Hiroshima (B B B Benny Hit His Head)
Das kennt man ja inzwischen schon ein bisschen länger. Anfangs fand ich den Song, der aus einer Improvisation im letztjährigen Berlin-Konzert entstand, ziemlich nervig. Inzwischen gefallen mir die stumpfen “Oh-oh-uh-oh!”-Chöre und die absurde und wahre Geschichte (Folds stürzte beim Tourauftakt einer Ben-Folds-Five-Japan-Tour noch vor dem ersten Song von der Bühne und musste seinen Kopf röntgen lassen) ausgesprochen gut. Die Frage “Does this song end?” kommt allerdings zum richtigen Zeitpunkt.
Dr. Yang
Folds singt “Connect the wires and plug me in” und schon bratzt Jared Reynolds’ Bass so schön los wie der von Robert Sledge zu frühesten Ben-Folds-Five-Zeiten. Überhaupt hat der Song viel von früher: einen merkwürdigen Text, ein Stummfilmbegleitmusik-Klaviersolo und jede Menge Rock. Nicht wirklich gut, aber witzig.
The Frown Song
Spätestens seit seiner EP-Serie schreibt Folds gerne auch mal sozialkritische Songs, was sich allerdings schlimmer anhört, als es letztendlich klingt. Hier geht’s um das langweilige Leben der upper middle class, die auch durch Wellness nicht besser gelaunt ist. Dazu ein quietschender Synthesizer und schöne Chöre im Refrain.
You Don’t Know Me (featuring Regina Spektor)
Die erste Single, das erste offizielle Folds-Duett, der Song mit Regina Spektor. Musikalisch etwas gewöhnungsbedürftig mit seinem schleppenden Beat und den satten Streichern, ist der Song trotzdem eine Großtat: textlich anspruchsvoll (Beziehungskram) und von den Beiden wunderbar gesungen.
Before Cologne
Kurzes instrumentales Zwischenspiel vor …
Cologne
Der erste Song von jemand anderem, bei dessen Entstehung ich dabei war: Im vergangenen Jahr improvisierte ein erkälteter Folds in … richtig: Köln eine bewegende Ballade über die Geschichte der Astronautin Lisa Nowak, auf dem Album bekam der Song noch eine klarere Struktur und einen Refrain. Trotz der merkwürdigen Geschichte mit der Astronautin in Windeln zählt der Song zu den schönsten und emotionalsten Nummern, die Folds je geschrieben hat. Nebenbei geht es nämlich auch noch um Abschied und Einsamkeit. Achten Sie auf den Bass!
Errant Dog
Und wieder rockt es so, wie schon länger nicht mehr bei Folds. Drummer Sam Smith darf zeigen, dass er besser groovt als alle anderen Folds-Schlagzeuger bisher, dann setzen die Chöre wieder ein. Früher wäre sowas allerdings eine B-Seite gewesen.
Free Coffee
Nachdem er vor zwei Jahren “Such Great Heights” gecovert hat, versucht sich Folds jetzt mal an einem eigenen Song, der so ähnlich klingt – zumindest am Anfang. Das klingt einerseits spannend, andererseits auch ein bisschen nervig, aber der Text, in dem sich Folds über die Vorteile des Rockstar-Daseins beklagt, macht vieles wieder wett: “And when I was broke I needed it more / But now that I’m rich, I get free coffee” sind Zeilen, über die man lange, lange nachdenken kann.
Bitch Went Nuts
Nach dem Ende einer Beziehung würden Frauen die verschiedensten Gründe einfallen, warum es nicht geklappt hat, Männer hingegen wüssten nur einen: “The bitch went nuts”. Das sagt Ben Folds und macht daraus Uptempo-Rock mit witzigem, aber irgendwie auch beunruhigenden Text. Das klingt am Ende wie eine irrwitzige Mischung aus Elton John und Elvis Costello, wozu auch die Middle 8 passt, in der die drei Gesangsstimmen durcheinander erklingen.
Brainwascht
Meine Güte: ein tanzbarer Song von Ben Folds! Die offizielle Version von “Brainwascht” ist zwar völlig anders, aber ungefähr genauso cool wie die auf dem Fake-Album. Es rockt und im Text geht es mal wieder um schlimme Frauen, die einst coole Typen völlig ummodeln sie somit für ihre Kumpels ruinieren. Das ist vielleicht nicht nett, aber lustig.
Effington
Ein Männerchor singt “If there’s a God/He’s laughing at us/And our football team”, dann entspinnt Folds die Utopie eines Pleasantvilles, das Effington heißt. Textlich klug, musikalisch auf höchstem Niveau. Wenn jedes Lied auf dem Album so wie “Effington” wäre, wäre es Folds’ bestes (“Effington”, live in Bochum).
Kylie From Connecticut
Die traditionelle Ballade zum Schluss, Dreivierteltakt, ein Name im Titel: klassischer Folds. Hier erzählt er die Geschichte einer älteren Frau, die mit ihrem Leben unzufrieden ist — also irgendwie das weibliche Gegenstück zu Fred Jones. Anrührend, schön, versöhnlich zum Schluss.
Fazit
“Way To Normal” ist sicher nicht Ben Folds’ bestes Album. Vielleicht ist es sogar sein schwächstes. Manche Songs kommen über zwei nette Ideen nicht hinaus, andere sind so außergewöhnlich, dass das ganze Album am Ende merkwürdig heterogen klingt.
Anders als bei vorherigen Alben wird dieses hier allerdings nach hinten hin besser und hat mit “Hiroshima”, “Cologne”, “Brainwascht” und “Effington” dann doch noch einiges auf der Habenseite. Ich vermute trotzdem, dass ich “Way To Normal” noch ein paar Monate lang hören und dann vergessen werde.
Ben Folds – Way To Normal
VÖ: 26.09.2008
Label: Epic
Vertrieb: SonyBMG