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Musik

Listenpanik 10/​07: Ein wenig unentschlossen

Eigent­lich mache ich die­se Bes­ten­lis­ten ja nur, damit ich am Ende des Jah­res weiß, wel­che Plat­ten und Songs ich bei diver­sen Jah­respolls, Abstim­mun­gen und Leser­um­fra­gen in die For­mu­la­re ein­tra­gen muss. Gucken wir also mal, was im Okto­ber so auf dem Schreib­tisch lie­gen- und im Ohr hän­gen­ge­blie­ben ist. Sie fin­den mich ein wenig unent­schlos­sen vor, man­ches Lob mag auch als Ver­riss durch­ge­hen und vice ver­sa. Bei eini­gen Punk­ten wer­de ich wohl Vor­wür­fe der Wan­kel­mü­tig­keit über mich erge­hen las­sen müs­sen. Aber egal: Man soll­te Musik mei­ne Mei­nung ja eh nicht so ernst neh­men.

Alben
1. Kate Nash – Made Of Bricks
Es wur­de auch mal lang­sam Zeit für eine „neue Lily Allen“, die alte ist schließ­lich schon seit mehr als einem Jahr dabei. Ja, Kate Nash ist tat­säch­lich erst 20 Jah­re alt und bas­telt ihre Songs zuhau­se am Lap­top zusam­men. Das an sich ist aber noch kei­ne Sen­sa­ti­on, lie­be Musik­jour­na­lis­ten! „Made Of Bricks“ ist auch kei­ne, aber den­noch ein über wei­te Stre­cken gutes, in eini­gen Momen­ten gar bril­lan­tes Album. So klingt im Jahr 2007 von Frau­en gemach­te Pop­mu­sik, wenn es wirk­lich um die Musik und nicht um Foto­stre­cken geht.

2. Radio­head – In Rain­bows
Hat­te ich nicht geschrie­ben, das neue Radio­head-Album sei sehr gut, gebe mir per­sön­lich aber nichts? Doch, das hat­te ich. Aber außer­halb der eige­nen vier Wän­de, in einer reg­ne­ri­schen, kal­ten Okto­ber­nacht, bekam ich dann doch plötz­lich eine Gän­se­haut bei „All I Need“. So ganz warm gewor­den mit „In Rain­bows“ bin ich immer noch nicht, aber es ist schon ein beein­dru­cken­des Album.

3. Jim­my Eat World – Cha­se This Light
Hat­te ich nicht geschrie­ben, das Album wäre eigen­schafts­los und „irgend­wie egal“? Natür­lich hat­te ich das. Aber irgend­ei­nen Grund muss es ja geben, dass ich „Cha­se This Light“ in den letz­ten Wochen trotz­dem bei­na­ge täg­lich gehört habe. Mög­li­cher­wei­se gefällt es mir also doch, obwohl es dafür eigent­lich gar kei­nen Grund gäbe. Aber man muss ja nicht immer für alles einen Grund haben.

4. Under­world – Obli­vi­on With Bells
Ich kann nicht über elek­tro­ni­sche Musik schrei­ben. Es wür­de wir­res Zeug dabei raus­kom­men mit ver­un­glück­ten Meta­phern und bedeu­tungs­lo­sen Wor­ten wie „plu­ckern“, „urban“ oder „sphä­risch“. Also schwär­me ich lie­ber davon, wie toll es ist, zu den Klän­gen von Under­worlds neu­er CD durch dunk­le Groß­städ­te zu lau­fen oder U‑Bahn zu fah­ren. „Obli­vi­on With Bells“ ist für mich die bes­te Elek­tro-Plat­te seit dem Pos­tal-Ser­vice-Debüt, aber was weiß ich von Elek­tro?

5. Man­do Diao – Never Seen The Light Of Day
Weil sie den Ver­trag mit ihrer Plat­ten­fir­ma mög­lichst schnell erfül­len woll­ten, haben Man­do Diao inner­halb von zwei Wochen mit Björn Ols­son von The Sound­track Of Our Lives ein Album ange­nom­men, das betont unkom­mer­zi­ell und ver­stö­rend sein soll. Die­se Vor­ge­schich­te zu ken­nen ist wich­tig, weil man ansons­ten hoch­gra­dig ver­wirrt sein könn­te. Her­aus­ge­kom­men ist eine erstaun­lich akus­ti­sche, melan­cho­li­sche, erwach­se­ne, mit­un­ter auch ein­fach kran­ke Plat­te, die in ihren bes­ten Momen­ten an die Shout Out Louds erin­nert, in ihren schwä­che­ren an die übli­chen Man­do-Diao-Num­mern.

Songs (inkl. You­Tube-Links)
1. Kate Nash – Foun­da­ti­ons
Wenn Sie mal gezwun­gen wer­den soll­ten, zu erklä­ren, war­um eng­lisch­spra­chi­ge Pop­mu­sik im Zwei­fels­fal­le bes­ser ist als deutsch­spra­chi­ge, ver­wei­sen Sie auf „Foun­da­ti­ons“: So einen char­man­ten Text über eine deso­la­te Bezie­hung wür­den Sil­ber­mond, Juli oder Yvonne Cat­ter­feld im Leben nicht hin­krie­gen. Und dann ist da noch die­ser groß­ar­ti­ge Refrain und die­ser wun­der­vol­le Akzent. Ver­wei­sen Sie ein­fach auf „Foun­da­ti­ons“, wenn Sie irgend­was im Bezug auf Pop­mu­sik erklä­ren sol­len.

2. Bruce Springsteen – Radio Nowhe­re
Sagen Sie nichts gegen Bruce Springsteen! Wirk­lich: Nichts!
Der gro­ße alte Mann (inzwi­schen auch schon 58) des ame­ri­ka­ni­schen Sta­di­on­rocks hat es nach wie vor raus und zeigt dem Nach­wuchs mal kurz, wie man eine cat­chy Radio-Sin­gle schreibt, die trotz­dem rich­tig gut ist.

3. Babysham­bles – Deli­very
Mensch­lich wäre es tra­gisch, wenn Pete Doh­erty wie­der rück­fäl­lig wür­de. Musi­ka­lisch aber auch, denn das neue Babysham­bles-Album, das er angeb­lich clean auf­ge­nom­men hat, ist ganz aus­ge­zeich­net gewor­den. „Deli­very“ ist bes­ser als alles, was die Babysham­bles bis­her ver­öf­fent­licht haben, der Song kommt sogar an die bes­ten Liber­ti­nes-Sachen her­an. Was will man mehr? Außer, dass Doh­erty sau­ber bleibt …

4. Ste­reo­pho­nics – Dai­sy Lane
Ein bezau­bern­des, vor sich hin schlur­fen­des Lied über all­täg­li­che Gewalt. Das deut­li­che High­light der auch ansons­ten recht gelun­ge­nen neu­en Ste­reo­pho­nics-Plat­te „Pull The Pin“.

5. Com­mon feat. Lily Allen – Dri­vin‘ Me Wild
Bevor sie knapp die Hälf­te ihres Kör­pers­ge­wichts abnahm und Unter­wä­sche-Model wur­de, war Lily Allen für etwa ein Jahr auch mal als Musi­ke­rin bekannt. Ver­mut­lich wird sie bald auf jedem zwei­ten Hip-Hop-Album als Gast­star zu hören sein, aber wenn das immer so … äh: char­mant klingt wie die Zusam­men­ar­beit mit dem Chi­ca­go­er Rap­per Com­mon, geht auch das völ­lig in Ord­nung.