Es könnte doch noch was werden mit meiner Karriere als öffentlich-rechtlicher Polittalker. Diese Erkenntnis traf mich, als ich es nach einer Minute endlich geschafft hatte, Dieter Wiefelspütz zu unterbrechen.
Zwölf Minuten habe ich mich gestern mit dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion über falsche Zitate, Internetsperren und Zensur unterhalten und das Wichtigste aus dem Gespräch steht im BILDblog.
Für mich hat sich einmal mehr bewahrheitet, dass einzelne Politiker im direkten Kontakt durchaus vernünftig und sympathisch wirken können und ihre Positionen gar nicht mehr so seltsam klingen, wenn sie mal Gelegenheit haben, diese ausführlich – und nicht auf zwei Sätze verknappt – zu vertreten. Wiefelspütz hat mir jedenfalls lang und breit dargelegt, dass er und seine Partei keinerlei Ambitionen hätten, Internetsperren einzuführen, die über die jetzt geplanten gegen Kinderpornographie hinausgingen.
Erste Priorität habe aber sowieso die Bekämpfung von Verbrechen selbst, Sperren dürften erst ganz am Schluss zum Zuge kommen. Und wer nicht gegen Gesetze verstoße, dürfe so lange extremistische Meinungen vertreten, wie er wolle — alles andere sei ja Zensur, sagte mir der Politiker deutlich.
Auch Begriffe wie “Server” oder “Provider” konnte er korrekt verwenden, was man bei Politikern ja leider immer noch hervorheben muss. Dass viele kinderpornographische Inhalte gar nicht auf chinesischen oder russischen Servern lagern wie mir Wiefelspütz erzählen wollte, sondern in Ländern, mit denen Deutschland beste Rechtshilfe-Beziehungen hat (darunter, äh: Deutschland), trübte das Bild etwas, aber als Erkenntnis blieb doch: Der Mann wirkt gar nicht wie ein wahnsinniger Fürst der Finsternis, sondern viel mehr wie einer, der sich Gedanken macht und sich ausdrücklich selbst als Teil der Internetgemeinde sieht.
Nach dem längeren Gespräch wollte ich Wiefelspütz nicht auch noch zum Thema Computerspiele befragen (es wäre auch nur noch persönliches Interesse gewesen). Womöglich hätten wir uns da böse in die Wolle gekriegt, vielleicht hätte ich aber auch ein Stück verstanden, was er eigentlich meint, wenn er sich mit Schlagworten wie “Gewalt ist jung und männlich” zitieren lässt.
Ich würde übrigens dennoch ungern einen öffentlich-rechtlichen Polittalk moderieren wollen. Diese Sendungen, in denen sich Politiker erst anschreien, bevor sie anschließend gemeinsam ein Bier trinken gehen, schaden der Demokratie mehr als ein paar extravagante Meinungen in einer aufrichtigen Debatte. Besser wäre, wenn Politiker und Bürger einfach mal wieder ins Gespräch kämen.