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Musik

Nah dran

Ich bin jetzt in einem Alter, in dem die meis­ten Men­schen neue Musik nur noch über das Radio wahr­neh­men. Beruf und Fami­lie ver­hin­dern eine nähe­re Aus­ein­an­der­set­zung und man muss auch erken­nen, dass das bei vie­len Leu­ten eigent­lich nie anders war: Die haben halt immer schon gehört, was in den Charts war oder was die Peer Group gehört hat – und das ist ja auch total okay, denn wenn sich alle Leu­te der­art in Musik und Pop­kul­tur ver­lie­ren wür­den, käme ja nie­mand mehr zum Arbei­ten und Kin­der erzie­hen.

Obwohl ich mich bemü­he, mit den allen aktu­el­len Ver­öf­fent­li­chun­gen mit­zu­hal­ten, höre ich dann doch meis­tens nur die neu­en Alben der Künst­ler, die mich schon lan­ge beglei­ten: Mei­ne meist­ge­hör­ten CDs im letz­ten Jahr waren die neu­en von Weezer und Jim­my Eat World. Die­ses Jahr habe ich mit Sam­pha und Storm­zy immer­hin schon zwei Debüt­al­ben gehört, aber aktu­ell auf hoher Rota­ti­on ist ein Künst­ler, der mich seit fast 15 Jah­ren beglei­tet: Andrew McMa­hon.

Andrew McMahon In The Wilderness - Zombies On Broadway (Albumcover)Ich habe schon ange­sichts des ers­ten Andrew-McMa­hon-In-The-Wil­der­ness-Albums ver­sucht, das beson­de­re Ver­hält­nis zu beschrei­ben, dass ich zu ihm und sei­ner Musik – zuvor in den Bands Some­thing Cor­po­ra­te und Jack’s Man­ne­quin – habe. Andrew McMa­hon könn­te auch ein Album vol­ler Wea­ther-Chan­nel-Jin­gles ver­öf­fent­li­chen und ich wür­de es rauf und run­ter hören – was ganz prak­tisch ist, denn „Zom­bies On Broad­way“ ist bei­na­he ein Album vol­ler Wea­ther-Chan­nel-Jin­gles gewor­den.

Offen­bar hat er viel mit sei­nen Kum­pels von fun. rum­ge­han­gen, denn „Zom­bies“ setzt noch mehr auf gro­ßen, gro­ßen Pop als die Ver­öf­fent­li­chun­gen davor: Key­board­flä­chen, Chö­re, pro­gram­mier­te Beats, vie­le Pau­ken (aber weni­ge Trom­pe­ten). Unge­fähr jeder der zehn Songs auf dem Album klingt, als wol­le sich Andrew McMa­hon als ESC-Kom­po­nist bewer­ben – im Posi­ti­ven, wie im Nega­ti­ven. Nur wenig erin­nert noch an Some­thing-Cor­po­ra­te-Kra­cher wie „Only Ashes“ oder „If You C Jor­dan“ oder einen Jack’s‑Mannequin-Song wie „The Mixed Tape“ (gut: da hat auch Tom­my Lee getrom­melt) – außer natür­lich Andys Stim­me (die über die Jah­re deut­lich siche­rer und vol­ler gewor­den ist), die unwi­der­steh­li­chen Melo­dien und die sanf­te Melan­cho­lie, die in jedem Song irgend­wo durch­scheint.

Der Sprech­ge­sang des Ope­ners „Brook­lyn, You’­re Kil­ling Me“ klopft bei Twen­ty One Pilots an, ohne deren Ori­gi­na­li­tät und Viel­sei­tig­keit zu errei­chen. „Don’t Speak For Me“, des­sen Intro gar an die schreck­li­chen Chains­mo­kers erin­nert, war laut Andys Aus­sa­ge ursprüng­lich für eine/​n andere/​n Künstler/​In gedacht – und es ist ange­sichts des Sounds nicht ganz abwe­gig, dass das jemand wie Tay­lor Swift oder Sele­na Gomez hät­ten sein sol­len (ohne jetzt irgend­was gegen die bei­den sagen zu wol­len). „Love And Gre­at Buil­dings“ klingt nicht nur im Intro wie Owl City, son­dern ver­läuft sich auch genau­so zwi­schen den Bild­spen­dern sei­ner Meta­phern: „Love and gre­at buil­dings will sur­vi­ve /​ Strong hearts and con­cre­te stay ali­ve /​ Through the gre­at depres­si­ons /​ Yeah, the best things are desi­gned to stand the test of time“. Ja, schon klar: das kann man unglaub­lich chee­sy, schreck­lich und schlimm fin­den, aber ich mag’s – aber ich moch­te ja auch „Fire­f­lies“.

Mein High­light „So Clo­se“ ist ein groß­ar­ti­ges Lie­bes­lied, das in den Stro­phen noch am ehes­ten an die alten Band-Sachen erin­nert, um im Refrain dann irgend­wo zwi­schen „Hap­py“ und „Can’t Stop The Fee­ling“ her­um­zu­tan­zen, und die Vor­ab­sin­gle „Fire Escape“ macht akus­tisch das gro­ße Fass der Chö­re und Trom­meln auf, das auf dem Album fast zum Über­lau­fen kommt.

Wie beim letz­ten Album gilt: Ich kann total ver­ste­hen, wenn man zu die­sem Radio­pop – der in den USA jetzt tat­säch­lich mal im Radio läuft – kei­nen Zugang fin­det und lie­ber zu Twen­ty One Pilots, Tay­lor Swift oder Owl City greift (die Chains­mo­kers blei­ben natür­lich indis­ku­ta­bel). Und wenn man mit dem Alter­na­ti­ve Rock von Some­thing Cor­po­ra­te auf­ge­wach­sen ist, kos­tet es schon etwas Über­win­dung, die­sen musi­ka­li­schen Weg mit­ge­hen zu wol­len.

Andrew McMa­hon fin­det dazu wie immer die pas­sen­den Wor­te: „And the­se could be the best or dar­kest days /​ The lines we walk are paper thin /​ And we could pull this off or push away /​ Cau­se you and me have always been“ – um dann ganz oft die Wor­te „so clo­se“ zu wie­der­ho­len.