Eines der Hauptprobleme für Prominente ist das Erkanntwerden, und das gleich doppelt: Geht ein Prominenter (Politiker, Sportler, Telenoveladarsteller) neben einer Person, die nicht durch diverse Presseberichte als sein aktueller Lebenspartner bekannt ist, durch die Straßen irgendeiner deutschen Stadt, ist die Chance groß, dass gleich jemand mit einem Fotohandy hinter dem nächsten Straßenschild hervorspringt, ungefragt ein verwackeltes Foto “schießt” und dieses an ein Boulevardblatt verkauft. Das fragt dann in einer neckischen Bildunterschrift, was denn wohl die Frau des Prominenten dazu sage, aber die Antwort dieser Frau (“Ich begrüße es durchaus, wenn mein Gatte mit seiner Schwester, die gerade in Trennung von ihrem dritten Mann lebt, durch die Straßen seiner Heimatstadt schlendert, während ich mit einer Wohnraumexpertin unser Wohnzimmer im Landhausstil relaunche – dann sitzt er mir nämlich beim Einrichten nicht im Weg!”) wird der Leser nie erfahren, weil sie womöglich total unspannend wäre.
Total unspannend bis deprimierend kann es für einen Prominenten aber auch sein, eben genau nicht erkannt zu werden. Wer dieser Tage über den roten Teppich der Berlinale geht und dabei nicht um Autogramme und gemeinsame Fotos gebeten wird, der kann schnell in eine mittelschwere Sinnkrise stürzen.
Mein Problem mit Prominenten ist, dass ich sie meist an so unwahrscheinlichen Orten sichte, dass ich zunächst immer an eine Verwechslung glaube. So stand ich am Montagabend nichtsahnend auf einer Kunstausstellung in Düsseldorf, als hinter meinem Rücken plötzlich Kevin Kuranyi auftauchte. Nun braucht es schon einige Überwindung der eigenen Vorurteile, sich einen Fußballnationalspieler auf einer Vernissage vorzustellen, aber es spricht einiges dafür: Kevin Kuranyi hat ja nicht gerade das, was man ein Allerweltsgesicht nennt (das wäre etwa bei Mike Hanke schon ganz anders), und die deutsche Fußballnationalmannschaft befand sich seit Sonntagabend tatsächlich zwecks Länderspielvorbereitung in Düsseldorf. Wenn es also wirklich Kevin Kuranyi war, kann ich in Zukunft berichten, dass alle Fußballnationalspieler, mit denen ich jemals im gleichen Raum war, danach innerhalb von 48 Stunden ein Tor geschossen haben.
Heute war es dann schon wieder so weit: im Bochumer Hauptbahnhof fuhr ein Mann die Rolltreppe hinab, der eine nicht geringe Ähnlichkeit mit dem Philosophen Peter Sloterdijk aufwies. Dieser sollte am gleichen Tag bei einem Symposium an der Ruhr-Uni zugegen sein, was mir auch sofort wieder einfiel, als ich den möglichen Doppelgänger erblickte. Allein: müssen weltweit geachtete Professoren, die auf dem Weg zu Tagungen über die Dialektik der Säkularisierung sind, wirklich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren? Reisen sie zu solchen Terminen wirklich ganz ohne Gepäck an? Und: kann es wirklich sein, dass der Autor von “Ich prognostiziere der Philosophie eine neue Vergangenheit” und Gastgeber des “philosophischen Quartetts” die U-Bahn in die falsche Richtung nimmt?
Falls also jemand persönlichen Kontakt zu den Herren Kuranyi oder Sloterdijk hat (Noch spannender wäre natürlich jemand, der Kontakt zu beiden hat – was mögen die schon groß gemeinsam haben?), wäre ich natürlich hocherfreut zu erfahren, ob ich einer Verwechslung aufgesessen bin oder mein Weg tatsächlich mit Prominenten gepflastert ist.