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Gesellschaft Leben

Fakin’ It

In der aktu­el­len Debat­te um aka­de­mi­sche und wis­sen­schaft­li­che Ehre ist mir eine Geschich­te wie­der in den Sinn gekom­men, die sich vor eini­ger Zeit an mei­nem ehe­ma­li­gen Gym­na­si­um ereig­net haben soll und an deren Wahr­heits­ge­halt ich kei­nen Grund zu Zwei­feln habe:

In einem Eng­lisch-LK war eine Schü­le­rin am Tag der Klau­sur krank gewe­sen und muss­te die­se nach­schrei­ben. Wie all­ge­mein üblich wur­de sie dafür allei­ne in einen unge­nutz­ten Raum (ich glau­be, es war der Erd­kun­de-Kar­ten­raum) gesetzt, wo ihr die Auf­ga­ben­stel­lun­gen vor­ge­legt wur­den. Ent­ge­gen der übli­chen Vor­ge­hens­wei­se und ver­mut­lich auch ent­ge­gen zahl­rei­cher Vor­schrif­ten gab ihr der Leh­rer exakt die glei­chen Arbeits­an­wei­sun­gen, die er schon dem Rest der Klas­se kurz zuvor bei der „ech­ten“ Klau­sur aus­ge­hän­digt hat­te.

Inter­es­san­ter­wei­se hat­te die Schü­le­rin in ihrem Ruck­sack die bereits kor­ri­gier­te und zurück­ge­ge­be­ne Klau­sur eines Mit­schü­lers, die sie nun über die nächs­ten Stun­den aus­führ­lich abschrieb – ent­ge­gen aller schu­li­schen Regeln und jed­we­der Moral, ver­steht sich.

Theodor-Heuss-Gymnasium

Dem Leh­rer scheint das Kom­plett-Pla­gi­at nicht auf­ge­fal­len zu sein, jeden­falls wer­te­te er die Klau­sur nicht als Täu­schungs­ver­such, son­dern kor­ri­gier­te sie ganz nor­mal. Oder: fast, denn er hat­te die Ori­gi­nal-Arbeit des Schü­lers deut­lich bes­ser (die genau­en Details sind nie­man­dem mehr erin­ner­lich, aber die Rede war von min­des­tens sechs Punk­ten, was zwei Noten ent­sprä­che) bewer­tet als die der Schü­le­rin.

Die Schü­le­rin, die sich die gan­ze Zeit von dem Leh­rer unge­recht behan­delt gefühlt hat­te, konn­te natür­lich nicht zum Rek­tor gehen, um sich über ihre Note zu beschwe­ren. Aber eine bemer­kens­wer­te Geschich­te war es doch.