Im Mai startete ich einen Aufruf, mit dem ich einen neuen Bewohner für das leerstehende Zimmer in unserer WG finden wollte.
Ich schrieb damals, mit dieser Aktion “das weltweite Datennetz auf eine harte Probe stellen” zu wollen. Nun, was soll ich sagen? Das Web hat verloren.
Der Mai ist kein guter Monat, um neue Mitbewohner zu finden: das Semester ist im vollen Gange und kaum jemand ist auf der Suche nach einem Zimmer oder Willens umzuziehen. In den ersten drei Monaten meldeten sich genau drei Leute, die durch Zettel, die ich an der Uni ausgehängt hatte, auf das Angebot aufmerksam geworden waren: der Erste suchte nur was zur Zwischenmiete (was wir nicht wollten), der Zweite war enttäuscht, dass das Zimmer gänzlich unmöbliert war (was auch für den Ersten von Nachteil gewesen wäre), vom Dritten waren wir so angetan, dass wir ihm das Zimmer geben wollten. Leider hat er sich nach unserem Angebot, bei uns einzuziehen, nie wieder gemeldet.
twitter hatte kein bisschen geholfen und mit der Zeit begriff ich auch, dass ein Blog-Eintrag allein nicht ausreichen würde: bei einer Google-Suche nach freien Zimmern in Bochum kam Coffee And TV unter den ersten 200 Suchergebnissen nicht ansatzweise vor (Der erste Besucher, der nach mitbewohner gesucht bochum gegoogelt hatte, kam heute auf das Blog).
Mein verbliebener Mitbewohner kam schließlich auf die Idee, das Zimmer bei wg-gesucht.de zu inserieren. Das hatte ich auch schon mal versucht, war aber irgendwie an der Seite gescheitert. Mit dem herannahenden neuen Semester wurde der Kreis der Interessenten schließlich doch noch größer – wobei etwa die Hälfte der Bewerber über das Internetportal kam und die andere Hälfte direkt beim Studentenwerk nach freien Zimmern gefragt hatte.
So besahen wir uns etwa ein Dutzend Kandidaten beiderlei Geschlechts (wir hatten zwischenzeitlich überlegt, aus der seit Jahren existierenden Männer-WG eine gemischte zu machen) und erklärten etwa ein Dutzend Mal, wie das mit der Miete, dem Besteck, den Bahnhaltestellen und den Waschmaschinen ist. Nur ein Bewerber verlor schon bei der Besichtigung das Interesse – die 15m2 waren ihm bei einer Körpergröße von mehr als zwei Metern offenbar zu wenig.
Im Verlauf der Aktion lernte ich, warum ich für Castingshowjuries und Personalabteilungen denkbar ungeeignet bin: Ich bin unfähig, Menschen miteinander zu vergleichen wie verschiedene Karten beim Autoquartett. So lautete die Standardzusammenfassung meist: “Joa, der war ganz nett – aber der andere auch. Aber was weiß ich eigentlich nach zehn Minuten Smalltalk über ihn oder sie?” Google sagte über die meisten Kandidaten auch nicht viel aus.
Jedenfalls haben wir uns letztlich für einen Medizinstudenten entschieden, der über das Studentenwerk von dem Zimmer gehört und mich telefonisch kontaktiert hatte. Das Internet hatte nichts damit zu tun (und das finde ich ehrlich gesagt auch mal ganz beruhigend).