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Frauenfußball — jetzt erst recht

Drei schril­le Pfif­fe been­den das Spiel. Fas­sungs­lo­sig­keit und Trau­er auf dem Platz, Fas­sungs­lo­sig­keit und Trau­er vor dem Fern­se­her. Trä­nen und Schmerz auf der einen Sei­te, Freu­de und Stolz auf der ande­ren. Der Super-GAU ist ein­ge­tre­ten: Ein Vor­run­den­aus, schon wie­der. Im Win­ter des ver­gan­ge­nen Jah­res traf es die Män­ner, jetzt trifft es auch die Frau­en. Mit einem 1:1 gegen Süd­ko­rea ver­ab­schie­den sich die als Favo­ri­tin­nen gehan­del­ten Spie­le­rin­nen des deut­schen Natio­nal­teams vom Wett­be­werb und schlie­ßen sich damit gro­ßen Frau­en­fuß­ball-Natio­nen wie Bra­si­li­en und Kana­da an, die eben­falls in der Vor­run­de aus­ge­schie­den sind.

Wäh­rend sich die Korea­ne­rin­nen für ihre Leis­tung fei­ern, müs­sen sich die Deut­schen nun erst ein­mal sam­meln und begrei­fen, was da eigent­lich pas­siert ist. Wie konn­te es über­haupt so weit kom­men? Es hat­te mit dem 6:0 gegen Marok­ko doch so gut ange­fan­gen! Die Stim­mung war groß­ar­tig, die Eupho­rie schoss ins Uner­mess­li­che – und viel­leicht war auch genau das das Pro­blem. Nach dem Spiel wur­de die Leis­tung der Spie­le­rin­nen von allen Sei­ten gelobt, schließ­lich star­te­te man direkt mit einem Kan­ter­sieg ins Tur­nier und über­zeug­te, im Gegen­satz zu den ande­ren Favo­ri­tin­nen, mit Leis­tung und Toren. Es fühl­te sich ein­fach an. Zu ein­fach?

Das zwei­te Grup­pen­spiel gegen Kolum­bi­en war so ziem­lich das Gegen­teil von ein­fach. Es folg­te die ers­te Nie­der­la­ge für das Team, ein klei­ner Dämp­fer – aber es gab ja schließ­lich noch das drit­te und zugleich letz­te Grup­pen­spiel gegen Süd­ko­rea und die Hoff­nung auf ein Wei­ter­kom­men in die K.O.-Runde. Über poten­zi­el­le Geg­ner wur­de direkt im Anschluss an das zwei­te Grup­pen­spiel dis­ku­tiert, Jour­na­lis­tin­nen, Jour­na­lis­ten und Fans waren sich eines Wei­ter­kom­mens sicher, viel­leicht ein wenig zu sicher. Und wie der Zufall es so will, kam plötz­lich alles anders. Am Ende kamen die DFB-Spie­le­rin­nen nicht über ein 1:1 gegen Süd­ko­rea hin­aus, wäh­rend ihre Grup­pen­kon­kur­ren­tin­nen aus Marok­ko Kolum­bi­en mit 1:0 schlu­gen und damit das Aus von Pop­pi, Obi, Jule und Co. besie­gel­ten.

Sofort trat auch das ein, wovor ich mich schon die gan­ze Zeit über fürch­te­te: Sexis­mus-Ergüs­se, Häme und Scha­den­freu­de in den Kom­men­tar­spal­ten. Haupt­säch­lich von Män­nern, wer hät­te das gedacht? Die Spie­le­rin­nen sol­len doch wie­der zurück in die Küche, wo sie hin­ge­hö­ren, denn Fuß­ball sei ja sowie­so nichts für sie – nur einer der unzäh­li­gen „geist­rei­chen“ Kom­men­ta­re bei Face­book und Insta­gram. Glück­li­cher­wei­se hal­ten zahl­rei­che Fans dage­gen und sichern auch wei­ter­hin ihre vol­le Unter­stüt­zung zu. Auch ich bin jetzt noch ent­schlos­se­ner, den Frau­en­fuß­ball in Deutsch­land noch stär­ker zu unter­stüt­zen und noch mehr Spie­le zu besu­chen als in der ver­gan­ge­nen Sai­son, sofern es Zeit und Finan­zen denn zulas­sen.

Als Kind und Jugend­li­che spiel­te ich für mein Leben ger­ne Fuß­ball. Jede freie Minu­te und jede Pau­se in der Schu­le ver­brach­te ich mit einem Groß­teil mei­ner Mit­schü­ler und einer wei­te­ren Mit­schü­le­rin auf dem Bolz­platz auf dem Schul­hof. Ich drib­bel­te, schoss Tore, ging in Zwei­kämp­fe rein und fand mich nicht sel­ten mit auf­ge­schürf­ten Knien auf dem Boden wie­der. Fuß­ball war, obwohl ich auch Ten­nis spiel­te, mein abso­lu­ter Lieb­lings­sport. Das Wochen­en­de war Bun­des­li­ga-Zeit, die Sport­schau gehör­te zum Stan­dard­pro­gramm, und Spie­le der bos­nisch-her­ze­go­wi­ni­schen und der deut­schen Natio­nal­mann­schaf­ten ver­folg­te ich fast schon reli­gi­ös. Aber einem Ver­ein bei­zu­tre­ten und irgend­wann viel­leicht sogar selbst pro­fes­sio­nell spie­len? Kei­ne Opti­on. Mir fehl­ten die weib­li­chen Vor­bil­der und die Visi­on, dass Pro­fi­fuß­ball für Frau­en wirk­lich etwas war, was erreich­bar war. Ich kann mich kaum an eine Über­tra­gung eines Spiels der deut­schen Pro­fif­rau­en in mei­ner Kind­heit und mei­ner Jugend erin­nern. Auf dem Schul­hof sprach sowie­so nie­mand über sie, son­dern nur über Cris­tia­no Ronal­do, Fer­nan­do Tor­res und Micha­el Bal­lack. Ich hat­te kei­ner­lei Berüh­rungs­punk­te mit den Frau­en und zog im Hype um die Män­ner mit.

Umso wich­ti­ger ist es also, dass weib­li­che Vor­bil­der wie bei­spiels­wei­se Alex­an­dra Popp, die Spa­nie­rin Ale­xia Putel­las und die Bra­si­lia­ne­rin Mar­ta heu­te für Mäd­chen und jun­ge Frau­en exis­tie­ren und dass sie prä­sent sind. Im Fern­se­hen und vor Ort im Sta­di­on. Die­ses Vor­run­den­aus ist viel­leicht ein klei­ner Rück­schlag, aber das, was mit der EM 2022 und unmit­tel­bar danach ins Rol­len gebracht wur­de, ist nicht mehr auf­zu­hal­ten. Und das ist auch gut so!