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Father And Son (ca. 2020)

- „Papa, Papa!“
– „Ja, mein Sohn?“
– „Ich hab gera­de in der Ency­clo­pe­dia Blo­gia gescrollt …“
– „Oh.“
– „Was ist die­ses ‚Spie­gel Online‘, von dem 2008 so vie­le Leu­te geschrie­ben haben?“
– „Das war damals ein gro­ßes Online-Maga­zin. Erst gab es über vie­le Jahr­zehn­te ein ange­se­he­nes Print­ma­ga­zin …“
– „Tote Bäu­me?“
– „Genau. Das hat­te lan­ge einen guten Ruf. Dann hat­te es irgend­wann einen unfass­bar schlech­ten Ruf – aber nicht beim ein­fa­chen Volk. Das hat sowohl die Print- als auch die Online-Ver­si­on geliebt. ‚Spie­gel Online‘ war das meist­ge­le­se­ne Online-Medi­um zu die­ser Zeit.“
– „So wie ‚Cof­fee And TV‘ heu­te?“
– (lacht) „Ja, so unge­fähr. Die Leu­te haben alles geglaubt, was bei ‚Spie­gel Online‘ stand. Nur die Medi­en­kri­ti­ker …“
– „Leu­te wie Du, Onkel Nig­gi und Onkel Knü­wi?“
– „Sol­che Leu­te, genau. Wir haben ‚Spie­gel Online‘ kri­ti­siert für schlech­te Recher­che, ein­sei­ti­ge Bericht­erstat­tung und deren Klick…“
– „Die haben noch Klick­hu­re­rei gemacht?!“
– „Wo hast Du denn das Wort schon wie­der gelernt?“
– (lacht)
– (grum­melt) „Jeden­falls: ja, haben sie.“
– „Oh Mann, wie pein­lich!“
– „Du musst wis­sen: damals gal­ten page impres­si­ons noch als hei­li­ger Gral im Inter­net.“
– (lacht)
– „Na ja, das waren jeden­falls ‚Spie­gel‘ und ‚Spie­gel Online‘. 2008 müss­te das Jahr gewe­sen sein, in dem sie gefragt haben, ob das Inter­net doof macht, und über Twit­te­rer und Blog­ger geläs­tert haben.“
– „Aber war­um das denn?“
– „Zum einen, weil sie Angst davor hat­ten – zu Recht, wie wir heu­te wis­sen – zum ande­ren, weil sie sicher­ge­hen konn­ten, dass fast alle Blog­ger und Twit­te­rer dar­über schrei­ben wür­den. Und wenn alle über den ‚Spie­gel‘ schrei­ben, sieht es noch ein biss­chen län­ger so aus, als sei der ‚Spie­gel‘ rele­vant.“
– „Hmmmm. Aber eins ver­steh ich nicht …“
– „Ja?“
– „War­um haben denn immer alle Blog­ger und Twit­te­rer dar­über geschrie­ben? Konn­te denen das nicht egal sein?“
– „Ja sicher, eigent­lich schon.“
– „Oma hat mir mal erzählt, wie sie vor vie­len Jah­ren mit ande­ren Leu­ten ein Atu … Autom …“
– „Atom­kraft­werk?“
– „Ich glau­be ja. Wie sie sowas ver­hin­dert haben. Denen war immer egal, was die ande­ren gedacht, gesagt und in der Zei­tung geschrie­ben haben.“
– „Tja. Die waren damals viel an der fri­schen Luft um zu demons­trie­ren, Sau­er­stoff beru­higt. Wir saßen schlecht gelaunt in unse­ren Büros und haben uns dann halt auf­ge­regt. Ab 2009 hat aber kei­ner – oder kaum noch einer – auf den ‚Spie­gel‘ reagiert, so dass sie 2010 auf­ge­ben muss­ten.“
– „2010? Noch vor Zoo­mer?!“
– „Ja, das ging damals ganz schnell.“
– „Und was ist aus den gan­zen Leu­ten gewor­den, die da gear­bei­tet haben?“
– „Das war das lus­tigs­te: Als ‚Spie­gel Online‘ zuge­macht hat, kam raus, dass da nur drei ver­wirr­te alte Män­ner gear­bei­tet haben: ein Taxi­fah­rer, ein Dro­gen­ab­hän­gi­ger und ein Mann, dem ein wahn­sin­ni­ger Wis­sen­schaft­ler ein Bröt­chen anstel­le sei­nes Gehirns ein­ge­pflanzt hat­te. Alles ande­re kam aus Com­pu­tern.“
– „Gru­se­lig.“
– „Ja. Aber nur halb so gru­se­lig wie deren Tex­te.“
– „Papa?“
– „Ja?“
– „Kön­nen wir noch ein biss­chen Holo­gram­me gucken?“
– „Was wills­te denn sehen?“
– „Den Film mit dem Zei­tungs­mann, der stirbt. Mit dem Schlit­ten. Das ist sooooo lus­tig!“