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Track by track: Travis – Ode To J. Smith

Chi­ne­se Blues
Kla­vier, Glo­cken­spiel, E‑Gitarren: da meint es aber jemand ernst mit der Rück­kehr zum Rock. Die Melo­die klingt erst ein biss­chen sper­rig, frisst sich dann aber ganz schnell ins Ohr. Es rum­pelt und Fran Hea­ly darf (das deut­lichs­te Anzei­chen für die Rück­be­sin­nung aufs Debüt) das ers­te Mal lang­ge­zo­ge­ne „Heeeeyyyy„s und „Yeeeeeaaaah„s raus­knö­deln – was er immer noch sehr gut kann.

J. Smith
Das ken­nen wir ja schon von der gleich­na­mi­gen EP. Dass der Chor in der Mit­te Latein singt, fiel mir aller­dings erst bei der Lek­tü­re des Book­lets auf. Hier knüp­pelt es für Tra­vis-Ver­hält­nis­se schon arg und zwi­schen­durch fällt end­lich mal auf, was für ein guter Schlag­zeu­ger Neil Prim­ro­se eigent­lich ist.

Some­thing Any­thing
Die­ses Lied hat­te ich schon als „Weezer-Song des Jah­res“ bezeich­net, was ich im Nach­hin­ein ein ganz klei­nes biss­chen merk­wür­dig fin­de. Ande­rer­seits auch nicht, denn der Refrain geht wirk­lich so nied­lich schun­kelnd ins Ohr, dass Rivers Cuo­mo nei­disch wer­den dürf­te. Außer­dem gibt es das ers­te rich­ti­ge Gitar­ren­so­lo bei Tra­vis seit sehr, sehr lan­ger Zeit.

Long Way Down
Wie oft kann man die Grund­idee von „Lon­don Cal­ling“ noch auf­wär­men, bis es lang­wei­lig wird? Och, von mir aus ewig: 1, 2, 3, 4. Im Mit­tel­teil kommt etwas Abwechs­lung rein, ansons­ten gibt es über das Lied nicht all zu viel zu sagen. Vor zehn Jah­ren wäre es eine B‑Seite gewe­sen.

Bro­ken Mir­rors
Die­ses Lied klingt, als sei es von „12 Memo­ries“ übrig geblie­ben: düs­ter, suchend, und über allem die glo­cken­hel­le Stim­me von Fran Hea­ly. Inter­es­sant, aber lei­der nicht span­nend.

Last Words
Andy Dun­lop hat das Ban­jo wie­der­ge­fun­den! Fragt man sich bis zur Bridge noch, was denn bit­te für ein komi­scher Song sein soll, geht im Refrain die „Invi­si­ble Band“-Sonne auf. Der klei­ne, etwas unge­zo­ge­ne­re Bru­der von „Sing“.

Quite Free
Ein Song, der Noel Gal­lag­her mal fürs letz­te Oasis-Album hät­te ein­fal­len sol­len. Der Text wirkt ein biss­chen, als bestün­de er aus­schließ­lich aus Voka­len, und dann ist da noch die­ses merk­wür­di­ge Instru­ment im Hin­ter­grund, das ein Akkor­de­on sein könn­te. Schön.

Get Up
Auch wenn ich mich da wie­der­ho­le: Das Lied heißt eigent­lich „Black Hor­se And The Cher­ry Tree“ und ist von KT Tunstall, ganz sicher. Aber egal: Das Lied groovt, es gibt „Oooooh“-Chöre und nach knapp drei Minu­ten ist der Spuk schon wie­der vor­bei.

Fri­ends
„Who che­ers you up/​When you are down/​Who brings you cups of cof­fee“ – Hei­ei­ei, die­ses Lob­lied auf die Freund­schaft ist aber schon irgend­wie hart an der Gren­ze. Ande­rer­seits kann man sich bei Fran Hea­ly gut vor­stel­len, dass er das alles völ­lig ernst­haft und auf­rich­tig meint, was es merk­wür­di­ger­wei­se ein biss­chen weni­ger schlimm macht.

Song To Self
Was für ein schö­ner, klug kon­zi­pier­ter Song. Ach was: eine Hym­ne ist es! Da ist es auch nicht mehr so wich­tig, dass Tra­vis hier den Cold­play-Beat ent­de­cken.

Befo­re You Were Young
Noch grö­ßer wird es zum Fina­le: Eine schlich­te Bal­la­de mit Akus­tik­gi­tar­re, Kla­vier und schlicht-schö­nem Text, die sich zwi­schen­durch in Sigur-Rós’sche Sphä­ren auf­schwingt, ehe sie das Album nach nur 36 Minu­ten ganz ruhig abschließt. Ein Ohr­wurm, der einem ganz warm ums Herz wer­den lässt, ein instant clas­sic.

Fazit
Im Gegen­satz zur Band hal­te ich ja nach wie vor ganz gro­ße Stü­cke auf „The Boy With No Name“. „Ode To J. Smith“ ist trotz­dem das rich­ti­ge Album zum rich­ti­gen Zeit­punkt: anders, unvor­her­seh­bar, aber doch unver­kenn­bar Tra­vis.

Da die Band selbst auf ihrem bes­ten Album „The Man Who“ ein bis zwei schwa­che Songs hat­te, kann man damit leben, dass auch bei der Selbst­wie­der­fin­dung nicht jeder Schuss ein Tref­fer ist. Dafür sind die ers­ten drei Songs sehr ordent­li­che Rock-Num­mern, und die letz­ten bei­den zäh­len mit zu dem Bes­ten, was die Band je auf­ge­nom­men hat.

Ich las­se mir von Tra­vis ja sowie­so fast alles gefal­len (auch wenn das bei „12 Memo­ries“ mit­un­ter schwer fiel), aber an „Ode To J. Smith“ gibt es wenig zu meckern. Eine Band, die auf ihrem sechs­ten Album noch so frisch klingt, darf ger­ne wei­ter­ma­chen.

Travis - Ode To J. Smith (Albumcover)
Tra­vis – Ode To J. Smith

VÖ: 26.09.2008
Label: Red Tele­pho­ne Box
Ver­trieb: Uni­ver­sal