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Listenpanik (5): I Killed The Zeitgeist

Wenn ich mir die bis­he­ri­gen Monats­bes­ten­lis­ten so anschaue, fällt mir auf, wie vie­le Sachen ich ger­ne noch ergän­zen wür­de. Auch wenn die logi­sche Reak­ti­on dar­auf wäre, die Akti­on ein­fach abzu­bla­sen, stür­ze ich mich trotz­dem mit Elan in die Ver­öf­fent­li­chun­gen des Monats Juli. Wie immer streng sub­jek­tiv und ohne den Hauch eines Anspruchs auf Voll­stän­dig­keit:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Jus­ti­ce – †
Es müss­te schon mit dem Teu­fel (oder Gevat­ter Tod) zuge­hen, wenn es die­ses Jahr noch einen hei­ße­ren Act als Jus­ti­ce gäbe, the French elec­tro­nic duo who does what French elec­tro­nic duos should do. Natür­lich kommt man um die Ver­glei­che zu Daft Punk und Air kaum her­um, aber das sind ja bei­des Acts aus dem letz­ten Jahr­tau­send. Zuge­ge­ben: „†“ hät­te auch schon vor zehn Jah­ren erschei­nen kön­nen. Ist es aber nicht und genau des­halb sticht die­ses House-Album trotz Rave-Revi­val im Som­mer 2007 so aus der Mas­se her­aus. Viel­leicht wird uns das alles in einem Jahr schon wie­der egal sein, aber im Moment heißt’s erst mal: „Do the D.A.N.C.E. /​ 1, 2, 3, 4, fight“.

2. Toco­tro­nic – Kapi­tu­la­ti­on
Wer dach­te, dass Toco­tro­nic gar nicht mehr bes­ser wer­den könn­ten, als auf „Pure Ver­nunft darf nie­mals sie­gen“, muss zuge­ben, sich geirrt zu haben. Wenn jede Band nach 14 Jah­ren Band­ge­schich­te auf dem ach­ten Album so klän­ge, wüss­te man ja kaum noch, wohin mit all den guten Alben. Dirk von Lowtzow hat mit unge­fähr jedem Medi­um der Repu­blik spre­chen müs­sen, hat dabei unzäh­li­ge Male die Schön­heit des Wor­tes „Kapi­tu­la­ti­on“ erklärt, aber sobald die ers­ten Tak­te von „Mein Ruin“ erklin­gen, ist das alles egal. Wie schon vor zwei Jah­ren mit „Aber hier leben, nein dan­ke“ sind die Tocos auch in die­sem Jahr mit ihrem Auf­ruf zur „Kapi­tu­la­ti­on“ völ­lig gegen den Strich und genau das macht die­se Band so wert­voll.

3. Smas­hing Pump­kins – Zeit­geist
Jetzt sind sie also wie­der da, die Smas­hing Pump­kins. Oder bes­ser: Bil­ly Cor­gan und Jim­my Cham­ber­lin. Nach Cor­gans desas­trö­sem Solo­al­bum und ohne die Hälf­te der eigent­li­chen Band konn­te man ja fast nur noch mit dem schlimms­ten rech­nen, wes­we­gen schon ein knapp über­durch­schnitt­li­ches Album eine Sen­sa­ti­on gewe­sen wäre. „Zeit­geist“ ist aber noch bes­ser: Es ist nach „Sia­me­se Dream“ und „Ado­re“ mal wie­der ein pro­blem­los durch­hör­ba­res Pump­kins-Album und es ist die gro­ße „Look who’s back“-Geste. Klang­lich könn­te auf eini­gen Songs auch Zwan drauf­ste­hen und natür­lich sind die meis­ten Num­mern weit von „Today“, „Tonight, Tonight“ und „1979“ ent­fernt, aber es dürf­te kaum jemand erwar­tet haben, dass Cor­gan noch ein­mal zu sol­chen Groß­ta­ten in der Lage ist. Aber „Zeit­geist“ hat „Doomsday Clock“, „Blee­ding The Orchid“, „Starz“ und „United Sta­tes“ auf der Haben­sei­te, über alles ande­re dis­ku­tie­ren wir nach der Ver­öf­fent­li­chung von „Chi­ne­se Demo­cra­cy“.

4. The Elec­tric Soft Para­de – No Need To Be Down­he­ar­ted
Die Gebrü­der White aus Brigh­ton haben sich mal wie­der in ihrem ehe­ma­li­gen Kin­der­zim­mer ein­ge­schlos­sen und defi­nie­ren, wie Indiepop im Som­mer 2007 klingt: locker-flo­ckig, mit gele­gent­li­chen Aus­flü­gen ins Ver­schro­be­ne und Aus­ufern­de. Ein Ritt durch die letz­ten vier­zig Jah­re Musik­ge­schich­te und doch ein­deu­tig The Elec­tric Soft Para­de.

5. Spoon – Ga Ga Ga Ga Ga
Musik­jour­na­lis­mus für Anfän­ger: „Wer sein Album so nennt, muss ja schon ziem­lich gaga sein.“
Musik für Fort­ge­schrit­te­ne: Auf ihrem sechs­ten Album spie­len Spoon aus Aus­tin, Texas ihren dezent ver­schro­be­nen Indie­rock genau auf den Punkt. Zehn Songs in 36 Minu­ten, das ist fast wie Weezer, nur nicht ganz so ein­gän­gig: Bis Melo­dien hän­gen blei­ben, muss man „Ga Ga Ga Ga Ga“ schon eini­ge Male gehört haben, in Ver­zü­ckung ver­setzt einen die Musik aber von Anfang an. Wer sehn­süch­tigst aufs neue Eels-Album war­tet, kann Spoon so lan­ge als Ersatz hören – alle ande­ren natür­lich auch.

Sin­gles (inkl. iTu­nes-Links)
1. Smas­hing Pump­kins – Doomsday Clock
Bil­ly Cor­gan allein wird wis­sen, ob das jetzt eine (Download-)Single ist oder nicht, aber es ist auch egal: „Doomsday Clock“ ist genau der Ope­ner, auf den man sie­ben Jah­re gewar­tet hat. Jim­my Cham­ber­lin haut ein biss­chen auf den Fel­len rum, dann legen die Gitar­ren los und Bil­ly Cor­gan singt die Num­mer nach hau­se: „Plea­se don’t stop /​ It’s lonely at the top“. Der Mann weiß wovon er singt, er war schon mal ganz oben. Aber allei­ne war er eigent­lich über­all.

2. Black Rebel Motor­cy­cle Club – Ber­lin
Album über­se­hen, dann wenigs­tens die Sin­gle wür­di­gen: BRMC haben den Blues-Anteil nach „Howl“ wie­der zurück­ge­fah­ren, aber „Ber­lin“ klingt immer noch aus­rei­chend nach Ame­ri­ka, Wüs­ten­sand und Bär­ten. Wie das zum Titel pas­sen soll, ist wohl eine berech­tig­te Fra­ge, die ich aber ein­fach im Raum ste­hen las­sen möch­te, weil sie mir dort ide­al Schat­ten spen­det.

3. Her­bert Grö­ne­mey­er – Kopf hoch, tan­zen
Dass „Zwölf“ ein irgend­wie tol­les Album ist, hat­te ich ja schon mal ver­sucht aus­zu­drü­cken. Damals ver­gaß ich aber irgend­wie, die­sen Song her­vor­zu­he­ben. Das Sen­sa­tio­nel­le dar­an: 2007 klingt Grö­ne­mey­er für einen Song mehr nach den Acht­zi­gern, als er es in den meis­ten sei­ner Acht­zi­ger-Jah­re-Songs je getan hat. Dazu ein Text, der wie­der alles und nichts bedeu­ten kann, und ein wun­der­ba­res Video.

4. The Elec­tric Soft Para­de – Misun­derstan­ding
Die Sech­zi­ger Jah­re waren lan­ge vor­bei, als Alex und Tom White gebo­ren wur­den. Trotz­dem klingt „Misun­derstan­ding“ nach Beach Boys und Kinks – oder genau­er: so, wie die­se Bands heu­te klin­gen wür­den. Twang, twang, schun­kel, schun­kel!

5. Feist – 1234
Musik im Som­mer 2007 soll­te sowohl bei strah­len­dem Son­nen­schein, als auch bei tage­lan­gem Regen funk­tio­nie­ren. Voi­là: „1234“ von Feist eig­net sich da bes­tens zu. Indie­folk mit dezen­ten Coun­try-Ein­flüs­sen oder irgend­wie sowas, dazu die­se Stim­me. Das dazu­ge­hö­ri­ge Album hat­te ich übri­gens im April über­se­hen.

Außer Kon­kur­renz: The Rol­ling Stones – Paint It, Black
Nach „Should I Stay Or Should I Go“ (Jeans) und „Para­no­id“ (Tank­stel­le) jetzt der nächs­te Rock-Klas­si­ker, dem das Wer­be­fern­se­hen (Tele­fon­ge­döns) zu einem Come­back ver­hilft. Und nach dem Nep­tu­nes-Remix von „Sym­pa­thy For The Devil“ schon der zwei­te Kon­takt der Nuller Jugend mit der Band, die ihre Groß­vä­ter sein könn­ten. Aber der Song ist nun mal auch nach 41 Jah­ren noch der blan­ke Wahn­sinn.