen, den Band­na­men rich­tig zu schrei­ben: ohne „The“ und mit einem L.

Kilians - Fight The Start

Kili­ans-Web­site
Kili­ans bei MySpace.com
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Tsang’s Law & Order

Lan­ge bevor es das Web 9 3/​4 gab, tum­mel­ten sich die Men­schen, deren Mit­tei­lungs­be­dürf­nis zwar vor­han­den, aber noch nicht auf Leser­brief­schrei­ber-Grö­ße aus­ge­wach­sen war, im Use­net. Das konn­te (und kann) alles, was Web­fo­ren und Blogs knapp zwan­zig Jah­re spä­ter auch konn­ten, kommt aber ohne jeg­li­che Kli­ckibun­ti-Ele­men­te aus.

Was ich am Use­net neben den oben beschrie­be­nen Vor­tei­len noch mag, sind die soge­nann­ten Use­net-Laws, die anzei­gen, wann eine Dis­kus­si­on den Null­punkt erreicht hat und sofort ein­ge­stellt gehört. Eines die­ser Laws heißt Tsang’s Law und geht wie folgt:

Wer die schwei­gen­de Mas­se als Kri­te­ri­um für Zustim­mung oder Ableh­nung einer Fra­ge her­an­zieht, hat auto­ma­tisch ver­lo­ren.

Die­ses Law kam mir heu­te Mor­gen in den Sinn, als ich mei­nen News­rea­der Brow­ser anwarf und bei sueddeutsche.de einen Blick auf die der­zeit hef­tigs­te Dis­kus­si­on (wir könn­ten lang­sam auch von einem Fla­me­war spre­chen) im deutsch­spra­chi­gen Real Life warf:

CSU-Gene­ral­se­kre­tär Mar­kus Söder sag­te jetzt der Bild-Zei­tung: „Die Äuße­rung ist ein Skan­dal. Sol­che Anwäl­te sind eine Schan­de für ihre Zunft.“ Stoi­ber küm­me­re sich mehr um die Opfer als um die Täter. Das sehe die Mehr­heit der Deut­schen sicher­lich genau­so.

Ähn­lich äußer­te sich der CDU-Innen­ex­per­te Cle­mens Bin­nin­ger. Der Zei­tung sag­te Bin­nin­ger: „Der Rechts­an­walt kann offen­sicht­lich nicht ver­kraf­ten, dass Stoi­ber der gro­ßen Mehr­heit der Bevöl­ke­rung aus dem Her­zen spricht.“

Im Use­net kann man übri­gens einem unlieb­sa­me Schrei­ber ins soge­nann­tes Kill­fi­le packen und kriegt ihre Bei­trä­ge von da an nicht mehr zu Gesicht.

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Zockende Globalisierungsgegner

Poli­ti­sche Video­spie­le pro­du­zie­ren die Gue­ril­la-Flash-Pro­gram­mie­rer von Mol­l­e­indus­tria aus Ita­li­en. Poli­ti­sche Video­spie­le gegen die Unter­hal­tungs­dik­ta­tur. Und dabei ist ihnen ein ganz beson­ders wit­zi­ges Exem­plar geglückt, das nicht nur als glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­sches Pam­phlet, son­dern auch als cle­ve­re Wirt­schafts­si­mu­la­ti­on funk­tio­niert. Das „McDonald’s Game“ ver­setzt den Spie­ler in die Posi­ti­on eines Mana­gers der Fast-Food-Ket­te, der vom Anbau von (gen­ma­ni­pu­lier­tem) Getrei­de zur Füt­te­rung der (mit Wachs­tums­hor­mo­nen behan­del­ten) Rin­der bis hin zum Ein­stel­len, Maß­re­geln und Feu­ern der Fili­al­mit­ar­bei­ter die gesam­te Bur­ger-Wert­schöp­fungs­ket­te kon­trol­liert. Dabei gilt es sich mit Inter­es­sen­grup­pen her­um­zu­schla­gen und Wer­be­kam­pa­gnen zu lan­cie­ren und vor allem immer genug Bulet­ten auf Lager zu haben.

 Wäh­rend die ande­ren Ver­öf­fent­li­chun­gen der Ita­lie­ner nur kurz ihren Stand­punkt klar­ma­chen und nach fünf Minu­ten ihren spie­le­ri­schen Reiz ver­lie­ren (zum Bei­spiel der Orgas­mus-Simu­la­tor oder Tama­ti­pi­co, der fle­xi­ble Arbei­ter), macht das Mc-Donald’s‑Game gera­de­zu süch­tig. Man ent­wi­ckelt unge­ahn­ten Ehr­geiz und greift daher auch mal zu den unethi­sche­ren Metho­den, die das Game­play bie­tet. Ein wenig Indus­trie­ab­fall im Rin­der­fut­ter oder das Bestechen von Ernäh­rungs­wis­sen­schaft­lern gehört da noch zu den harm­lo­se­ren Ver­bre­chen. Dazu kommt die wit­zi­ge Flash-Gra­fik mit den auf die Bulet­te spu­cken­den Bur­ger­bra­tern und der kom­plett durch­ge­knall­ten Mar­ke­ting-Abtei­lung.  Das Spiel kann man direkt online spie­len oder auch her­un­ter­la­den (bei­des kos­ten­los) unter www.molleindustria.it. Natür­lich kann man dort auch einen kur­zen Blick auf die ande­ren Games wer­fen, die sich mit Orgas­mus-Fakes und Homo­se­xua­li­tät, meis­tens aber doch mit den Aus­wir­kun­gen der Glo­ba­li­sie­rung auf die Arbei­ter­schaft aus­wir­ken. In der Com­mu­ni­ty wer­den Stra­te­gien dis­ku­tiert und für die Ein­rich­tung einer Spei­cher­funk­ti­on beim Bur­ger-Game plä­diert. Da kann man nur zustim­men. Denn die Ita­lie­ner haben in mei­nen Augen mit ihrem klei­nen Flash-Expe­ri­ment die wahr­schein­lich bes­te Wirt­schafts­si­mu­la­ti­on seit Mad TV geschaf­fen: Über­schau­ba­re Kom­ple­xi­tät, wit­zi­ges Game­play und das gan­ze mit Atti­tü­de!

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Musik

Die Jugend von morgen

Mor­gen erschei­nen zwei Alben, die – auch wenn sie auf den ers­ten Blick sehr ver­schie­den sind – ein paar Gemein­sam­kei­ten auf­wei­sen: bei­de stam­men aus der Feder von jun­gen Män­nern und bei­de gefal­len mir außer­or­dent­lich gut.

Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chro­nic­les Of A Bohe­mi­an Teen­ager
Lass uns Schub­la­den ver­bren­nen mit Sam Duck­worth. Der schnappt sich sei­ne Akus­tik­gi­tar­re und singt Melo­dien, die einen zunächst ein­mal an so rich­tig emo-mäßi­ge Songs den­ken las­sen. Aber noch bevor man „Dash­board Con­fes­sio­nal lässt grü­ßen“ in sei­nen Unter­arm rit­zen kann, schep­pern da ver­spiel­te Beats los und win­ken in Rich­tung The Pos­tal Ser­vice und Elec­tric Pre­si­dent. Anders als die bis­her gen­a­me­drop­ten Künst­ler kommt Duck­worth aus Eng­land und ist gera­de 20 Jah­re alt. Man müss­te sich arg am Meta­phern­rie­men rei­ßen, um die Lie­der nicht als Per­len zu bezeich­nen und das Album zu hören klingt wie als Kind in die Som­mer­fe­ri­en zu fah­ren. Und ehe mei­ne Hilf­lo­sig­keit, das Unglaub­li­che in Wor­te zu fas­sen, noch wei­ter um sich greift, emp­feh­le ich die Anschaf­fung des Wer­kes. Zur Not nach vor­he­ri­gem Rein­hö­ren!

Mika – Life In Car­toon Moti­on
Die fan­tas­ti­sche Sin­gle „Grace Kel­ly“, die einem auch beim hun­derts­ten Hören noch nicht völ­lig auf die Ket­ten geht, hat­te ich ja schon vor ein paar Wochen gelobt. Jetzt kommt das Album (natür­lich mit abge­run­de­ten Ecken) und da zeigt uns der 23jährige Mika, der in sei­nem Leben schon mehr erlebt hat als so man­cher mit 75, wie Pop heu­te geht. Was sage ich dazu? Seit „May­be You’­ve Been Brain­wa­shed Too“ von den New Radi­cals, nach deren Gregg Alex­an­der Mika immer wie­der klingt, hab ich kei­ne so char­mant-bun­te Pop-Plat­te mehr gehört. Wenn das Album nach zehn Songs vor­bei­ge wäre, wäre es ein ech­tes Meis­ter­werk. Mit zwölf Num­mern ist es nur eine groß­ar­ti­ge Schei­be für Freun­de des etwas bubble­gu­mi­gen Indiepops. Bit­te eben­falls kau­fen und hören!

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Unterwegs

Es fährt ein Zug nach Irgendwo

Dass es ger­ne mal lus­tig wird, wenn ich mich von A nach B bewe­ge, ist ja schon seit eini­ger Zeit bekannt. So ist es auch eigent­lich nicht wei­ter erstaun­lich, was ich über mei­nen heu­ti­gen Aus­flug mit der Deut­schen Bahn zu berich­ten habe: Nach dem wochen­end­li­chen Auf­ent­halt bei mei­nen Eltern mach­te ich mich auf den Weg nach Bochum, der in die­sem Fall über den Duis­bur­ger Haupt­bahn­hof führt. Der nächs­te Zug Rich­tung Bochum war der NRW-Express nach Hamm, der aus­nahms­wei­se mal die ent­schei­den­den Minu­ten zu spät war, die es mir ermög­li­chen, ihn noch zu erwi­schen.

Auf Gleis 13, von dem die­ser Regio­nal­ex­press abfah­ren soll­te, erschall­te die Durch­sa­ge: „Bit­te beach­ten Sie: wegen einer Betriebs­stö­rung (Bahn­deutsch für: etwas, was wir selbst nicht näher benen­nen kön­nen, und das vor­aus­sicht­lich zwi­schen fünf Minu­ten und sechs Mona­ten anhal­ten wird) auf der Stre­cke fährt die­ser Zug heu­te nicht über Mülheim/​Ruhr, Essen und Bochum. Der nächs­te Halt ist Gel­sen­kir­chen.“
„Nun gut“, dach­te ich, „solang die S‑Bahn fährt, soll mir das ja egal sein. Ist ja sowie­so komisch, dass die Fern­zü­ge an die­sem Wochen­en­de alle wegen Bau­ar­bei­ten umge­lei­tet wer­den, aber die Regio­nal­zü­ge die glei­che Stre­cke benut­zen kön­nen sol­len.“
Ich ging also zum Gleis 9 von (bei der Bahn sagt man: aus) dem die S‑Bahn nach Dort­mund in weni­gen Minu­ten abfah­ren wür­de und war natür­lich nicht allein. Als der NRW-Express schließ­lich ein­fuhr, stürz­ten auch Dut­zen­de Men­schen her­aus und kamen zum S‑Bahn-Gleis, um nach Mülheim/​Ruhr, Essen oder Bochum zu gelan­gen.

Bis hier­hin war die Geschich­te für die ein­zel­nen Betrof­fe­nen natür­lich etwas unbe­quem, aber im Gro­ßen und Gan­zen wohl hin­nehm­bar. Wer weiß, woher die Betriebs­stö­rung kam (sicher nicht vom völ­lig ver­al­te­ten Schie­nen­netz). Aber die Bahn wäre nicht die Bahn, wenn sie sich nicht in die­sem Moment ent­schlos­sen hät­te, ihre zah­len­den Kun­den (vul­go: Fahr­gäs­te) gegen sich auf­zu­brin­gen. Denn als sich die Mas­sen auf Gleis 9 sam­mel­ten, erschall­te auf Gleis 13 die Ansa­ge „Bit­te beach­ten Sie: die­ser Zug ver­kehrt jetzt doch plan­mä­ßig über Mülheim/​Ruhr, Essen und Bochum!“
Es setz­te eine erneu­te Völ­ker­wan­de­rung ein, auf Gleis 13 spiel­ten sich tumult­ar­ti­ge Sze­nen ab und der Bahn­an­ge­stell­te, der am Bahn­steig Wache schob, muss­te meh­re­ren ver­zwei­fel­ten Per­so­nen teils mehr­fach bestä­ti­gen, dass der Zug jetzt doch plan­mä­ßig über Mülheim/​Ruhr, Essen und Bochum ver­keh­re. Ich hader­te noch, stieg dann aber doch ein, fand schnell einen frei­en Platz und wid­me­te mich mei­ner Lek­tü­re, der Zug fuhr als­bald los.

Nach eini­gen Minu­ten der Fahrt knack­te der Laut­spre­cher und der Lok­füh­rer ver­mel­de­te: „Ver­ehr­te Fahr­gäs­te, in weni­gen Minu­ten errei­chen wir außer­plan­mä­ßig Gel­sen­kir­chen Haupt­bahn­hof.“
Gespens­ti­sche Sze­nen spiel­ten sich im Zug ab: Men­schen sahen ein­an­der an, erst fra­gend, dann ver­zwei­felnd. Ohne­hin leid­ge­prüf­te Borus­sia-Mön­chen­glad­bach-Fans schrien ver­är­gert auf und ich lach­te, als habe der Wahn­sinn soeben Besitz von mir ergrif­fen. Aber ich wuss­te ja: die Bahn wäre nicht die Bahn, wenn sie nicht kon­se­quent ihr Ziel ver­fol­gen wür­de, ihre zah­len­den Kun­den (vul­go: Fahr­gäs­te) voll­endes gegen sich auf­zu­brin­gen.

So hiel­ten wir am Gel­sen­kir­che­ner Haupt­bahn­hof, den ich noch gar nicht kann­te und des­halb in den fol­gen­den Minu­ten inter­es­siert durch­streif­te. Ganz frisch zur Fuß­ball-WM reno­viert hat­te er etwas sehr Ber­li­ne­ri­sches, nur dass die meis­ten Geschäf­te und Fress­bu­den um neun Uhr Abends schon geschlos­sen waren. Die Stein­plat­ten, die sei­nen Boden bedeck­ten, sahen dre­ckig aus, obwohl sie es nicht waren. Das erin­ner­te mich an den Küchen­fuß­bo­den bei mei­nen Eltern, den man auch so viel Schrub­ben kann, wie man will. Da es auf den Bahn­stei­gen zog wie Hecht­sup­pe, ver­trieb ich mir die Zeit damit, abwärts fah­ren­de Roll­trep­pen hin­auf­zu­ge­hen, das hält fit. Und noch ein Fakt für die Samm­ler kurio­ser Fak­ten am Ran­de: der Gel­sen­kir­che­ner Haupt­bahn­hof hat sechs Glei­se – 4, 5, 6, 7, 8 und 25.

Schließ­lich fuhr die Nokia-Bahn, die so heißt, weil sie in Bochum-Nokia am Werk eines aus­län­di­schen Mobil­te­le­fon­pro­du­zen­ten hält, ein. Mir wur­de warm ums Herz, denn sie wird vom pri­va­ten Bahn­un­ter­neh­men Arbel­lo betrie­ben und ich wür­de heu­te nicht mehr mit der Deut­schen Bahn fah­ren müs­sen. Ent­spre­chend pünkt­lich kam ich auch in Bochum an, gera­de mal zwan­zig Minu­ten spä­ter als ich es mit der S‑Bahn von Gleis 9 gewe­sen wäre.

Und wer jetzt sagt: „Ganz lus­ti­ge Geschich­te, aber der Schluss ist ja schon ein biss­chen lahm, nech?“, dem ant­wor­te ich: „Das war doch noch gar nicht der Schluss!“
Denn als die Bochu­mer U‑Bahn, die mich nach Hau­se brin­gen soll­te, aus dem Tun­nel fuhr, erzit­ter­te das Land von einem Don­ner und ein Schnee­sturm schlug gegen die Schei­ben. Und so ging ich die let­zen 600 Meter im Schnee­re­gen­ge­stö­ber nach Hau­se und freu­te mich wie ein Kind, als sich mei­ne Jeans mit nas­sem, kal­ten Matsch voll­so­gen. Denn ich wuss­te ja: zuhau­se war­tet mei­ne war­me Dusche und alles wür­de gut wer­den.

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Film Leben

Aus dem Zusammenhang

In den spä­ten 1960er Jah­ren trieb in Nord­ka­li­for­ni­en der sog. Zodiac Kil­ler sein Unwe­sen. Sei­ne (nach­weis­ba­ren) Opfer waren in der Regel jun­ge Pär­chen, die er auf teils ziem­lich bru­ta­le Wei­se töte­te. Beson­ders spek­ta­ku­lär an dem Fall waren die kom­plex ver­schlüs­sel­ten Brie­fe, die der (mut­maß­li­che) Täter an die Öffent­lich­keit schick­te und in denen er die Ver­ant­wor­tung für eine Viel­zahl wei­te­rer Mor­de über­nahm. Bis heu­te ist sich die Poli­zei nicht sicher, wer der Zodiac Kil­ler ist, und wel­che Moti­ve ihn antrie­ben. Die Poli­zei­ak­te des San Fran­cis­co Poli­ce Depart­ments, die vor drei Jah­ren geschlos­sen wor­den war, wur­de im Früh­jahr die­ses Jah­res wie­der geöff­net.

Vor zwei Wochen lief in den USA „Zodiac“ an, der neue Film von David Fin­cher („Se7en“, „Fight Club“), der sich auf teils fik­ti­ven, teils ver­brief­ten Wegen mit dem Fall des Zodiac Kil­lers befasst.

Ges­tern wur­de in San Fran­cis­co ein 17jähriges Mäd­chen von einem unbe­kann­ten jun­gen Mann auf offe­ner Stra­ße erschos­sen, ihr Beglei­ter wur­de ver­letzt.

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Politik

Flache Gebührenpartei

Okay, ich seh’s ein: ich werd alt!

Mit der Fra­ge kon­fron­tiert, was „Flat­rate-Par­ties“ sei­en, hät­te ich noch zu Beginn der Woche die vage Ver­mu­tung geäu­ßert, es han­de­le sich um Netz­werktref­fen (mhd. für LAN-Par­ties), bei denen die Teil­neh­mer nicht mehr in einem Raum sit­zen, son­dern über das Inter­net ver­bun­den sind. War­um die so hei­ßen soll­ten, weiß ich auch nicht, aber so hät­te mei­ne Ant­wort wohl gelau­tet.

Ich hät­te natür­lich unrecht gehabt und mich mal wie­der als so 2002 geoutet. Wie wir heu­te alle wis­sen, sind „Flat­rate-Par­ties“ das, was vor vie­len Äonen noch „All You Can Drink“ gehei­ßen hät­te, also: ein­mal zah­len, den gan­zen Abend trin­ken. Und um mich mit viel Schwung ins end­gül­ti­ge gesell­schaft­li­che Aus zu rei­ten: ich wuss­te weder, dass die­se Par­ties exis­tie­ren, noch könn­te ich mir einen Ort vor­stel­len, an dem sie statt­fin­den könn­ten. Aber es muss sie geben, denn sie sind der Grund, dass eini­ge wild­ge­wor­de­ne Poli­ti­ker mal wie­der die Ver­schär­fung von Geset­zen for­dern, deren simp­le Ein­hal­tung schon mehr als ein Anfang wäre. Immer­hin: dies­mal soll nicht mün­di­gen Bür­gern vor­ge­schrie­ben wer­den, wel­che Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten sie mit ihrem Com­pu­ter ver­brin­gen dür­fen, dies­mal geht es nur dar­um, Sech­zehn- und Sieb­zehn­jäh­ri­ge vom Alko­hol­kon­sum fern­zu­hal­ten.

Doch bevor ich jetzt zur ganz gro­ßen Argu­men­ta­ti­on aus­ho­le und auf die vie­len Ein­und­zwan­zig­jäh­ri­gen ver­wei­se, die sich in den USA beim ers­ten lega­len Kon­takt mit Alko­hol ins Koma sau­fen, kom­me ich lie­ber wie­der zum Ein­gangs­the­ma zurück und fra­ge ganz höf­lich nach: Gibt es sol­che „Flat­rate-Par­ties“ eigent­lich wirk­lich?

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Digital Leben

Getrennt, geschrieben

Heu­te, lie­be Kin­der, erklärt Euch das Cof­fee-And-TV-Lehr­per­so­nal mal, war­um eini­ge Regeln der deut­schen Recht­schrei­bung der Zwei­deu­tig­keit Tür und Tor öff­nen. Als Bei­spiel haben wir uns die Getrennt­schrei­bung von zusam­men­ge­setz­ten Ver­ben aus­ge­sucht. RP Online schreibt in einem Arti­kel über Fla­vio Bria­to­re, der mög­li­cher­wei­se gar nicht der Vater von Hei­di Klums ers­tem Kind ist, fol­gen­des:

Der For­mel-Eins-Mana­ger und das Top­mo­del waren 2003 zusam­men gekom­men und trenn­ten sich kurz vor Lenis Geburt im Mai 2004.

Und obwohl die­ser Satz laut Duden (§34) vor­bild­lich zusam­men­ge­stellt wur­de, kann ich doch nicht ver­heh­len, an einer Stel­le herz­haft und puber­tär auf­ge­lacht zu haben. Kann aber auch am Kon­text lie­gen …

PS: Bria­to­re sagt, nicht er, „son­dern eine pro­mi­nen­te Per­sön­lich­keit, die Mil­lio­nen aus dem Fern­se­hen ken­nen“ sol­le der Vater sein. Sei­en wir also gespannt, wie schnell Prinz Fré­dé­ric von Anhalt dies­mal vor die Mikro­fo­ne der Welt­öf­fent­lich­keit hech­tet, um sich als Erzeu­ger ins Gespräch zu brin­gen.

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Politik

Globale Erwärmung: Sommerloch dieses Jahr schon Mitte März!

Die Nach­richt des Tages ent­neh­men wir der Net­zei­tung. Wie auch schon vor fast vier Wochen, so stammt die Mel­dung auch dies­mal wie­der aus Nie­der­sach­sen. Die dor­ti­ge Land­tags­frak­ti­on der SPD hat näm­lich lan­ge dar­über gegrü­belt, was eigent­lich noch nicht zum The­ma Kin­der­be­treu­ung, Kli­ma­schutz und Ter­ror­dro­hun­gen gesagt wor­den ist. Jetzt ist sie zu einem Ergeb­nis gekom­men, das vie­le über­ra­schen dürf­te: Sie for­dert die Aberken­nung der deut­schen Staats­bür­ger­schaft für Adolf Hit­ler.

Und nur, um sicher zu gehen, dass ich selbst ver­ste­he, was ich da gera­de getippt habe: Da stellt sich an einem für Spä­ße und Strei­che gänz­lich unver­däch­ti­gen Ter­min eine SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te hin und for­dert, einem vor über sech­zig Jah­ren ver­stor­be­nem Dik­ta­tor, der kurz vor sei­ner Wahl zum deut­schen Reichs­kanz­ler 1932 vom Land Braun­schweig die deut­sche Staats­bür­ger­schaft erhal­ten hat­te, die­se nun wie­der zu ent­zie­hen, was ers­tens gegen Arti­kel 16 des Grund­ge­set­zes ver­sto­ßen wür­de und zwei­tens bei Toten sowie­so nicht mög­lich ist? Was sagen denn die Öster­rei­cher dazu?