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Heute ist wieder mal Towel Day. Bitte achten Sie auf Ihr Handtuch!

(Was das soll, entnehmen Sie bitte dem Handbuch zum Handtuch.)

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Der Saal wird still, die Lichter gehn aus

Seien wir ehrlich: Wir Sind Helden sind so ziemlich die langweiligste Band Deutschlands. Zwar wird man hierzulande sowieso kaum eine Band finden, die sich mal schlecht benimmt oder wenigstens mal ein paar Kollegen disst, aber Wir Sind Helden sind immer noch eine Spur netter. Jetzt touren sie sogar schon mit Baby! Und so eine Band will uns gerade fünf Jahre nach dem Durchbruch ihre Geschichte und ihren Touralltag erzählen? Auf 400 Seiten?

Wir Sind Helden sind aber natürlich auch eine der sympathischsten Bands Deutschlands. Selbst als “Brigitte” und “Polylux”, wo sie zu Hochzeiten gefühlt in jeder Sendung porträtiert wurden, Judith Holofernes zur Klassensprecherin der Nation erklären wollten und die Band drohte, zum Soundtracklieferanten von Attac-Demonstrationen zu werden, sorgte das Quartett immer mit genug Selbstironie dafür, dass man sie immer noch mochte. Oder sie hassen musste, weil sonst ausnahmslos alle sie mochten. Diese Wir Sind Helden haben jetzt “Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen” veröffentlicht, eine Sammlung alter Tour- und Studiotagebücher, angereichert mit ganz vielen Zusatzgeschichten und liebevoll kompiliert von den “Musikexpress”-Granden Josef Winkler und Albert Koch.

Wir haben die aktive Legendenbildung in einem frühen Stadium versäumt und müssen nun damit leben: Drei Viertel der Helden haben sich beim, seufz, Sommerkurs einer Musikhochschule kennengelernt.

Nun gut, wer unreflektiert Drogen- und Sexgeschichten geschildert kriegen will, kann ja “Scar Tissue” von Anthony Kiedis lesen, bei Wir Sind Helden gibt es erst mal längere Schilderungen des zaghaften Kennenlernens, die dafür jeder Mensch nachvollziehen kann, der sich mal mit ein paar Freunden und deren Freunden “so zum rumzocken” getroffen hat. Überhaupt: Das Helden-Buch sollte man zur Pflichtlektüre von Nachwuchsmusikern ernennen. Wenn sich die Band euphorisch an die ersten (natürlich ziemlich schlechten) Auftritte erinnert, will man sofort auf die Bühne in egal welchem Jugendzentrum stürmen – und vielleicht sogar in den Proberaum. Wie man nebenher auch noch ohne echtes Management die Angebote von Plattenfirmen ablehnt, die einen “topdown in GSA” “breaken” wollen, kann man sich bei den Helden zumindest abschauen.

Dass das Buch aber trotz ausführlicher Schilderungen von Studioarbeit und Livebetrieb auch noch für Nicht-Insider interessant ist (sein dürfte), ist der eigentliche Verdienst: Im Gegensatz zum vergleichbaren Tomte-Tourtagebuch “Die Schönheit der Chance” hat “Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen” zwar den sperrigeren Titel, erzählt aber sehr viel allgemeinverständlicher und weit weniger pubertär vom Tour-Alltag. Das könnte natürlich auch daran liegen, dass die beiden Bands so grundverschieden sind, wie Thees Uhlmann im Buch noch mal erklären darf. Als Mehrwert hängt dem Buch noch ein Glossar an, in dem von “A&R” über “Nightliner” bis zum sensationell dämlichen Wort “Venue” (“Auftrittsort”) alle Begriffe erklärt werden, die im Musikgeschäft so wichtig sind. Darüber freuen sich sicher auch Musiker, Musikjournalisten und Musikindustrielle, die zwar täglich mit diesen Begriffen hantieren müssen, sich aber nie trauen würden, nach deren Bedeutung zu fragen.

400 Seiten sind recht viel, um darauf knapp sieben Jahre Bandgeschichte zu erzählen. Den Großteil nimmt dabei der Weg bis zum unerwarteten Erfolg des Debütalbums “Die Reklamation” ein, aber das war ja auch eine spannende Zeit und man merkt den klug montierten Erzählungen der Bandmitglieder an, wie unglaublich diese Erfahrungen für sie auch heute noch sein müssen. Man hört das Zweitwerk “Von hier an blind” mit etwas anderen Ohren, wenn man um den Druck weiß, der damals auf den Musikern lastete, und man glaubt es ihnen gerne, wie befreiend es gewesen sein muss, als die Aufmerksamkeit im vergangenen Jahr etwas nachließ.

Am Ende hat man das Gefühl, die Band und ihre Mitglieder wirklich kennengelernt zu haben. Bei der Schonungslosigkeit, mit der eigene Fehler eingestanden und eigene Lügen in der Vergangenheit als solche entlarvt werden, muss dieses Buch einfach der Wahrheit entsprechen. Wenn etwas nervt, dann der wiederholte Hinweis auf die eigene Unkommerzialität: Keine Firmenveranstaltungen, Werbebanner am Konzertort bitte abnehmen – aber dann begeistert annehmen, wenn bei “Rock am Ring”, diesem Marketingfestival mit integriertem Konzertbetrieb, der Headliner abspringt! Wenn die Band sich dann allerdings über die Rezeption am Nürburgring freut, glaubt man ihnen schon fast wieder, dass dort tatsächlich mal für die Länge eines Konzerts keine Hunderttausend Dosenbier-Asis, sondern echte Musikfans auf dem Gelände herumliefen.

Am Ende weiß man: Wir Sind Helden werden nie Rock’n’Roll sein, sind aber grundsympathisch. Sie machen tolle Musik und können sogar Bücher schreiben. Das soll ihnen erst mal einer nachmachen.

Wir Sind Helden – Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen
Fischer Verlag
12,95 Euro

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Literatur

Die Dichterschlacht von Dinslaken

Weil’s in den Kommentaren ja doch wieder untergehen könnte:

Am morgigen Montag, 3. März findet im Bistro “Mittelpunkt” in der Stadthalle der Dinslakener Poetry Slam statt.

Alles Wissenswerte dazu findet man unter slam-dinslaken.de.vu, darunter auch die Regeln, von denen mir folgende besonders gut gefällt:

Mobiltelefone müssen während der Veranstaltung lautlos bzw. ausgeschaltet werden. Beim Klingeln während einer Lesung muss der Besitzer des Handys ein Lied aus der „Mundorgel“ vor gesamtem Publikum vortragen.

Ich selbst bin am Montag leider nicht in der Stadt, werde mir das Spektakel aber bestimmt bei einem der nächsten Termine (7. April, 5. Mai) mal ansehen.

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Literatur

Er, Ich, Über-Ich

Es ist natürlich reiner Zufall, dass ausgerechnet in dem Herbst, in dem das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass Maxim Billers Roman “Esra” verboten bleibt, weil er zu nah an der Realität sei und die Persönlichkeitsrechte der “Protagonisten” verletze, ein Roman erscheint, der der Wirklichkeit so nahe kommt, dass er schon fast die Frage aufwirft, ob es sich überhaupt noch um einen Roman handelt: Die Hauptfigur in Thomas Glavinic’ Roman “Das bin doch ich” heißt Thomas Glavinic, ist Schriftsteller, hat gerade einen Roman fertiggestellt und wartet auf dessen Veröffentlichung. Er kämpft sich durch den Alltag mit Frau, Kleinkind und Neurosen, trinkt regelmäßig viel zu viel und ist viel im österreichischen Literatur- und Kulturbetrieb unterwegs. Ansonsten passiert wenig.

Es ist weniger die Handlung, die “Das bin doch ich” zu einem ungewöhnlichen Buch macht. Sie ist gleichsam nicht vorhanden und Glavinic (der echte wie der literarische) hat mit “Der Kameramörder” und “Die Arbeit der Nacht” bedeutend handlungsreichere Romane geschrieben. “Das bin doch ich” lebt von der vordergründig aufgelösten Grenze zwischen Autor und Hauptfigur, von der ständigen Frage, welche Roman-Passagen abgeschriebene Wirklichkeit und welche Fiktion sein könnten.

Glavinic (der Autor) war aber klug genug zu erkennen, dass solche postmodernen Expositionen alleine einen Roman von 230 Seiten nur schwerlich tragen können, und so lässt er seinen Thomas Glavinic im Alltag absurde, quälende und zum Teil richtig peinliche Geschichten erleben, die er mit unprätentiöser Sprache erzählt. Das liest sich leicht und unterhält.

Damit offenbaren sich auch schon die zwei Hauptlesarten von “Das bin doch ich”: Die literaturwissenschaftliche Herangehensweise, bei der man sich die ganze Zeit mit Erzähltheorien und dem Konzept von Fiktion und Realität beschäftigen kann, und die Klatschvariante, bei der man alles Beschriebene für bare Münze nimmt und sich an den vermeintlichen (dann aber doch eher unspektakulären) Einsichten in die österreichische Kulturszene erfreuen kann. Angst vor juristischen Schritten muss Glavinic dabei kaum haben: Von allen beschriebenen Figuren ist der größte Säufer und Neurotiker seine Hauptfigur, also letztlich er selbst.

Dabei bleibt Glavinic, die Romanfigur, trotz aller Weinerlichkeit und seinem offensichtlichen Unvermögen, mit seinem Alltag zurechtzukommen, immer sympathisch. Nur wenn er morgens ängstlich vor dem Computer hockt und sich fragt, wem er in der vorherigen Nacht wieder betrunkene E-Mails geschrieben haben könnte, wird die Situation bei allem Amüsement unglaubwürdig: “Guck doch einfach in Deinen verdammten ‘Gesendet’-Ordner!”, möchte man ihm da zurufen und würde damit abermals die Grenzen der Literatur sprengen, mit denen Glavinic, der Autor, die ganze Zeit hantiert. Eine dritte Lesart wäre natürlich, sich weder auf Theorien noch auf Klatsch zu konzentrieren, sondern das Buch als gelungene Mischung aus beidem und als interessante Unterhaltung zu betrachten.

Die außergewöhnliche Ausgangslage des Romans sorgt schnell dafür, dass man sich genauer mit seiner Form als mit seinem Inhalt auseinandersetzt. Lässt man sich auf das Spiel ein und akzeptiert das Geschriebene als im großen und ganzen real, dann ist “Das bin doch ich” ein interessante Studie über einen Autor, der mit seiner Tagesfreizeit nichts anzufangen weiß, was im Ergebnis dazu führt, dass er einen Meta-Roman über sich und seine Situation schreibt. Bei dieser Konstruktion muss man dann natürlich vorsichtig sein, dass sie einen nicht bei längerem Nachdenken in den Wahnsinn treibt, so wie der Roman-Glavinic mit seiner Hypochondrie, seiner Flugangst und seiner immer konfuser werdenden Konversation mit seinem Freund, dem Bestsellerautor Daniel Kehlmann (“Die Vermessung der Welt”), auch immer ein bisschen wahnsinniger zu werden scheint.

Unabhängig vom tatsächlichen Realitätsgehalt zeichnet “Das bin doch ich” ein glaubwürdiges Bild aus dem Leben eines Kreativen mit all seinen Macken, Sorgen und Ängsten. Glavinic pendelt dabei gekonnt zwischen Klischees und eher überraschenden Anekdoten aus der Welt der Hochkultur und bringt den deutschen Lesern ganz nebenbei seine österreichische Heimat und vor allem Wien näher. Wenigstens einmal will man auch beim Inder am Naschmarkt essen gehen, wie es der Protagonist jeden Tag tut. Vielleicht würde man dort tatsächlich auf den echten Thomas Glavinic treffen. Vielleicht aber auch nicht.

Eine besondere Ironie der Geschichte (nicht des Romans): Mit “Das bin doch ich” gelang Glavinic das, worauf sein Romanheld mit dem Vorgänger “Die Arbeit der Nacht” vergeblich hofft – der Sprung auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises.

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Literatur

Verschwör dich gegen dich

Kommt ein BILDblogger in die Buchhandlung und stolpert über ein Buch mit dem Untertitel “Was 2007 nicht in der Zeitung stand”. Er blättert ein wenig darin, denkt “Das hört sich ja ganz interessant an”, fragt sich, woher ihm der Name Gerhard Wisnewski bekannt vorkommt und zahlt den sympathischen Preis von sechs Euro.

Und damit lag “Verheimlicht, vertuscht, vergessen” (von nun an: “VVV”) vor mir. Im Vorwort erklärt Wisnewski die Intention seines “kritischen Jahrbuchs”:

Mein Ziel war es, bekannte Themen nochmals unter die Lupe zu nehmen und unbekannte Themen aufzudecken, um das Geschichtsbild dieses Jahres ein wenig zu korrigieren.

Ein hehres Ziel, wenngleich er einen Absatz später immerhin einräumt, nicht im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Gute 300 Seiten später weiß der Leser, wo Wisnewski Korrekturbedarf sieht: Es gibt keine vom Menschen verursachte globale Erwärmung, keine Vogelgrippe und kein Aids; die Anschläge des 11. Septembers 2001 wurden von den Amerikanern selbst geplant (wobei einige Medien im Vorfeld informiert waren) und mit Hilfe von Al Gore soll eine “Klimaplanwirtschaft”, eine “Diktatur mit lächelndem Gesicht, aber mit eisernen Fesseln” installiert werden um die Macht der USA in der Welt weiter auszubauen.

Uff! Da sollte man sich vielleicht erst mal noch mal anschauen, wer dieser “bekannte Erfolgsautor und Enthüllungsjournalist” (so der Verlag) Gerhard Wisnewski eigentlich ist. Er ist Jahrgang 1959, hat Politikwissenschaften studiert, als Journalist gearbeitet und mehrere Sachbücher geschrieben. Zum Beispiel “Lügen im Weltraum” (die Mondlandung hat es so nicht gegeben), “Das RAF-Phantom” (die dritte Generation der RAF hat es so nicht gegeben), “Mythos 9/11” und “Operation 9/11” (den 11. September hat es so nicht gegeben). Über den 11. September hat Wisnewski sogar einen Dokumentarfilm für den WDR gedreht: “Aktenzeichen 11.9. ungelöst” wurde vom “Spiegel” derart zerpflückt, dass der WDR anschließend eine weitere Zusammenarbeit mit Wisnewski und seinem Co-Autor ausschloss.

Vorsichtig ausgedrückt sind Wisnewskis Theorien also mit Vorsicht zu genießen. Und in der Tat sind manche Beweisführungen so krude, manche Quellen so dubios und manche handwerklichen Fehler so offensichtlich, dass es der Glaubwürdigkeit des Buches erheblich schadet. Das ist tragisch, denn in “VVV”, das die Ereignisse von Oktober 2006 bis September 2007 behandelt, gibt es durchaus Kapitel, die lesenswert sind. So ist zum Beispiel eine kurze Rückschau auf die verschiedenen Bundesminister des Inneren in den letzten Jahrzehnten hochinteressant, weil hier eindrucksvoll aufgelistet wird, wie es um die Verfassungs- und Gesetzestreue der jeweiligen Herren so bestellt war. Auch Wisnewskis Kritik an Wahlautomaten, ePässen und RFID-Chips ist weitestgehend fundiert und sinnvoll, seine statistischen Vergleiche der Gefahren von Vogelgrippe und internationalem Terrorismus mit denen im Straßenverkehr sind angenehm Hysterie-bremsend. Einige der Kapitel über ungelöste Kriminalfälle laden zumindest zu einer näheren Beschäftigung mit den Quellen ein, sorgten aber auch dafür, dass ich mich nach der Lektüre fühlte wie als Vierzehnjähriger nach dem “Akte X”-Gucken, als ich bei eingeschaltetem Licht einschlafen musste.

Wisnewski ist davon überzeugt, dass sich die Weltwirtschaft unter amerikanischer Führung gerade im Zusammenbruch befindet (was ich als Wirtschaftslaie nach den Ereignissen vom Montag nicht mal ausschließen kann), vermutet hinter den Vogelgrippe-Fällen in Deutschland eine Verschwörung von Pharma-Industrie, Geflügelgroßbetrieben und dem Friedrich-Loeffler-Institut und wärmt die alte Verschwörungstheorie um die BBC am 11. September 2001 wieder auf. Ihn zu widerlegen erscheint in den meisten Fällen unmöglich, da es ja zum Wesen jeder besseren Verschwörungstheorie gehört, dass ihre Verbreiter dem Rest der Welt unterstellen, selbst Verschwörer oder deren Opfer zu sein. Offizielle Quellen gelten eh nicht, unabhängige Sachverständige sind Teil der Verschwörung und wer die “Gegenbeweise” kritisiert gehört zu denen. Unter dieser Prämisse kann natürlich keine Seite irgendwas beweisen – oder es haben einfach beide Recht.

Ich tue mich schwer damit, “VVV” pauschal als substanzlose Verschwörungstheorie und albernes Gewäsch abzutun, weil in dem Buch einige interessante Denkansätze auftauchen. Auf der anderen Seite steht darin aber auch viel Quark, der bei mir teils für Gelächter, teils für Wutanfälle gesorgt hat:

  • Die alberne RTL-Comedy “Freitagnachtnews” lobt Wisnewski gleich an zwei Stellen als “Satiresendung” bzw. die “zusammen mit Sieben Tage, sieben Köpfe […] einzige Sendung, die man sich im Deutschen Fernsehen überhaupt ansehen konnte”.
  • Das Kapitel über den unter mysteriösen Umständen verstorbenen Felix von Quistorp beginnt Wisnewski mit dem Hinweis, dass in Deutschland jährlich etwa 50.000 Kinder als vermisst gemeldet werden – um ein paar Zeilen später auf Fälle von verwahrlosten und misshandelten Kindern zu sprechen zu kommen und zwischendurch noch Madeleine McCann zu erwähnen, die nun kaum zu den in Deutschland vermissten Kindern zählen dürfte.
  • Wisnewski will Murat Kurnaz dessen Folterbeschreibungen nicht glauben, weil diesem “selbst die Beschreibung schlimmster Folterpraktiken” “keine Gefühlsregungen” entlocke. Eine etwas dünne Logik, wenn man sich vorstellt, welche psychischen Folgen solche Folter auslösen muss.
  • Im Fall des Amoklaufs von Blacksburg zweifelt er die offizielle Version mit der Begründung an, es habe ja gar keine Verbindung zwischen dem vermeintlichen Täter und seinen Opfern gegeben. Dabei dachte ich immer, diese Willkür gehöre zum Konzept des Amok.
  • Das Kapitel über Mark Medlock (bzw. die Praktiken von RTL bei der telefonischen Abstimmung) beginnt er mit dem Klischeesatz jedes Kulturpessimisten

    Das deutsche Showgeschäft erreicht einen neuen künstlerischen und ästhetischen Tiefpunkt.

    um hinzuzufügen, Medlock sehe “schlecht” aus, singe “schlecht” und spreche “schlecht”:

    Dem Wahren, Schönen, Guten setzt DSDS das Unwahre, Hässliche und Schlechte entgegen.

  • Völlig unreflektiert zitiert Wisnewski einen Wissenschaftler, der das “befürchtete Übergreifen der Seuche [Aids, Anm. des Bloggers] auf die heterosexuelle Bevölkerung” in Abrede stellt.
  • Den Status der “Bild”-Zeitung als Hofberichterstatterin im “Arbeiter- und Merkelstaat” will Wisnewski allen Ernstes mit einer Meldung über die Qualität von Billig-Sonnencremes belegen.
  • Zu Eva Herman fällt ihm ein, sie sei Opfer eines böswilligen Komplotts geworden. Ihr viel gescholtenes Zitat sei doch “eindeutig” gewesen. Dabei hatte ich gehofft, man könnte sich inzwischen wenigstens darauf einigen, dass das ganze Elende dieser unseligen Debatte nur entstanden ist, weil sich Frau Herman im freien Vortrag in ihren Nebensätzen verheddert hatte und sich hinterher zu fein war, diese Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen. Wir haben gesehen, dass man Hermans berühmten Satz in zweierlei Richtungen auslegen kann und genau das sollte doch wohl ein Kriterium für Uneindeutigkeit sein.
  • Wisnewski macht aber zwischendurch auch noch mal selbst die Herman, wenn er die “erheblichen” Unterschiede im Verhalten von Jungen und Mädchen am folgenden Beispiel beweisen will:

    Während Mädchen im Handarbeitsunterricht brav sticken, schweifen Jungen gedanklich ab und gucken aus dem Fenster.

Solche Bücher machen mich ganz gaga, weil ich die meiste Zeit damit beschäftigt bin, mich selbst zu fragen, ob ich dem Autor bei diesem oder jenem Thema überhaupt noch zustimmen kann, wenn ich an anderen Stellen nicht nur nicht seiner Meinung bin, sondern sein Vorgehen mal für falsch, mal für gefährlich halte. Natürlich kann ich das, denn letztlich muss ja sowieso jeder für sich selbst entscheiden, was er glaubt und was nicht. Die Quintessenz der Lektüre kann also nur lauten, allen Quellen mit einer gewissen Grundskepsis zu begegnen. Für diese Erkenntnis brauche ich aber keine 300 Seiten Text.

Der BILDblogger fand dann übrigens zumindest doch noch was: Im Kapitel über die Haftentlassung Brigitte Monhaupts zitiert Wisnewski die “sehr empfehlenswerte, Bild-kritische Website www.bildblog.de”.

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Literatur

Ist das Lesen nicht schön?

In einem Anfall nur geringer Selbstüberschätzung dachte ich einmal “Was Elke Heidenreich kann, kann ich schon lange”, schnappte mir die Videokamera und erzählte dieser, welche Bücher man denn meine Meinung nach zu Weihnachten verschenken solle.

Herausgekommen ist ununterbrochenes Gesabbel, das man auch gut als bilderlosen Podcast hätte fabrizieren können, aber ich wollte ja unbedingt ein Video draus machen.

Bitte sehr, hier ist es:

Hier klicken, um den Inhalt von de.sevenload.com anzuzeigen


Link: sevenload.com

Anders als Elke Heidenreich brauche ich aber nur 16 Minuten. Das heißt, ich rede doppelt so schnell.

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Literatur Digital

Weder Lennon noch Heino: Interview mit Volker Strübing

Auf meiner Dienstreise nach Berlin habe ich mich auch zu einem Interview mit Volker Strübing getroffen. Es war ein sehr nettes Gespräch mit dem Schriftsteller und Schöpfer von “Kloß & Spinne” und daraus wäre sicher auch ein hübsches, kleines Video geworden, wenn …

Volker Strübing und Lukas Heinser sitzen auf einem Sofa (v.r.n.l.)

Ja, wenn die Videokamera nicht zu weit von uns und zu nah an der Theke vom RAW-Tempel gestanden hätte, an der gerade das gesamte Flaschenlager durchgeschüttelt wurde. Ohne Vorkenntnisse hätte man also kein Wort verstanden, weswegen ich gezwungen war, das ganze Gespräch abzutippen. Auch wenn jetzt der schöne Berliner Tonfall in Volkers Stimme fehlt, denke ich, dass es sich gelohnt hat:

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Literatur Politik

Licht aus, Spott an

Wie kann man heutzutage in Deutschland eigentlich noch wirklich provozieren? In Zeiten, in denen schon jeder und alles mit irgendwelchen Nazi-Sachen verglichen wurde, muss man sich was neues einfallen lassen: den Kohl-Vergleich.

Erfunden hat ihn Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in der “Leipziger Volkszeitung”. Zumindest zitiert diese ihn wie folgt:

Müntefering geht, weil ihm Privates in einer entscheidenden Lebensphase wichtiger als alles andere ist. Ein Einschnitt?

Es ist eine unpolitische Entscheidung, dass Franz Müntefering seine Frau in der letzten Phase ihres Lebens direkt begleiten will. Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal. Ohne dass das vergleichbar wäre. Die Politik ist nicht das Allerwichtigste. Man sollte sich in solchen Phasen das Recht nehmen, auch einmal still zu halten. Es ist nicht so, dass man ein Schwächling ist, wenn man nicht immer sofort in diesen unmenschlichen Entscheidungsdruck verfällt.

Zitat: lvz-online.de

Zur Erinnerung: Hannelore Kohl, die Frau von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, litt schon während dessen Amtszeit an einer schweren Lichtallergie, die sie zuletzt dazu zwang, in einem völlig abgedunkelten Haus zu leben, und nahm sich im Juli 2001 das Leben (vgl. dazu auch dieses geschmackvolle “Spiegel”-Titelbild).

So, wie Thierse von der “Leipziger Volkszeitung” zitiert wird, wäre das natürlich eine etwas unglückliche, vielleicht auch schlichtweg geschmacklose Äußerung. Thierse sah seine Ausführungen zunächst einmal als “falsch und verkürzt” wiedergegeben und schrieb dem Altkanzler einen persönlichen Brief, in dem er bedauerte, dass “ein falscher Eindruck entstanden sei”. (Man beachte dabei den alten PR-Trick und bedauere nicht seine Äußerungen, sondern den Eindruck, der durch sie entstanden sein könnte.)

Unterdessen schrien Politiker aller Parteien schon Zeter und Mordio und versuchten, die Nummer zu einem Riesenskandal hochzujubeln, in dessen Windschatten die heutige Diätenerhöhung medial untergehen könnte.

Wer verstehen will, wie Politik und Medien heutzutage funktionieren, muss nur diesen Artikel bei n-tv.de lesen:

“Die Äußerungen von Herrn Thierse sind für mich menschlich zutiefst unverständlich. Sie grenzen für mich an Niedertracht”, sagte Merkel der “Bild”.

[…]

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach von einem “Tiefpunkt im Umgang” unter Kollegen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, ein Bedauern reiche “hinten und vorne nicht”. “Das ist des Deutschen Bundestags nicht würdig. FDP-Chef Guido Westerwelle hat recht, wenn er sagt, er kann sich durch einen solchen Vizepräsidenten nicht repräsentiert fühlen.” Westerwelle sprach im “Kölner Stadt-Anzeiger” von “unterirdischen” Äußerungen.

Sie sehen schon: Die reden alle übereinander und mit der Presse, aber in keinem Fall miteinander – und das Volk sitzt daneben wie das Kind geschiedener Eltern, die nur noch über ihre Anwälte miteinander kommunizieren.

Im “Bild”-Artikel kommen noch ein paar weitere Hochkaräter zu Wort:

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) empört: „Schäbig und geschmacklos!“ Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder: „Parteichef Kurt Beck muss Thierse sofort zur Ordnung rufen.“

Und weil die Luft langsam dünn wurde, schaltete Thierse einen Gang höher und entschuldigte sich heute morgen per Brief “in aller Form” bei Helmut Kohl. Richtiger noch: Er bat um Entschuldigung, was ja heutzutage auch eine sprachliche Seltenheit ist.

Wie reagiert eigentlich Kohl auf den Brief seines alten Freundes und das ganze Theater drum herum? Mit der ihm üblichen staatsmännischen Größe und Gelassenheit:

“Ich nehme diese Entschuldigung an. Zum Vorgang selbst will ich sonst nichts sagen.”

Ich weiß schon, warum der Mann auf ewig “mein” Kanzler bleiben wird.

Nachtrag 17. November: Gerade erst festgestellt, dass diese erste öffentliche Erwähnung des Namens Helmut Kohl seit Monaten zufälligerweise mit der Präsentation des dritten Bands von Kohls Autobiografie zusammenfiel …

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Literatur

Aus den Papierkörben der Weltliteratur (2)

Auf meiner Festplatte habe ich weitere Texte gefunden, die vor mehr als einem halben Jahrzehnt entstanden sind, bei denen ich aber der Meinung bin, dass man sie zumindest noch mal zur Blogverfüllung nutzen kann.

So zum Beispiel der nun folgende Text, der im Deutschunterricht bei eben jener Lehrerin entstand. Die Aufgabe war es, einen Text zu einem Bild zu schreiben, auf dem sich ein Mann mit beiden Händen an einer Art Zaun abstützt, der sich in der Mitte zu öffnen scheint. (Ich hätte dieses Bild gerne eingescannt, habe es aber nicht mehr gefunden.)

Deshalb steht über dem Text auch “Am Zaun”. Der Text und die Fußnoten sind auf dem Stand vom 7. Juni 2001 und wurden nur behutsam an die gängigen Rechtschreibregeln angepasst.

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Literatur Gesellschaft

Don’t party like it’s 1999

Kürzlich blätterte ich mal wieder in “Tristesse Royale”, dem Reader der deutschsprachigen Popliteratur der 1990er Jahre, dem Zeitdokument der ersten Tage der Berliner Republik. Und mir wurde klar: Wer verstehen will, wie sehr sich unsere Gesellschaft und unsere Welt im letzten Jahrzehnt verändert haben, der muss nur diese Protokolle der Gespräche lesen, die Joachim Bessing, Christian Kracht, Eckhart Nickel, Alexander von Schönburg und Benjamin von Stuckrad-Barre im späten April des Jahres 1999 im frisch wiedereröffneten Berliner Hotel “Adlon” geführt haben.

Nehmen wir nur einen kurzen Ausschnitt, der eigentlich alles sagt:

JOACHIM BESSING Gibt es denn eigentlich überhaupt noch sogenannte gesellschaftliche Tabus?
ALEXANDER V. SCHÖNBURG Die katholische Kirche zu verteidigen ist zum Beispiel ein modernes Tabu. Es ist ein Allgemeinplatz, für die Antibabypille und gegen die Familienpolitik des Papstes zu sein. Wer heute, wie ich, sagt: Ich bin für den Papst und gegen die “Pille danach”, bricht ein gesellschaftlich vereinbartes Tabu. Vielleicht ist es auch ein ähnlicher Tabubruch, wenn eine Frau sagt: Ich gehöre hinter den Herd und möchte gerne meine Kinder erziehen. Ich möchte gar nicht in die Drei-Wetter-Taft-Welt eintreten.

“Tristesse Royale”, S. 118

Lesen Sie diese Ausführungen ruhig mehrmals. Und versuchen Sie dann, sich vorzustellen, dass es eine Welt gab, in der “wir” noch nicht Papst waren und in der Eva Herman nur die Nachrichten vorgelesen hat. Es war eine Welt, in der alles noch so war, wie es war, bevor nichts mehr so war, wie es zuvor gewesen war. Eine Welt in einem anderen Jahrtausend – aber wer heute aufs Gymnasium kommt, war damals schon geboren.

Natürlich ist “Tristesse Royale” kein Protokoll einer tatsächlichen Gesellschaft. Die weltmännischen Posen der fünf jungen, konservativen Herren ließen sich auch damals nur schwerlich mit der Weltsicht der Mehrheit der Bevölkerung auf eine Line bringen. Aber sie passten stilistisch in die Euphorie des Aufbruchs. Das Buch ist deshalb eine gute Erinnerung an diese ersten Tage der sogenannten Berliner Republik, als es so aussah, als würden Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalition Deutschland alleine aus der Krise führen. In gewisser Weise haben sie das getan, aber das Volk hat es ihnen nicht gedankt, weil die als große “Reform” anmoderierte Agenda 2010 weh tat und sie zu einem nicht unerheblichen Teil auch unsozial war. Niemand fragt, warum es Deutschland unter einer Kanzlerin Merkel, die bisher keine einzige innenpolitische Entscheidung größerer Tragweite getroffen hat, plötzlich so gut gehen soll, wie lange nicht mehr. Niemand ist erstaunt, wenn die SPD unter dem Pfälzer Teddy Kurt Beck plötzlich wieder Sozialdemokratie der 1960er Jahre betreiben will. Aber alle jammern über diese wahnsinnigen Teuerungsraten und über die Gefahr, schon morgen auf dem Koblenzer Marktplatz Opfer einer islamistischen Atombombe zu werden.

Zwischen April ’99 und Oktober ’07 lag der 11. September 2001, der natürlich viel verändert hat und der für zwei neue große Kriege auf diesem Planeten verantwortlich ist. Aber ich glaube nicht, dass diese Terroranschläge, so schlimm sie auch waren und so viele danach auch noch kamen, der Hauptgrund für diese Verschiebung gesellschaftlicher Vorstellungen ist.

Zwischen 1999 und 2007 lag nämlich auch und vor allem ein Jahrtausendwechsel, egal ob man den am 1. Januar 2000 oder erst ein Jahr später begossen hat. Wenn wir uns ansehen, welche Auswirkungen schon eine schlichte Jahrhundertwende gehabt hat, dann müssen wir erstaunt sein, dass dieser Übergang vom zweiten zum dritten Millennium häufig so einfach übergangen wird: Das späte 19. Jahrhundert hatte das Fin de siècle, das Zeitalter des Dekadentismus, und genau das finden wir auch in “Tristesse Royale” und der Gesellschaft dieser späten 1990er Tage wieder. Nicht wenige erwarteten für die Silvesternacht 1999/2000 den sofortigen Weltuntergang und entsprechend wurde auch gefeiert und gelebt. Dieser Überschwung hielt diesmal aber keine 14 Jahre, bis ein Ereignis die Welt erschütterte, sondern die paar Monate bis zum September 2001.

Als Peter Scholl-Latour am Abend des 12. September 2001 in der Talkshow von Michel Friedman das Ende der Spaßgesellschaft postulierte, hinterließ das zwar keinen allzu bleibenden Eindruck bei der Weltbevölkerung, aber nach so einer Ansage fielen die Champagnerbäder in Berlin-Mitte vielleicht doch zunächst ein bisschen kleiner aus. Und ehe man sich’s versah, war auch auf höherer Ebene aus einer apolitischen Dekadenzgesellschaft eine apolitische Biedermeiergesellschaft geworden, in der man seinen dunkelhaarigen Nachbarn sofort für einen potentiellen Massenmörder hält, weil der sich dreimal am Tag die Hände wäscht und betet. Andererseits wird ein alter Kirchenmann von Jugendlichen wie ein Popstar verehrt und Fernsehmoderatorinnen erheben das Gegenteil ihres eigenen Lebensweges zum Heilsversprechen für alle Frauen.

Damit sind wir, auf Umwegen, wieder beim Ausgangszitat angekommen. Was machen eigentlich diese großen Männer der deutschsprachigen Dekadenz heute? Nun: Alexander von Schönburg war kurzzeitig Chefredakteur des Edelmagazins “Park Avenue” und kollumniert für “Bild”; Joachim Bessing schreibt Bücher, die auf dem “Lebenshilfe”-Tisch der Buchhandlungen neben denen von Eva Herman liegen; Eckhart Nickel und Christian Kracht gründeten die sehr interessante, leider aber nicht sehr erfolgreiche Literaturzeitschrift “Der Freund”; Kracht selbst entschwebt in seinen Reportagen in immer unzugänglichere Sphären und Benjamin von Stuckrad-Barre war zuletzt als Rosenverkäufer im neuen Horst-Schlämmer-Video zu sehen.

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Literatur

Aus den Papierkörben der Weltliteratur

Warum sollte es auf meiner Festplatte anders aussehen als in meinem Zimmer? Ich war grad auf der Suche nach etwas völlig anderem, als ich über eine Textdatei stolperte, die meine Aufmerksamkeit erregte. Sie ist ziemlich exakt sechs Jahre alt und mit “drama.txt” betitelt.

Da ich “drama.txt” für ein äußerst interessantes zeithistorisches Dokument halte, möchte ich den Inhalt hier gerne in vollem Umfang und unverändert wiedergeben:

Der Marsch der Institutionen – ein Drama in einem Akt.
Alle Namen sind frei erfunden.
Personen: Frau Händel, Lehrerin; Karl, Schüler; Herr Lingen, Schulleiter; etwa zwei dutzend Schüler
Bühne: Ein schlichter Klassenraum. Wichtig sind das Pult, eine Tür und ein stilisierter Kreml-Turm auf einem Schülertisch.

Die Schüler sitzen umher und reden. Offenbar sollen sie gleich eine Klausur schreiben. Die Lehrerin fehlt noch.
Manfred: Wenn die wirklich die gleiche Klausur nimmt, dann werde ich wahnsinnig.
Ludwig: So doof wird die kaum sein!
Torben: Gib mir noch mal den Text von Friedrich!

Die Tür geht auf, Frau Händel tritt ein. Sie trägt eine übertriebene Perücke und eine große Tasche.

Frau Händel: Hallo Kinder! Hier ist eure Klausur!

Frau Händel teilt ein Papier aus. Die Schüler blicken ungläubig darauf und beginnen dann, laut zu lachen.

Torben: Toll! Und jetzt hab ich das nicht gelesen!
Frau Händel: Was haben Sie nicht gelesen?
Torben: Äh, die Zusammenfassung der stilistischen Mittel, genau!

Frau Händel geht nach vorne. Karl meldet sich.

Frau Händel: Ja, Karl?
Karl: Ihnen ist klar, dass sie diese Klausur letztes Jahr im Grundkurs schon einmal geschrieben haben?!?
Frau Händel: (strahlt) Ja!
Karl: Ihnen ist klar, dass wir Kontakt zu den Schülern dieses Grundkurses haben?!?
Frau Händel: (strahlt) Ja!
Karl: Ihnen ist klar, dass einige von uns Zugang zu dieser Klausur hatten?
Frau Händel: (strahlt) Ja, aber schreiben Sie erstmal so gut, wie die im letzten Jahr!

Die Schüler gucken ungläubig, einige lachen. Karl steht auf und verlässt den Klassenraum.

Torben: Das meinte ich nämlich! Ich habe die Klausur nicht gelesen und jetzt haben die anderen einen Vorteil.
Frau Händel: (murmelt etwas in einer fremden Sprache)

Die Schüler machen sich an die Arbeit und lesen den Text.

Frau Händel: Nicht, dass ihr das Bild interpretiert! Den hab ich nur auf das Blatt kopiert, damit ihr weißt, wie das damals aussah!

Ludwig lässt seinen Kopf neben dem Kremlturm aufs Pult krachen, ehe er das Blatt in zwei Hälften (die eine mit dem Text, die andere mit dem Bild) reißt. Die Tür geht auf, Karl und Herr Lingen betreten die Szene.

Herr Lingen: Frau Händel, kommen Sie mal bitte eben raus?
Frau Händel: (steht auf) Ja, was ist denn?
Herr Lingen: (zu den Schülern) Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie hier still weiterarbeiten?

Die Schüler murmeln ein “Ja”, Herr Lingen und Frau Händel treten vor die Tür. Die Schüler murmeln los.

Bert: Ist das ein fünfhebiger Jambus? Ist das ein fünfhebiger Jambus?!?
Ludwig: Ja, halt die Klappe!

[Anmerkung: hierbei muss deutlich werden, dass es sich natürlich um keinen fünfhebigen Jambus handelt, evtl. trägt Bert ein Affenkostüm o.ä.]

Die Tür wird kurz geöffnet, die Schüler verstummen, die Tür wird wieder geschlossen. Ludwig dreht sich begeistert zu Karl um und streckt ihm beide Daumen entgegen. Karl sitz an seinem blanken Pult. Die Tür öffnet sich erneut, Frau Händel kehrt etwas wacklig zu ihrem Pult zurück, Herr Lingen wendet sich an die Klasse.

Herr Lingen: Also, Sie müssen jetzt über das Thema schreiben, Sie können dann nachher Einspruch einlegen! (ab)

Karl, Ludwig und einige andere Schüler schütteln den Kopf. Frau Händel sagt kein Wort.

Lesen Sie nächste Woche: Meinen Dramenzyklus “Sturmfrei” (bestehend aus “Türen”, “Sitzgruppe” und “Türen 2”), sowie meine “Ämter”-Trilogie (bestehend aus dem Singspiel “Kreiswehrersatzamt”, dem klassischen Drama “Finanzamt” und dem absurden Fragment “Arbeitsamt”).

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Literatur

Das blinde Redaktionshuhn der “Süddeutschen Zeitung”

Dass ich das noch erleben darf: Die “Süddeutsche Zeitung” (oder wenigstens deren Magazin) haut eine Bildergalerie raus, die sogar mal sinnvoll und unterhaltsam ist. Rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse wird dem literaturinteressierten Zeitungsleser eine Hilfe an die Hand gegeben, um verschiedene, viel zu oft verwechselte Autoren auseinanderhalten zu können: z.B. Benjamin Lebert und Benjamin von Stuckrad-Barre; Jonathan Franzen, Jonathan Safran Foer und Jonathan Lethem; Martin Walser und Robert Walser.

[via meine Mutter, mal wieder]