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Musik Unterwegs

Luki Waits

Ich hab das Gefühl, ich hab das alles schon tausendmal erzählt:

Wie ich 1999, als ich Ben Folds Five gerade für mich entdeckt hatte, nicht zur “Rolling Stone Roadshow” gefahren bin, weil ich dachte, die Band würde schon demnächst mal wieder nach Deutschland kommen. Und wie sich die Band dann ein Jahr später aufgelöst hatte.

Wie im Jahr 2001 das erste (offizielle) Soloalbum von Ben Folds erschien und ich das Releasedate schon Monate vorher groß im Kalender markiert hatte: den 11. September.

Wie ich an einer Online-Petition teilnahm, die Ben Folds mit seinen damaligen Begleitmusikern im Jahr 2005 endlich wieder nach Deutschland brachte.

Wie Ben Folds Five im September 2008 tatsächlich ein einzelnes Reunion-Konzert spielten, das blöderweise in Chapel Hill, NC stattfand. Und wie sie dann im vergangenen Jahr doch noch ankündigten, wieder zusammen ein Album aufzunehmen und auf Tour zu gehen.

“The Sound Of The Life Of The Mind” ist tatsächlich ein sehr gutes Album geworden, nicht nur gemessen an meinen (zugegebenermaßen sehr niedrigen) Erwartungen und meinem Fandom, sondern einfach ein sehr gutes Album. Im Sommer waren die ersten Festival-Auftritte der wiedervereinten Band auf YouTube zu sehen, dann kamen die Tour-Termine raus — auf denen Deutschland fehlte. Aber nach 13 Jahren Warten haben Ländergrenzen, Kosten und abwegige Ideen völlig ihre Bedeutung verloren, so dass ich mir nur noch Begleitung suchen musste und dann Flug nach, Hostel in und Konzerttickets für Manchester gebucht habe.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Manchester ist keine Stadt, die einen mit Schönheit überwältigt. Mit Hässlichkeit allerdings auch nicht. Je mehr ich in Deutschland und der Welt rumkomme, desto mehr verschwimmen all dieses Städte sowieso vor meinem geistigen Auge zu einer bzw. zweien — einer deutschen und einer internationalen. In der internationalen gibt es dann Läden wie HMV und Waterstone’s und in ihren Supermärkten kann man HP Sauce und Schokolade von Cadbury kaufen und was braucht der Mensch eigentlich mehr?

Außerdem waren wir ja eh primär aus einem Grunde in der Stadt. Ich war in den Tagen vor dem Konzert nicht aufgeregt, es war nicht so wie als Teenager, als ich Tage vorher nur noch die CDs der auftretenden Bands gehört habe und mit Herzklopfen in den Zug gestiegen bin, selbst wenn es zum Konzert von Slut nach Dortmund ging. Aber in der Nacht vor dem Konzert habe ich dann doch von zwei Ben-Folds-Five-Songs geträumt. So was war mir noch nie passiert.

Viel zu früh standen wir letztlich vor den noch verschlossenen Toren des O2 Apollo, das sich große Mühe gegeben hatte, die tatsächlichen Zeitpunkte für Einlass und Konzertbeginn geheim zu halten. Eine weitere Stunde fiel der Vorband und Umbaupause zum Opfer: Ich habe vor Ben Folds’ Solokonzerten bisher immer nur Acts gesehen, die bestenfalls okay waren, häufig auch sehr speziell. Aber so anstrengend wie Bitter Ruin war tatsächlich noch keiner von ihnen gewesen. Aber was sind 25 Minuten Gekreische gegen 13 Jahre?

Gut. Diese verdammten 13 Jahre bedeuteten natürlich auch, dass ich mir vorher schon sicher sein konnte, dass das Konzert meine Erwartungen nicht würde erfüllen können. Also: Meine Erwartungen von damals. Heute hatte ich ja irgendwie keine mehr. Als Ben Folds, Robert Sledge und Darren Jessee die Bühne betraten, war das dann auch kein “Endlich!”-Moment mehr. Es war einfach der Beginn eines Konzertes. Aber eines guten.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Die Setlist war klug zusammengestellt, die Band definitiv in Spiellaune. In einzelnen Momenten drohten Songs rhythmisch aus dem Leim zu gehen, obwohl die drei eigentlich Top-Musiker sind, aber die Harmoniegesänge waren in jedem Moment grandios und zählten sicher zu Besten, was es in dem Bereich seit Ende der Sechziger gegeben hat. ((Vergessen Sie Mumford & Sons, vergessen Sie Fleet Foxes!)) Neue Songs (gleich sieben) wechselten sich mit alten Hits ab, aus Folds’ Solophase gab es nur “Landed” zu hören, bei dem sich Bassist Robert Sledge und Schlagzeuger Darren Jessee etwas zurückhaltend zeigten.

Als ich dann “Brick” zum ersten Mal in meinem Leben live hörte, stellte sich tatsächlich ein kleiner Gänsehautmoment ein. So ein gestrichener Kontrabass wirkt quasi direkt auf die kleinen Härchen auf den Armen und im Nacken und das vermutlich schönste Lied, das je über eine Abtreibung geschrieben wurde, tut natürlich sein Übriges. Beinahe erwartbar improvisierten die Drei spontan den Song “Rock This Bitch In Manchester”, dessen Text so bescheuert war, dass sogar Folds beim Singen lachen musste. Und die Bläser-Passage aus “Army” können aufmerksame Konzertbesucher inzwischen natürlich im Schlaf mitsingen.

Nach 113.976 Stunden des Wartens und ziemlich exakt zwei Stunden Konzert war dann Schluss — für Ben-Folds-Verhältnisse etwas früh, aber – hey! – auch das ist England. Dann eben kein “Magic”, kein “Philosophy”, “Don’t Change Your Plans”, “Eddie Walker”, “Lullabye” oder “Away When You Were Here”, der beste Song des neuen Albums. Es war ein wirklich tolles Konzert, aber wirklich besonders hat es sich für mich dann leider doch nicht angefühlt. So ist das also, wenn man sich die Spielzeugeisenbahn zum 50. Geburtstag endlich selbst kauft.

Am nächsten Tag zeigte sich dann wieder einmal, wie nutzlos das Internet sein kann: Während wir in Manchester via Facebook-Timeline ausführlich darüber informiert wurden, dass die Zeitschrift “Brigitte” irgendetwas über Skateboards geschrieben hatte, ((Leute, jetzt mal im Ernst: Get. A. Fucking. Life.)) war irgendwie völlig an uns vorbeigegangen, dass Ben Folds am Mittwoch seine einzige Fotoausstellung während der gesamten Tour eröffnet hatte. In Manchester. Mit Band. In einer Galerie, zwei Blocks vom Hostel entfernt.

Story of my life.