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It’s gonna be an easy ride

Jacqui Naylor (photo by Thomas Heinser)Es gibt Alben, die sind so Gen­re-spren­gend, dass sie haar­scharf an jeder Ziel­grup­pe vor­bei­schram­men. „The Color Five“ von Jac­qui Nay­lor könn­te so ein Fall sein: Eigent­lich ist die Kali­for­nie­rin Jazz­sän­ge­rin, aber ihre Alben und Kon­zer­te öff­nen auch die Schub­la­den „Folk“ und „Pop“ so weit, dass die Kom­mo­de, auf der groß „Musik­gen­res“ steht, und die Musik­jour­na­lis­ten­me­ta­phern um die Wet­te aus­ein­an­der­fal­len.

Gemein­sam mit ihrer (sehr guten, aber dazu kom­men wir noch) Band hat Jac­qui Nay­lor etwas erfun­den, was sie „acou­stic smas­hes“ nennt: Singt Nay­lor den Text eines Pop­songs („Hot Legs“ von Rod Ste­wart“, „I Still Haven’t Found What I’m Loo­king For“ von U2, „Lola“ von den Kinks), spielt die Band dazu einen Jazz­stan­dard („Can­ta­lou­pe Island“ von Her­bie Han­cock, „All Blues“ von Miles Davis, „Side­win­der“ von Lee Mor­gan); singt Nay­lor einen … nun ja: etwas abge­grif­fe­nen Klas­si­ker wie das unver­meid­li­che „Sum­mer­ti­me“ von Geor­ge und Ira Gershwin, bemerkt man das viel­leicht gar nicht auf Anhieb, weil die Band lie­ber „Whip­ping Post“ von den All­man Brot­hers spielt. Hört sich kom­pli­ziert, merk­wür­dig oder schlicht unvor­stell­bar an? Hier kann man in alle Songs rein­hö­ren und sich davon über­zeu­gen, dass es ziem­lich gut klingt.

Ein Drit­tel der fünf­zehn Songs sind die­se „acou­stic smas­hes“, ein Drit­tel „nor­ma­le“ Cover­ver­sio­nen und ein Drit­tel Ori­gi­nals, also Songs, die Nay­lor und ihr Musi­cal Direc­tor Art Khu selbst geschrie­ben haben. Das nicht gänz­lich unre­nom­mier­te Maga­zin „Jazz Times“ ver­glich das Song­wri­ting der bei­den mit dem der nicht gänz­lich unbe­deu­ten­den Joni Mit­chell und Paul Simon, und ich möch­te wenigs­tens noch Sara McLach­lan, Tori Amos und Neil Finn name­drop­pen. „Easy Ride From Here“ z.B. ist ein der­art run­der Pop­song, dass ich ihn bit­te in den nächs­ten Jah­ren in min­des­tens fünf ver­schie­de­nen roman­ti­schen Komö­di­en oder ame­ri­ka­ni­schen Hoch­glanz­se­ri­en hören möch­te.

Ich weiß nicht, ob ich je von Jac­qui Nay­lor erfah­ren hät­te, wenn ich sie nicht per­sön­lich ken­nen­ge­lernt hät­te; ob ich auch so von ihrer Musik begeis­tert wäre, wenn ich sie nicht live gese­hen hät­te. Ihre Stim­me bewegt sich zwi­schen but­ter­weich und ange­nehm krat­zig und ihre Band … Ach, die­se Band: Jazz­mu­si­kern zuzu­se­hen, ist für Men­schen wie mich, die stolz sind, drei Akkor­de feh­ler­frei grei­fen zu kön­nen, immer in glei­chem Maße beein­dru­ckend wie ernüch­ternd. Die­se Band ist beson­ders tight (ist „tight“ über­haupt eine Voka­bel, die zum Beschrei­ben von Jazz­bands geeig­net ist?): Art Khu könn­te man ver­mut­lich ein Alp­horn in die Hand drü­cken und nach fünf Minu­ten wür­de er dem Instru­ment lieb­lichs­te Töne ent­lo­cken, Drum­mer Josh Jones spielt nicht nur die ver­track­tes­ten Beats und Rhyth­men­wech­sel, er gri­mas­siert dabei auch noch, als müs­se er wäh­rend des Kon­zerts noch einer Grup­pe durch­ge­knall­ter Comic­zeich­ner Modell sit­zen.

Es gibt Alben, die sind so Gen­re-spren­gend, dass sie jede Ziel­grup­pe begeis­tern. „The Color Five“ von Jac­qui Nay­lor könn­te so ein Fall sein.