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Jugend hetzt

Bild gibt den Pleite-Griechen die Drachmen zurück

Ich ken­ne Paul Ron­z­hei­mer nicht per­sön­lich. Er ist Redak­teur im Par­la­ments­bü­ro der „Bild“-Zeitung. Heu­te wird er gemein­sam mit sei­nem Kol­le­gen Niko­laus Blo­me den mit 10.000 Euro dotier­ten Her­bert Quandt Medi­en-Preis für ihre gemein­sa­me Arti­kel-Serie „Geheim­ak­te Grie­chen­land“ erhal­ten. (Mehr dazu bei Ste­fan Nig­ge­mei­er.)

Das alles wäre ange­denk der Grie­chen­land-Bericht­erstat­tung von „Bild“ schon bizarr genug, aber Ron­z­hei­mer ist ein paar Jah­re jün­ger als ich. Wie die meis­ten Jung­jour­na­lis­ten begann auch Ron­z­hei­mer sei­ne Kar­rie­re bei einer Regio­nal­zei­tung, in sei­nem Fall der „Emder Zei­tung“, sei­nen ers­ten Auf­tritt vor einem Mil­lio­nen­pu­bli­kum hat­te er im Febru­ar 2005 im „Quiz mit Jörg Pila­wa“ im ARD-Vor­abend. Anschlie­ßend muss er auf die schie­fe Bahn gera­ten sein, denn vom Janu­ar bis Juni 2008 besuch­te er die Axel Sprin­ger Aka­de­mie.

Bei Sprin­ger mach­te er als­bald Kar­rie­re: Mit Anfang Zwan­zig frag­te er einen drei­mal so alten Jugend­for­scher, wie „die Jugend von heu­te“ denn so ticke, nach einem hal­ben Jahr bei „Welt kom­pakt“ wech­sel­te er zu „Bild“. Ers­te Meri­ten erwarb er sich dort, als er mit einer Kol­le­gin den dama­li­gen SPD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Jörg Tauss ins „Bild-Ver­hör“ nahm, gegen den damals wegen des Besit­zes von kin­der­por­no­gra­phi­schem Mate­ri­al ermit­telt und der spä­ter des­we­gen ver­ur­teilt wur­de. Auf dem Höhe­punkt der Dis­kus­si­on um die soge­nann­ten Inter­net­sper­ren (die Älte­ren wer­den sich erin­nern) stell­te Ron­z­hei­mer Tauss dann als durch­ge­knall­ten Per­vers­ling dar und trug so zur Stim­mungs­ma­che von „Bild“ für die heu­te längst ver­ges­se­nen Plä­ne der dama­li­gen Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Ursu­la von der Ley­en bei.

Vor­läu­fi­ger Höhe­punkt von Ron­z­hei­mers noch jun­ger Kar­rie­re bei „Bild“ (und damit ein Tief­punkt für die deutsch-grie­chi­schen Bezie­hun­gen und die Rol­le des Jour­na­lis­mus in Deutsch­land) war der Tag, an dem er „den Plei­te-Grie­chen die Drach­men zurück“ gab. Da stand er auf dem Athe­ner Omo­nia-Platz und wedel­te mit Drach­men-Schei­nen im Gegen­wert von 30 Euro.

Und das Irre: Vie­le jubeln und rei­ßen sich dar­um…

In der Per­son Ron­z­hei­mers, der zu die­sem Zeit­punkt schon eini­ge Drecks­ar­beit für die Volks­ver­het­zungs-Taskforce von „Bild“ erle­digt hat­te, über­schritt die Zei­tung an jenem Tag end­gül­tig die Gren­ze zwi­schen Bericht­erstat­ter und Akteur. Es war ein „wir“ („Bild“, Deutsch­land, die Guten) gegen ein „die“ (die Plei­te-Grie­chen) gewor­den, dar­an ließ der Schluss sei­nes „Arti­kels“ kei­ne Zwei­fel:

Seit Tagen spe­ku­lie­ren grie­chi­sche und eng­li­sche Zei­tun­gen dar­über, dass die „Bank of Greece“ angeb­lich bereits ein Not­pro­gramm zur Rück­kehr zur Drach­me vor­be­rei­tet.

Das wäre auch für unse­ren Euro das Bes­te …

Ron­z­hei­mers Arbeit blieb nicht fol­gen­los:

Auch BILD.de-Reporter Paul Ron­z­hei­mer bekam die Anti-Stim­mung vie­ler Grie­chen zu spü­ren. Vie­le sind sau­er auf die Deut­schen, blaff­ten ihn in Athen an.

Einer droht mit der Faust, brüllt: „Ver­schwin­det hier!“ Ein ande­rer: „Ihr Deut­schen wollt uns doch am Abgrund sehen…“

Und über das Inter­net bekommt der Repor­ter seit Tagen dut­zen­de Hass-Emails. Der Inhalt: Immer wie­der NS-Ver­glei­che…

Neben sei­nen inten­si­ven Abriss­ar­bei­ten am deutsch-grie­chi­schen Ver­hält­nis und einem Aus­flug zu den inter­es­san­ter­wei­se nicht so genann­ten Plei­te-Iren fand Ron­z­hei­mer noch die Zeit, isla­mo­pho­be Inter­es­sen zu bedie­nen: Im Okto­ber 2010 berich­te­te er im Rah­men der „Bild“-Serie „Wenn Mul­ti-Kul­ti zum Irr­sinn wird“ über den „Islam-Miet­ver­trag“ für ein Ber­li­ner Hoch­haus. Weil die mus­li­mi­schen Besit­zer der Geschäfts­im­mo­bi­lie ihren poten­ti­el­len Mie­tern „Glücks­spie­le …, Pro­sti­tu­ti­on, Ver­kauf, Pro­duk­ti­on, Ver­trieb oder Ver­mark­tung von Alko­hol oder Schwei­ne­fleisch, zins­ba­sier­tes Bank­ge­schäft, Finanz­ge­schäf­te oder Finanz­dienst­leis­tun­gen sowie Ver­si­che­rungs­ge­schäft, mit Aus­nah­me von Ver­si­che­run­gen auf Gegen­sei­tig­keit“ unter­sag­ten, brüll­te Ron­z­hei­mer staats­tra­gend in die Welt:

Es ist ein Fall, der viel­leicht mehr über Inte­gra­ti­on in Deutsch­land ver­rät als alle Poli­ti­ker-Dis­kus­sio­nen zusam­men.

IN BERLIN GIBT ES JETZT DEN ERSTEN MIETVERTRAG MIT ISLAM-KLAUSEL!

Was genau sol­che Auf­la­gen „über Inte­gra­ti­on in Deutsch­land“ ver­ra­ten, ver­riet Ron­z­hei­mer dann zwar nicht, dafür muss­te er sich vom Deut­schen Mie­ter­bund erklä­ren las­sen, dass der Ver­mie­ter einer gewerb­lich genutz­ten Immo­bi­lie „alle mög­li­chen Bedin­gun­gen stel­len“ darf. Die öffent­li­che Ord­nung oder die freie Markt­wirt­schaft schei­nen dadurch nicht wirk­lich in Gefahr, denn „in dem Gebäu­de in Ber­lin sind meh­re­re Eta­gen nicht belegt“.

Im Dezem­ber durf­te Ron­z­hei­mer mit den ein­schlä­gig erfah­re­nen Kol­le­gen Rolf Klei­ne und Gui­do Bran­den­burg wild, aber ahnungs­los auf der ARD rum­ha­cken, weil die „aus­ge­rech­net kurz vor Weih­nach­ten“ (also am 8. Juni) die Aus­strah­lung ihres Pro­gramms über den Satel­li­ten Hot­bird ein­ge­stellt hat­te und die deut­schen Sol­da­ten in Afgha­ni­stan „nur noch in die Röh­re“ schau­en konn­ten.

Ron­z­hei­mers bis­he­ri­ges Lebens­werks erweckt nicht unbe­dingt den Ein­druck, als sei er jemand, der sich über­mä­ßig für Details oder grö­ße­re Zusam­men­hän­ge inter­es­siert. Damit wäre er bei „Bild“ frei­lich nur einer unter vie­len, aber Ron­z­hei­mer ist gera­de mal 25 Jah­re alt. Und da setzt mei­ne Vor­stel­lungs­kraft aus.

Was bringt jeman­den, der bei Face­book angibt, die „Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung“, den „Inde­pen­dent“, „Guar­di­an“, die „New York Times“ und den „New Yor­ker“ zu mögen (wit­zi­ger­wei­se aber auch „Grie­chen­land Zei­tung, Athens News, Ber­lin, Breath­ta­king Athens (All about Tra­vel /​ Visit Athens ), Greece“), dazu, in Euro­pas größ­ter Bou­le­vard­zei­tung Halb­wahr­hei­ten und plum­pe Het­ze zu ver­brei­ten? In einem Alter, in dem die meis­ten ande­ren Men­schen kei­ne Tages­zei­tung lesen? Laut Tarif­ver­trag ver­dient ein Redak­teur im 1. bis 3. Berufs­jahr fast 3.000 Euro brut­to, aber das allein kann doch kei­ne Erklä­rung sein.

Man muss ja noch nicht mal Max Goldt bemü­hen, der jeden, „der zu die­ser Zei­tung bei­trägt“, als „gesell­schaft­lich abso­lut inak­zep­ta­bel“ bezeich­net hat­te, denn es ist ja nicht nur der Umstand, dass Ron­z­hei­mer für „Bild“ arbei­tet, son­dern vor allem das wie. Man wüss­te zu ger­ne, was in ihm vor­ging, als er da in Athen stand und „mit Drach­men-Schei­nen wedel­te wie mit Bana­nen vor Affen im Zoo“ (Mich­a­lis Pan­te­lou­ris). Ich wüss­te gern, ob sei­ne Eltern stolz sind auf das, was ihr Sohn da macht, oder ob sie sich für ihn schä­men. Ich mei­ne: 25, das ist jün­ger als mei­ne klei­ne Schwes­ter!

Mein Welt­bild lässt es zuge­ge­be­ner­ma­ßen schon nur schwer zu, dass Men­schen unter 80 in die Jun­ge Uni­on oder bei den Jung­li­be­ra­len ein­tre­ten und ihre hoch­schul­po­li­ti­schen Metz­ger damit nicht nur wäh­len, son­dern sel­ber Teil davon sind. Ande­rer­seits ver­zei­he ich jedem hoch­ta­len­tier­ten Jung­fuß­bal­ler einen Wech­sel zum FC Bay­ern, auch wenn sich die wenigs­ten dort durch­set­zen. Aber ein Kerl wie Ron­z­hei­mer, der lässt mich völ­lig rat­los zurück. Er ist ja offen­sicht­lich nicht dumm, man muss also anneh­men, dass er sehr genau weiß, an was für men­schen­ver­ach­ten­den, bös­wil­li­gen Kam­pa­gnen er da flei­ßig mit­ar­bei­tet.

Mehr noch: Ron­z­hei­mer scheint sich bei sei­ner Arbeit ja rich­tig wohl zu füh­len. Was treibt die­sen offen­sicht­lich Getrie­be­nen an? Woher kommt sein Hass auf die Grie­chen? Oder hat er gar kei­nen Hass und hetzt nur gegen das gan­ze Volk, weil er es kann – und bei „Bild“ auch soll? Und wäre letz­te­res nicht sogar noch schlim­mer?

Vor rund zwan­zig Jah­ren gab es bei „Bild“ schon mal einen jun­gen Über­flie­ger mit läs­si­ger Fri­sur und sty­li­scher Bril­le. Sein Name: Kai Diek­mann. Vor Paul Ron­z­hei­mer liegt womög­lich eine gro­ße Zukunft.