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Rundfunk Digital Gesellschaft

Wo die Maus die Locken hat

Ich bin der Meinung, wir hatten diese Woche noch nicht genug Pubertäts- und Nackedeicontent. Das lässt sich aber ganz schnell ändern:

Letzten Freitag veröffentlichte “Spiegel Online” einen Artikel unter der Überschrift “Wirbel um Vanessa Hudgens: Die Teeniestars und das sehr private Foto”. Wirbel um mir persönlich völlig unbekannte Menschen finde ich immer interessant und so erfuhr ich, dass Vanessa Hudgens in dem popkulturellen Ereignis unserer Zeit mitgespielt hat, das völlig an mir vorbeigegangen ist: “High School Musical”. Der “Wirbel” um das “sehr private Foto” bestand darin, dass im Internet ein Foto aufgetaucht war, das die 18jährige Schauspielerin unbekleidet zeigt. Eine Situation, die einer nicht gerade geringen Zahl ihrer (nicht prominenten) Altersgenossinnen ebenfalls drohen könnte.

Nun ist es ja sowieso schon mal ein interessanter Ansatz, über einen “US-Shootingstar” zu berichten, der 98% der eigenen Zielgruppe völlig unbekannt sein dürfte. Noch cleverer ist natürlich, im Internet über Nacktfotos im Internet zu berichten – man muss die Bilder ja nicht mal zeigen oder verlinken, die Leser werden sie schon von ganz alleine finden. Und siehe da: Jo, es gibt ein Nacktfoto, man kann es an vielen Orten finden und es ist, um es vorsichtig auszudrücken: unspektakulär. In Deutschland findet man das in jedem Biologiebuch der achten Klasse und jede Woche in der “Bravo”, in den USA halt eher nur auf den Festplatten von Teenagern und irgendwann dann halt im Internet.1

Man kann den sonst ausschlachtungswütigen US-Medien noch nicht mal vorwerfen, sie hätten sonderlich aufbrausend über den Fall berichtet. Miss Hudgens entschuldigte sich für den Vorfall (bzw. dafür, die Bilder je angefertigt zu haben) und auch als das Gerücht die Runde machte, sie habe diese oder ähnliche Bilder vor ein paar Jahren per E-Mail an den (in Deutschland nun völlig unbekannten) Nickelodeon-Star Drake Bell geschickt, sagt der Disney Channel in einer Erklärung nur:

“Vanessa has apologized for what was obviously a lapse in judgment. We hope she’s learned a valuable lesson.”

“Spiegel Online”, denen die Geschichte wirklich am … äh: Herzen liegen muss, schrieb gestern dann:

Sollte Hudgens ihre Rolle weiter spielen dürfen, könnte das Saubermann-Image des Konzerns Schaden nehmen. Schließlich könnten, so spekuliert das Blatt, weitere ähnliche Bilder auftauchen. Die Alternative wäre, die Aktrice aus der Show zu werfen. Doch dann müssten Millionen Eltern in ganz Amerika ihren Kindern erklären, warum ihr Liebling nicht mehr im dritten Film mitspielt – und das könnte für Disney ein noch größeres Desaster werden.

Es scheint also zumindest so, dass Disney die Zugkraft von Vanessa Hudgens für das franchise höher einschätzt als die “verstörende Wirkung” der Bilder. Das findet nicht nur der Blogger McCafferty bemerkenswert:

With that, an enormous scandal simply evaporated. Disney responded in a mature and adult manner, and the rest of Hollywood said, “Oh…”

I just do not get it! Hollywood executives behaving in a completely civilized way. What is our world coming to?

If this type of behavior were to continue, who knows what else might happen or might have happened? Imagine George Bush in 2002-2003 telling the nation that he really wanted to invade Iraq, but his inspectors were not able to find weapons of mass destruction. Would George really have said, “Let’s avoid a blood bath and spend our time fighting the real war on terror.”

Nun kann man hinter der ganzen Aktion natürlich einen geschickten PR-Schachzug vermuten, denn immerhin kennen Sie und ich nun Vanessa Hudgens (möglicherweise sogar besser, als uns lieb ist). Andererseits dürfte der derzeitige Ausgang der Geschichte so kaum zu erwarten und das Risiko deshalb enorm gewesen sein.

Die Elternverbände, die jetzt vielleicht noch ein bisschen randalieren werden, fallen unter die Rubrik “Brauchtum” und ihre Mitglieder wären besser beraten, ihren eigenen Kindern ein paar Grundregeln in Sachen E-Mail-Versand von Fotos beizubringen.

Und falls Disney sie doch noch rausschmeißt: Vanessa Hudgens soll ein Angebot über 500.000$ von “Girls Gone Wild” vorliegen.

1 Das Phänomen einer wachsenden Zahl junger Leute, die Halbnackt- oder Nacktbilder von sich selbst ins Internet stellen, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt zu behandeln versuchen.

Nachtrag 14. September: “Spiegel Online” hat an dem Thema wirklich einen Nackten Narren gefressen und bringt heute schon die dritte Meldung über Vanessa Hudgens: Sie habe ihren Auftritt in der Tonight Show mit Jay Leno abgesagt.

Der Text kulminiert in diesem Absatz:

Hudgens ist bereits die zweite Jungschauspielerin, die in der jüngsten Vergangenheit dem TV-Talker Jay Leno einen Korb gegeben hat. Erst im Juli hatte sich Lindsay Lohan nach einer Trunkenheitsfahrt geweigert,
bei Leno aufzutreten (mehr…).

Der arme Jay Leno …