Ich habe Mathematik immer gehasst. Noch heute, mehr als zehn Jahre nach meinem Abitur, träume ich hin und wieder davon, im Matheunterricht zu sitzen und zu denken “Oh Gott, das werde ich bis zur Klausur niemals verstehen!” Manchmal träume ich auch direkt von Klausuren, denen ich mich dann auf irgendwelche Arten – z.B. durch Zerstörung des ganzen Schulgebäudes – entziehen muss.
Andererseits habe ich auch schon seit vielen Jahren einen Faible für Statistik und andere Zahlenspielereien: Das Tollste am Eurovision Song Contest bleibt die Punktevergabe, man kann eine ganze Bundesligasaison vorab auf dem Papier durchrechnen und wenn man sich nur eine kluge Formel ausdenkt, kann man aus der Anzahl der Wiedergaben und der Bewertung eines Songs in iTunes sicherlich ganz logisch seine persönliche Jahresbestenliste erstellen.
Vermutlich könnte man sogar ausrechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass ich gestern gleich zwei Artikel mit großer Freude gelesen habe, die sich mit Zahlen auseinandersetzen:
Holger Dambeck hat bei “Spiegel Online” versucht herzuleiten, wie (un)wahrscheinlich es eigentlich war, dass bei der Auslosung der Achtelfinals der Champions League exakt die gleichen Paarungen gezogen wurden wie bei einer vorherigen Probeauslosung.
Ein Problem, das aufgrund der vielen Regeln, die es bei der Auslosung zu berücksichtigen gilt (nur Gruppenerste gegen Gruppenzweite, keine Vorrundengegner als Achtelfinalgegner, kein Gegner aus dem eigenen Land), einigermaßen unlösbar erscheint:
Ich schaue mir an, welche Gegner die Zweitplatzierten bekommen können. Weil nur die Paarungen selbst interessieren, nicht aber die Reihenfolge, in der sie gelost werden, fange ich beim fiktiven Losen mit den beiden spanischen Mannschaften an: FC Valencia und danach Real Madrid. Valencia hat fünf verschiedene mögliche Gegner, Real ebenfalls. Das müsste dann für Valencia fünf Varianten ergeben, und für Real eine weniger, also vier, denn eine Mannschaft wurde ja Valencia schon zugelost. Das ergibt dann 5*4=20 Möglichkeiten, dachte ich – und war bereits in die erste Falle getappt.
Denn es gibt einen Sonderfall, den ich nicht bedacht habe. Wenn Valencia der Sieger aus der Real-Madrid-Gruppe – das ist Borussia Dortmund – zugelost wird, gibt es für Real nicht nur noch vier mögliche Gegner, sondern weiterhin fünf. Denn Dortmund scheidet als Gegner für Real von Vornherein aus, beide waren in der Gruppenphase zusammen. Statt 5*4 = 20 gibt es deshalb 4*4+5 = 21 unterschiedliche Varianten der beiden Achtelfinals mit Beteiligung von Madrid und Valencia.
Hach. Ich kann die Begeisterung, die einen an dieser Stelle ergreift, völlig nachvollziehen. Und ich bin mir sicher, dass ich auf dem Weg zur Lösung drei bis vier kapitale Denkfehler gemacht hätte. ((Meine Spezialität bei Mathe-Klausuren waren immer die sogenannten Folgerichtig-Punkte, die man bekam, wenn man nach einem Fehler in sich schlüssig weitergerechnet hatte.)) Der Satz “Jetzt wird es kompliziert” folgt übrigens erst ein bisschen später im Text.
Holger Dambeck kam dann mit Papier und Bleistift irgendwann auch nicht mehr weiter:
Das Problem ist trotzdem lösbar – und zwar mit Hilfe eines kleinen Computerprogramms, das einfach alle möglichen Varianten durchzählt. Ein Kollege aus der SPIEGEL-Dokumentation hat genau dies gemacht und ist dabei auf die Zahl von 5463 Varianten gekommen. Diese Angabe ist ohne Gewähr!
Der andere Text steht auf der Website des “Guardian” und erklärt, warum der 20.12.2012 so besonders ist/war:
It’s one of those dates where the digits create interesting patterns. It also comes at the end of 13 years that have been astonishingly fertile for such numerologically “magic” dates. The rest of the century is going to be a desert by comparison.
Hugo Dixon kommt auf “68 magische Daten im 21. Jahrhundert”, von denen inzwischen 43 vorbei sind. Er beginnt bei der Serie, die am 01.01.01 begann und am 12.12.12 endete, arbeitet sich über besonders magische Momente wie den 11.11.11 11.11 Uhr vor und kommt irgendwann bei den Palindromen an, von denen uns am 02.02.2020 das nächste erwartet. ((Die Schreibweisen variieren immer mal wieder, je nachdem, ob die vorangestellte “20” unseres Jahrhunderts gerade ins Schema passt oder nicht.))
Es ist eine eigentlich völlig sinnlose Betrachtung der Welt, aber ich kann die Schönheit und Magie, die Dixon da beschreibt, völlig nachvollziehen. Man muss ja nicht gleich an so einem Tag heiraten.