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Musik

Voll auf die … Ach, lassen wir das!

Den Deut­schen sagt man ja (neben vie­lem ande­ren) auch ein etwas gestör­tes Ver­hält­nis zur Pop­kul­tur nach. Wenn also die Ver­öf­fent­li­chung eines neu­en Ton­trä­gers in jedem Medi­um von der F.A.Z. bis zur „Vani­ty Fair“, von „Wet­ten dass…?“ bis zu MTV the­ma­ti­siert wird, dann ist das schon etwas ganz beson­de­res. Her­bert Grö­ne­mey­er ist popu­lä­rer als jeder ande­re deut­sche Musi­ker und so über jeden Zwei­fel erha­ben wie andern­orts Bob Dylan. Eine CD-Bespre­chung ver­bie­tet sich fast von selbst, denn kein noch so kri­ti­scher Musik­jour­na­list mag an Grö­ne­mey­er her­um­mä­keln. Er ist ein­fach eine Aus­nah­me­erschei­nung, auch wenn er das sel­ber nicht hören mag. In den letz­ten Wochen hat Grö­ne­mey­er so vie­le Inter­views gege­ben, dass man als auf­merk­sa­mer Medi­en­kon­su­ment mitt­ler­wei­le an sei­ner statt Inter­views geben könn­te (was aktu­ell übri­gens auch für Chris­toph Maria Herbst und den Start der drit­ten „Stromberg“-Staffel gilt).

Jetzt kreist „Zwölf“ end­lich seit ein paar Tagen in mei­nem CD-Lauf­werk und in der Tat habe ich kei­ne Ahnung, was ich dar­über schrei­ben soll­te. Wie schon bei „Mensch“ bin ich mir sicher, dass es sich um ein wich­ti­ges Album mit aus­ge­feil­ter Musik und klu­gen Tex­ten han­delt, und wie­der hab ich kei­ne Ahnung, ob mir das Album per­sön­lich jetzt sehr viel oder gar nichts bedeu­tet. Die­ses Gefühl habe ich wirk­lich nur bei Plat­ten des Ex-Bochu­mers. (Wäre dies ein Zei­tungs­ar­ti­kel, hät­te der Text­chef gera­de „Ex-Bochu­mer“ durch­ge­stri­chen und „Wahl-Lon­do­ner“ hin­ge­schrie­ben. Aber Lokal­pa­trio­tis­mus ist halt stär­ker als der Drang zum Main­stream-Syn­onym.) Schon beim ers­ten Hören kommt einem die Musik selt­sam ver­traut vor und selbst wenn Grö­ne­mey­er immer wie­der betont, wie unwich­tig ihm selbst die Tex­te eigent­lich sei­en: in jedem Lied fin­det sich min­des­tens eine Zei­le, die man unter „Das hat er wie­der sehr schön gesagt“ in sein Notiz­büch­lein krit­zeln möch­te.

Und weil mir immer noch zwei Ton­nen Her­me­neu­tik und die eige­ne dif­fu­se Erwar­tung den Zugang dem Werk ver­sper­ren, statt­des­sen hier ein paar Fak­ten und Beob­ach­tun­gen:

  • Aus Grün­den, die wohl nur der Plat­ten­fir­ma EMI bekannt sind, erscheint die CD in einer „Super Jewel Box“. was eine nor­ma­le CD-Hül­le mit abge­run­de­ten Ecken ist. Sieht im Regal total däm­lich aus und man kommt schlecht ans Book­let ran. Aber weil Uni­ver­sal in Euro­pa mit die­ser Unsit­te ange­fan­gen hat (rich­ti­ge CD-Hül­len gibt es noch in den USA), muss­te EMI wohl nach­zie­hen.
  • Für die epi­sche Sin­gle „Stück vom Him­mel“ scheint Nick Ing­ham schon wie­der den glei­chen Strei­cher­satz ver­wen­det zu haben, den er auch schon bei „Wha­te­ver“ von Oasis und zuletzt bei Grö­ne­mey­ers eige­nem „Demo (Letz­ter Tag)“ ver­bra­ten hat.
  • „Mar­le­ne“ klingt ein biss­chen wie Peter Gabri­el und behan­delt auch ähn­lich schwe­re The­men wie der Ex-Gene­sis-Sän­ger: Aids in Afri­ka.
  • „Ich ver­steh“ erin­nert wegen sei­nes pro­mi­nen­ten Bass-Ein­sat­zes an Kom­po­si­tio­nen von Sting. Also an die wirk­lich guten Sachen von Sting.
  • In „Zieh dei­nen Weg“ singt Grö­ne­mey­er „Sei aus Unsi­cher­heit nicht arro­gant /​ Hab immer Mit­ge­fühl als Unter­pfand“. Es han­delt sich damit erst um das zwei­te mir bekann­te Lied, in dem das Wort „Unter­pfand“ vor­kommt. Das ande­re ist die deut­sche Natio­nal­hym­ne.
  • Lied 12 („Lie­be liegt nicht“) fängt an wie irgend­was von Kai­zers Orches­tra. Danach spielt Fran Hea­ly von Tra­vis die Akus­tik­gi­tar­re (und ich bil­de mir ein, ihn auch im Chor sin­gen zu hören). Deren letz­tes Album hieß „12 Memo­ries“ und hat­te auch zwölf Stü­cke, was eine nicht gera­de unspan­nen­de Par­al­le­le zu Grö­ne­mey­ers „Zwölf“ ist.
  • „Zwölf“ ist nicht der letz­te Ein­trag, wenn ich mei­ne iTu­nes-Biblio­thek alpha­be­tisch nach Album­ti­teln sor­tie­re. Danach kommt noch (war­um auch immer) „ZZYZX“ von Zero­man­cer.

Doch, ich fin­de das Album schon sehr gut. Viel­leicht ist es ein­fach nor­mal, dass mich Grö­ne­mey­er-Alben nicht voll ins Herz tref­fen. Aber gera­de der strei­cher­ge­tränk­te Abschluss sorgt schon für Glücks­ge­füh­le. Die wer­den übri­gens noch grö­ßer, wenn ich gera­de noch eben die ande­ren Acht­zi­ger-Jah­re-Deutschrock­grö­ßen abha­ke: Wes­tern­ha­gen: lan­ge nichts mehr gehört, hof­fent­lich bleibt das so; Maf­fay: schreibt Kin­der­mu­si­cals und stemmt bei Tho­mas Gott­schalk Gewich­te; Nena: ach, schwei­gen wir über Nena; Heinz Rudolf Kun­ze: tritt heu­te Abend beim Grand-Prix-Vor­ent­scheid an. Damit wäre dann wohl alles gesagt.