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Ritter aus Leidenschaft

Bat­man ist ganz schön genervt. Sein Tags­über-Leben als Mul­ti­mil­li­ar­där Bruce Way­ne, das eigent­lich die Scho­ko­la­den­sei­te sei­ner Exis­tenz sein soll­te, ödet ihn zwi­schen bedeu­tungs­lo­sen Busi­ness-Mee­tings und flüch­ti­gen Sili­kon­be­kannt­schaf­ten an. Bei sei­nen nächt­li­chen Sama­ri­ter-Ein­sät­zen macht ihm nicht nur der Got­ham-City-Mob, son­dern immer häu­fi­ger auch eine Arma­da aus Nach­ah­mern das Leben schwer, die den Unter­schied zwi­schen gut gemacht und gut gemeint nicht auf die Rei­he krie­gen. Ja, und die Poli­zei hat es sowie­so längst auf ihn abge­se­hen. Bat­mans Vor­ge­hen ist eben nicht gera­de zim­per­lich – bei sei­nen Ret­tungs­ver­su­chen und Auf­räum­ar­bei­ten bricht er regel­mä­ßig Geset­ze, die selbst von den meis­ten Klein­ga­no­ven respek­tiert wer­den, mit denen sich der mür­ri­sche Super­held her­um­pla­gen und lang­wei­len muss. Wäre Bat­mans Mut­ter noch am Leben, sie wür­de ihm raten, sich ein neu­es Hob­by zu suchen.

Der Joker hat der­weil die bes­te Zeit sei­nes Lebens. Unter Kriegs­be­ma­lung und aus­ge­präg­tem Dach­scha­den steckt hier im Prin­zip ein guter, alter Ter­ro­rist; ein Irrer ohne Ver­gan­gen­heit, der stän­dig wider­sprüch­li­che Geschich­ten über die Nar­ben in sei­nem Gesicht erzählt. Mal ist der trin­ken­de Vater Schuld, mal die herz­lo­se Ex-Frau, und dem­entspre­chend ist auch egal, wer bei sei­nen Pay­back-Tou­ren durch Got­hams High Socie­ty auf der Stre­cke bleibt. Die Küchen­psy­cho­lo­gie aus ver­korks­ter Kind­heit und unge­lieb­tem Außen­sei­ter­da­seins, die hin­ter viel zu vie­len Super­held-Geg­nern steht, greift hier also nicht: Beim Joker haben Mord, Tot­schlag und sons­ti­ge Gewalt kei­nen Ursprung. Sie sind halt ein­fach da, und sie machen Spaß.

Es ist viel­leicht der bes­te Kniff des ohne­hin her­vor­ra­gen­den „The Dark Knight“, dass der Film an die­sem Umstand erst gar kei­ne Zwei­fel auf­kom­men lässt. Prak­tisch in jeder Sze­ne, in der Heath Led­gers Joker als wat­scheln­der, schmat­zen­der, hys­te­risch lachen­der, durch und durch bös­ar­ti­ger Abschaum der Mensch­heit, der sich stän­dig über die auf­ge­platz­ten Lip­pen leckt und durch die öli­gen Haa­re fährt, die Kino­lein­wand auf­saugt, bekommt man es unter die Nase gerie­ben: Der Joker fei­ert die Par­ty, und Bat­man gibt die Putz­ko­lon­ne. Ein Umstand, der sich sogar in der Arbeit der Schau­spie­ler wider­spie­gelt: Wäh­rend Led­ger in einer glü­hend-inten­si­ven Vor­stel­lung alle denk­ba­ren Regis­ter zie­hen kann, bleibt Chris­ti­an Bale hin­ter sei­nem leid­lich coo­len Bat­man-Kos­tüm gar nichts ande­res übrig, als den distan­ziert-unter­kühl­ten Gegen­part zu machen.

Die Sache wird durch den eben­so über­ra­gen­den wie per­ver­sen Sinn für Humor des Jokers nicht ein­fa­cher, und es bedarf eini­ger Sto­ry­line-Brech­stan­gen und beson­ders gemei­ner Gemein­hei­ten, bis die Rol­len in „The Dark Knight“ klar ver­teilt sind. Der Film hat glück­li­cher­wei­se Zeit für die­sen Luxus: Regis­seur Chris­to­pher Nolan und sein Bru­der Jona­than haben eine durch­aus kom­ple­xe, her­aus­for­dernd lan­ge Geschich­te geschrie­ben, die nur weni­ge Ver­schnauf­pau­sen erlaubt, und beson­ders dann glänzt, wenn sie ihre häu­fig eigen­stän­di­gen Ein­zel­epi­so­den in rasan­ter Gleich­zei­tig­keit auf­löst. Bat­man erbeu­tet Die­bes­gut in Hong Kong, der Joker jagt ein Kran­ken­haus hoch, Got­ham Citys Poli­zei­chef Gor­don (Gary Old­man) ver­zwei­felt an sei­nen kor­rup­ten Hand­lan­gern, und Har­vey Dent (Aaron Eck­hart) macht als Staats­an­walt mit Star­po­ten­ti­al Bat­mans Jugend­lie­be Rachel Dawes (Mag­gie Gyl­len­haal) klar. Meis­tens weiß man vor­her schon, wie die Sache aus­geht, und den­noch ist es jedes Mal erstaun­lich, mit wel­cher Ernst­haf­tig­keit „The Dark Knight“ selbst sei­ne Neben­schau­plät­ze behan­del­tet und nie­mals zu bil­li­gen Auf­lö­sun­gen führt. Rea­lis­mus hat hier nichts mit der Zahl der Ein­schuss­lö­cher zu tun, die ein Mensch ver­kraf­ten kann. Er zeigt sich an Cha­rak­te­ren, die noch in der ärgs­ten Extrem­si­tua­ti­on glaub­haft und nach­voll­zieh­bar han­deln. Außer einem natür­lich.

Man tut sich trotz­dem einen Gefal­len, wenn man „The Dark Knight“ in ers­ter Linie als Duell der bei­den Haupt­dar­stel­ler begreift, die wie alle guten Pär­chen der Film­ge­schich­te noch schlech­ter ohne ein­an­der als mit­ein­an­der kön­nen. Fra­gen über mora­lisch adäqua­te Ter­ror­be­kämp­fung, schüt­zens­wer­te Per­sön­lich­keits­rech­te, die Not­wen­dig­keit von Hel­den und Feind­bil­dern und den Men­schen, der hin­ter jeder Gewalt­tat steht, schwin­gen hier eher gekonnt mit, als dass sie tat­säch­lich ver­han­delt wür­den. Sicher ist sich „The Dark Knight“ nur dahin­ge­hend, dass die gute Sache sel­ten die Spa­ßi­ge ist, aber doch von irgend­je­man­dem erle­digt wer­den muss. Auf Bat­man kann man sich da ver­las­sen – das ist zwar kei­ne neue Erkennt­nis, unter­hält aller­dings zwei­ein­halb Stun­den lang bes­ser als nahe­zu jeder ande­re Film, der in den letz­ten Jah­ren gedreht wur­de.

Trai­ler
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