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Digital Kultur

Kunst im Alltag: Mediengruppe RP “RP Online”

Ich habe mich geirrt, all diese Jahre.

Ich hatte ja allen Ernstes gedacht, “RP Online” sei ein Nachrichtenportal im Internet. Wer “RP Online” aber mit den Maßstäben des Onlinejournalismus misst, bekommt Bluthochdruck und schlechte Laune. Noch mehr, als wenn man in der großen Print-Schwester “Rheinische Post” nach Journalismus sucht.

Jetzt habe ich endlich verstanden: “RP Online” ist ein Multimedia-Kunst-Projekt. Die zahlreichen Agenturmeldungen, die unter dem eigenen Kürzel “RPO” Wort für Wort übernommen werden, stehen in der Tradition der Ready-mades von Marcel Duchamp. Die Heiligenverehrung für den jüngst verstorbenen Düsseldorfer Oberbürgermeister muss vermutlich als Neuinterpretation von Andy Warhols “Mao” gesehen werden. Dada ist eh mindestens die Hälfte der Inhalte.

Und wenn “RP Online” heute ab 13 Uhr im “Retro-Ticker” das EM-Viertelfinale zwischen England und Deutschland vom 29. April 1972 in Echtzeit nachempfinden wird, ist das wahrscheinlich ein Verweis auf das Dokumentartheater von Peter Weiss, Heinar Kipphardt und Rolf Hochhuth.

Man sollte so etwas viel stärker würdigen.

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Kultur

Back Office

Der Klassenraum einer berufsbildenden Schule irgendwo in Berlin. An einem Dutzend Tische sitzen angehende Bäckereifachverkäuferinnen. Vorne stehen der Lehrer und Herr Brödow von der IHK.

Lehrer: Guten Morgen, Mädels! Ihr wisst, heute wird’s ernst! Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass Ihr die Prüfung schaffen werdet, Ihr seid ja alle gut vorbereitet. Lasst Euch nicht verrückt machen!
Herr Brödow: Ja, natürlich auch von meiner Seite einen guten Morgen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, ich bin ja nicht hier, um Sie durchfallen zu lassen! (lacht)
Lehrer: Um es möglichst fair zu gestalten, haben wir die Reihenfolge, in der Ihr geprüft werdet, vorab ausgelost. Es geht los mit: Nadine!

Nadine schlägt die Hände vors Gesicht, dann steht sie auf und geht nach vorne.

Herr Brödow: Nadine, machen Sie sich keine Sorgen. Ihre Noten sind ja allesamt sehr gut, sehe ich. Wir machen ein kleines Rollenspiel: Ich bin Kunde bei einem mittelgroßen Sortiment-Bäcker, Sie bedienen mich. Ich komme dann mal rein.

Herr Brödow geht umständlich zur Tür, öffnet diese aber nicht, und geht wieder auf Nadine zu.

Nadine: Guten Morgen!

Der Lehrer zuckt zusammen, ein Raunen geht durch die Klasse. Herr Brödow hält inne.

Herr Brödow: Nadine, Sie sind aufgeregt, das macht gar nichts. Atmen Sie einmal tief durch, wir beginnen dann noch mal!

Herr Brödow geht wieder Richtung Tür, wartet, bis Nadine sich etwas lockerer hingestellt hat, und geht dann wieder zu ihr.

Herr Brödow: Guten Morgen!
Nadine: Guten Morgen, was …

Der Lehrer schlägt die Hände vors Gesicht, die Mitschülerinnen rutschen ein Stück unter ihre Pulte.

Herr Brödow: Wissen Sie, wir fangen einfach noch ein drittes Mal an. Aller guten Dinge sind ja, haha, drei. Bleiben Sie ganz ruhig und konzentrieren Sie sich. (Er ballt die Faust, eine alberne Motivierungsgeste.) Sie wollen die Bäckereifachverkäuferinnen von Berlin repräsentieren! Wir fangen einfach direkt an: Guten Morgen!

Nadine guckt unsicher zu ihren Mitschülerinnen, die abbremsende Gesten machen. Es entsteht eine peinliche Stille.

Nadine: (brummt) Morgen!

Der Lehrer atmet erleichtert durch, die Mitschülerinnen strahlen.

Herr Brödow: Ich hätte gern einen Buttercroissant, drei Schrippen und … Was ist das da? (Deutet auf imaginäre Backwaren.)
Nadine: Das sind Rosinenschnecken!

Herr Brödow fällt aus seiner Kundenrolle und wird wütend.

Herr Brödow: Also wirklich, ich gebe Ihnen hier die dritte Chance und Sie machen immer noch alles falsch. Sie da (er deutet auf Mandy): Wie lautet die korrekte Antwort?
Mandy: (steht auf) “Steht doch dran!”
Herr Brödow: Sehr richtig! Sie haben schon fast bestanden! (lächelt unangenehm; wendet sich wieder Nadine zu) Also nochmal: Was ist das da?
Nadine: (brummt) Steht doch dran!
Herr Brödow: Dann nehme ich davon zwei!
Nadine: Sonst noch was?

Der Lehrer schlägt mit dem Kopf gegen die Wand, die Mitschülerinnen seufzen.

Herr Brödow: (wütend) Nadine, wo wollen Sie denn arbeiten? Im Puff oder in der Bäckerei? Sie müssen sich schon konzentrieren! Mit so einer Lari-Fari-Einstellung kommen Sie nicht weit!
Nadine: (brüllt) Jetzt reicht’s mir aber, Sie dummes Arschloch! Sie gucken doch eh nur die ganze Zeit der Mandy auf die Titten! Ich kann das hier sehr wohl, ja? Ich hab nur keinen Bock, für so eine armselige Witzfigur hier so eine Riesenschau abzuziehen wie im Kasperletheater! Ich hab überhaupt keinen Bock mehr auf die ganze Scheiße hier!

Nadine stampft wütend zu ihrem Platz, wo sie sich mit verschränkten Armen niederlässt. Die Mitschülerinnen erheben sich und applaudieren, der Lehrer strahlt.

Herr Brödow: Glückwunsch, Sie haben mit Auszeichnung bestanden!

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Unterwegs Kultur

Hoffentlich ist es Beton

Ruhr-Uni Bochum

Wenn Menschen verreisen, geben sie viel Geld aus um weit weg zu kommen, dorthin, wo’s schön ist. Wenn sie dann wieder heimkehren, denken sie “Ach, schrecklich, wie das hier aussieht”, und die ganze Erholung ist weg. Warum fahren sie also nicht in die nähere Umgebung, gucken sich dort die Tagebaugebiete, Fußgängerzonen und Gefängnisse an und sind ganz entzückt, wenn sie endlich wieder zuhause sein dürfen?

Ich war also am Dienstag in Marl. Die Innenstadt wurde in den 1960er Jahren am Reißbrett entworfen und war damals sicher visionär: ein Einkaufszentrum amerikanischer Bauart, davon ausgehend verschiedene Wohn-Hochhäuser, ein klar strukturiertes, dabei aber luftiges Rathaus, ein künstlicher See. Wenn man in der Dämmerung durch den Nieselregen schlurft (wie Stefan am Montag), wirkt dieser Ort wie der post-apokalyptische Schauplatz einer Architekturschau längst vergangener Epochen, aber man ahnt, wie begeistert die Macher von ihren Ideen waren, wie durchdacht und modern diese Stadt einmal gewesen sein muss. Nur leben wollen die Leute so nicht und ohne Anzüge und Petticoats wirken sie dort auch seltsam deplatziert.

Es ist das Schicksal mindestens einer Generation deutscher Architekten und Stadtplaner, dass ihre hehren Pläne und Konzepte kolossal gescheitert sind. Wie oft höre ich, die Ruhr-Uni Bochum sei ja “so hässlich”, dabei sieht sie kaum anders aus als die Universitätsneubauten in Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Essen, Bielefeld oder Paderborn. Genau genommen ist die Ruhr-Uni sogar von einer viel höheren Qualität: klar strukturiert, ohne Schnörkel und anheimelnde Gemütlichkeit, nur gebaut, um möglichst vielen Arbeiterkindern die Möglichkeit eines Hochschulstudiums zu bieten. Ein Blick in die hell erleuchteten Zimmer des Nachbarhauses bringt hässlicheres zu Tage.

Christuskirche DinslakenIn Dinslaken wurde im vergangenen Jahr die evangelische Christuskirche abgerissen, weil sie zu nah an den anderen Kirchen lag und ihr Erhalt zu teuer war. Der Betonbau aus den späten 1960er Jahren war immer unbeliebt gewesen: groß, kalt, mit der Ausstrahlung einer Mehrzweckturnhalle. Selbst unter Aufbringung von christlicher Nächstenliebe und kulturellem Verständnis war die Kirche hässlich – und doch war zum Beispiel die Idee, bei der Gestaltung der “Fenster”, die eher kleine farbige Lichtlöcher in Betonelementen waren, völlig auf Motive zu verzichten, eine konsequente bauliche Umsetzung des Protestantismus gewesen. Den Vorschlag, einfach die klassizistische Schwesterkirche abzureißen, hätte nie jemand zu äußern gewagt – mal davon ab, dass diese natürlich unter Denkmalschutz steht und gerade frisch restauriert war.

Und so wird zur Zeit in weiten Teilen Deutschlands eine ganze Epoche der Architekturgeschichte aus den Stadtbildern entfernt: die der Nachkriegsarchitektur. Natürlich hatte damals kaum jemand ahnen können, wie schrecklich nackter Beton im Laufe der Zeit aussehen würde, aber diese Architektur war nicht nur unglaublich funktional, sie hatte dabei auch nicht selten tolle Details und die Kunst am Bau. Diese Gebäude, die ja weißgott nicht alle hässlich sind, gehören zur deutschen Geschichte wie römische Siedlungen, Barockschlösser, faschistische Protzbauten und das Bauhaus. Ihr Verschwinden aus den Stadtbildern verzerrt die Geschichte und endet in einem Revisionismus, der sich zum Beispiel in den Bestrebungen zeigt, das Berliner Stadtschloss wieder aufzubauen – oder auf die Spitze getrieben in den Braunschweiger Schlossarkaden.

AT&T Switching Center, New York

Pathetisch gesprochen stehen Marl und all die Städte, die so ähnlich konzipiert wurden, für eine gescheiterte Utopie. Sie sind betongewordene Sozialdemokratie. Die Menschen wollten nicht in Etagenwohnungen mitten in der Stadt wohnen und auf riesige Betonfläche gucken, sie wollten in die Vorstädte, wo sie bizarrerweise nun Häuser bewohnen, die sich untereinander gleichen wie damals die Wohnungen im Hochhaus. Die Berliner Gropiusstadt und Köln-Chorweiler sind in einer Dimension gescheitert, wie sie nur in der Architektur möglich ist, die Stuttgarter Weißenhofsiedlung und die Berliner Wohnmaschine hingegen gelten immer noch als Vorzeigeobjekte. Woran das nun wieder liegt, kann ich mir auch nicht erklären. Vielleicht ist Brasília auch nicht deshalb so schön, weil es von Oscar Niemeyer entworfen wurde, sondern weil dort so häufig die Sonne scheint.

Eines der merkwürdigsten Neubauprojekte, das ich aus der Nähe mitbekommen habe, ist die Neue Mitte Oberhausen, ein künstliches Stadtzentrum mitten in einem früheren Industriegebiet. Das ganze Areal wirkt ein bisschen unnatürlicher als Disneyland, wird aber mit großer Begeisterung angenommen. Wohnhäuser gibt es keine, aber das riesige Einkaufszentrum “CentrO” mit angeschlossener Gastronomie-Promenade. Die seelenlose Beliebigkeit eines internationalen Flughafens scheint den Besuchern nichts auszumachen, aber selbst wenn: auf dem Gelände gibt es einen Irish Pub, der das Konzept Irish Pub sklavisch und bis zur Übertreibung einhält. Junge Menschen können sich in einem völlig künstlichen, aber realistischen Gebäude betrinken, das jünger ist als sie selbst, aber nach jahrhundertealter Tradition aussieht.

Und mit der Frage, ob falsche Gemütlichkeit wirklich echter Kälte vorzuziehen ist, möchte ich Sie in die Nacht entlassen. Allerdings nicht, ohne vorher auf restmodern.de hingewiesen zu haben, wo man sich einen schönen Überblick über die Nachkriegsarchitektur in Berlin verschaffen kann.

Hinterhof in Chicago
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Kultur

Kunst im Alltag: Roland Koch “Ohne Titel I”

Ypsilanti, al-Wazir
und die Kommunisten stoppen!

Mit diesem, auf den ersten Blick schlichten Zweizeiler hat sich der bisher unbedeutende Nachwuchsliterat Roland Koch vergangene Woche in den Olymp der Politlyrik katapultiert.

Die erste Zeile besteht aus einem seltenen Paion (mit Betonung auf der dritten Silbe) und einem Anapäst und klingt daher schon allein durch ihr Versmaß exotisch. Diese Wirkung unterstreicht der Dichter mit der Verwendung zweier Familiennamen aus dem südöstlichen Mittelmeerraum und dem Gebiet der arabischen Halbinsel.

Der Name “Ypsilanti” stammt aus dem Griechisch-Phanariotischen und bezeichnete schon griechische Nationalhelden des 19. Jahrhunderts. Sein Klang erinnert an den vorletzten Buchstaben des lateinischen Alphabets, der erst im zweiten vorchristlichen Jahrhundert aus dem Griechischen übernommen wurde und hier für etwas Unfertiges, Unbedeutendes steht. Der Name “al-Wazir” leitet sich ab vom persischen “wazir” und bezeichnet ab dem 10. Jahrhundert den mächtigsten Mann in einem Kalifenstaat – die deutsche Schreibweise ist “Wesir”. Mit nur sieben Silben gelingt es Koch so, eine Brücke über Vorderasien in den Orient zu schlagen.

Die zweite Zeile beginnt mit einem Jambus, der auf eine deutlich geordnetere Struktur hindeutet, überrascht dann aber mit einem weiteren Paion und einem Trochäus. Der in der ersten Zeile gemachte Ausflug in fremde Länder wird nicht weiter ausgeführt – man erfährt nicht, welche Aufgaben die derart herbeizitierten Entscheidungsträger fremder Hochkulturen für den weiteren Verlauf des Gedichts haben. Koch beendet die Aufzählung mit dem deutlich unpersönlicheren Begriff “Kommunisten”, der durch den Zeilenumbruch und die Verwendung der Konjunktion “und” und des Artikels “die” zusätzlich deutlich von den ersten beiden Begriffen abgegrenzt ist. Statt einer Handlung innerhalb des Gedichts endet es mit einem Imperativ, das Ausrufezeichen unterstreicht den appellativen Charakter des Zweizeilers.

Koch gelingt es, diese sechs Worte mit einer immensen Bedeutung aufzuladen. In einem fast flehentlichen Ton fordert der nicht näher spezifizierte Sprecher einen unbekannten Adressaten zu einer Handlung (“Stoppen”) auf, während er selbst weder aktiv noch passiv in Erscheinung tritt. “Gestoppt” werden sollen die durch die Namen repräsentierten (vorder-)orientalischen Hochkulturen (wobei der Verweis auf Griechenland auch für die Antike und die Wiederaufnahme ihrer Ideale in der Aufklärung stehen kann) und “die Kommunisten”, die einen überraschenden politischen Aspekt in das Gedicht bringen. Betrachtet man diese doch recht unterschiedlichen Gruppierungen und die Werte, für die sie stehen, und ihre offensichtliche Opposition zum Sprecher, so wird klar, dass dieser ein christlich-konservatives, möglicherweise anti-aufklärerisches Weltbild vertreten soll. Das ungewöhnliche, allen ästhetischen Regeln widersprechende Versmaß und der fehlende Reim spiegeln die innere Aufruhr des Sprechers wieder, die weibliche Kadenz am Ende der zweiten Zeile drückt seine Resignation aus. Zwar fehlen wesentliche Informationen, da das Hauptgeschehen außerhalb des Gedichts stattzufinden scheint, aber die Intention des Werks wird klar: es steht in der Tradition großer mittelalterlicher Kampf- und Spottschriften und muss wie diese unabhängig von der politischen Intention für seine literarischen Qualitäten wertgeschätzt werden.

Roland Koch ist ein ausdrucksstarkes Gedicht voller Brisanz gelungen, das gleichzeitig sehr vielschichtig ist und doch keine klare Aussage trifft. Es ist dem Dichter zu wünschen, dass er in Zukunft noch mehr Zeit für seine lyrischen Arbeiten finden wird.

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Musik Kultur

Ohne Ecken und Kanten

Ich mag Musik, wirklich. Ich mag Musik so sehr, dass ich jedes Jahr ein Heidengeld für Tonträger und Konzerte ausgebe. Gerne würde ich den Musikern das Geld, das sie meiner Meinung nach dafür verdient haben, dass sie schöne wie traurige Momente meines Lebens untermalen, selbst in die Hand drücken. Aber zwischen die Musiker und mich hat irgendjemand die Musikindustrie gesetzt.

Die Musikindustrie mag die Menschen, von denen sie ihr Geld bekommt und die man anderswo “Kunden” nennt, nicht so sehr. Sie kriminalisiert sie, sie will sie ausspionieren und sie will ihre Wohnungen verschandeln.

CD-Hülle (hinten), merkwürdiges Teil (vorne)

Im vergangenen Jahr kamen EMI und Universal in Europa auf die absurde Idee, Tonträger nicht mehr wie bisher in diesen eckigen Plastikhüllen, den sogenannten Jewel Cases, auszuliefern, sondern dafür Hüllen mit abgerundeten Ecken zu nehmen, die Super Jewel Boxes. Diese sollen angeblich stabiler sein, haben aber den Nachteil, dass man nicht vernünftig an das Booklet herankommt, dass man die Hüllen nicht so leicht ersetzen kann, wenn sie doch mal kaputt gehen, und dass sie vor allem ziemlich dämlich aussehen.

Im Regal wird die durchgehende Kante, die alle nebeneinander stehenden CD-Hüllen sonst bildeten, plötzlich unschön unterbrochen von den neuen Hüllen, die mit ihren Rundungen aussehen wie Kinderspielzeug für Dreijährige.

Das war mir bisher alles relativ egal, denn bei CD Wow kann man die internationalen Versionen der CDs kaufen. Zu Zeiten des sogenannten Kopierschutzes, der auf meinen Geräten immer ein Abspielschutz war, bekam man dort echte CDs, die man sogar hören konnte, später dann weiterhin CDs in eckigen Hüllen. “Bekam”, denn heute kam die erste Lieferung von CD Wow mit runden Ecken.

Oasis 1997 (eckig, hinten), Rihanna 2007 (abgerundet, vorne)

Wo Sie grad “Don’t judge a book by its cover” sagen: Auch auf dem Buchmarkt gibt es schlechte Nachrichten. Nachdem man uns jahrelang mit extrem edlen, matten Taschenbuchcovern beglückt hatte, schwenken nun die ersten Verlage wieder zu den extrem billig aussehenden, Fingerabdruckfreundlichen Einbänden in Hochglanzoptik zurück.

In was für einer Welt leben wir eigentlich, wo schon die Mitarbeiter der Kulturindustrie jedwedes ästhetisches Gespür vermissen lassen?????ß

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Kultur

Schild-Schelte

Liebe Herren,

eines Tages kommt für jeden von uns der Moment, wo wir den ersten Anzug kaufen müssen. Manchmal anlässlich der ersten heiligen Kommunion oder der Konfirmation, manchmal anlässlich des Examens oder einer Hochzeit (eigene oder andere), manchmal auch erst anlässlich der Einsargung.1

Die Auswahl kann oft sehr lange dauern und für alle Beteiligten sehr erschöpfend sein. Aber ganz egal, für welche Marke Sie sich entscheiden und ob der Anzug am Ende fünfzig oder zweitausend Euro kostet:

Gehen Sie um Himmels Willen sicher, das kleine Herstellerlogo, das beim Kauf am linken Jackettärmel festgenäht ist, vor dem ersten Tragen zu entfernen!!!!!1

Uff!

Danke!

1 Gut, dann müssen wir ihn streng genommen nicht selbst kaufen

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Kultur

Warnung vor der Kunst!

Ich mag moderne Kunst, besonders multimediale Installationen und Skulpturen. Und ich mag es, wenn vor Ausstellungsräumen gelbe Schilder angebracht sind, die Träger von Herzschrittmachern und Epillepsie-Patienten vor dem Betreten warnen. Deshalb war ich gestern recht angetan von der frisch eröffneten Ausstellung “Vom Funken zum Pixel” im Berliner Martin-Gropius-Bau.

Was ich gesehen habe, lässt sich schwer in Worte fassen, selbst im Fernsehen könnte man nur sehr unzureichend vermitteln, was in der Ausstellung gezeigt wird. Es blinkt und rauscht, es flackert und blitzt und hinterher hat man Kopfschmerzen. Toll war es aber trotzdem. Man sollte es sich vielleicht selbst ansehen – bis zum 14. Januar 2008 ist noch Gelegenheit.

Deutlich weniger multimedial, aber eigentlich noch toller waren die Fotoausstellungen von Diane Arbus und Neil Selkirk, die ich in der Galerie Camera Work besucht habe. Wer sich nur ein bisschen für Fotografie interessiert, wird hier mit Freude vor allem vor Arbus’ Werken stehen. Und wen die Bilder aus dem Amerika der 1960er Jahre gar nicht mehr loslassen, kann sich auch eines oder mehrere kaufen – das preisliche Spektrum reicht von 12.000 Euro bis zu 450.000 Euro und “Preis auf Anfrage”. Auch diese Ausstellungen laufen noch bis Januar.

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Unterwegs Kultur

Mannheim für Deutschland

Gestern noch las ich bei der Riesenmaschine von den 1925 vorgestellten Plänen Le Corbusiers, Paris abzureißen und geordnet neu aufzubauen. “Nun ja”, dachte ich, “typisch Moderne: Tolle Ideen, aber irgendwie dann doch so ein bisschen abgedreht.”

Heute wollte ich einen Besuch in Mülheim an der Ruhr tätigen. Ich war schon etliche Male in der Straße, in dem Haus gewesen, wo ich hinwollte. Zwar war ich noch nie selbst dorthin gefahren, aber ich hatte mir bei Google Maps eine genaue Wegbeschreibung ausgedruckt und hegte ein gewisses Grundvertrauen in meine eigenen Orientierungskünste.

Sie ahnen, wie mein Tag und dieser Text weitergehen: Welch groteske Selbstüberschätzung!

Einen Moment war ich unaufmerksam, war verwirrt, weil Google Maps einem Straßenwechsel anzeigt, wenn sich nur der Name ändert (was in Mülheim/Ruhr an jeder Ampel passiert), und schon fand ich mich bald am Hauptbahnhof, bald im strömenden Regen an einem entlegenen Golfplatz wieder. Ich zerfleischte die Schaumstoffummantelung des Lenkrads, stieß vielfarbige Flüche aus, versetzte meine Beifahrerin in Angst und Schrecken und suchte nur noch nach einem geeigneten Baum, vor den ich das Auto hätte steuern können – aber nicht mal den gab es.

Schließlich rief ich per Telefon um Hilfe und wurde von der Gastgeberin mit einem Follow-Me-Fahrzeug zum Ziel gelotst. Natürlich war ich mehrfach haarscharf an der richtigen Straße vorbeigefahren, hätte nur einmal links und sofort wieder rechts fahren müssen und wäre am Ziel gewesen. Aber die Kreuzung war so übersichtlich gewesen wie ein Verteilerkasten der Deutschen Telekom, überall waren Autos und die wenigen Straßenschilder, die mit dem menschlichen Auge überhaupt zu erkennen gewesen wären – von der Straße aus, aus einem sich bewegenden Fahrzeug -, waren mit Straßennamen beschriftet, die in meinem spärlichen Google-Ausdruck schlichtweg nicht vorkamen.

Und da dachte ich mir: Warum fahre ich eigentlich durch so grauenhaft verschlungene Städte, deren Stadtpläne einer Röntgenaufnahme des menschlichen Darms oder einer Rosinenschnecke nachempfunden zu sein scheinen? Dieses Land, insbesondere das Ruhrgebiet, ist doch im zweiten Weltkrieg zu erheblichen Teilen zerstört worden. Warum hat man Straßenzüge, die komplett in Schutt und Asche lagen, in ihrem jahrhundertealten Verlauf wieder aufgebaut? Warum hat nicht wenigstens ein weiser Architekt in dieser vielzitierten “Stunde Null” gesagt: “Wenn wir schon ganz neu anfangen müssen, könnten wir es ja vielleicht ein einziges Mal richtig machen!”? Warum ist Deutschland also heute kein flächendeckendes Mannheim, sondern diese Katastrophe von Oberhausen, Köln und eben Mülheim/Ruhr?

Da meldete sich mein architektonisches Fachwissen und erinnerte mich höflich an Rudolf Hillebrecht und seinen Wiederaufbau Hannovers, dem zunächst ein paar noch verbliebene Gebäude zum Opfer gefallen waren und der noch heute dafür sorgt, dass Hannover wie eine mit scharfem Messer filetierte Pizza in der Landschaft liegt. Und parallel bzw. zueinander orthogonal sind die Straßen dort trotzdem nicht.

Und so bleibt mir wohl als einzige Option der Umzug in die USA, wo die Siedler weiland jede einzelne Stadt mit der Reißschiene in die Landschaft gezimmert haben und wo man Wegbeschreibungen gleichsam als Vektoren (“drei Blocks nach Norden, zwei nach Osten”) angeben kann. In den USA hängen die Ampeln auch hinter den Kreuzungen, was es einem immerhin ermöglicht, sie vom Auto aus auch zu sehen, und man kann bei Rot rechts abbiegen. Allerdings sind zumindest die Innenstädte immer derart verstopft, dass mein Verbrauch an Lenkradummantelungen wohl einfach zu hoch wäre.