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Digital Gesellschaft

Scheiß auf Freunde bleiben

Kürz­lich frag­te ich in die Run­de der Dins­la­ke­ner Schul- und Jugend­freun­de, ob und wie sie eigent­lich online zu errei­chen wären. MySpace, Face­book, Live­Jour­nal, Twit­ter, last.fm, … – es gäbe da ja zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten. Eine der Ant­wor­ten lau­te­te sinn­ge­mäß, der­ar­ti­ge Platt­for­men sei­en Zeit­ver­schwen­dung und dien­ten nur der Aus­brei­tung des Pri­vat­le­bens vor den Augen der Welt­öf­fent­lich­keit, per­sön­li­che Gesprä­che sei­en doch viel bes­ser.

Nun kann man natür­lich dar­über strei­ten, ob eine sol­che Aus­sa­ge nicht eher zu grei­sen Redak­teu­ren Lesern der „Süd­deut­schen Zei­tung“ pas­se als zu auf­ge­schlos­se­nen Mitt­zwan­zi­gern – noch dazu, wenn die­se schon aus beruf­li­chen Grün­den am Erhalt und Aus­bau von Netz­wer­ken inter­es­siert sein soll­ten. Ich will aber gar nicht dar­über urtei­len, jeder Mensch soll bit­te genau so leben und kom­mu­ni­zie­ren, wie er es für rich­tig hält. Ich will auf etwas völ­lig ande­res hin­aus: Die Gesell­schaft wird sich über kurz oder lang nicht mehr (nur) in alt und jung, arm und reich, oder nach Wohn­or­ten auf­tei­len, die Gren­ze wird ent­lang von „online“ und „off­line“ ver­lau­fen.

Natür­lich: Ich ver­wei­ge­re mich ja auch vehe­ment der Nut­zung von Stu­diVZ (seit dem Ein­trag sind bei denen noch mal etwa drei Dut­zend neue Sün­den­fäl­le hin­zu­ge­kom­men). Wer das tut, ver­schließt sich auto­ma­tisch einem brei­ten Teil sei­ner Alters­ge­nos­sen, denn wenn jemand von denen online ist, dann bei Stu­diVZ. Ande­rer­seits stellt sich sowie­so die Fra­ge, ob man Leu­te, denen man in der Uni oder gar in der Schu­le ab und zu „Hal­lo“ gesagt hat, in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den „Wie geht’s?“ fra­gen und ihnen zum Geburts­tag gra­tu­lie­ren soll­te, wenn einen die ent­spre­chen­de Web­site dar­auf hin­weist. Ich habe Schul­freun­de, die nicht bei Goog­le zu fin­den sind, und zu denen ich seit Jah­ren kei­nen Kon­takt mehr habe, was ich immer­hin auf­rich­ti­ger fin­de, als wenn sie Kar­tei­lei­chen in mei­nem Face­book-Account wären.

Die meis­ten Leu­te, die davon spre­chen „im Inter­net“ zu sein, mei­nen damit ihre E‑Mail-Adres­se für die gan­ze Fami­lie bei T‑Online, bei der sie ein­mal in der Woche nach elek­tro­ni­scher Post gucken. Das ist völ­lig in Ord­nung und wer sei­ne Eltern oder gar Groß­el­tern ein­mal so weit gebracht hat, will ihnen nicht auch noch Use­net, IRC, Instant Mes­sen­ger und VoIP-Diens­te erklä­ren. Als mei­ne Groß­mutter mir ein­mal in einem Neben­satz mit­teil­te, dass sie die­ses Blog hier lese, hät­te ich fast mei­nen Kaf­fee gegen den Fern­se­her über den Tisch geprus­tet.

Außen­ste­hen­den zu erklä­ren, wor­um es sich beim Bar­camp Ruhr oder der re:publica han­del­te, wird schwie­ri­ger, je tie­fer man in der Mate­rie drin ist. Zwar konn­te ich gera­de noch so erklä­ren, was ein Start­up ist („ein jun­ges Unter­neh­men im Inter­net“), aber die Fra­ge nach Twit­ter hät­te ich nicht beant­wor­ten wol­len – geschwei­ge denn die Fra­ge, was man denn davon über­haupt habe.

Wäh­rend die gro­ße Mehr­heit an Leu­ten im Inter­net höchs­tens Nach­rich­ten „Spie­gel Online“ liest, befasst sich ein klei­ner Kreis von Leu­ten mit immer schnel­ler wech­seln­den Spiel­zeu­gen. Aus der Mode gekom­me­ne Sachen sind heu­te nicht mehr „so 2000“, son­dern „so März 2008“. Das, was ich mitt­ler­wei­le doch ganz ger­ne „Web 2.0“ nen­ne, ist selbst für vie­le Leu­te, die in Web­fo­ren und ähn­li­chen 1.0‑Gebilden aktiv sind, oft genug noch ter­ra inco­gni­ta.

Ich war selbst lan­ge Zeit skep­tisch, was vie­le die­ser Din­ge angeht, habe aber mit der Zeit gemerkt, dass es gar nicht weh­tut, Social Net­works zu nut­zen, zu twit­tern oder zu Tref­fen (pl0gbar, Bar­camp, re:publica) hin­zu­ge­hen. So habe ich über das Web 2.0 neue Leu­te ken­nen­ge­lernt und sogar neue Freun­de gefun­den. Mein Bekann­ten­kreis glie­dert sich zuneh­mend in On- und Off­li­ner, wobei ich mit ers­te­ren fast täg­lich in Kon­takt ste­he, mit letz­te­ren meist nur noch zu Weih­nach­ten.