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Tagewerk

Klassiker oder keine Klassiker? Spiegel-Bestsellerliste oder doch lieber im Buchladen stöbern? Eigentlich ganz egal – die Hauptsache ist doch: Bücher sollen Freude machen und einen auf irgendeine Weise bereichern.

Deshalb hier mein Buchtipp für den Sommer!

“Alle Tage” von Terézia Mora

Nun, der Titel verrät – eigentlich gar nichts, es wirft eher mehr Fragen auf. Auch das Cover ist außer taubengrau nicht wirklich hilfreich. Nein. Man muss sich schon selbst auf Entdeckungsreise begeben um herauszufinden warum “Alle Tage” so heißt, wie es heißt.

Man braucht aber ein wenig Geduld damit, um sich an einen ganz wunderbar neuen und filmischen Schreibstil zu gewöhnen. Kurze Sätze. Bilder und Emotionen prasseln auf den Leser nieder. Verwirrend, mäandernde Passagen, seltsame Geschichten und merkwürdige Menschen kreuzen den Weg. Ein klein wenig David Lynch hier und da. Aber man wird belohnt, belohnt mit einem Gefühl von Zufriedenheit. Man hätte es schon viel früher lesen sollen. Wirklich!

Es gab in meiner bisherigen Leserkarriere kein Buch das einen schöneren und melodischeren Anfang hatte als dieses, können Bücher melodische Anfänge überhaupt haben? Well… lest hier und urteilt selbst:

“Nennen wir die Zeit jetzt, nennen wir den Ort hier. Beschreiben wir beides wie folgt…”

Der Protagonist mit dem melodischen Namen Abel Nema wird eines Tages, in einem Hinterhof in einer Stadt die im Osten des Landes steht, tot aufgefunden. Nicht nur tot, sondern kopfüber hängend von einem Geländer, ein wenig Fledermaus-like. Geübte Kriminalisten oder solche die Krimis eher im Fernsehn verfolgen oder auch lesen, fragen sich natürlich gleich. Wer wars? Und warum? Und wie?

Nun, geklärt wird alles. Es ist aber mitnichten ein Krimi im herkömmlichen Sinne. Es ist überhaupt kein Krimi. Denn es gibt keinen Ermittler oder einen Mord aus Leidenschaft oder graue Mafiosi oder Hintermänner. Nein.

Der Ermittler, nennen wir ihn Entdecker von Abels Welt, ist der Leser selbst.

Man entdeckt also diesen Abel Nema und auch das er ein Genie ist. Er stammt aus dem Osten der Welt, allerdings kann nicht mehr zurück, denn dort herrscht Krieg. Er lernt Sprachen wie andere das Laufen, am Ende sind es zehn. Er findet eine Frau mit Namen Mercedes und begibt sich mit ihr in eine Scheinehe. Sein einziger Freund ist Omar, Mercedes’ Sohn.

Doch Abel Nema findet keine Ruhe, denn die Sehnsucht ist immer stärker als er, sie lässt ihn nicht los und bringt ihn immer weiter weg und wieder zurück. Bis es zu Ende ist. Auf seinem Weg begegnet er vielen Menschen und manche kehren immer mal wieder zurück. Doch was man immer spürt, ist die Einsamkeit die Abel Nema verspürt, ob er gerade in Begleitung ist oder in einem Zug sitzt, oder in einem Park.

Doch das soll jetzt nicht nach Depression klingen oder nach Dauermelancholie. Nein. Es ist eher eine Geschichte die dem Leser eine Welt, jenseits unserer zeigt, die es gibt und in der Geschichten wie Abels passieren können. Bücher, die einem einen Mensch beschreiben, der so ganz ander ist als die Protagonisten, die wir toll finden. Es ist eher der Anti-Protagonist, den man gern hat und man weiß nicht so genau warum.

Noch schnell was zur Autorin: Terézia Mora, ist in Ungarn geboren und studierte Hungarologie und Theaterwissenschaften in Berlin. Arbeitet heute als Schriftstellerin und Dramatikerin.

Noch schnell was zum Buch: Mit 10 Ören ist man dabei. Gibt es im Handel, seit kurzem auch auf Englisch – dort heißt es “Day in Day out”. Und natürlich als Hörbuch für ein paar mehr Öre.

Was war euer schönster Buchanfang? Kennt ihr das Buch schon?  Habt ihr Buchtipps? Immer her damit!

Auf wiederlesen, eure Nischen-Annika! Schönen Sommer =)